VwGH 94/02/0118

VwGH94/02/011828.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerden des N in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 3. März 1994, Zl. 13/04/94.024/2 (hg. Zl. 94/02/0118), vom 5. April 1994, Zl. 13/04/94.036/3 (hg. Zl. 94/02/0230), und vom 30. Mai 1994, Zl. 13/04/94.051/2 (hg. Zl. 94/02/0277), betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs4 Z1;
FrG 1993 §51;
FrG 1993 §52;
FrG 1993 §54 Abs4;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §65 Abs1;
AVG §38;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs4 Z1;
FrG 1993 §51;
FrG 1993 §52;
FrG 1993 §54 Abs4;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §65 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, verließ den Irak im Jahr 1990 und reiste sodann illegal in die Türkei ein, wo er sich ein Jahr aufhielt. Danach lebte er bis Dezember 1993 in Griechenland und gelangte über Belgrad und Budapest am 26. Dezember 1993 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Sichtvermerk nach Österreich, wo er durch Grenzüberwachungsorgane des Bundesheeres festgenommen wurde. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 26. Dezember 1993 wurde über den Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung die Schubhaft verhängt.

Am 28. Dezember 1993 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 14. Februar 1994 wurde seine Ausweisung verfügt. Am selben Tag wurde er von der Fremdenpolizeibehörde einvernommen, wobei ihm zur Kenntnis gebracht wurde, daß die Schubhaft gemäß § 48 Abs. 4 FrG verlängert werde. Am 19. Februar 1994 (ergänzt am 11. März 1994) brachte der Beschwerdeführer gemäß § 54 FrG einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Irak ein. Am 12. Mai 1994 stellte er einen derartigen Antrag auch hinsichtlich Griechenlands, mit der Behauptung, daß dieses Land vom UNHCR als unsicheres Drittland eingestuft werde. Dem zuletzt genannten Antrag wurde mit Bescheid vom 26. Mai 1994 keine Folge gegeben.

Am 6. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen.

Mit Bescheid vom 3. März 1994 hat die belangte Behörde eine wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit 26. Dezember 1993 auf § 51 Fremdengesetz (FrG) gestützte Beschwerde abgewiesen und festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 94/02/0118). Mit Bescheid vom 5. April 1994 (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 94/02/0230) und vom 30. Mai 1994 (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 94/02/0277) wurden weitere Schubhaftbeschwerden abgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, daß die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft rechtmäßig sei.

In seinen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die belangte Behörde hat zwei Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen

Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

1. Zu der zur hg. Zl. 94/02/0118 protokollierten

Beschwerde:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe in einem entscheidungswesentlichen Punkt keine Aussage getroffen, ob nämlich die Abschiebung in den Irak zulässig sei oder nicht. Die abstrakte Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens gemäß § 54 FrG enthebe die belangte Behörde nicht von der Prüfung des Refoulementverbotes. Nicht nur das Fremdengesetz, sondern jedes Gesetz, das zur Ergreifung einer sichernden Maßnahme ermächtige, setzte als selbstverständlich voraus, daß der zu sichernde Zweck auch erreicht werden könne oder dürfe. Wegen des akzessorischen Charakters von Sicherungsmaßnahmen sei daher davon auszugehen, daß die Verhängung der Schubhaft bzw. Aufrechterhaltung zur Sicherung einer rechtswidrigen Folgemaßnahme (Abschiebung) ihrerseits rechtswidrig sei. Das Vorliegen eines rechtmäßigen Sicherungszweckes sei Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Überprüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde zu erfolgen hat (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0410, und vom 8. Juli 1994, Zl. 94/02/0124, 0127). Da die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG im vorliegenden Fall jedenfalls gegeben war (der Beschwerdeführer hat davon auch Gebrauch gemacht), war der belangten Behörde entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die Beurteilung der behaupteten Abschiebungshindernisse im Rahmen der Schubhaftbeschwerde verwehrt.

Unter Hinweis auf die Bestimmung des § 48 Abs. 2 FrG, wonach die Schubhaft dann nicht länger aufrechterhalten werden dürfe, wenn ihr Ziel nicht mehr erreicht werden könne, vermeint der Beschwerdeführer, daß bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fortdauer der Schubhaft ebenfalls die Frage zu prüfen sei, ob die Abschiebung noch möglich sei oder nicht. Solange eine Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde im Verfahren gemäß § 54 FrG nicht ergangen sei, hätte daher die belangte Behörde diese Rechtsfrage notwendigerweise selbst zu beurteilen. Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Durchführung eines Verfahrens im Sinne des § 54 Abs. 1 FrG obliegt der zuständigen Verwaltungsbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 94/02/0038); eine diesbezügliche Prüfungskompetenz der unabhängigen Verwaltungssenate besteht nicht, und zwar nicht einmal dann, wenn der Beschwerdeführer von der Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG keinen Gebrauch gemacht hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1994, Zl. 94/02/0146); es ist ihnen diesfalls - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auch die vorfrageweise Beurteilung dieses Umstandes verwehrt. Dieser Aspekt der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft ist der Prüfung durch die unabhängigen Verwaltungssenate jedenfalls entzogen. Erst eine Entscheidung in einem Feststellungsverfahren nach § 54 FrG betreffend Unzulässigkeit der Abschiebung in das hiefür in Aussicht genommenen Land kann die Rechtswidrigkeit der Schubhaft unter diesem Gesichtspunkt nach sich ziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1994, Zl. 94/02/0351).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, seine Rückschiebung nach Ungarn sei faktisch unmöglich, gelingt es ihm ebenfalls nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Nach § 36 Abs. 2 erster Satz FrG ist nämlich die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unter anderem aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für einen solchen Fall ist daher ein eigenes Verfahren vorgesehen, welches vor den Fremdenbehörden (§ 65 Abs. 1 FrG) zu führen ist. Die Überprüfung, ob eine Abschiebung eines Fremden aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (scheint), hat daher nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1994, Zl. 94/02/0227).

2. Zu den zu hg. Zl. 94/02/0230 und zu hg. Zl. 94/02/0277 protokollierten Beschwerden:

Nach weitgehender Wiederholung der bereits in Pkt. 1 dargestellten Beschwerdeausführungen sieht der Beschwerdeführer das Verhältnismäßigkeitsprinzip des § 48 FrG verletzt, weil die Fremdenpolizeibehörde nicht über den Antrag gemäß § 54 FrG betreffend die beabsichtigte Abschiebung in den Irak entschieden habe. Es könne nicht im Sinne des § 48 Abs. 4 FrG liegen, daß ein Antrag gemäß § 54 leg. cit. nur deshalb unerledigt bleibe, damit die Schubhaft aufrecht erhalten und gerechtfertigt werden könne. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß eine - wie er meint - vorsätzliche Verzögerung der genannten Entscheidung durch die zuständige Behörde dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann. Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, daß die Aufrechterhaltung der Schubhaft im zeitlichen Rahmen des § 48 Abs. 4 FrG nicht nur deshalb gerechtfertigt war, weil über den Antrag nach § 54 FrG noch nicht entschieden war, sondern auch deshalb, weil sich die Klärung der Staatsangehörigkeit durch die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers verzögert hat. Im übrigen wurde seine Abschiebung in den Irak gezielt betrieben, indem die Ausstellung des Heimreisezertifikats - wie er selbst behauptet - wiederholt urgiert wurde. Auch mit dem Einlangen der (abschlägigen) Antwort der irakischen Botschaft bei der Fremdenpolizeibehörde am 31. März 1994 stand nicht fest, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers nicht mehr in Frage kam. Schon in Anbetracht der Reisebewegungen des Beschwerdeführers vor seiner Einreise nach Österreich und der Bemühungen der Fremdenpolizeibehörden um eine Übernahme des Beschwerdeführers durch Griechenland war auch ab dem 31. März 1994 keinesfalls sicher, daß eine Außerlandesschaffung des Fremden mit Grund nicht mehr anzunehmen gewesen wäre.

Da die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, erweisen sich die Beschwerden insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG - die zur Zl. 94/02/0277 protokollierte Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG - abzuweisen waren.

Der Zuspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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