OGH 10ObS277/03p

OGH10ObS277/03p10.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Radmilo N*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. Guido Zorn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich- Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juli 2003, GZ 7 Rs 118/03d-39, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Ausführungen des Klägers zu der von ihm als erheblich relevierten Rechtsfrage, ob es im konkreten Fall einer Übersetzung der in serbokroatischer Sprache verfassten und vom Kläger mit der Klage vorgelegten ärztlichen Befunde bedurfte, waren bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Nach ständiger Rechtsprechung (SSV-NF 1/32, 3/115 ua) können aber Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (vgl auch die einen ähnlichen Sachverhalt betreffende Entscheidung 10 ObS 8/93).

Eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechtes wird in der Revision auch insofern erblickt, als der im erstinstanzlichen Verfahren unvertretene Kläger nicht dahingehend richterlich angeleitet worden sei, dass die von ihm nach Gutachtenserstattung erfolgte Ablehnung der Sachverständigen nur unter den in § 355 Abs 2 ZPO normierten Umständen möglich wäre und er daher ein entsprechendes Vorbringen dazu zu erstatten hätte. Es sei in diesem Zusammenhang die über den gegenständlichen Rechtsstreit hinaus bedeutsame Frage nach den Grenzen der richterlichen Anleitungspflicht bei nicht vertretenen Parteien im Hinblick auf von ihnen zu erstattendes ergänzendes Vorbringen zu klären.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass der Kläger in diesem Zusammenhang in seiner Eingabe ON 19 (übersetzt in ON 21) in Bezug auf die vom Erstgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten lediglich geltend gemacht hat, er anerkenne deren parteiische Begutachtung nicht und es sei deshalb die Bestellung neutraler Gutachter, die einen objektiven Befund erstellen, notwendig. Es entspricht nun aber ständiger Rechtsprechung, dass pauschale und gänzlich unsubstantiierte Ablehnungserklärungen nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt sind (vgl RIS-Justiz RS0046011 zu § 19 JN). Auch in den Rechtsmittelausführungen werden von dem nunmehr qualifiziert vertretenen Kläger keine bestimmten Befangenheitsgründe iSd § 355 Abs 1 ZPO iVm §§ 19 ff JN geltend gemacht. Soweit aber der Kläger seinen Antrag auf weitere Begutachtung durch andere Sachverständige mit der behaupteten Unrichtigkeit der bisher eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten begründet, stellt dieses Vorbringen einen Beweisantrag im Sinn des § 362 Abs 2 ZPO dar. Inhaltlich hat das Erstgericht diesem Beweisantrag jedoch nicht entsprochen, weil es die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nach seiner Urteilsbegründung für schlüssig und nachvollziehbar hielt. Ob ein Sachverständigengutachten erschöpfend ist und die getroffenen Feststellungen rechtfertigt, ob ein weiterer Sachverständiger vernommen werden soll oder ob außer den bereits vorliegenden noch weitere Beweise zu dem selben Beweisthema aufgenommen werden sollen, sind Fragen der Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die mit Revision nicht bekämpft werden können (RIS-Justiz RS0043163; RS0043320).

Wie der erkennende Senat insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der Anforderungen in möglichen Verweisungsberufen bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind offenkundige Tatsachen vom Gericht der Entscheidung von Amts wegen zugrundezulegen und müssen auch nicht behauptet werden (SSV-NF 5/96 mwN ua). Allerdings wird das Gericht, wenn es das tun will, diese Tatsachen im Zuge seiner materiellen Prozessleitung mit den Parteien erörtern, und muss es jedenfalls dann tun, wenn die Tatsache als solche oder deren Offenkundigkeit nicht gänzlich außer Zweifel steht (Fasching, ZPR2 Rz 852). In diesem Sinn muss den Parteien bei bezweifelbarer Offenkundigkeit Gelegenheit geboten werden, den Beweis der Unrichtigkeit einer vom Gericht als offenkundig beurteilten Tatsache anzutreten (RIS-Justiz RS0040046 [T9] = RS0040219 [T6] ua). In so einem Fall kann in der Unterlassung der Erörterung ein erheblicher Verfahrensmangel (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO) liegen (Fasching aaO).

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates kann es sich bei den Anforderungen an Verweisungsberufe, die weitgehend vor den Augen der Öffentlichkeit ausgeübt werden, vor allem im Hinblick auf gleichartige, dem Gericht bereits bekannte Fälle um offenkundige Tatsachen handeln (10 ObS 259/02i; 10 ObS 355/02g ua). Es wurde in diesem Zusammenhang insbesondere im Hinblick auf die Verweisungstätigkeit als Portier bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Tätigkeitsinhalt und die Anforderungen allgemein bekannt sind und daher als offenkundig im Sinn des § 269 ZPO gelten können (10 ObS 234/98d; 10 ObS 216/99h; 10 ObS 184/00g ua). In diesem Sinne hat auch das Berufungsgericht die vom Kläger bereits in der Berufung in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass zumindest die Verweisungstätigkeit als Portier unter den Augen der Öffentlichkeit ausgeübt werde und daher die Anforderungen in diesem Beruf allgemein bekannt seien. Der Umstand, dass die Vorinstanzen ihrer Entscheidung offenkundige Tatsachen im Sinn des § 269 ZPO zugrundegelegt haben, vermag daher jedenfalls keine Nichtigkeit des Verfahrens im Sinn des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO zu begründen. Eine mit der Unterlassung der Erörterung allenfalls verbundene Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wurde vom Berufungsgericht verneint und kann daher, wie bereits dargelegt, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden.

Der Kläger vermag in seinen Revisionsausführungen insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb die außerordentliche Revision zurückzuweisen war.

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