OGH 1Ob179/99a

OGH1Ob179/99a21.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ahmet S*****, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17, wegen Gestattung der Wiedereinreise nach Österreich, Feststellung und 249.000 S sA, infolge Revision und Rekurses der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichts vom 23. März 1999, GZ 1 R 281/98b-21, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 23. Juli 1998, GZ 5 Cg 3/98s-17, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keinem der beiden Rechtsmittel wird Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit je 11.437,50 S bestimmten Kosten des Rekurs- und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger, verheiratet und Vater zweier minderjähriger Kinder. Er hielt sich seit April 1989 als Gastarbeiter in Österreich auf, war bis 21. Juni 1994 unselbständig bei einem Verpackungsunter- nehmen und als Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH tätig, von der seine Ehegattin als mittätige, zu 50 % am Stammkapital beteiligte Gesellschafterin ein laufendes monatliches Entgelt bezieht.

Der - wegen § 88 Abs 1 StGB vorbestrafte - Kläger wurde am 21. Juni 1994 wegen des Verdachts der Begehung des Verbrechens nach § 12 SGG festgenommen und mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 19. April 1995 wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG und wegen des Verbrechens nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren verurteilt, weil er gemeinsam mit einem anderen von Ende 1993 bis Frühjahr 1994 über Vermittlung durch einen Dritten 750 g Heroin in Vorarlberg und in der Schweiz an Dritte zu verkaufen versucht, und am 21. Februar 1995 in Feldkirch zwei näher bezeichnete Gendarmeriebeamte durch wahrheitswidrige Behauptungen des Verbrechens des Amtsmissbrauchs gemäß § 302 StGB falsch verdächtigt hatte, wobei er gewusst hatte, dass die Verdächtigungen falsch waren, und dadurch die Gendarmeriebeamten der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt hatte. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft dauerte die Strafhaft des Klägers bis zum 19. Dezember 1997.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. Mai 1996 wurde über den Kläger gemäß § 18 Abs 1 und 2 Z 1 iVm § 21 Abs 1 und 2 FremdenG 1992 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet verhängt, wobei hiefür ua das Urteil des Landesgerichts Feldkirch maßgebend war. Die vom Kläger gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom 13. November 1996 als unbegründet abgewiesen.

Der Bundesminister für Inneres wies mit Bescheid vom 5. Februar 1997 einen Antrag des Klägers auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ab. Der VwGH bestätigte diesen Bescheid mit Beschlüssen vom 12. März 1997 und wies den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 13. November 1996 abgeschlossenen Verfahrens ab.

Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn verhängte mit Bescheid vom 12. Dezember 1997 über den Kläger die Schubhaft, er wurde unmittelbar nach dem Ende seiner Strafhaft am 19. Dezember 1997 in Schubhaft übernommen. Der unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Vorarlberg wies mit Bescheid vom 23. Dezember 1997 die gegen die Erlassung der Schubhaft vom Kläger wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Inhaftnahme und fortgesetzter Freiheitsentziehung erhobene Beschwerde als unbegründet ab, weil das Aufenthaltsverbot gegen den Kläger nach wie vor aufrecht sei. Der UVS könne die Berechtigung des nach wie vor bestehenden rechtskräftigen Aufenthaltsverbots nicht überprüfen. Der VwGH wies die vom Kläger dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 27. März 1997 als unbegründet ab.

Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn wies mit Bescheid vom 5. Jänner 1998 den auf § 44 Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) gestützten Antrag des Klägers vom 17. Dezember 1997, das gegen ihn rechtskräftig verhängte Aufenthaltsverbot wegen neuer Entscheidungsgrundlagen aufzuheben, ab. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg gab mit Bescheid vom 7. Mai 1998 der vom Kläger dagegen erhobenen Berufung nicht Folge. Ob der Kläger dagegen ein Rechtsmittel erhob, steht nicht fest und lässt sich dem Akteninhalt auch nicht entnehmen.

Der Kläger begehrte gegenüber dem beklagten Bund zunächst die Feststellung, die von ihm erlittene Schubhaft sei rechtswidrig, dessen Verurteilung, ihn sofort in die Freiheit zu entlassen, sowie ihm für jeden Werktag 1.000 S an Verdienstentgang und für jeden erlittenen Hafttag 1.200 S als Haftentschädigung zu zahlen. Auf ihn träfen die Voraussetzungen nach Art 6 Abs 1 des Assoziationsratsbeschlusses ARB 1/80 (im Folgenden nur ARB 1/80) zu und er sei somit unbeschränkt in Österreich niederlassungsberechtigt. Auf ihn sei ferner auch die Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 anwendbar, nach deren Art 3 bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein dürfe und strafrechtliche Verurteilungen allein diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen könnten. Nur bei schwerer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit unter Zugrundelegung europarechtlicher Kriterien könnten aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den assoziationsintegrierten Kläger ergriffen werden. Der UVS habe zu Unrecht die Schubhaft unter Außerachtlassung dieser Kriterien, insbesondere der Notwendigkeit einer neuerlichen Überprüfung der Voraussetzungen wegen des schon längere Zeit zurückliegenden Aufenthaltsverbotsbescheids, aufrecht erhalten. Auch nach Lehre und stRspr des VwGH sei bei neuen Sachverhalten oder Zeitablauf die Notwendigkeit einer fremdenpolizeilichen Maßnahme neuerlich zu überprüfen.

Der Gesetzgeber habe es verabsäumt, die sich aus Art 14 des ARB 1/80 ergebenden Verpflichtungen im Fremdengesetz sowie die Richtlinie 64/221/EWG , nämlich das Erfordernis der negativen spezialpräventiven Zukunftsprognose und der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, in Österreich umzusetzen. Das über den Kläger verhängte Aufenthaltsverbot basiere ausschließlich auf generalpräventiven Überlegungen. Der VwGH überprüfe nicht die Aktualität der Vollstreckung des Aufenthaltsverbots, sondern nur dessen Gesetzmäßigkeit zum Zeitpunkt von dessen Erlassung durch die belangte Behörde. Der Kläger stütze seine Ansprüche ausschließlich auf Gemeinschaftsrecht und sich daraus ergebende innerstaatliche Umsetzungsverpflichtungen, mache also Staatshaftungsansprüche zulässigerweise vor einem ordentlichen Gericht geltend. Auch habe der Kläger gemäß §§ 1329, 1330 ABGB bei rechtswidriger Haft Anspruch auf Schadenersatz und Enthaftung, weshalb die beklagte Partei auch für das Enthaftungsbegehren passiv legitimiert sei, weil das Gemeinschaftsrecht für Staatshaftungsansprüche die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründe und die innerstaatlichen Grundsätze der Trennung von Justiz und Verwaltung in diesem Bereich nicht relevant seien.

Nachdem der Kläger am 8. Jänner 1998 in die Türkei abgeschoben worden war und sich seit diesem Zeitpunkt dort aufhält, begehrte er in Abänderung seines Klagebegehrens die Feststellung, die von ihm erlittene Schubhaft sei rechtswidrig gewesen (Punkt 1.), und die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm "bis zu einer Prüfung der spezialpräventiven aktuellen Notwendigkeit der Durchsetzung des Aufenthaltsverbots durch eine von der Fremdenpolizei unabhängige Stelle mit voller Kognition auch zur Prüfung seiner Zweck- und Verhältnismäßigkeit den Aufenthalt in Österreich zu gestatten" (Punkt 2.). Sein weiteres Leistungsbegehren präzisierte er zuletzt dahin, dass er für 20 Tage Haft je 1.200 S, insgesamt daher 24.000 S, und für 130 Werktage Verdienstentgang von je 900 S, somit insgesamt 117.000 S, beanspruche und daher die Punkte 3) und 4) seines Begehrens dahin modifiziere, dass ihm die beklagte Partei 141.000 S sA (Punkt 3.) und ab 16. Juni 1998 für jeden weiteren Werktag 900 S an Verdienstentgang solange zu zahlen habe, bis er wieder nach Österreich einreisen dürfe (Punkt 4.).

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, für das Begehren auf Gestattung des Aufenthalts sei nach der im Inland geltenden Trennung von Justiz und Verwaltung der Rechtsweg unzulässig; eine Anwendung des ARB 1/80 sei unmöglich, weil der Kläger nicht zum begünstigten Personenkreis gehöre, und im Übrigen seien die verhängte Schubhaft und die daran anschließende Ausweisung des Klägers in die Türkei auch aus europarechtlicher Sicht rechtmäßig gewesen. Zudem seien die von den erkennenden Behörden vertretenen Rechtsauffassungen auch aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts bei Anwendbarkeit des ARB 1/80 vertretbar gewesen.

Das Erstgericht wies mit Punkt I) seines Urteils das zu Punkt 2) erhobene Klagebegehren - dem Kläger den Aufenthalt in Österreich zu gestatten - zurück und mit Punkt II) die übrigen Begehren ab. Wegen der verfassungs- und gesetzmäßigen Regelungskompetenz liege die Zuständigkeit für die Einreisebewilligung nach § 8 FrG bei der Verwaltungsbehörde, weshalb der in Punkt 2.) des Klagebegehrens erhobene Anspruch auf dem ordentlichen Rechtsweg nicht durchsetzbar und dieses Begehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen sei. Im Übrigen könne es dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine assoziationsintegrierte Person nach dem ARB 1/80 sei, weil jedenfalls die von den Verwaltungsbehörden getroffenen und von ihm beanstandeten Entscheidungen auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 64/221/EWG vertretbar und nicht rechtswidrig gewesen seien. Das Verhalten des Klägers, das zu dessen strafgerichtlichen Veruteilung geführt habe, lasse dessen Ausweisung nach Verbüßung von dessen Freiheitsstrafe durchaus gerechtfertigt erscheinen. Speziell bei Personen, die schwerer Suchtgiftverbrechen überführt worden seien, sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auch nach Verbüßung der Freiheitsstrafe anzunehmen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen den zurückweisenden Teil des Ersturteils richtete und die deshalb als Rekurs zu behandeln sei, Folge, hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung auf; im Übrigen bestätigte es das Ersturteil mit Teilurteil. Es sprach aus, dass der Rekurs bzw die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsfragen des Gemeinschafts- und nationalen Rechts zu lösen seien, denen über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und zu denen höchstgerichtliche Rspr fehle.

Der Rekurs und die Revision des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluss bzw das Teilurteil sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Das Berufungsgericht hob jenen Teil des erstinstanzlichen Urteils, mit dem die Klage teilweise zurückgewiesen worden war, auf, weil das Erstgericht das unter Punkt 2) erhobene Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs in Urteilsform zurückgewiesen habe, obwohl über die Zulässigkeit des Rechtswegs als Prozessvoraussetzung mit Beschluss zu entscheiden gewesen wäre; dieser Beschluss sei mit Rekurs und nicht mit Berufung anzufechten. Die Ausführungen in der Berufung, mit denen die Zurückweisung des Punkts 2) des Klagebegehrens bekämpft werde, seien daher als Rekurs zu behandeln. Im Zusammenhang mit dem vor der Klageänderung erstatteten Prozessvorbringen sei noch erkennbar, dass der Kläger diesen Anspruch auch im Verfahren erster Instanz als Staatshaftungs- und damit als Schadenersatzanspruch geltend mache, über den grundsätzlich die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten. Die Frage, ob die materiellen Voraussetzungen vorlägen, über die - dem AHG fremde - Naturalrestitution als Ausfluss der Schadensminderungspflicht im Rahmen der innerstaatlichen verfassungs- und gesetzmäßigen Regelungskompetenz oder nach gemeinschaftsrechtlichem Staatshaftungsrecht zu entscheiden, betreffe eine Frage des materiellen Rechts, sodass insoweit Punkt I) des Ersturteils aufzuheben und dem Erstgericht eine Sachentscheidung aufzutragen sei. Dem Berufungsgericht sei es verwehrt, anstelle einer Formal- eine Sachentscheidung zu treffen.

a) Der Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluss ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die zweite Instanz hat als Rekursgericht dem Erstgericht die Sachentscheidung über einen Teil des Klagebegehrens aufgetragen. Gemäß § 499 Abs 2 ZPO ist das Gericht, an das eine Rechtssache infolge Beschlusses des Berufungsgerichts zu gänzlicher oder teilweiser neuer Verhandlung oder Entscheidung gelangt, hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Berufungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist. Das Erstgericht, an das die Rechtssache nach Aufhebung seiner Entscheidung zurückverwiesen wurde, ist nur an die rechtliche Beurteilung des Aufhebungsbeschlusses, nicht aber auch an etwa dort geäußerte Ansichten zur Beweiswürdigung gebunden (EvBl 1960/119). Soweit rechtliche Ausführungen für die Aufhebung nicht maßgebend waren, besteht gleichfalls keine Bindung (RZ 1973/35; Kodek in Rechberger2, § 499 ZPO Rz 2). Dies muss auch dann gelten, wenn das Gericht zweiter Instanz eine vom Erstgericht unzutreffender Weise in Urteilsform ausgesprochene Klagezurückweisung (hier eines Teils des Anspruchs) dadurch korrigiert, dass es dem Erstgericht die Sachentscheidung aufträgt. Im vorliegenden Fall wurde dem Erstgericht durch die zweite Instanz dabei keine dem materiellen Recht zuzurechnende Rechtsauffassung überbunden.

Fragen nach der Zulässigkeit der Naturalrestitution im Amtshaftungs- und im Staatshaftungsrecht stellen sich somit in diesem Rechtsgang noch nicht.

b) Zur Revision des Klägers zu seinem Begehren auf Haftentschädigung und Verdienstentgang aus dem Rechtsgrund der Staatshaftung:

Seit dem Urteil des EuGH vom 19. November 1991, Rs C-6, 9/90 - Francovich, Slg 1991 I-5403, dem eine Reihe weiteren Entscheidungen folgten, zählt die Staatshaftung der Mitgliedstaaten bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts zum fixen Bestand des Europarechts. Der EuGH anerkennt die Staatshaftung unter drei Voraussetzungen: Erstens muss die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, bezwecken, dem einzelnen Rechte zu verleihen, zweitens muss der Verstoß hinreichend qualifiziert sein und drittens muss zwischen dem entstandenen Schaden und dem vom Mitgliedstaat zu vertretenden Verstoß ein Kausalzusammenhang bestehen (1 Ob 80/99t = ecolex 2000, 276 [Längle] mwN). Eine der wesentlichen Neuerungen ist die Haftung für legislatives Unrecht, dh für gemeinschaftsrechtswidrige Handlungen der Legislative, die bis zu diesem Zeitpunkt dem österr Recht (Art 23 B-VG, AHG) unbekannt war. Der Kläger brachte dazu in erster Instanz vor, der Gesetzgeber habe es verabsäumt, die sich aus Art 14 des ARB 1/80 ergebenden Verpflichtungen im Fremdengesetz sowie die Richtlinie 64/221/EWG , diese im Erfordernis sowohl der negativen spezialpräventiven Zukunftsprognose als auch der gerichtlichen Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer aufenthaltshemmenden Maßnahme, umzusetzen. Dazu ist auszuführen:

Trotz fehlenden Abschlusses eines Anpassungsprotokolls ist das Assoziationsabkommen EWG-Türkei vom 12. September 1963 (im Folgenden nur Assoziationsabkommen) gemäß Art 76 Abs 2 der Beitrittsakte seit 1. Jänner 1995 auch für Österreich geltendes Gemeinschaftsrecht (VwGH Zl. 96/09/0088 ua). Nach Art 36 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen vom 23. November 1970 wird die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach den vom Assoziationsrat festgelegten Regeln bis spätestens zum 1. Dezember 1986 schrittweise hergestellt. Der bisher einzige Beschluss, den der Assoziationsrat zur Herstellung der Freizügigkeit fasste, der Beschluss vom 20. Dezember 1976 Nr 2/76 (im Folgenden nur ARB 2/76), wurde durch den Assoziationsratsbeschluss vom 19. September 1980 Nr 1/80 (im Folgenden nur ARB 1/80) dahin abgeändert, dass für türkische Arbeitnehmer, die ordnungsgemäß in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind, neue Beschränkungen der Zugangsbedingungen zum Arbeitsmarkt verboten werden. Art 2 Abs 1 lit b des ARB 2/76 und Art 6 Abs 1 des ARB 1/80 regeln den Zugang türkischer Arbeitnehmer zum nationalen Arbeitsmarkt in Gestalt deren beschäftigungsrechtlichen Stellung bei Nachweis "ordnungsgemäßer Beschäftigung" nach Zurücklegung bestimmter Zeitabschnitte. Art 6 des ARB 1/80 lautet:

"(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."

Die Bestimmungen des Assoziationsabkommens und der Beschlüsse des Assoziationsrats sind in jener Bedeutung anzuwenden, die ihnen die nach dem Gemeinschaftsrecht zu ihrer Auslegung zuständigen Organe, insbesondere der EuGH - der gemäß Art 1 Abs 3 des EU-Beitrittsvertrags auch für die Auslegung des EU-Beitrittsvertrags selbst zuständig ist - beigemessen hat. Eine zentrale Aussage des Urteils des EuGH vom 20. September 1990, Rs C-192/89 Sevince, Slg 1990, I-3461 = EuZW 1990, 479 (im Folgenden nur Sevince-Urteil) besteht in der engen Verknüpfung von Erwerbstätigkeit und Aufenthaltsrecht. Obwohl Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz (auch Gedankenstrich oder Spiegelstrich) des ARB 1/80 nur die beschäftigungs- und nicht auch die aufenthaltsrechtliche Stellung der türkischen Arbeitnehmer regle, seien beide Aspekte mit der persönlichen Situation türkischer Arbeitnehmer eng miteinander verknüpft; diese Bestimmungen implizierten zwangsläufig, dass den türkischen Arbeitnehmern zumindest zu diesem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht zustehe; anderenfalls wäre das Recht, das sie den Arbeitnehmern zuerkennen, völlig wirkungslos (Sevince-Urteil Rn 29). Dieser Auffassung ist der EuGH in Folgeentscheidungen treu geblieben; sie wurde in Österreich auch vom VwGH (Erkenntnisse Zl. 96/09/0297, Zl. 97/09/0131) übernommen.

Ein türkischer Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 erfüllt, kann sich unmittelbar auf diese Bestimmungen berufen, um neben der Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis auch die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu erreichen (Urteil des EuGH Rs C-237/91 vom 16. Dezember 1992 - Kus, Slg 1992 I-6781 [im Folgenden nur Kus-Urteil]). Der Begriff der "ordnungsgemäßen Beschäftigung" setzt allerdings eine gesicherte und nicht eine nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus (Sevince-Urteil Rn 30). Versucht man eine teleologisch ausgerichtete Konkretisierung, so ist wohl unter "ordnungsgemäßer Beschäftigung" eine dauerhafte weisungsgebundene Tätigkeit zu verstehen, wobei es auf die Dauer der Arbeitszeit selbst nicht ankommt. Keine "ordnungsgemäße Beschäftigung" sind Gelegenheits- und Hilfstätigkeiten sowie Arbeitsverhältnisse, die mangels Kündigungsfristen sofort auflösbar sind, weil sie keine gesicherte Position auf dem Arbeitsmarkt garantieren (Lang, Das Gemeinschaftsrecht der Drittstaatsangehörigen, 227 mwN in FN 764).

Unter Zugrundelegung der Rspr des EuGH (Sevince-Urteil Rn 31; Kus-Urteil Rn 18 ua) lässt sich der personelle Anwendungsbereich des Art 6 des ARB 1/80 wie folgt definieren: Der türkische Staatsangehörige muss, um die Privilegien des Art 6 des ARB 1/80 in Anspruch nehmen zu dürfen, Arbeitnehmer sein, dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats angehören und einer "ordnungsgemäßen Beschäftigung" nachgehen. Seine aufenthaltsrechtliche Position ist von der Dauer, in der er die genannten Voraussetzungen erfüllt, abhängig (Lang aaO 228 f). Der Individualanspruch des türkischen Arbeitnehmers nach Art 6 des ARB 1/80 setzt allerdings voraus, dass ihm der erstmalige Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt erlaubt worden ist; diese Voraussetzung unterliegt ausschließlich innerstaatlichen Regelungen (mit Ausnahme der Regelungen für Familienangehörige gemäß Art 7 der ARB 1/80). All diese Erwägungen, mit denen sich auch das Berufungsgericht auseinandersetzte, werden im Rechtsmittel nicht in Zweifel gezogen. Evident ist angesichts dieser Rechtslage, dass Zeiten des türkischen Arbeitnehmers in Haft nicht als solche einer "ordnungsgemäßen Beschäftigung" iSd Art 6 Abs 1 des Assoziationsratsbeschlusses vom 19. September 1980 Nr 1/80 angesehen werden können.

Die zweite Instanz führte weiters aus, der Kläger habe behauptet, dass er die zeitlichen Voraussetzungen nach Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 erfülle; dem habe die beklagte Partei nicht konkret widersprochen, sondern nur eingewendet, dass der Kläger in dem Zeitpunkt, in dem der Beitritt Österreichs zur EU wirksam wurde, angesichts seiner Inhaftierung nicht dem regulären Arbeitsmarkt angehört und er deshalb die Privilegien der Art 6 f des ARB 1/80 nicht mehr besessen habe. Deshalb erübrige sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob er nach Maßgabe der von Art 6 des ARB 1/80 angeordneten Berechnung der Beschäftigungszeiten tatsächlich einer ordnungsgemäßen Beschäftigung in der erforderlichen Dauer von vier Jahren nachgegangen sei und ob es (bei der Rechtslage vor dem 1. Jänner 1998) zum Nachweis des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Voraussetzungen dieser Bestimmung eines deklarativen Feststellungsbescheids durch das Arbeitsmarktservice (AMS) Österreich bedurft habe, der nach der Rechtsauffassung des VwGH in seinem Erkenntnis Zl. 96/09/0088 das einzige geeignete Mittel zum Nachweis der Berechtigung sei (vgl dazu auch Steier, Feststellungsbescheide bei Beschäftigung integrierter Türken, in ecolex 1997, 106 ff). Vielmehr sei zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass er bereits vor seiner Inhaftierung (am 21. Juni 1994) die zeitliche Voraussetzung der nach Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 erforderlichen vierjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung erfüllt habe. Diese Auffassung ist zu billigen: Dass (auch) der ARB 1/80 für den österreichischen Rechtsbereich erst mit dem Betritt Österreichs zur Gemeinschaft in Kraft trat, hat nicht zur Folge, dass türkische Arbeitnehmer, die in Art 6 Abs 1 des Assoziationsratsbeschluss vom 19. September 1980 Nr 1/80 genannten Zeiträume nach dem 1. Jänner 1995 zurücklegen müssen, um in den Genuss der dort vorgesehenen Privilegien zu gelangen; vielmehr kommen ihnen entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Rechtsträgers auch am 1. Jänner 1995 bereits zurückgelegte Zeiträume zugute. Andernfalls wären türkische Arbeitnehmer in Österreich schlechter gestellt als in den übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft.

Die zweite Instanz vertrat ferner die Rechtsauffassung, ein türkischer Strafgefangener, der das Freizügigkeitsrecht bereits erworben habe, verliere dieses zufolge Art 6 Abs 2 zweiter Satz des ARB 1/80 nicht ex lege. Daran ändere auch die dort gewählte Formulierung "unverschuldete Arbeitslosigkeit" nichts; soweit sich die Vertreter der gegenteiligen Auffassung auf dieses rechtserhaltende Tatbestandsmerkmal mit der Begründung beriefen, eine Strafhaft sei jedenfalls verschuldet, übersähen sie, dass die Strafhaft zwar in der Tat verschuldet, indes unfreiwillig eingetreten sei und zu einer zwar verschuldeten, jedoch unfreiwilligen Arbeitslosigkeit führe, die den automatischen Untergang bereits erworbener Privilegien nach Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 nicht zur Folge habe. Auch dem ist beizutreten:

Nach der deutschen Fassung des Art 6 Abs 2 zweiter Satz des ARB 1/80 besteht der Aufenthaltsanspruch bei "unverschuldeter" Arbeitslosigkeit fort, während die anderssprachigen Fassungen die Formulierung "involontaire", "involontaria", "unvoluntarily", "onvrijwillige" oder "elde olmayan nedenlerle" verwenden, also von "ungewollter" oder "unfreiwilliger" Arbeitslosigkeit sprechen. Die verschieden- sprachigen Fassungen sind grundsätzlich gleichberechtigt (Art 33 des Assoziationsabkommens und Art 64 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen; Gutmann in Antalovsky/König/Perchinig/Vana, Assozierungsabkommen der EU mit Drittstaaten 60). Zur Lösung der Frage, welchem Wortlaut der Vorzug zu geben sei, führte der EuGH in seinem Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77 - Bouchereau, Slg 1977, 1999 = NJW 1978, 479 aus, die verschiedenen sprachlichen Fassungen einer Gemeinschaftsvorschrift müssten einheitlich ausgelegt werden; soweit die Fassungen voneinander abwichen, müsse die Vorschrift daher nach dem allgemeinen Aufbau und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehöre. Der Gerichtshof sprach in seinem Urteil vom 23. Jänner 1997, C-171/95 - Tetik, Slg 1997, I-329 (im Folgenden Tetik-Urteil) demgemäß aus, entscheidend für den Erhalt des Aufenthaltsrechts sei nicht, ob der türkische Arbeitnehmer den Arbeitsplatz freiwillig aufgebe, sondern ob er mit dieser Entscheidung zugleich den Arbeitsmarkt freiwillig endgültig verlasse. Diesem Rechtsfall war zugrunde gelegen, dass ein türkischer Seemann, der insgesamt acht Jahre auf verschiedenen deutschen Seeschiffen ordnungsgemäß beschäftigt gewesen war und mehrmals befristete Aufenthaltserlaubnisse erhalten hatte, auch nach seiner Abmusterung, dh seiner freiwilligen Kündigung, das Recht auf weiteren Aufenthalt habe, um innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Arbeit an Land zu suchen. Wie lang dieser Zeitraum bemessen werde, sei Angelegenheit der nationalen Behörden oder Gerichte. Klargestellt wird dort auch, dass Art 6 Abs 2 zweiter Satz des ARB 1/80 Zeiten der Beschäftigungslosigkeit, die auf lange Krankheit oder unverschuldete Arbeitslosigkeit zurückzuführen seien, betreffe (Tetik-Urteil Rn 38): Gebe ein türkischer Arbeitnehmer, der bereits mehr als vier Jahre eine ordnungsgemäße Beschäftigung ausgeübt habe, seine Arbeit freiwillig auf, um in demselben Mitgliedstaat eine andere Beschäftigung zu suchen, so folge daraus nicht ohne weiteres, dass er den Arbeitsmarkt dieses Staates endgültig verlassen habe, sofern er dort weiterhin dem regulären Arbeitsmarkt iSd Art 6 Abs 1 angehöre (Tetik-Urteil Rn 40). Gelinge es dem türkischen Arbeitnehmer nicht, unmittelbar nach Aufgabe seiner vorherigen Beschäftigung ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, so sei diese Voraussetzung jedoch grundsätzlich nur dann weiterhin gegeben, wenn er alle Formalitäten erfülle, die in dem betreffenden Mitgliedstaat vorgeschrieben seien, sich also gegebenenfalls als Arbeitssuchender melde und der Arbeitsverwaltung dieses Mitgliedstaats während des dort vorgeschriebenen Zeitraums zur Verfügung stehe (Tetik-Urteil, Rn 41).

Werden diese vom EuGH festgeschriebenen Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, so hat der Kläger seine Arbeit nicht freiwillig aufgegeben: Er wurde wegen seines - zweifellos schuldhaften - Verhaltens in Untersuchungs- und sodann in Strafhaft genommen und gehörte deshalb von da an nur unfreiwillig dem Arbeitsmarkt in Österreich nicht mehr an. Das "schuldhafte" Verhalten bezieht sich somit nicht etwa darauf, dass er den Arbeitsmarkt verließ, sondern auf seine zur Inhaftierung führenden Delikte, als deren Folge er aufgrund eines Strafurteils nun "unfreiwillig" dem Arbeitsmarkt nicht mehr angehörte. Art 6 Abs 2 zweiter Satz des ARB 1/80 kann daher auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht angewendet werden. Der Hinweis des Klägers auf das österr. Arbeitslosenversicherungsgesetz ist schon deshalb verfehlt, weil die genannte Bestimmung autonom auszulegen ist.

Der ARB 1/80 gesteht in seinem Art 14 Abs 1 die Aufenthaltsrechte vorbehaltlich der Beschränkungen zu, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, und stellt damit die entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen unter den Ordre public. Die Formulierung wiederholt eine aus Art 48 Abs 3 EG-V (jetzt Art 39 Abs 3 EG) bekannte Begrifflichkeit. Konkretisiert wird diese Bestimmung, die das Recht der Wanderarbeitnehmer zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat unter den Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit stellt, durch die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (Ausländerpolizeirichtlinie). Die hier maßgeblichen Bestimmungen dieser Richtlinie lauten:

Artikel 3 (öffentliche Sicherheit und Ordnung):

(1) Bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darf ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend seien.

(2) Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.

(3) ...

Artikel 8

(Rechtsbehelfe)

Der Betroffene muss gegen die Entscheidung, durch welche die Einreise, die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verweigert wird, oder gegen die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet die Rechtsbehelfe einlegen können, die Inländern gegenüber Verwaltungsakten zustehen.

Artikel 10

(Umsetzung durch die Mitgliedstaaten)

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie binnen sechs Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen, und setzen die Kommission hiervon unverzüglich in Kenntnis.

(2) ...

Artikel 11

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

...

An diesen Bestimmungen der Richtlinie, die sich nicht auf türkische Arbeitnehmer bezieht, und an der der Rspr des EuGH zu ihnen ist Art 14 des ARB 1/80 zu messen. Der einmal erworbene freie Zugang des türkischen Arbeitnehmers zum Arbeitsmarkt im Aufnahmestaat gemäß Art 6 Abs 1 dritter Unterabsatz des ARB 1/80 geht - ähnlich wie der des EU-Bürgers (Wanderarbeitnehmer) gemäß Art 48 Abs 3 des EG-V (nun Art 39 Abs 3 EG) und Art 3 der Richtlinie 64/221/EWG - nicht ex lege, sondern nur infolge einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, die Art 14 des ARB 1/80 entsprechen muss, verloren. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist somit nur dann gemeinschaftsrechtskonform, wenn ein solcher Eingriff nach den durch die Rechtsprechung des EuGH konkretisierten Kriterien des Art 3 Abs 2 der Richtlinie 64/221/EWG notwendig und gerechtfertigt ist. Somit ist bei derart privilegierten Personen der Tatbestand der - die Erlassung eines Aufenthaltsverbots rechtfertigenden - Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit anhand der Kriterien der Richtlinie 64/221/EWG und der Rspr des EuGH zu dieser zu beurteilen:

Durch Art 6 des ARB 1/80 privilegierte türkische Arbeitnehmer dürfen demnach in Österreich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen dessen Art 14 Abs 1 mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden.

Die Behauptung, Art 14 Abs 1 des ARB 1/80 sei in Österreich in den fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht umgesetzt worden, wird vom Kläger im Rechtsmittel nicht mehr aufrecht erhalten; dazu finden sich dort keinerlei Ausführungen. Auch auf die Klagebehauptung, das Aufenthaltsverbot habe im Hinblick auf das am 1. Jänner 1998 in Kraft getretene FrG 1997 keine Gültigkeit mehr, die die zweite Instanz mit dem Hinweis abtat, der Kläger sei wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden, sodass das Aufenthaltsverbot nicht gemäß § 114 Abs 4 FrG 1997 außer Kraft getreten sei, kommt der Kläger im Verfahren dritter Instanz nicht mehr zurück.

Welche konkreten Sachverhalte unter Art 14 Abs 1 des ARB 1/80 zu subsumieren sind, richtet sich wiederum nicht nach innerstaatlichem Recht, sondern ist aus der Sichtweite und nach der Definition des Gemeinschaftsrechts unter Berücksichtigung der Rspr des EuGH zu beurteilen (Kus-Urteil Rn 34; Tetik-Urteil Rn 28; Feik, Das Aufenthaltsrecht türkischer Arbeitnehmer, in ZfV 1995, 1 ff, 4). Das Gemeinschaftsrecht schreibt jedoch den Mitgliedstaaten für Verhaltensweisen, die als im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehend angesehen werden, keine einheitliche Wertskala vor. Generalpräventive Sanktionen, wirtschaftliche Gründe und strafrechtliche Verurteilungen rechtfertigten indes eine solche Maßnahme wie eine Ausweisung für sich allein jedenfalls nicht. Die den nationalen Behörden und Gerichten vom Gemeinschaftsrecht überlassene Wertung hat sich zwar am persönlichen Verhalten eines die Freizügigkeit genießenden Arbeitnehmers zu orientieren, weil nicht schon jede strafrechtliche Verurteilung zu einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme führen darf, doch kann es nicht zweifelhaft sein, dass bestimmte kriminelle Verhaltensweisen auch unter rein spezialpräventiven Gesichtspunkten die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv stören. Das trifft in besonderem Maß auch auf den (versuchten) Verkauf einer großen Menge von Suchtgift zu, dessen der Kläger überführt wurde. Nicht allein die strafgerichtliche Verurteilung (zu einer langen Freiheitsstrafe), sondern die auch als Anschlag auf die Gesundheit eines unbestimmten Kreises von Menschen zu beurteilende kriminelle Handlung, die sich als besonders schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellte, rechtfertigte die den Aufenthalt des Klägers im österreichischen Bundesgebiet beendende Vorkehrung. Der Kläger konzentriert hingegen seine Argumentation fälschlich und damit ohne Aussicht auf Erfolg allein auf die Tatsache seiner strafgerichtlichen Verurteilung und übergeht dabei seine dieser Verurteilung zugrundeliegende schwere Straftat.

Gemäß Art 189 EG-V (jetzt Art 249 EG idFd Amsterdamer Vertrags) sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, soweit es um das zu erreichende Ziel geht, verbindlich, wobei jedoch die Wahl der Form und Mittel den innerstaatlichen Stellen überlassen wird. Die Mitgliedstaaten haben Richtlinien in verbindliche innerstaatliche Vorschriften umzusetzen, die den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit genügen (1 Ob 80/99t). Die Frage, ob Art 3 der Richtlinie 64/221/EWG , wie der Kläger behauptet, in Österreich umgesetzt wurde, für den vorliegenden Fall ohne Relevanz: Maßgebliche Rechtsnorm ist nicht die genannte Richtlinie als nähere Ausformung des für Wanderarbeitnehmer der EU geltenden § 48 Abs 3 EG-V (nun Art 39 Abs 3 EG), sondern Art 14 des ARB 1/80. Der Kläger unterfällt als türkischer Staatsangehöriger nicht der genannten Richtlinie, mögen deren Wertungen hier auch von Bedeutung sein. Daher besteht mangels Präjudizialität kein Anlass, der Anregung des Klägers, eine Vorabentscheidung des EuGH über die Frage herbeizuführen: "Bedeutet Art 3 Abs 2 der Richtlinie 64/221/EWG das Verbot ausschließlich generalpräventiv motivierter aufenthaltsbeendender Maß- nahmen auch dann, wenn die Ersttat eines familiär und auf dem Arbeitsmarkt voll integrierten Arbeitnehmers zwar eine gewisse Schwere erreicht, die konkreten Lebensumstände des Straftäters aber optimale Resozialisierungsvoraussetzungen erkennen lassen", näher zu treten. Auf die erstmals in der Berufung behauptete Unterlassung der Umsetzung des Art 8 der Richtlinie 64/221/EWG kommt die Revision ebensowenig zurück wie auf Art 7 des ARB 1/80.

c) Zur Revision des Klägers im Umfang der Bekämpfung des Ausspruchs über das Begehren auf Haftentschädigung und Ersatz des Verdienstentgangs aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung:

Die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes auch unter Berücksichtigung der Sichtweite des EuGH zu den vergleichbaren gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ist Rechtsanwendung durch die nach den nationalen Vorschriften dazu berufenen Behörden und Gerichte; sie kann somit schon deshalb inhaltlich nur Amtshaftung auslösen, weil nicht einmal behauptet wird, es liege im konkreten Fall eine Entscheidung einer supranationalen Instanz vor.

Gemäß § 2 Abs 3 AHG können aus Erkenntnissen der Höchstgerichte keine Ersatzansprüche abgeleitet werden, weil dies die nachträgliche Überprüfung eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses durch eine Vorinstanz bedeuten würde (SZ 66/97 mit ausführlicher Auseinandersetzung mit der zum Teil ablehnenden Lehre ua) und eine andere Regelung theoretisch zu einer unendlichen Prozesskette führen könnte. Abs 3 statuiert somit eine Grenze des Rechtsschutzes, um letztlich eine endgültige Entscheidung zu gewährleisten (Mader in Schwimann2, § 2 AHG Rz 13). Im vorliegenden Fall sind von den Beanstandungen durch den Amtshaftungskläger drei verwaltungsbehördliche Entschei- dungen betroffen, die jeweils vom Verwaltungsgerichtshof überprüft wurden, der den dagegen erhobenen Beschwerden des Klägers keine Folge gab (13. November 1996, Zl. 96/21/0564; 12. März 1997, Zlen. 97/21/0003, 0004; 27. März 1998 Zl. 97/02/0550). Amtshaftungsrechtlich können daher die Bescheide, die mit diesen Erkenntnissen bestätigt wurden, keine geeignete Anspruchsgrundlage bilden.

Soweit sich der Kläger erkennbar auch gegen die im Verwaltungsrechtszug bestätigte Abweisung seines Antrags auf Aufhebung des gegen ihn rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbots wendet, ist eine Entscheidung des VwGH nicht aktenkundig. Insoweit scheitert das Begehren schon an der Rettungspflicht des § 2 Abs 2 AHG, weil es Sache des Klägers ist, deren Erfüllung als anspruchsbegründendes Element zu behaupten und zu beweisen (Schragel, AHG2 Rz 190). Im Übrigen war die Rechtsanwendung durch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn und die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg insoweit jedenfalls vertretbar, vertrat doch der VwGH wiederholt die Auffassung, jene Delikte, die Anlass für die Erlassung von Aufenthaltsverboten waren, seien jedenfalls schwer genug gewesen, um ein Aufenthaltsverbot auch im Lichte des Art 14 Abs 1 des ARB 1/80 zu rechtfertigen (vgl dazu die Nachweise bei Rosenmayer in Antalovsky/König/Perchinig/Vana aaO 77).

d) Das Berufungsgericht erachtete die Abweisung des Feststellungsbegehrens schon deshalb als zutreffend, weil der Hinweis auf die Rspr des VwGH zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden der Landesgeschäftsstellen des AMS, mit denen das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art 6 bzw 7 des ARB 1/80 deklarativ bestätigt werde, das für eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO darzulegende und notwendige Feststellungsinteresse nicht zu begründen vermöge. Der Feststellungsklage komme nämlich Subsidiaritätscharakter zu. Insbesondere mangle es an dem erforderlichen Interesse, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben könne, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrige. Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage beruhe nämlich auf den Grundsätzen des Rechtsschutzbedürfnisses und der Prozessökonomie. Ihre daraus resultierende Aufgabe bestehe darin, die Rechtslage zwischen den Parteien klarzustellen, vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren, Rechtsverletzungen zu vermeiden und die Basis für die weiteren Rechtsbeziehungen der Streitteile zu bilden. Aus dem Erfordernis des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung ergebe sich, dass eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers vorausgesetzt werde. Diese Voraussetzungen würden aber mit dem Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft nicht erfüllt. Vielmehr handle es sich hiebei um die Abklärung einer Vorfrage, von der das Bestehen oder Nichtbestehen eines Teils des Leistungsbegehrens abhänge, für deren spruchgemäße und mit Rechtskraftwirkung ausgestattete Erledigung ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers von diesem nicht einmal dargetan worden sei, aber auch weder offenkundig noch behauptet worden sei, worin das rechtliche Interesse über den konkreten Rechtsstreit über das erhobene Leistungsbegehren hinausgehe.

Dieser zutreffenden und im Rechtsmittel auch gar nicht in Zweifel gezogenen Auffassung ist beizutreten (§ 510 Abs 3 ZPO).

Demnach kann den Rechtsmitteln kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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