OGH 7Ob178/03g

OGH7Ob178/03g5.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Brandstätter, Pritz & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Emberger Rechtsanwaltskanzlei GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 2003, GZ 1 R 68/03g-14, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12. Februar 2003, GZ 15 Cg 72/02h-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei, die in Deutschland ein Maschinenbauunternehmen betreibt, lieferte der beklagten Partei im Mai 1997 eine Dosen- und Flaschenabschiebeanlage, die zunächst von Monteuren der Klägerin in Probebetrieb (erst ohne und dann mit Produktion) genommen wurde. Die Monteure der Klägerin schulten zwei Arbeitnehmer der Beklagten in der Bedienung der Anlage ein, die sodann durch Mitarbeiter der Beklagten, teilweise in Anwesenheit von Mitarbeitern der Klägerin, betrieben wurde.

Am 8. 8. 1997 kam es - noch während des Probebetriebs der Anlage, die der Beklagten erst Anfang September 1997 formell übergeben wurde - zu einem Arbeitsunfall, bei dem Reinhard R***** der rechte Unterarm abgetrennt wurde. R***** war der Beklagten von einem Personalleasingunternehmen überlassen bzw vermittelt worden. Aufgrund des Unfalls wurde der seitens der Beklagten für den Betrieb der Anlage verantwortliche Mitarbeiter wegen fahrlässiger Körperverletzung rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Der Verletzte Reinhard R***** nahm die Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes aufgrund des Produkthaftungsgesetzes zivilrechtlich mit der Begründung in Anspruch, die Anlage habe keine ausreichende Produktsicherheit aufgewiesen. Mit rechtskräftigem Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 5. 10. 2001 (der Oberste Gerichtshof hat die gegen die bestätigende Berufungsentscheidung erhobene außerordentliche Revision der hier klagenden [dort beklagten] Partei zu 3 Ob 71/02s gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen) wurden die Forderungen des Verletzten dem Grunde nach als zu Recht bestehend festgestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr die Beklagte zu zwei Drittel für sämtliche von ihr aus dem Arbeitsunfall vom 8. 8. 1997 an den Verletzten oder Dritte zu leistenden Schadenersatzzahlungen hafte. Weil sie den Verletzten ihrerseits nur unzureichend eingeschult und unbeaufsichtigt gelassen habe, treffe die Beklagte am gegenständlichen Arbeitsunfall ein entsprechendes Mitverschulden, weshalb sie, die Klägerin, zum Regress berechtigt sei.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Reinhard R***** sei fast zwei Wochen lang eingeschult worden. Sie treffe daher ungeachtet der strafrechtlichen Verurteilung ihres Mitarbeiters kein oder im Vergleich zu jenem der Klägerin nur ein vernachlässigbares (Organisations-)Verschulden. Im Übrigen komme ihr das, auch gegenüber Leiharbeitnehmern geltende Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 ASVG zugute.

Das Erstgericht wies - ohne über den hier eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus noch Feststellungen zu treffen - das Klagebegehren ab. Der Dienstgeber sei gemäß § 333 Abs 1 ASVG zum Ersatz des Schadens, der dem versicherten Dienstnehmer durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles entstanden sei, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht habe. Da die Klägerin einen Vorsatz der Beklagten hinsichtlich des gegenständlichen Vorfalls nicht einmal behauptet habe, es sich zweifellos um einen Arbeitsunfall handle und der Leiharbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beklagten zumindest vorübergehend in deren Betrieb eingegliedert gewesen sei, seien nach § 333 Abs 1 ASVG alle Ansprüche des Verletzten gegen die Beklagte aus dem Titel des Arbeitsunfalles ausgeschlossen. Die die Ersatzpflicht des Dienstgebers einschränkende Sonderregelung des § 333 ASVG könne hier nicht mit Hilfe anderer gesetzlicher Bestimmungen umgangen werden; insbesondere könne ein Dritter nicht über § 1302 ABGB gegen den Dienstgeber Regress nehmen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die Haftungsbeschränkung des § 333 ASVG auch nicht - weil gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßend - verfassungswidrig. § 333 ASVG sei auch nicht als Regelung im Sinne des Art 28 EG anzusehen, die geeignet sei, den innergemeinschaftlichen Handel zu verhindern, sondern stelle eine schadenersatzrechtliche Regressbeschränkung dar, die grundsätzlich mit dem innergemeinschaftlichen Handel nichts zu tun habe, unterschiedslos auf inländische und auf ausländische Produzenten anzuwenden sei und jedenfalls nicht diskriminierend wirke. Sie stelle darüber hinaus eine Ablöse der mit dem Insolvenzrisiko behafteten Unternehmerhaftpflicht für Arbeitnehmer durch die gesetzliche Unfallversicherung dar, die bei Unfall dem versicherten Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ein Verschulden Leistungen zukommen lasse. Sie diene daher den in der Rechtsprechung des EuGH herausgebildeten Erfordernissen, insbesondere dem Schutz der Arbeitnehmer bei Unfällen. Sie verstoße daher nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrages.

Das Berufungsgericht teilte diese Rechtsansichten des Erstgerichts und bestätigte daher dessen Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 20.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es der Rechtsprechung des Höchstgerichts gefolgt sei.

Die Klägerin vertritt in ihrer außerordentlichen Revision hingegen die Ansicht, ihr Rechtsmittel sei entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage insofern verkannt habe, als das von den Vorinstanzen aus § 333 ASVG gefolgerte Regressverbot verfassungswidrig (weil gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßend) sei und auch gegen Gemeinschaftsrecht, nämlich Art 28 EG verstoße.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin vermag damit aber keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen:

Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die ständige oberstgerichtliche Judikatur hingewiesen, wonach durch § 333 Abs 1 ASVG alle sich aus einem Arbeitsunfall ergebenden Schadenersatzansprüche, soweit sie Personenschäden betreffen und sich gegen den Dienstgeber oder diesem Gleichgestellte richten, abschließend geregelt werden und damit alle anderen Haftungsgründe, insbesondere auch die Bestimmungen des ABGB, des EKHG oder anderer Haftpflichtvorschriften, ausgeschlossen werden (RIS-Justiz RS0085236 und RS0028584). Mehrfach hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass durch § 333 ASVG die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach dem ABGB gegen einen Zweitschädiger nicht ausgeschlossen ist, ohne dass dieser ein Mitverschulden des Dienstgebers (oder von Gleichgestellten) einwenden könnte. Wiederholt wurde in diesem Zusammenhang vom Obersten Gerichtshof auch bereits betont, dass kein Anlass zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bestehe (JBl 1972, 91 [verst Sen] = EvBl 1971, 493/267 = SZ 44/48 = ZVR 1972, 146/84; ZVR 1972, 21/14 = Arb 9007;

JBl 1972, 202; 1 Ob 4/88, SZ 61/62; 9 ObA 54/91, ecolex 1991, 638;

RIS-Justiz RS0017545). Die Verfassungsmäßigkeit des § 333 ASVG stehe außer Zweifel, da die Zielsetzungen dieser Bestimmung, den Arbeitgeber durch Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge vom Haftungsrisiko für Arbeitsunfälle auszuschließen und die mit dem täglichen Arbeitsleben verbundenen Risken auf den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu übertragen (s dazu ausführlich SZ 44/48), dem verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot entsprechen (9 ObA 8/88; 2 Ob 146/88; 9 ObA 138/90; 9 ObA 54/91, ecolex 1991, 638 ua). Da die Revisionswerberin nichts vorbringt, das veranlassen könnte, von dieser Judikaturlinie abzugehen, wird von ihr damit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt. Dasselbe gilt auch hinsichtlich ihrer Ausführungen, mit denen sie nachzuweisen versucht, dass das nach hM aus § 333 ASVG hinsichtlich des Arbeitgebers gefolgerte Regressverbot gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs (Art 30 EG-V, jetzt Art 28 EG) verstoße. Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die Judikatur des EuGH hingewiesen, wonach nationale Regelungen, deren beschränkende Wirkungen auf den freien Warenverkehr ganz ungewiss und indirekt sind, nicht als geeignet angesehen werden können, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern (C-44/98 - BASF, Slg 1999 S I-06269;

C-190/98 - Graf/Filzmoser, Slg 2000, S I-00493). Da dies - die mangelnde Behinderung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten durch das gegenständliche Regressverbot - hier auf der Hand liegt, kann auch darin weder eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erblickt noch die Anregung der Revisionswerberin zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zu dieser Frage aufgegriffen werden. Soweit die Revisionswerberin im Hinblick darauf, dass die Vorinstanzen ihrer Anregung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht gefolgt sind, einen Verfahrensmangel geltend macht und sogar den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 3 ZPO verwirklicht sieht, wird von ihr übersehen, dass infolge Fehlens eines entsprechenden verfahrensrechtlichen Antragsrechts der Parteien auf Anrufung des EuGH nach Art 177 EG-Vertrag (jetzt Art 234 EG) die Ablehnung der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens durch das Gericht keinen im Rechtsmittelweg anfechtbaren Verfahrensfehler begründet (10 ObS 294/97a, ARD 4903/6/98; 7 Ob 54/01v; RIS-Justiz RS0058452). Der Vollständigkeit halber - ein entsprechender Einwand wird von der Revisionswerberin ohnehin nicht erhoben - sei noch erwähnt, dass auch aus Art 5 Abs 4 der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie (EWG-RL 89/391/EWG) kein Verbot des Haftungsausschlusses nach § 333 ASVG abzuleiten ist (8 ObA 324/98z, SZ 72/124; 9 ObA 150/99w; RIS-Justiz RS0112351). Mangels einer erheblichen Rechtsfrage bzw eines tauglichen Zulassungsgrundes iSd § 502 Abs 1 ZPO muss das außerordentliche Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen werden.

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