Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. April 1998, GZ 13 Vr 336/98-10, verletzt § 31 Abs 1 StGB, soweit bei Verhängung einer Zusatzstrafe auch auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11. November 1997, GZ 31 EVr 2.522/97-10, Bedacht genommen wurde.
Der zugleich gefasste Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt auf Widerruf der bedingten Nachsicht eines Teils der mit dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg verhängten Freiheitsstrafe verletzt § 55 Abs 1 StGB. Dieser Beschluss wird aufgehoben. Der auf den Widerruf gerichtete Antrag der Staatsanwaltschaft wird abgewiesen.
Der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Juni 1999, GZ 31 EVr 2.522/97-49, verletzt § 410 Abs 1 StPO, soweit die Entscheidung über einen neuerlichen Antrag des Verurteilten auf nachträgliche Milderung der vom Landesgericht Salzburg verhängten Strafe dem Landesgericht Klagenfurt abgetreten wurde.
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die Beschwerden des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22. Juli 1999, GZ 13 Vr 336/98-35, übermittelt.
Text
Gründe:
Gernot S***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 22. Mai 1997, GZ 4 U 307/97k-9, des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Wegen nach diesem Urteil vom 14. bis zum 21. Juli 1997 verübter diebischer Angriffe wurde der Genannte mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11. November 1997, GZ 31 EVr 2.522/97-10, des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten (richtig:) schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall, 15 StGB schuldig gesprochen. Von der hiefür über ihn verhängten Freiheitsstrafe von neun Monaten wurde gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von sechs Monaten bedingt nachgesehen. Mit zugleich gefasstem Beschluss wurde die Probezeit zum vorgenannten Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck auf fünf Jahre verlängert.
Auf Grund durchwegs schon vor dem ersten Urteil in der Zeit vom 13. September bis zum 12. Dezember 1996 begangener Taten wurde Gernot S***** schließlich mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. April 1998, GZ 13 Vr 336/98-10, des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf beide genannten Vor-Urteile zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Zugleich fasste das Landesgericht Klagenfurt einen auf § 55 Abs 1 StGB gestützten Beschluss auf Widerruf der mit beiden Vor-Urteilen gewährten Strafnachsichten.
Auf Grund nachträglicher Schadensgutmachung beschloss das Landesgericht Salzburg auf Antrag des Verurteilten am 28. Dezember 1998 eine Strafmilderung (§ 31a Abs 1 StGB, § 410 StPO), indem es die neunmonatige Freiheitsstrafe auf sieben Monate und den schon ursprünglich unbedingten Strafteil auf einen Monat herabsetzte (ON 35).
Wegen (teilweiser) Schadensgutmachung bezüglich der vom Landesgericht Klagenfurt abgeurteilten Taten stellte der Verurteilte am 17. Juni 1999 einen weiteren Antrag auf nachträgliche Strafmilderung beim Landesgericht Salzburg, das er im Hinblick auf § 31 StGB als zuständig ansah, "die Gesamtstrafe" herabzusetzen (ON 48).
Mit Beschluss vom 18. Juni 1999, GZ 31 EVr 2.522/97-49, lehnte das Landesgericht Salzburg eine (weitere) Milderung der von diesem Gericht verhängten Strafe ab und trat den Antrag dem Landesgericht Klagenfurt zur Entscheidung ab, soweit er die von jenem Gericht bemessene Strafe "samt weiters ausgesprochenen Sanktionen" betraf. Zur Begründung wurde - insoweit zu Recht - angeführt, dass zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehende Urteile grundsätzlich, auch im Anwendungsbereich des § 31a StGB, als selbständige Urteile anzusehen sind (Leukauf/Steininger Komm3 RN 2, Ratz in WK2 Rz 7, je zu § 31; zu Ausnahmen Leukauf/Steininger aaO § 23 RN 11 und § 39 RN 7; WK2 § 31 Rz 14). Das gemäß § 410 Abs 1 StPO zur Entscheidung über nachträgliche Strafmilderung zuständige "Gericht, das in erster Instanz erkannt hat", ist demnach auch bei Vorliegen eines Zusammenhanges mehrerer Urteile nach § 31 StGB jenes, das die (im Ergebnis) jeweils für sich allein auf Milderung zu prüfende Strafe ausgesprochen hat. Eine hypothetische Gesamtstrafe ist dabei nur als Rechengröße nach den Regeln des § 40 StGB als "jene Strafe, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen wäre", von Bedeutung (Leukauf/Steininger aaO § 31 RN 17, Ratz aaO).
Zum Abtretungsausspruch vermeinte das Landesgericht Salzburg, eine Entscheidung gemäß § 31a Abs 1 StGB stünde dem Landesgericht Klagenfurt nicht nur in Ansehung der von jenem Gericht verhängten Zusatzstrafe, sondern auch bezüglich des zugleich beschlossenen Widerrufes der (teilweisen) bedingten Nachsicht der vom Landesgericht Salzburg verhängten Strafe zu.
Eine Beschwerde des Verurteilten gegen diesen Beschluss wies das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 29. Juli 1999, AZ 10 Bs 505/99, zurück (ON 54).
Auf Grund teilweiser Schadensgutmachung betreffend die vom Landesgericht Klagenfurt abgeurteilten Taten nahm dieses Gericht mit Beschluss vom 22. Juli 1999, GZ 13 Vr 336/98-35, eine nachträgliche Milderung der achtmonatigen Zusatz-Freiheitsstrafe auf vier Monate vor. Im Hinblick auf die vorhandenen Erschwerungsgründe bestand nach der Entscheidungsbegründung für das Landesgericht Klagenfurt "kein Anlass, die mit Beschluss vom 23. April 1998 widerrufenen bedingten Strafnachsichten ... rückgängig zu machen".
Über die dagegen vom Verurteilten und zu seinem Nachteil von der Staatsanwaltschaft erhobenen Beschwerden wurde noch nicht entschieden.
Gernot S***** befindet sich seit dem 10. August 1999 im Vollzug der vom Landesgericht Klagenfurt verhängten Strafe (ON 24 im Akt AZ 13 Vr 336/98 dieses Gerichtes, ON 57 im Akt AZ 31 EVr 2.522/97 des Landesgerichtes Salzburg).
Das Urteil und der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. April 1998, GZ 13 Vr 336/98-10, jeweils soweit das erwähnte Urteil des Landesgerichtes Salzburg betroffen ist, und der auf Abtretung lautende Teil des Beschlusses des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Juni 1999, GZ 31 EVr 2.522/97-49, stehen - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Wird jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt wurde, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist gemäß § 31 Abs 1 StGB innerhalb der dort normierten Grenzen eine Zusatzstrafe zu verhängen, deren Bemessung (samt Möglichkeit des Absehens von einer zusätzlichen Strafe) § 40 StGB regelt.
Liegen zwischen Tatbegehung und Aburteilung mehrere bestrafende Urteile, ist nur dann auf alle Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche Taten vor dem ersten Urteil liegen, somit alle Vor-Urteile durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpft sind (vgl SSt 29/44, ÖJZ-LSK 1980/51, Leukauf/Steininger Komm3 § 31 RN 15 unter Ablehnung von EvBl 1975/97, Ratz in WK2 § 31 Rz 5). Ist dies nicht der Fall, sondern liegt (wie hier) nach dem Urteil im ersten Verfahren - in dem die frühere Tat nach der Zeit ihrer Begehung hätte abgeurteilt werden können - weiteres strafbares Verhalten, das zu einer zweiten Verurteilung geführt hat, trifft auf diese die in § 31 Abs 1 StGB normierte Voraussetzung einer Bedachtnahme in einem dritten Urteil schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht zu, weil die in Rede stehende (vor dem ersten Urteil begangene) Tat im zweiten Verfahren nicht abermals hätte abgeurteilt werden können. Im Fall mehrerer nicht gemäß § 31 Abs 1 StGB verbundener Vor-Urteile ist demnach nur auf das erste (tatnächste) Bedacht zu nehmen (idS Faseth, ÖJZ 1968, 458).
Das Landesgericht Klagenfurt hätte daher bei Bestimmung der Strafe nur das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck, aber nicht zusätzlich das erwähnte Urteil des Landesgerichtes Salzburg berücksichtigen dürfen. Diese den Verurteilten begünstigende Gesetzesverletzung war gemäß § 292 StPO bloß festzustellen.
Der Widerruf der bedingten Nachsicht eines Teils der vom Landesgericht Salzburg verhängten Freiheitsstrafe geschah zum Nachteil des Verurteilten unter verfehlter Heranziehung des § 55 Abs 1 StGB, weil insoweit wie dargelegt ein Fall des § 31 StGB nicht vorlag. Diese Entscheidung war aufzuheben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft (S 207 jenes Aktes) abzuweisen.
Die diesbezüglich bereits verbüßte einmonatige Haft wird vom Landesgericht Klagenfurt anzurechnen sein (§ 400 Abs 1 StPO).
Gemäß § 410 Abs 1 StPO idF des StRÄG 1996, BGBl 762, ist zur Entscheidung über die nachträgliche Strafmilderung (§ 31a Abs 1 StGB) das Gericht zuständig, das in erster Instanz erkannt hat. Die Entscheidungskompetenz steht entgegen der Auffassung des Landesgerichtes Salzburg auch dann ungeteilt jenem Gericht zu, von dem die allenfalls zu mildernde Strafe ursprünglich stammt, wenn eine zunächst gewährte bedingte Nachsicht später von einem anderen Gericht gemäß § 494a StPO widerrufen wurde. Eine Aufteilung einzelner Milderungsaspekte wie Herabsetzung und bedingte Nachsicht auf verschiedene Gerichte liefe der verfahrensrechtlichen Fundierung des § 31a Abs 1 StGB in § 410 Abs 1 StPO zuwider.
Dem Verurteilten ist durch den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Juni 1999 nach Lage des Falles kein Nachteil erwachsen, weil die Gutmachung des Schadens aus den in jenem Verfahren abgeurteilten Taten bereits zum rechtskräftigen Beschluss auf Strafmilderung vom 28. Dezember 1998 geführt hat und Gutmachung des bei anderen Taten bewirkten Schadens hier ohne Bedeutung ist. Daher kann es mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden haben.
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