OGH 10Ob6/03k

OGH10Ob6/03k29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Heribert L*****, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger und Dr. Günther Millner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Magdalena Monika L*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2003, GZ 2 R 418/02h-93, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Eine vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden, weil insoweit ein gemäß § 519 ZPO unanfechtbarer Beschluss des Berufungsgerichtes vorliegt (MGA, ZPO15 ENr 6 zu § 503 mwN ua; RIS-Justiz RS0042981). Eine in zweiter Instanz verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz kann in dritter Instanz auch nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (5 Ob 14/02y ua). Ebenso können angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht bereits verneint hat, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (MGA aaO ENr 36 zu § 503 mwN ua).

Nach § 59 Abs 2 EheG können auch Eheverfehlungen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden kann, nach Ablauf der Fristen des § 57 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0056907). Auch in der Verschuldensabwägung können verjährte Eheverfehlungen einbezogen werden (RIS-Justiz RS0043434, RS0057209). Nur wenn die Eheverfehlungen des beklagten Ehegatten durch die Verfehlungen des Klägers derart beeinflusst wurden, dass sie etwa nur eine Reaktion darstellten, oder wenn sie in ihrer Bedeutung hinter die Verfehlungen des Klägers völlig zurücktreten, könnte das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt sein (1 Ob 4/98i ua). Die Beklagte vermag im Zusammenhang mit der sittlichen Rechtfertigkeit des Scheidungsbegehrens des Klägers keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Ihr von den Vorinstanzen festgestelltes Verhalten rechtfertigt in seiner Gesamtheit keine Berufung auf die Verwirkungsklausel des § 49 letzter Satz EheG. Im Übrigen muss die Frage der sittlichen Berechtigung des Scheidungsbegehrens ohnedies aufgrund der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls geprüft werden (vgl Stabentheiner in Rummel 3 § 49 EheG Rz 18; 9 Ob 41/98i ua).

Während die Wertung, ob die wesentliche Grundlage für die Fortführung der Ehe bei einem Teil subjektiv zu bestehen aufgehört hat, dem irrevisiblen Tatsachenkomplex zuzurechnen ist, stellt die Frage, ob die Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, eine aufgrund der Feststellungen zu entscheidende Rechtsfrage dar. Unheilbare Ehezerrüttung iSd § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben (RIS-Justiz RS0056832). Die Frage, wann die unheilbare Zerrüttung der Ehe eintrat, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (1 Ob 45/02b, 6 Ob 326/00k mwN ua). Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass nach der jüngeren Rechtsprechung ein Ehebruch, der erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen wurde, bei der Verschuldensabwägung und insbesondere in der Frage der Zuweisung eines überwiegenden Verschuldens keine entscheidende Rolle spielt (9 Ob 102/01t ua; RIS-Justiz RS0056900).

Die Frage, wann zwischen den Streitteilen die unheilbare Zerrüttung eintrat, hat das Berufungsgericht nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen beurteilt. Der Zeitpunkt des Eintritts der unheilbaren Zerrüttung ist ebenso wie die Gewichtung des beiderseitigen Fehlverhaltens eine Frage des Einzelfalls, die mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht revisibel ist (5 Ob 132/00y mwN; RIS-Justiz RS0044188).

Daher erweist sich die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig. Diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

Stichworte