VwGH 96/21/0564

VwGH96/21/056413.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des A, derzeit in der Haftanstalt S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. Mai 1996, Zl. Frb-4250a-6/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art14 Abs1;
FrG 1993 §18;
21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art14 Abs1;
FrG 1993 §18;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Mai 1996 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2

Z. 1 iVm § 21 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich.

Der Beschwerdeführer sei mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. April 1995 wegen der Verbrechen nach den §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 und 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz und nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Der Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz sei zugrundegelegen, daß der Beschwerdeführer mit einem weiteren Angeklagten von Ende 1993 bis Frühjahr 1994 750 g Heroin in Vorarlberg und in Rohrschach in der Schweiz zu verkaufen versucht habe. Durch diese Verurteilung sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die Annahme gerechtfertigt, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Der Beschwerdeführer halte sich seit April 1989 rechtmäßig in Österreich auf, seit August 1991 mit seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Sohn. In Hohenems sei seine (nunmehr) einjährige Tochter geboren worden. Der Beschwerdeführer sei wie auch seine Gattin in den Arbeitsprozeß in Österreich integriert. Überdies lebe der Beschwerdeführer mit der Familie seines Bruders in einer Wohngemeinschaft. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle somit einen gravierenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Wegen des erheblichen Gefährdungspotentials der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Interesse der Gesundheit anderer sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen dringend nötig. Das öffentliche Interesse an der Wahrung der Gesundheit anderer und der Hintanhaltung strafbarer Handlungen wöge unverhältnismäßig schwerer als das gegenläufige Privatinteresse des Fremden. Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei nach ständiger Rechtsprechung (des Verwaltungsgerichtshofes) auch bei (ansonsten) völliger Integration des Fremden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig.

Das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und der Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 seien vor Inkrafttreten eines Beitrittsprotokolls in Österreich nicht anwendbar. Selbst bei der Annahme einer unmittelbaren Wirksamkeit sei für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen, weil die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß Art. 14 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zulässig wäre.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde über seine strafrechtliche Verurteilung und tritt der Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität bestehen gegen diese Annahme auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken.

2. Zutreffend nahm die belangte Behörde einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 19 FrG an. Gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, und gegen das Ergebnis der nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung bringt der Beschwerdeführer vor, der Erlassung des Aufenthaltsverbotes stehe der genannte Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 im Zusammenhang mit der Richtlinie 64/221 der EWG vom 25. Februar 1964 entgegen.

Wenn auch die belangte Behörde unzutreffend eine unmittelbare Wirksamkeit des genannten Assoziationsratsbeschlusses (ARB) für die österreichische Rechtsordnung verneinte, wurde dadurch der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beschwerdeführer wurde wegen des versuchten Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG verurteilt. Gemäß dieser Bestimmung ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren zu bestrafen, wer Suchtgift erzeugt, einführt, ausführt oder in Verkehr setzt, dessen Menge zumindest das 25-fache einer großen Suchtgiftmenge beträgt, die allein schon geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Angesichts dieses der genannten Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens des Beschwerdeführers ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und im Grunde des § 19 FrG zulässig und es vermag weiters die nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung keinesfalls zu seinen Gunsten auszugehen. Im hier vorliegenden Fall eines Suchtgifthandels mit einer Übermenge ist jedenfalls die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 96/21/0449, ua.).

Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei aus dem Jahr 1963 ist für ihn deshalb nichts gewonnen, weil sich weder aus dem Abkommen noch aus dem darauf gestützten Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ableiten läßt, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über einen türkischen Staatsangehörigen unzulässig wäre. Vielmehr macht gerade Art. 14 Abs. 1 des ARB ("Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.") deutlich, daß die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen (Abschnitt 1 des Kapitels II des Beschlusses) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehen, wenn es - wie im Beschwerdefall - aus den genannten Gründen gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 1996, Zl. 96/18/0246). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Unterbindung schwerster Suchtgiftkriminalität im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und im Interesse der Gesundheit anderer liegt.

An diesem Ergebnis ändert eine Einbeziehung des Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG zur Auslegung des ARB nichts, demzufolge bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein darf und strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen können.

Vorliegend begründet nicht die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers allein die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, sondern sein dieser Verurteilung zugrundeliegendes der schwersten Suchtgiftkriminalität zuzurechnendes Fehlverhalten. Dessen Unterbindung liegt - wie bereits ausgeführt - gewichtig und unverzichtbar im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

3. Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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