OGH 13Os40/04

OGH13Os40/0419.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ronald Sch***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 13. Jänner 2004, GZ 52 Hv 167/03a-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé, des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Hartenau zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch wegen vollendeten Inverkehrsetzens einer großen Menge THC und im Kostenausspruch unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen versuchten Inverkehrsetzens einer weiteren großen Menge THC sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

In Ansehung von 2,5 Gramm THC - die über der im unberührt gebliebenen Schuldspruch enthaltenen (einen) großen Menge liegen - hat Ronald Sch***** das Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG begangen. Er wird hierfür und für das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG nach § 28 Abs 2 SMG in Anwendung der §§ 28 Abs 1, 31 Abs 1 StGB unter Bedacht auf die zum AZ 29 U 291/02h des Bezirksgerichtes Salzburg verhängte Strafe zu einer Zusatzfreiheitstrafe von vier Monaten

verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung

verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ronald Sch***** wurde eines Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und eines als Versuch begangenen Verbrechens nach § 15 StGB, § 28 Abs 2 vierter Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er im Herbst 2002 in Salzburg den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in jeweils einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt und in Verkehr zu setzen versucht, indem er eine 125-Gramm-Platte von 6 %igem Cannabisharz und - kurz darauf - drei weitere 125-Gramm-Platten von 4 %igem Cannabisharz, mithin insgesamt 22,5 Gramm THC, an Ferdinand H***** übergab.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der aus Z 5 erhobene Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der Qualität des Suchtgiftes scheitert schon daran, dass der Beschwerdeführer die dazu angestellten eingehenden Erwägungen der Tatrichter (US 8 f) übergeht. Dass der Zeuge H***** "weder vor der Sicherheitsbehörde, noch vor dem Untersuchungsrichter dezidiert behauptet" habe, "die gesamten Platten veräußert zu haben", ist unrichtig (AS 63 erster Absatz). Soweit die Beschwerde bloß einzelne, im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen kritisiert, ist sie nicht am Verfahrensrecht ausgerichtet.

Warum zwischen der Erwägung, wonach es "nicht lebensnah wäre, dass Ferdinand H***** nach dem ersten Ankauf einer Cannabisplatte weiteres Suchtgift vom Angeklagten ankauft, hätte es eine dermaßen schlechte Qualität von nur rund 1 %" (US 9), und "der weiteren Feststellung, wonach der Zeuge nach dem Ankauf der drei Platten den weiteren Ankauf von Suchtgift wegen schlechter Qualität abgelehnt hat", ein "unlösbarer Wiederspruch" bestehen soll, wird nicht deutlich. Der Wille, über die in Verkehr gesetzte (eine) große Menge hinaus eine weitere in Verkehr zu setzen, wurde gar wohl begründet und das Scheitern des Vorhabens damit erklärt, dass H***** den Ankauf weiterer Cannabisplatten wegen der schlechten Qualität der zuletzt gelieferten ablehnte. Auch hat das Schöffengericht, dem Beschwerdevorbringen (sachlich Z 10) zuwider, exakte Feststellungen zur Menge der Reinsubstanz getroffen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) missachtet schließlich die zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen. Aus Anlass der demnach unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof - in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur - davon überzeugt, dass das Schöffengericht den Angeklagten zu Unrecht in Hinsicht auf die bei der zweiten Übergabe nach Abzug von 20 Gramm THC verbliebene Restmenge von 2,5 Gramm statt bloß des Vergehens nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG wegen versuchten Inverkehrsetzens einer weiteren großen Menge THC nach § 15 StGB, § 28 Abs 2 vierter Fall SMG schuldig erkannt hat (§ 290 Abs 1 zweiter Satz, § 281 Abs 1 Z 10 StPO). Er sah sich daher zu einem amtswegigen Vergehen veranlasst. Dies gibt ihm die Gelegenheit zur Abgrenzung von strafbarem Versuch nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und dem Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG klärend Stellung zu beziehen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 21 ff, insb 26).

Zwar hat das Schöffengericht seiner Entscheidung zutreffend die von der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes herausgearbeiteten Grundsätze über das Inverkehrsetzen großer Suchtgiftmengen zugrunde gelegt (13 Os 156/02, 13 Os 10/03, 15 Os 134/03, 15 Os 154/03, 14 Os 166/03, 13 Os 1/04; aM Schwaighofer/Maurer, AnwBl 2003, 597, welche jedoch den dogmatischen Begriff der tatbestandlichen Handlungseinheit verkennen [dazu statt aller: Jescheck/Weigend AT5 711 ff] und übersehen, dass die Deutung des auf das Tatobjekt des § 28 Abs 2 SMG bezogenen "ein" als Zahlwort nicht auf historisch teleologischen Überlegungen beruht, sondern den äußerst möglichen Wortsinn mit Blick auf das Gesetzlichkeitsprinzip des § 1 StGB absteckt).

Nach § 15 Abs 2 StGB ist die Tat des unmittelbaren Täters erst dann versucht, wenn er seinen - vorliegend konstatierten - Entschluss, sie auszuführen, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Versuchshandlung - im Gegensatz zur Vorbereitungshandlung - ist daher nur eine Handlung, die bereits die Ausführung der Tat ist oder doch dieser Ausführung unmittelbar vorangeht (statt aller: Fuchs AT I6 29/19 f).

Das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG wird dadurch ausgeführt, dass eine große Menge eines Suchtgiftes (§ 28 Abs 6 SMG), über welche der Täter tatsächlich verfügt, in Verkehr gesetzt wird. Geschieht das Inverkehrsetzen mehraktig, liegt eine solche Ausführungshandlung erst dann vor, wenn sich diese tatsächliche Verfügungsgewalt über eine insgesamt große Menge zur Gänze realisiert hat. Entscheidend für die Ausführungsnähe beim mehraktigen Inverkehrsetzen einer insgesamt großen Menge Suchtgift ist demnach jener Akt, der beim in Verkehr gesetzten Suchtgift zum Erreichen der Grenzmenge führt, gleichsam "das Fass zum Überlaufen bringt" (vgl auch Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 124).

So gesehen, lag bei der mit dem Ziel, durch nachfolgende gleichartige Handlungen insgesamt eine weitere große Menge THC an Ferdinand H***** in Verkehr zu setzen, erfolgten Übergabe dreier Cannabisplatten, die nicht nur zum Erreichen der Grenzmenge, sondern auch zum Inverkehrsetzen einer Restmenge von 2,5 Gramm THC geführt hat, in Hinsicht auf das Inverkehrsetzen einer zweiten großen Menge dieses Suchtgiftes noch keine Ausführungshandlung oder ausführungsnahe Handlung vor, sodass das Inverkehrsetzen der Restmenge vorliegend nicht als Versuch einer Straftat nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG zu beurteilen ist, vielmehr bloß das Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG begründet.

Bei der Strafneubemessung war - anders als es das Erstgericht bei der Verhängung einer unmittelbar zu vollziehenden Zusatzfreiheitsstrafe von vier Monaten getan hat - nur auf die eingangs erwähnte Verurteilung des Bezirksgerichtes Salzburg nach § 31 Abs 1 StGB Bedacht zu nehmen, weil dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. September 2003, GZ 57 Hv 1051/03p-25, nach dem 23. April 2003 (dem Zeitpunkt des Ersturteils in dem zum AZ 29 U 291/02h des Bezirksgerichtes Salzburg geführten Verfahren) gesetzte Taten zugrunde lagen (14 Os 129/99 uva).

Angesichts des Zusammentreffens eines Verbrechens mit sechs Vergehen (fünffache vorsätzliche Körperverletzung sowie jenes nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG) und mehrerer einschlägiger Vorstrafen hält der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von weniger als vier Monaten ebenso wenig für angebracht wie deren schon aus spezialpräventiven Gründen ausgeschlossene bedingte Nachsicht.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a StPO.

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