OGH 1Ob3/03b

OGH1Ob3/03b18.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ramazan D*****, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen EUR 5.600 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2002, GZ 1 R 158/02y-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 7. Mai 2002, GZ 5 Cg 50/02m-16, teilweise abgeändert wurde, sowie infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2002, GZ 1 R 158/02y-23, womit der Berichtigungsantrag der klagenden Partei zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss ON 23 wird zurückgewiesen.

2. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 650,10 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 863,12 (darin EUR 530 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 1.: Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Beschlüsse des Berufungsgerichts auf Urteilsberichtigung zu jenen im Berufungsverfahren ergehenden Entscheidungen gehören, die mangels Aufzählung im § 519 Abs 1 ZPO nicht angefochten werden können (RIS-Justiz RS0041738; RS0042846). Auch die Abweisung eines Berichtigungsantrages durch das Berufungsgericht ist unanfechtbar (RIS-Justiz RS0043821). Nichts anderes hat für Beschlüsse zu gelten, mit denen das Berufungsgericht den auf Berichtigung der Berufungsentscheidung gerichteten Antrag zurückweist, weil es sich auch dabei um einen "im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss" im Sinn des § 519 Abs 1 ZPO handelt, der einer Anfechtung nur unter den dort angeführten besonderen - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen unterliegt (4 Ob 353/99m).

Der an Mutwillen grenzende Rekurs des Klägers ist zurückzuweisen.

Zu 2.: Der Kläger ist am 3. 2. 1972 in der Türkei geboren; er ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit dem Jahr 1977 in Österreich. Er ist mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und hat mit dieser zwei eheliche minderjährige Kinder. Der Kläger war im Besitz eines gültigen Befreiungsscheins im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Mit Bescheid vom 20. 4. 2000 wurde der Befreiungsschein gemäß § 15a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bis 21. 8. 2005 verlängert. Der Kläger arbeitete bis zu seiner Inhaftierung als LKW-Fahrer und verdiente monatlich zwischen ATS 20.000 und ATS 30.000 netto. Er verfügt über kein Vermögen. Die Ehegattin des Klägers ist ebenfalls erwerbstätig, sie verfügt ebenfalls über einen Befreiungsschein. Die Eltern des Klägers sind Pensionisten und seit etwa zwei Jahren österreichische Staatsbürger.

Mit Urteil des Erstgerichts vom 29. 8. 2000 wurde der Kläger rechtskräftig schuldig erkannt,

I. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, in Verkehr gesetzt, und zwar

1. im Mai 1999 in ... insgesamt ca 485 g Kokain an ... und ... übergeben,

2. im Herbst 1999 in ... insgesamt ca 1000 Stück Ecstasy-Tabletten und 980 g Speed (Amphetamin) an ... übergeben,

II. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, und zwar im Zeitraum Frühsommer 1999 bis Herbst 1999 im Raume ... zweimal einen Joint und Marihuana sowie insgesamt ca 3 bis 4 g Kokain konsumiert,

III. im Jänner 2000 in ... wenn auch nur fahrlässig unbefugt eine Pistole mit der Nr. ... im Kaliber 7,65 mm, mithin eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, besessen,

und dadurch begangen zu haben,

zu I. das Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG,

zu II. das Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG,

zu III. das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG.

Der Kläger wurde hiefür in Anwendung des § 28 StGB nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

Mit Beschluss vom 1. 8. 2001 lehnte das Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Klägers nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe gemäß § 46 Abs 1 StGB ab. Es führte aus:

"... Für die Annahme künftigen Wohlverhaltens des Strafgefangenen sprechen die im Falle einer bedingten Entlassung vorhandene Unterkunft, eine Arbeitsstelle bei der Firma ... sowie eine sehr gute Führung und Arbeitsleistung während des Strafvollzuges. Darüber hinaus wird in einem Bericht der Beratungsstelle Clean in ... bestätigt, dass ... (Kläger) im Rahmen der suchtspezifischen Informations- und Therapiegruppe in der Justizanstalt ... an den wöchentlich stattfindenden Gruppen seit Beginn seiner Inhaftierung mit Engagement teilnimmt. Gegen die Annahme künftigen Wohlverhaltens spricht, dass ... (Kläger) nach dem Inhalt des Schuldspruches Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der großen Menge betragen hat, in Verkehr setzte. Im Rahmen der Strafzumessung wirkte sich erschwerend aus, dass er durch seine Tat aus schierem Gewinnstreben handelnde Drogendealer unterstützte. Wägt man die aufgezeigten Argumente gegeneinander ab, so gelangt man zum Ergebnis, dass jedenfalls generalpräventive Erwägungen einer bedingten Entlassung schon nach der Hälfte der Strafe entgegenstehen. Es entspricht ständiger Judikatur des Vollzugsgerichtes und des Oberlandesgerichtes ..., bei solcher Ausgangslage die Strafe sowohl aus spezial- wie auch aus generalpräventiven Erwägungen weit über die Hälfte des Strafmaßes hinaus zu vollziehen. Selbst eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe ist in solchen Fällen fraglich. ..."

Mit Beschluss des Vollzugsgerichtes vom 14. 1. 2002 wurde der Kläger unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit bedingt entlassen. Dies begründete das Gericht im Wesentlichen wie folgt:

"... Für die Annahme künftigen Wohlverhaltens des Strafgefangenen sprechen die im Falle einer bedingten Entlassung vorhandene Unterkunft, eine Arbeitsstelle bei der Firma ... sowie eine sehr gute Führung und Arbeitsleistung während des Strafvollzuges. Darüber hinaus wird in einem Bericht der Beratungsstelle Clean in ... bestätigt, dass ... (Kläger) im Rahmen der suchtspezifischen Informations- und Therapiegruppe in der Justizanstalt ... an den wöchentlich stattfindenden Gruppen seit Beginn seiner Inhaftierung mit Engagement teilgenommen hat. Besonders hervorzuheben ist, dass ... (Kläger) erstmals verurteilt wurde und sich somit im Erstvollzug befindet.

Gegen die Annahme künftigen Wohlverhaltens spricht, dass ... (Kläger) nach dem Inhalt des Schuldspruches Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der großen Menge betragen hat, in Verkehr setzte. Im Rahmen der Strafzumessung wirkte sich erschwerend aus, dass er durch seine Tat aus schierem Gewinnstreben handelnde Drogendealer unterstützte. Wägt man die aufgezeigten Argumente gegeneinander ab, so gelangt man zum Ergebnis, dass weder aus spezial- noch aus generalpräventiver Sicht jene besonderen Gründe im Sinne des § 46 Abs 2 StGB vorliegen, die einer bedingten Entlassung nach zwei Drittel des Strafvollzuges entgegenstünden. Ergänzend ist anzuführen, dass er ein umfassendes Geständnis abgelegt und schon im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens Reue gezeigt hat. ..."

Der Kläger leidet unter einer Pankreas-Genmutation. Aus diesem Grund ist beim Kläger regelmäßig eine medizinische Versorgung dergestalt notwendig, dass ein "Stent" gesetzt werden muss. Dieser Eingriff, der einen stationären Krankenhausaufenthalt von ca drei Tagen bis zu einer Woche erfordert, muss ungefähr alle drei Monate durchgeführt werden. Der Eingriff kann nicht ambulant, sondern nur in einem gut eingerichteten Krankenhaus ausgeführt werden. Die Behandlung könnte auch in einer gut eingerichteten türkischen Krankenanstalt erfolgen.

Der Kläger war bis zu seiner Verurteilung wegen der beschriebenen Delikte strafgerichtlich nicht in Erscheinung getreten. Gegen den Kläger sind jedoch in Österreich ca 20 Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt worden, wobei er zumeist wegen Verkehrsübertretungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer bestraft wurde.

Mit Bescheid vom 6. 2. 2001 erließ die zuständige Bezirkshauptmannschaft unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung gegen den Kläger ein auf Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion mit Bescheid vom 17. 4. 2001 nicht Folge. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die vorerst mit Beschluss vom 11. 9. 2001 wegen eines Formfehlers als gegenstandslos erklärt wurde. Aufgrund eines Antrags des Klägers bewilligte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. 1. 2002 die Wiederaufnahme des Verfahrens und erkannte mit weiterem Beschluss der Beschwerde des Klägers aufschiebende Wirkung zu. Über die Beschwerde wurde - wie der Oberste Gerichtshof erhoben hat - bislang noch nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 29. 1. 2002 ordnete die zuständige Bezirkshauptmannschaft zur Sicherung und Überwachung der Ausreise des Klägers die Schubhaft an. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat, der die Beschwerde als unbegründet abwies und feststellte, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Der Kläger war unmittelbar im Anschluss an das Ende der Strafhaft am 1. 2. 2002 in Schubhaft überstellt worden. Aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs, der der Beschwerde des Klägers aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte, wurde der Kläger am 5. 3. 2002 um 11 Uhr enthaftet. Er hatte sich insgesamt 33 Tage in Schubhaft befunden. Dem Kläger wurde im Anschluss an die Strafhaft die Lenkerberechtigung entzogen. Er ist derzeit arbeitslos und sucht Arbeit als Staplerfahrer oder Lagerist, in welchen Berufen er ebenfalls mehrjährige Berufserfahrung hat. Er wird nach seiner Strafhaft von seinen Eltern und seiner Gattin finanziell unterstützt, sie leisten ihm Unterhalt.

Der Kläger hat abgesehen von Urlaubsaufenthalten nie in der Türkei gelebt und hat dort nie eine Beschäftigung ausgeübt.

Mit seiner am 18. 2. 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, 1. die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm bis zur Prüfung der spezialpräventiven aktuellen Notwendigkeit der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes durch eine von der Fremdenpolizei unabhängige Stelle mit voller Kognition auch zur Prüfung seiner Zweck- und Verhältnismäßigkeit den Aufenthalt in Österreich zu gestatten, und hilfsweise die Feststellung, dass die vom Beschwerdeführer aktuell erlittene Durchsetzung seines Aufenthaltsverbots insbesondere durch Schubhaft rechtswidrig sei und 2. die Beklagte schuldig zu erkennen, dem Kläger je Werktag EUR 100 an Verdienstentgang und je erlittenem Hafttag EUR 100 an Haftentschädigung ab 1. 2. 2002 zu bezahlen. Nach seiner Haftentlassung ließ der Kläger mit Schriftsatz ON 8 das Klagebegehren zu 1. fallen, bezifferte die Entschädigung für 33 Hafttage mit EUR 3.300 und den Verdienstentgang für 23 Werktage mit EUR 2.300 und begehrte nunmehr, die Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung eines Betrags von EUR 5.600 sA schuldig zu erkennen. Der Kläger habe sich in der Strafhaft nach erstmaliger Verurteilung erstklassig geführt, seine familiären und sozialen Kontakte seien trotz der Haftverbüßung nicht abgerissen. Er leide an einer schweren inneren Erkrankung, die ständiger Überwachung durch eine hochqualifizierte medizinische Spezialeinrichtung bedürfe. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft habe es verabsäumt, vor Verhängung der Schubhaft den Kläger anzuhören oder eine Aktualitätsprüfung des Aufenthaltsverbots vorzunehmen. Gemäß Art 3 der Richtlinie 64/221/EWG könnten strafrechtliche Verurteilungen für sich allein aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht begründen. Vielmehr sei es erforderlich, dass eine frühere strafrechtliche Verurteilung und die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen ließen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle. Die bedingte Strafnachsicht stehe der Annahme einer konkreten spezialpräventiven negativen Zukunftsprognose nach Art 3 Abs 2 der Richtlinie jedenfalls entgegen. Auf den Kläger sei der Assoziationsratsbeschluss vom 19. September 1980 (ARB 1/80) anzuwenden. Ein türkischer Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 erfülle, könne sich unmittelbar auf diese Bestimmungen berufen, um neben der Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis auch die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu erreichen. Durch den Assoziationsratsbeschluss würden die Standards der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 48 EGV und nach Gemeinschaftsrecht überhaupt garantiert. Für die Aufenthaltsbeendigung assoziationsintegrierter türkischer Arbeitnehmer seien daher zweifelsfrei dieselben Standards wie für die Aufenthaltsbeendigung von Unionsbürgern oder EWR-Bürgern oder ihrer Angehörigen anzuwenden. Auch seien die Familienangehörigen von Unions- und EWR-Bürgern durch die Richtlinie 64/221/EWG direkt geschützt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sei das Verbot der Inländerdiskriminierung auch auf Angehörige von Österreichern anzuwenden. Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG sehe vor, dass vor Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen eine unabhängige gerichtliche Stelle zu hören sei. Vor der Anhörung einer derartigen Stelle dürfe die Durchsetzung fremdenrechtlicher Maßnahmen nicht erfolgen. Das über den Kläger verhängte Aufenthaltsverbot sei nicht vollstreckbar, weil es der Gesetzgeber verabsäumt habe, eine derartige Stelle zu schaffen. Dem Kläger sei der geltend gemachte Schaden in materieller Hinsicht dadurch entstanden, dass die Fremdenpolizei vor der Durchsetzung des Aufenthaltsverbots keine aktuelle spezialpräventive Zukunftsprognose eingeholt und in verfahrensrechtlicher Hinsicht dadurch, dass Österreich die von Art 9 der Richtlinie verlangte gerichtsförmige Rechtsmittelinstanz oder eine unabhängige Stelle gemäß Art 9 Abs 2 nicht geschaffen und somit gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Die Fremdenpolizei habe die sie treffende Pflicht verletzt, das nicht durchsetzbare Aufenthaltsverbot nicht durch Schubhaft und Abschiebung zu vollstrecken.

Die Beklagte wendete ein, die Verhängung des Aufenthaltsverbots über den Kläger sowie der Vollzug der Schubhaft seien nicht rechtswidrig gewesen. Der Kläger könne für sich weder aus ARB 1/80 noch aus der Richtlinie 64/221/EWG Rechte ableiten. Zudem sei der begehrte Entschädigungsbetrag bei weitem überhöht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die Richtlinie 64/221/EWG auf den Kläger als türkischen Staatsangehörigen nicht anwendbar sei. Eine den Art 8 und 9 der Richtlinie entsprechende Bestimmung enthalte der Assoziationsratsbeschluss 1/80 nicht. Da der Kläger nicht Adressat der Richtlinie sei, könne er seinen Ansrpuch nicht auf die sich aus der allfälligen Nichtumsetzung der Richtlinie ergebenden staatshaftungsrechtlichen Aspekte stützen. Die Bestimmungen des Beschlusses des Assoziationsrates 1/80 haben gemäß dessen Art 14 nur vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, Geltung. Art 14 ARB 1/80 sei an den Bestimmungen der Art 3, 8, 10 und 11 der Richtlinie 64/221/EWG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH zu messen. Das Gemeinschaftsrecht schreibe den Mitgliedsstaaten für Verhaltensweisen, die als im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehend angesehen werden, keine einheitliche Werteskala vor. Generalpräventive Sanktionen, wirtschaftliche Gründe und strafrechtliche Verurteilungen rechtfertigten eine Maßnahme wie eine Ausweisung für sich allein nicht. Es könne jedoch nicht zweifelhaft sein, dass bestimmte kriminelle Verhaltensweisen auch unter rein spezialpräventiven Gesichtspunkten die öffentliche Ordnung und die Sicherheit massiv stören. Dies treffe im besonderen Maße auf Suchtgiftdelikte zu, derentwegen der Kläger verurteilt wurde. Nicht allein die strafgerichtliche Verurteilung, sondern die als Anschlag auf die Gesundheit eines unbestimmten Kreises von Menschen zu beurteilende kriminelle Handlung, die sich als besonders schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle, rechtfertige die den Aufenthalt des Klägers im österreichischen Bundesgebiet beendende Vorkehrung. Abgesehen davon hätten die Verwaltungsbehörden bei ihren Entscheidungen nicht nur die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers, sondern auch dessen verwaltungsbehördliche Vorstrafenbelastung und den Umstand, dass der Kläger zu bestimmten Zeiten über keinen Sichtvermerk und keine Aufenthaltsbewilligung verfügte, berücksichtigt. Es sei daher keine Rechtswidrigkeit der verwaltungsbehördlichen Bescheide ersichtlich. Die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden haben sich daher im Rahmen vertretbarer Rechtsauslegung unter Berücksichtigung der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bewegt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger EUR 4.680 sA zu zahlen, und das Mehrbegehren von EUR 920 sA abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei vom 12. September 1963 sei gemäß Art 76 Abs 2 der Beitrittsakte seit 1. Jänner 1995 für Österreich geltendes Gemeinschaftsrecht. Der in Vollziehung dieses Abkommens gefasste Beschluss des Assoziationsrats vom 19. September 1980 Nr 1/80 verbiete neue Beschränkungen der Zugangsbedingungen zum Arbeitsmarkt für türkische Arbeitnehmer, die ordnungsgemäß in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert seien. Art 6 Abs 1 ARB 1/80 regle den Zugang türkischer Arbeitnehmer zum nationalen Arbeitsmarkt nach Zurücklegung bestimmter Zeitabschnitte bei Nachweis "ordnungsgemäßer Beschäftigung". Diese Bestimmungen implizierten nach der Rechtsprechung des EuGH zwangsläufig, dass den türkischen Arbeitnehmern, die ein Recht auf Beschäftigung erworben haben, ab diesem Zeitpunkt auch das Aufenthaltsrecht zustehe. Dieses Aufenthaltsrecht werde allerdings gemäß Art 14 Abs 1 ARB 1/80 nur vorbehaltlich der Beschränkungen gewährt, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt seien. Diese Bestimmung werde durch die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. 2. 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern konkretisiert. Gemäß Art 3 Abs 1 der Richtlinie dürfe bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein. Gemäß Abs 2 könnten strafrechtliche Verurteilungen allein ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sei damit auch gegenüber einem türkischen Staatsangehörigen nur dann gemeinschaftsrechtskonform, wenn ein solcher Eingriff nach den durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisierten Kriterien des Art 3 der Richtlinie notwendig und gerechtfertigt sei. Die den nationalen Behörden und Gerichten vom Gemeinschaftsrecht überlassene Wertung habe sich zwar am persönlichen Verhalten eines die Freizügigkeit genießenden Arbeitnehmers zu orientieren, weil nicht schon jede strafrechtliche Verurteilung zu einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme führen dürfe, doch könne nicht zweifelhaft sein, dass bestimmte kriminelle Verhaltensweisen auch unter rein spezialpräventiven Gesichtspunkten die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv störten. Dies treffe in besonderem Maße auch auf den Verkauf einer großen Menge von Suchtgift zu, dessentwegen der Kläger verurteilt worden sei. Nicht allein die strafgerichtliche Verurteilung zu einer langen Freiheitsstrafe, sondern die als Anschlag auf die Gesundheit eines unbestimmten Kreises von Menschen zu beurteilende kriminelle Handlung, die sich als besonders schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle, rechtfertige die den Aufenthalt des Klägers im österreichischen Bundesgebiet beendende Vorkehrung. Gemäß § 38 Abs 1 Z 4 FrG 1997 dürfe ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von Klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sei. Nach Abs 2 der Gesetzesstelle seien Fremde jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn sie dort die Hälfte ihres Lebens verbracht haben und zuletzt seit mindestens drei Jahren niedergelassen sind. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu diesem Tatbestand bereits wiederholt ausgesprochen, dass hievon nur Fremde umfasst werden, die bereits vor Vollendung des 4. Lebensjahres nach Österreich eingereist seien. Auch nach der Regierungsvorlage sollten als "von Klein auf im Inland aufgewachsene Fremde" nur jene Personen angesehen werden, deren Aufenthaltsrecht noch im Kindesalter, somit im zweiten bis dritten Lebensjahr oder früher, begründet worden sei. Der Kläger sei allerdings bereits fünf Jahre alt gewesen, als es zur Begründung seines Aufenthalts in Österreich gekommen sei, sodass auch unter diesem Aspekt die Verhängung des Aufenthaltsverbots einer vom VwGH ständig praktizierten Gesetzesauslegung entsprochen habe. Auch § 48 Abs 1 zweiter Satz FrG sei dem Aufenthaltsverbot nicht entgegengestanden, weil der Kläger nicht begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne dieser Bestimmung sei. Darunter fielen gemäß § 47 Abs 3 FrG neben Ehegatten nur Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs und darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt werde. Zwar seien die Eltern des Klägers seit etwa zwei Jahren österreichische Staatsbürger, doch hätten diese dem Kläger nach den Feststellungen zwar nach seiner Entlassung aus der Schubhaft, nicht jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verhängung des Aufenthaltsverbots Unterhalt gewährt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Kläger in Strafhaft befunden und sei daher gegenüber seinen Eltern nicht unterhaltsbedürftig gewesen. Als türkischer Staatsangehöriger unterliege der Kläger zwar nicht dem unmittelbaren Anwendungsbereich der Richtlinie 64/221/EWG , doch habe er vorgebracht, dass er deshalb in deren persönlichen Geltungsbereich falle, weil er als Angehöriger österreichischer Staatsbürger im Sinne des Art 1 Abs 2 der Richtlinie anzusehen sei. Der Kläger habe damit seine Behauptungs- und Beweispflicht für die Anwendbarkeit der Richtlinie erfüllt. Anspruchsvernichtende Tatsachen, die dagegen sprechen, habe die Beklagte nicht vorgebracht, sodass das Berufungsgericht von der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie 64/221/EWG auf den Kläger ausgehe. Wenn auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbots und die damit im unmittelbaren Zusammenhang stehende Verhängung der Schubhaft vorgelegen seien, so sei das Verfahren, das zur Verhängung des Aufenthaltsverbots geführt habe, insofern mit einem wesentlichen Mangel behaftet gewesen, als die in Art 9 der Richtlinie vorgesehene unabhängige Prüfungs- bzw Kontrollstelle mit voller Kognition in Österreich nicht bestehe, wodurch dem Kläger die in dieser Richtlinienbestimmung zugestandenen Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien entzogen worden seien. Damit sei der vom Kläger geltend gemachte Amtshaftungsanspruch berechtigt. Der Höhe nach sei die begehrte Haftentschädigung im Ausmaß von EUR 100 je Hafttag nicht überhöht. Der an 23 Werktagen erlittene Verdienstentgang sei ausgehend von einem durchschnittlichen Monatsgehalt von ATS 25.000 mit EUR 60 je Tag auszumitteln.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist berechtigt.

Der Kläger stützt sein Begehren hauptsächlich darauf, dass auf ihn die Richtlinie des Rats vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (64/221/EWG), anzuwenden sei. Er führt aus, Art 9 der Richtlinie gebiete für den Fall, dass gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet keine Rechtsmittel oder lediglich Rechtsmittel, die nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Schaffung einer zuständigen Stelle, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen könne und deren Stellungnahme Voraussetzung für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde sei. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten ergebe sich schon daraus, dass die zuständigen Behörden den Vollzug der Schubhaft angeordnet hätten, ohne dass in Österreich eine derartige Stelle eingerichtet sei. Das Berufungsgericht folge dieser Argumentation des Klägers insoweit, als es dessen in die Feststellungen übernommenes Vorbringen, seine Eltern seien seit rund zwei Jahren östereichische Staatsbürger, mangels "anspruchsvernichtender Behauptungen der Beklagten" als ausreichend für die Bejahung der Anwendbarkeit der Richtlinie erachte.

Gemäß Art 1 Abs 1 gilt die Richtlinie für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegen zu nehmen. Gemäß Abs 2 gelten die Bestimmungen auch für den Ehegatten und die Familienmitglieder, die die Bedingungen der aufgrund des Vertrags auf diesem Gebiet erlassenen Verordnungen und Richtlinien erfüllen. Zu den "aufgrund des Vertrags auf diesem Gebiet erlassenen Verordnungen und Richtlinien" zählen die Verordnung (EWG) Nr 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, die Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs sowie die Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (vgl Ketelsen, "Einreise, Aufenthalt und Ausweisung von Ausländern aus Drittstaaten", ZfRV 1991, 115; Feik, "Das Aufenthaltsrecht türkischer Arbeitnehmer", ZfRV 1995, 4). Gemäß Art 10 Abs 1 der erstgenannten (Freizügigkeits-)Verordnung dürfen bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, Wohnung nehmen: sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird, sowie seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt. Gemäß Art 1 Abs 1 der zweitgenannten Richtlinie heben die Mitgliedstaaten unter anderem nach Maßgabe dieser Richtlinie die Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen haben oder niederlassen wollen, um eine selbständige Tätigkeit auszuüben, oder die dort eine Dienstleistung erbringen wollen, sowie ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit für den Ehegatten und die noch nicht 21 Jahre alten Kinder dieser Staatsangehörigen und für Verwandte in auf- und absteigender Linie dieser Staatsangehörigen und ihrer Ehegatten, denen diese Unterhalt gewähren, auf. Die letztgenannte (Aufenthalts-)Richtlinie normiert in ihrem Art 1 Abs 2, dass bei dem Aufenthaltsberechtigten ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit der Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird, und Verwandte auch des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt, in einem anderen Mitgliedstaat Wohnung nehmen dürfen. Der bereits vom Berufungsgericht zitierte § 47 Abs 3 FrG 1997, der als begünstigte Drittstaatsangehörige eines EWR-Bürgers den Ehegatten, Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird, sowie Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird, nennt, korrespondiert somit zumindest für den hier zu beurteilenden Bereich durchaus mit den europarechtlichen Vorgaben. In Anbetracht der unzweideutigen Verweisung in Art 1 Abs 2 der Richtlinie 64/221/EWG ist deren persönlicher Geltungsbereich somit aufgrund der zitierten europarechtlichen Bestimmungen klar umrissen. Für den hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass die Richtlinie nur dann auf den Kläger unmittelbar anzuwenden wäre, wenn ihm seine Eltern Unterhalt gewährten. Was den Beurteilungszeitraum betrifft, ist den Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 47 FrG 1997 auch für den Bereich der Anwendbarkeit der Richtlinie zuzustimmen, dass spätestens auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Aufenthaltsverbot abzustellen ist. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem in Strafhaft befindlichen Kläger aber von seinen Eltern ebensowenig Unterhalt gewährt wie im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft. Da es sich um eine verfahrensrechtliche Anordnung handelt, die nach dem vom Kläger zutreffend zitierten Art 9 der Richtlinie von der Verwaltungsbehörde vor der Entscheidung über die Entfernung des Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet anzuwenden ist, ist es ausgeschlossen, die Tatsache späterer Unterhaltsgewährung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verhängung des Aufenthaltsverbots bzw der Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen.

Die vom Berufungsgericht angenommene Anspruchsgrundlage, wegen der österreichischen Staatsbürgerschaft der Eltern des Klägers sei die Richtlinie 64/221/EWG auf ihn unmittelbar anzuwenden, ist daher nicht tragfähig. Auch sonst ist der Anspruch des Kägers nicht begründet:

Trotz fehlenden Abschlusses eines Anpassungsprotokolls ist das Assoziationsabkommen EWG-Türkei vom 12. September 1963 gemäß Art 76 Abs 2 der Beitrittsakte seit 1. Jänner 1995 auch für Österreich geltendes Gemeinschaftsrecht (SZ 73/101; VwGH 96/09/0088 ua). Nach Art 36 des Zusatzprotokolls des Assoziationsabkommens vom 23. November 1970 wird die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach den vom Assoziationsrat festgelegten Regeln bis spätestens zum 1. Dezember 1986 schrittweise hergestellt. Der bisher einzige Beschluss, den der Assoziationsrat zur Herstellung der Freizügigkeit fasste, der Beschluss vom 20. Dezember 1976 Nr 2/76, wurde durch den Assoziationsratsbeschluss vom 19. September 1980 Nr 1/80 (im Folgenden ARB 1/80) dahin abgeändert, dass für türkische Arbeitnehmer, die ordnungsgemäß in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind, neue Beschränkungen der Zugangsbedingungen zum Arbeitsmarkt verboten werden. Art 6 Abs 1 ARB 1/80 regelt den Zugang türkischer Arbeitnehmer zum nationalen Arbeitsmarkt in Gestalt deren beschäftigungsrechtlicher Stellung bei Nachweis "ordnungsgemäßer Beschäftigung" nach Zurücklegung bestimmter Zeitabschnitte. Zur Lösung des hier zu beurteilenden Falls reicht es aus, den dritten Unterabsatz dieser Bestimmung wiederzugeben, nach dem der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis hat. Wie der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. September 1990, Rs C-192/89 "Sevince", Slg 1990, I-3461, ausgesprochen hat, impliziert die zuletzt genannte Bestimmung des 3. Unterabsatzes des Art 6 Abs 1 ARB 1/80 zwangsläufig, dass dem türkischen Arbeitnehmer auch ein Aufenthaltsrecht zusteht, weil andernfalls das ihm zuerkannte Recht auf Beschäftigung völlig wirkungslos wäre. Ein türkischer Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 erfüllt, kann sich unmittelbar auf diese Bestimmung berufen, um neben der Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis auch die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu erreichen (Urteil des EuGH Rs C-237/91 vom 16. Dezember 1992 "Kus" Slg 1992 I-6781).

ARB 1/80 gesteht in seinem Art 14 Abs 1 die Aufenthaltsrechte vorbehaltlich der Beschränkungen zu, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind und stellt damit die entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen unter den ordre public. Die Formulierung wiederholt eine aus Art 48 Abs 3 EG-V (nunmehr Art 39 Abs 3 EG) bekannte Begrifflichkeit. Wie der Europäische Gerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, ist aus dem Zweck des Beschlusses Nr 1/80, der auf die schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Anlehnung an die Art 48, 49 und 50 EG-V gerichtet ist, herzuleiten, dass die im Rahmen dieser Artikel geltenden Grundsätze so weit wie möglich als Leitlinien für die Behandlung türkischer Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, herangezogen werden (Urteil des EuGH Rs C-340/97 "Nazli" Slg 2000-I-957; Rs C-171/01 vom 8. Mai 2003 "Gemeinsam Zajedno/Birlikte Alternative"). Die Bestimmung des Art 48 Abs 3 EG-V wird konkretisiert durch Art 3 der Richtlinie 64/221/EWG , der anordnet, dass bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein darf (Abs 1), sowie dass strafrechtliche Verurteilungen allein diese Maßnahmen ohne Weiteres nicht begründen können (Abs 2). Durch Art 6 des ARB 1/80 privilegierte türkische Arbeitnehmer dürfen demnach in Österreich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 14 Abs 1 des ARB 1/80 mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden, das nur dann gemeinschaftsrechtskonform ist, wenn ein solcher Eingriff nach den durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisierten Kriterien des Art 3 der Richtlinie 64/221/EWG notwendig und gerechtfertigt ist (SZ 73/101).

Welche konkreten Sachverhalte unter Art 14 Abs 1 des ARB 1/80 zu subsumieren sind, ist aus der Sichtweise und nach der Definition des Gemeinschaftsrechts unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu beurteilen (Urteil des EuGH "Tetik" Rn 28; Urteil des EuGH "Kus" Rn 34; SZ 73/101). Das Gemeinschaftsrecht schreibt den Mitgliedstaaten für Verhaltensweisen, die als im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehend angesehen werden, keine einheitliche Wertskala vor. Generalpräventive Sanktionen, wirtschaftliche Gründe und strafrechtliche Verurteilungen rechtfertigen eine Maßnahme wie eine Ausweisung für sich allein jedenfalls nicht. Die den nationalen Behörden und Gerichten vom Gemeinschaftsrecht überlassene Wertung hat sich zwar am persönlichen Verhalten eines die Freizügigkeit genießenden Arbeitnehmers zu orientieren, weil nicht schon jede strafrechtliche Verurteilung zu einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme führen darf, doch kann es nicht zweifelhaft sein, dass bestimmte kriminelle Verhaltensweisen auch unter rein spezialpräventiven Gesichtspunkten die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv stören. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang zuletzt in seinem Urteil Rs C-340/97 vom 10. Februar 2000 "Nazli", Slg 2000 I-957 Rn 58, ausgesprochen, dass ein Mitgliedstaat die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefährdung der Gesellschaft ansehen könne, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertige, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen. Allerdings sei die Ausnahme der öffentlichen Ordnung wie alle Ausnahmen von einem Grundprinzip des Vertrags eng auszulegen, sodass eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit eine Ausweisung rechtfertigen könne, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle (in diesem Sinne auch Urteil des EuGH Rs C-348/96 vom 19. Jänner 1999, "Calfa", Slg 1999 I-11).

Im hier zu beurteilenden Fall fällt nun ins Gewicht, dass der Kläger im Mai 1999 und im Herbst 1999, somit zweimal, große Mengen Suchtgift in Verkehr gebracht und in diesem Zeitraum selbst Suchtgift konsumiert hat. Das Schöffengericht erachtete dafür trotz bisher unbescholtenen Lebenswandels eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren für schuld- und tatangemessen, wobei es ausdrücklich darauf verwies, dass sich eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht dieser Strafe unter anderem auch aus spezialpräventiven Gründen verbiete. Auch unter Berücksichtigung des "Nazli"-Urteils, dem ein insoweit nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, sind daher aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht aufenthaltsbeendende Maßnahmen jedenfalls vertretbar und stehen auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Dieser judiziert nämlich zu Art 14 Abs 1 des ARB 1/80, dass nicht die strafrechtliche Verurteilung an sich die Erlassung eines Aufenthaltsverbots begründen könne, sondern das dieser Verurteilung zugrunde liegende, der schwersten Suchtgiftkriminalität zuzurechende Fehlverhalten, dessen Unterbindung gewichtig und unverzichtbar im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit liege (VwGH 17. 12. 1997, 97/12/0394; 20. 3. 2001, 98/21/0294 ua).

Es ist ebenso gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 38 Abs 1 Z 4 FrG 1997, nach dem ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, wenn der Fremde von Klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, dass diese Bestimmung für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen könne (VwGH 2. 3. 1999, 98/18/0244; 17. 9. 1998, 96/18/01150 = VwSlg 14.972 A/1998).

Taugliche Grundlage eines Amtshaftungsanspruchs ist nicht schon jede objektiv unrichtige Entscheidung. Ein Verschulden des Organs ist dann zu verneinen, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht. Die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit die Verwirklichung eines Organverschuldens wird nur dann angenommen, wenn die Entscheidung von einer klaren Gesetzeslage oder einer ständigen Rechtsprechung ohne sorgfältige Überlegung und Darlegung der Gründe abweicht. Gemäß § 1 Abs 1 AHG kann ein Amtshaftungsanspruch nur dann bejaht werden, wenn durch die Auslegung der von Organen vollzogenen gesetzlichen Bestimmungen in unvertretbarer und schadenskausaler Weise Rechte des Klägers verletzt wurden, begründet doch nur unvertretbares Organverhalten auch das zu Anspruchsvoraussetzungen gehörende Verschulden (SZ 70/32; SZ 71/7; 1 Ob 73/01v).

Wenngleich der Kläger nicht unmittelbar aus der Erlassung des Aufenthaltsverbots Amtshaftungsansprüche ableitet, sondern der Behörde, die die Schubhaft anordnete, vorwirft, sie habe die mit Rücksicht auf die unterbliebene Umsetzung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG mangelnde Vollziehbarkeit des Verbots nicht beachtet, bleibt doch festzuhalten, dass das die Grundlage des Erkenntnisses über die Schubhaft bildende Aufenthaltsverbot jedenfalls in vertretbarer Rechtsansicht der entscheidenden Behörden ergangen ist: Das folgt schon daraus, dass die Behörde der insoweit vorliegenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, die sich im Übrigen mit den europarechtlichen Vorgaben ausführlich auseinandersetzt, gefolgt ist. Selbst wenn die Verwaltungsbehörde aus europarechtlicher Sicht Bedenken gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gehabt haben könnte, wäre ihr die dann wohl allein zielführende Anrufung des EuGH verwehrt gewesen, weil gemäß Art 177 EG-V (nunmehr Art 234 EG) dieser nur von einem Gericht eines Mitgliedstaats um Vorabentscheidung ersucht werden kann.

Obwohl eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die gegen den Ausspruch des Aufenthaltsverbots gerichtete Beschwerde des Klägers bislang nicht ergangen ist, ist das Verfahren nicht in sinngemäßer Anwendung des § 11 AHG und des § 190 ZPO (vgl 1 Ob 391/97z) zu unterbrechen, weil selbst dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof nunmehr von seiner bisherigen Rechtsprechungslinie abginge, das an der Vertretbarkeit des Verbotsbescheids, mit dem die Verwaltungsbehörde der bisherigen Rechtsprechung folgte, nichts ändern könnte.

Der Kläger will daraus, dass der EuGH - wie bereits dargestellt - mehrfach ausgesprochen hat, aus dem Zweck des Beschlusses des Assoziationsrats ergebe sich, dass die im Rahmen der Art 48, 49 und 50 EG-V (nunmehr Art 39, 40 und 41 EG) geltenden Grundsätze so weit wie möglich als Leitlinien für die Behandlung der gemäß Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 privilegierten türkischen Arbeitnehmer heranzuziehen seien, herleiten, dass auch die Verfahrensvorschrift des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf den Kläger anzuwenden sei. Der erkennende Senat hat bereits in seinen Entscheidungen SZ 73/101 und 1 Ob 213/01g ausgesprochen, die zur Erreichung der Zielsetzung von ARB 1/80 erforderliche Bedachtnahme auf Art 3 der Richtlinie bedeute nicht, dass diese schlechthin in ihrer Gesamtheit auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden wäre. Die für diese maßgebliche Rechtsnorm sei nicht diese Richtlinie, sondern Art 14 ARB 1/80. Er konnte sich dabei auf die Rechtsprechung des EuGH stützen, der in seinem bereits zitierten "Tetik"-Urteil klarstellte, dass türkische Arbeitnehmer im Gegensatz zu den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft genössen, sondern nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat besitzen, in dessen Hoheitsgebiet sie rechtmäßig eingereist sind und in dem sie eine bestimmte Zeit lang eine ordnungsgemäße Beschäftigung ausgeübt haben.

Nunmehr hat allerdings der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. 3. 2003, GZ 99/21/0018, dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Art 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, dahin auszulegen, dass die Verwaltungsbehörden - ungeachtet des Bestehens eines innerbehördlichen Instanzenzuges - die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet ohne Erhalt der Stellungnahme einer (in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen) zuständigen Stelle nach Art 9 Abs 1 der RL - außer in dringenden Fällen - dann nicht treffen dürfen, wenn gegen ihre Entscheidung bloß die Erhebung von Beschwerden an Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mit nachgenannten Einschränkungen zulässig ist: Diesen Beschwerden kommt nicht von vornherein eine aufschiebende Wirkung zu, den Gerichtshöfen ist eine Zweckmäßigkeitsentscheidung verwehrt und sie können den angefochtenen Bescheid nur aufheben; weiters ist der eine Gerichtshof (Verwaltungsgerichtshof) im Bereich der Tatsachenfeststellungen auf eine Schlüssigkeitsprüfung, der andere Gerichtshof (Verfassungsgerichtshof) darüber hinaus auf die Prüfung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beschränkt?

2. Sind die Rechtsschutzgarantien der Art 8 und 9 der unter Punkt 1. genannten RL auf türkische Staatsangehörige anzuwenden, denen die Rechtsstellung nach Art 6 oder Art 7 des Beschlusses des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ARB) zukommt?

Zur Begründung der letztgenannten Frage führte der Gerichtshof im Wesentlichen aus, es stelle sich aufgrund der Rechtsprechung des EuGH die Frage, ob die weitgehende Übertragung der sich aus den Art 48, 49 und 50 EG-V (nun: Art 39, 40 und 41 EG) ergebenden Grundsätze auf die aus dem ARB berechtigten türkischen Staatsangehörigen auch den - den Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten - nach Art 8 und 9 der RL zustehenden Rechtsschutz umfasst. Zu den Gründen, die ein Aufenthaltsverbot gegen einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsgehörigen zulässig machen, habe der EuGH im Urteil vom 10. 2. 2000, Rs C-340/97 , "Nazli". ausgesprochen, dass eine Beschränkung der aus dem ARB abgeleiteten Rechte nach Art 14 ARB nur in dem Rahmen zulässig sei, innerhalb dessen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Angehörige der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sind, beschränkt werden könne (Rdnr 56). Aus dieser Angleichung der materiellen Rechtslage könnte eine Angleichung auch der prozessualen Rechte abgeleitet werden.

Aber auch die ausstehende Beantwortung dieser Frage durch den EuGH hindert die Entscheidung über den allein geltend gemachten Amtshaftungsanspruch nicht, weil selbst in dem für den Kläger günstigsten Fall der uneingeschränkten Bejahung der Vorlagefrage ein Organverschulden zu verneinen wäre. Wie bereits erörtert, ist der vom Kläger vertretene Standpunkt der Anwendbarkeit der verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG aus dieser Richtlinie selbst nicht abzuleiten, sondern umreißt diese - wie ebenfalls bereits ausgeführt - in ihrem Art 1 den persönlichen Geltungsbereich zweifelsfrei derart, dass davon nach dem Assoziationsratsbeschluss privilegierte türkische Arbeitnehmer nicht umfasst sind. Die bisher vorliegende Rechtsprechung des EuGH lässt auch nicht ansatzweise erkennen, dass über die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Grundsätze hinaus die Richtlinie praktisch zur Gänze auch für türkische Staatsangehörige Geltung habe. Vielmehr hebt das bereits zitierte "Tetik"-Urteil klar hervor, dass türkische Arbeitnehmer, anders als Unionsbürger, nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat besitzen. Ist damit die Rechtsansicht, die bereits mehrfach beschriebenen verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Richtlinie seien auf türkische Staatsangehörige auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht anzuwenden, jedenfalls vertretbar, so ist hier darüber hinaus ausschlaggebend, dass die Behörde, die über die Schubhaft zu entscheiden hatte, davon ausgehen durfte, dass sie zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des Aufenthaltsverbots nicht berechtigt sei. Die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts judizieren zur grundrechtlich bedeutsamen Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat (nunmehr § 57 FrG 1997), dass das Gesetz dafür ein besonderes Verwaltungsverfahren vorsehe, sodass der Unabhängige Verwaltungssenat die behauptete Unzulässigkeit im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde nicht zu untersuchen habe. Eine darauf gerichtete Prüfungskompetenz der Unabhängigen Verwaltungssenate bestehe selbst dann nicht, wenn der Beschwerdeführer von der Möglichkeit einer Antragstellung gemäß § 57 Abs 3 FrG 1997 keinen Gebrauch gemacht hat (VfGH B 857/93; B 638/93; B 1774/93 = VfSlg 13.776/1994; VwGH 94/02/0146; 94/02/0118 ua). Es kann daher in der Annahme, auch die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens eines Aufenthaltsverbots sei im Rahmen des Verfahrens über die Verhängung der Schubhaft nicht mehr zu prüfen, keine schuldhafte Abweichung von klarer Gesetzeslage oder ständiger Rechtsprechung (hier: der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts) gesehen werden.

Der Revision ist somit Folge zu geben und das klagsabweisende erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der von der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung verzeichnete 50 %-ige Zuschlag gemäß TP 3A Anm 5, der bei Verbindung der Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit einem Rechtsmittelschriftsatz gebührt, wenn die Anregung eingehend rechtlich begründet ist, steht nicht zu, weil keine der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen vorliegt.

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