OGH 7Ob184/02p

OGH7Ob184/02p5.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Peter C*****, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 736.375,66 (S 10.132.749,98) sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2002, GZ 6 R 296/01w-65, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine Rechtsfrage dieser Qualität will der Revisionswerber in der Frage erblicken, "wie weit der Umfang von Schutz- und Sorgfaltspflichten einer Bank gegenüber persönlich haftenden Personen (seien es Darlehensnehmer oder Bürgen) geht und welche Ansprüche ein Verstoß gegen diese Pflichten auslöst". Dabei wird übersehen, dass der Umfang von Schutz- und Sorgfaltspflichten, wie etwa die Frage von Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles ist (stRsp; RIS-Justiz RS0106373; RS0111165). Demgemäß wird auch mit der im Rechtsmittel zur Unterstützung des gegenteiligen Standpunktes zitierten (einzigen) Entscheidung (JBl 1986, 192), die sich im Übrigen ausschließlich mit - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Fragen des Wettbewerbsrechtes beschäftigt, der dortige Revisionsrekurs als unzulässig zurückgewiesen, weil "eine Rechtsfrage, deren Lösung keine Anhaltspunkte für die Beurteilung ähnlicher Fragen in der Zukunft erwarten lässt, keine Rechtsfrage iSd angeführten Gesetzesstelle ist". Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0106373). Dass dies der Fall wäre, wird vom Revisionswerber aber gar nicht behauptet und ist auch nicht zu erkennen:

Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen ist nämlich davon auszugehen, dass der Beklagte die "uneingeschränkte persönliche Haftung" für die Rückzahlung des gegenständlichen Darlehens als Hauptschuldner übernommen hat, dass ihm die klagende Bank eine Verwertung der übrigen Sicherheiten vor Inanspruchnahme seiner Person nicht zusagte, und dass bei Abschluss der Vereinbarung die wesentlichen Punkte des Darlehensvertrages besprochen wurden, jedoch keine Gespräche über die dingliche Besicherung (Pfandrecht der Darlehensgeberin am Superädifikat "T*****-Gebäude") stattfanden. Demnach könnte der Beklagte aber selbst als Bürge nicht einwenden, dass der Gläubiger zuerst ein - vom Hauptschuldner oder einem Dritten gegebenes - Pfand verwerten möge; ist doch die Einrede der Sachhaftung (beneficium excussionis realis) dem österreichischen Recht fremd geblieben (Gamerith in Rummel II/3³ Rz 1 zu § 1360 ABGB mwN).

Ebenso wenig ist ein rechtswidriger (allfällige Schadenersatzpflichten begründender) Eingriff in die Rückgriffshaftung oder Weitergriffshaftung Mithaftender in (analoger) Anwendung des § 1360 ABGB - etwa durch Verzicht der Klägerin auf eine dingliche Haftung - erwiesen (vgl dazu RIS-Justiz RS0001083;

RS0016993; RS008723 bzw Gamerith aaO Rz 2 und 6 zu § 1360 ABGB mwN):

Insoweit steht nämlich fest, dass eine Tochtergesellschaft der Klägerin ua auch das (verpfändete) Superädifikat um die teilweise Übernahme der sichergestellten Darlehensforderung (in Anrechnung auf den Kaufpreis) erwarb, und dass nicht die Klägerin, sondern die damalige Pfandeigentümerin, deren Geschäftsführer bzw Gesellschafter der Beklagte war, das Pfandobjekt durch Vermietung und Einräumung eines Fruchtgenussrechtes "in ein faktisch unverwertbares Objekt verwandelt hat". Der Klägerin ist daher weder eine Aufgabe (Freilassung) des Pfandes noch ein Verhalten anzulasten, durch das sie als Gläubiger die bereits erworbene Sicherstellung verloren oder sonst eine Störung des Ausgleichsverhältnisses bewirkt hätte (Gamerith aaO Rz 2 und 4 zu § 1360 ABGB mwN).

Die Verneinung einer Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten der Klägerin durch die Vorinstanzen liegt somit innerhalb der Bandbreite der Rsp, und die Kasuistik des hier zu beurteilenden Einzelfalls schließt eine beispielgebende Entscheidung aus (RIS-Justiz RS0042405).

Die weitere in der Zulassungsbeschwerde angesprochene Frage, ob die Begründung der Berufungsentscheidung über die Beweisrüge richtig oder fehlerhaft ist, fällt hingegen in den Bereich der irreversiblen Beweiswürdigung. Anders wäre dies nur dann, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge (einschließlich allfälliger darin oder in der Rechtsrüge geltendgemachter Verfahrensmängel) überhaupt nicht auseinandergesetzt (stRsp; RIS-Justiz RS0043162 [T3]; RS0043371; zuletzt: 9 ObA 10/03s mwN und 1 Ob 102/03m), oder die Verfahrensrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen (Kodek in Rechberger² Rz 3 Abs 2) hätte. Geht jedoch - wie hier - aus dem Berufungsurteil hervor, dass das Berufungsgericht sich mit diesen Berufungsgründen (im Einklang mit der Aktenlage) befasst hat und seiner Pflicht, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu überprüfen, nachgekommen ist (vgl Seite 4 bis 11 der Berufungsentscheidung), kann - unabhängig davon, ob dabei wirklich auf jedes einzelne Argument des Beschwerdeführers eingegangen wurde - von einem Mangel des Berufungsverfahrens keine Rede sein (RIS-Justiz RS0042189; RS0043162; RS0043185). Wenn sich der Rechtsmittelwerber demgegenüber auf die Entscheidung EvBl 1985/113 beruft (und von der Zulässigkeit seiner diesbezüglichen Rüge in der ao Revision ausgeht), wird übergangen, dass es sich dort um eine in der Berufungsbeantwortung erhobene Beweisrüge handelte, mit der sich das Berufungsgericht überhaupt nicht (auch nicht schlüssig) auseinandergesetzt hatte. Dass dies auch noch mit außerordentlicher Revision gerügt werden kann, entspricht der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0041806), hat jedoch mit dem vorliegenden Fall einer in Revisionsverfahren versuchten - unzulässigen - Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen (weil sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge "zum Teil" [Seite 5 des Rechtsmittels] nicht auseinandergesetzt habe) nichts zu tun. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO muss die Revision daher zurückgewiesen werden.

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