OGH 14Os166/03

OGH14Os166/0327.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kingsley E***** wegen der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 8. Oktober 2003, GZ 11 Hv 156/03g-61, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, wird in dem zu Punkt 7) ergangenen Schuldspruch und demzufolge auch im Ausspruch einer Freiheitsstrafe einschließlich der Vorhaftanrechnung, jedoch ausgenommen das Abschöpfungserkenntnis, aufgehoben und im Umfang der Aufhebung - vorerst - an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kingsley E***** der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt.

Demnach hat er in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig teils in Verkehr gesetzt, teils in Verkehr zu setzen versucht, indem er

  1. 1) im Jahr 2000 unbekannte Mengen Heroin an Heike Bärbel Z*****,
  2. 2) vom Jänner 2001 bis Anfang Juli 2002 insgesamt 700 Gramm Heroin und 25 Gramm Kokain an Nicole K*****,

    3) vom Jänner bis Februar 2002 insgesamt 35 Gramm Heroin an Sid Ali C*****,

    4) vom März bis April 2002 insgesamt zumindest 2 Gramm Heroin an Erich D*****,

    5) im Sommer 2002 insgesamt zumindest 3 Gramm Heroin an Markus S*****,

    6) im Jahr 2002 insgesamt zumindest 30 Gramm Heroin an Ijem Ch***** gewinnbringend verkaufte und

    7) am 28. Jänner 2003 27 Gramm Heroin und 17,1 Gramm Kokain zwecks gewinnbringenden Verkaufs an Kaufinteressenten in seiner Wohnung zwischenlagerte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5a, (nominell) 9 lit a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nur teilweise im Recht.

Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens anhand der Akten ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die den Schuldspruch 1) bis 6) tragenden Konstatierungen. Der Angeklagte bekämpft vielmehr in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Weise die von den Tatrichtern logisch und empirisch einwandfrei auf die als glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugen Heike Bärbel Z***** (US 4 f), Nicole K***** (US 5 f) und Ijem Ch***** (US 7) gegründete Beweiswürdigung. Warum der Umstand, dass der Beschwerdeführer im August 2001 um Asyl ansuchte, früheren - die Fakten 1) und 2) ermöglichenden - Inlandsaufenthalten entgegenstehen sollte, legt die Beschwerde nicht substantiiert dar. Ihr betreffender Appell an die Verpflichtung zu amtwegiger Wahrheitsforschung unterlässt es darzutun, warum der Angeklagte an bezüglicher Beweisführung gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480). Das Argument, es sei wenig wahrscheinlich, dass Nicole K***** nahezu die gesamten von ihr konsumierten Suchtmittel ausschließlich vom Angeklagten bezogen habe, lässt außer Acht, dass es sich bei diesem nach den Urteilsannahmen um den "Stammdealer" der Genannten handelte (US 5).

Mit der Motivlage des (sich hiedurch selbst belastenden) Zeugen Ch***** haben sich die Tatrichter auseinandergesetzt. Dass es im Drogenmilieu gelegentlich zu wechselseitigen Verkäufen von Drogen kommt, bedarf als notorische Tatsache keiner näheren Erörterung. In der Rechtsrüge (Z 9 lit a; richtig Subsumtionsrüge - Z 10) zum Schuldspruch 7) zeigt der Beschwerdeführer zu Recht auf, dass ein die Beurteilung des Tatgeschehens als der Ausführung unmittelbar vorangehende Tathandlung (§ 15 Abs 2 StGB) ermöglichendes Sachverhaltssubstrat fehlt:

Bei einer durch den Additionseffekt erreichten Grenzmenge liegen bezüglich einer "Restmenge" (womit der nach gedanklichen Abzug der in der Gesamtmenge enthaltenen "großen" Mengen [= Grenzmengen] verbleibende Überrest des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes gemeint ist) und gleichermaßen im Fall eines Einzelaktes (wie - trotz eines Gesamtvorsatzes - beim sukzessiven Inverkehrsetzen) ein (oder mehrere) Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster oder siebenter Fall SMG oder ein im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG vor. Ob hinsichtlich des für sich allein die große Menge nicht erreichenden Suchtgiftquantums statt § 27 Abs 1 sechster oder siebenter Fall SMG ein solches im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG anzunehmen ist, hängt fallbezogen davon ab, ob der Täter seinen Entschluss, erneut eine große Menge in Verkehr zu setzen, schon durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat (vgl 13 Os 10/03).

Dazu wird im Ersturteil lediglich ausgeführt, dass die zu Punkt 7) des Schuldspruchs genannten Drogen zwischengelagert waren (US 8 f), aber nicht der "Bevorratung" dienten, sondern "weiter etappenweise in Verkehr hätten werden gesetzt sollen" (US 12 f). Selbst unter Berücksichtigung der weiteren Umstände (bereits abgepacktes Suchtgift, sichergestelltes Verpackungsmaterial, Suchtgiftwaage, Handys, die für Suchtgiftdeals bereits benutzt wurden; vgl US 8 f) fehlen aber Urteilsannahmen, wonach ein Inverkehrsetzen dieser zwischengelagerten Suchtmitteln unmittelbar bevorstand. Mangels Feststellungen zur zeitlichen Komponente des § 15 Abs 2 StGB haftet daher dem Urteil der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO an.

Im Hinblick darauf wird das erkennende Gericht im neu durchzuführenden Verfahren darauf Bedacht zu nehmen haben, dass der Angeklagte nach den bisherigen Verfahrensergebnissen beim Verlassen der Wohnung verhaftet wurde und die zu Punkt 7) des Schuldspruchs inkriminierten Suchtgifte erst danach in den Räumen des Beschwerdeführers sichergestellt wurden (vgl S 171 ff/I). Andererseits wird aber zu beachten sein, dass der Angeklagte nach den Urteilsannahmen bereits eine "höhere Stellung in der Hierarchie der Drogenmafia einnahm" und "nicht nur ein einfacher Streetrunner war" (US 10).

Im zweiten Rechtsgang wird auch zu berücksichtigen sein, dass die zum Faktum 7) genannten Suchtgiftquanten nach dem kriminaltechnischen Untersuchungsbericht - entgegen den missverständlich formulierten Urteilskonstatierungen ("netto") - für sich allein die Grenzmenge nicht erreichten (Reinsubstanz an Heroin: 1,17 +/- 0,09 g; S 377/I). Je nach bezüglicher Subsumtion wird ferner bei der Strafrahmenbildung zu beachten sein, dass lediglich die zu 7) inkriminierte Tat bereits als jugendlicher Erwachsener gesetzt wurde (vgl Mayerhofer Nebenstrafrecht4 § 5 JGG E 8 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war, soweit ihr nicht nach § 285e StPO Folge zu geben war, nach § 285d Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Bleibt anzumerken, dass die Berufung gegen das Abschöpfungserkenntnis noch offen ist.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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