Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Im Jahre 1998 brachte die Klägerin beim Handelsgericht Wien und beim Landesgericht St. Pölten insgesamt 7 Wechselklagen ein, die jeweils auf Wechsel vom 10. 7. 1998 gestützt waren. Danach kam es zu Verhandlungen mit dem Ziel, alle anhängigen Verfahren zu erledigen. Der Klagevertreter verfasste am 24. 9. 1998 ein Schreiben, in dem er unter Bezugnahme auf ein Telephonat mit dem Beklagtenvertreter diesem zur "außergerichtlichen Bereinigung" zusammengefasst folgendes Anbot, machte: Hinsichtlich eines Schuldners, und zwar einer Immobilienverwertungsgesellschaft sollte die Klägerin bzw eine bestimmte andere Immobilienverwertungsgesellschaft verschiedene Grundstücke von der Schuldnerin zu bestimmten Kaufpreisen erwerben. Diese Kaufpreise sollten mit den Schulden aufgerechnet werden. Zusätzlich war für die im Zuge der Generalbereinigung entstehenden Schäden ein bestimmter Schadenersatz, sowie die für die Liegenschaftstransaktionen zu entrichtende Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühr zu bezahlen. Damit sollte auch die Haftung der Beklagten erlöschen und in den sie betreffenden Verfahren vor dem Handelsgericht Wien ewiges Ruhen eintreten. Hinsichtlich eines weiteren Schuldners wurde das Anerkenntnis der Schuld und eine Ratenvereinbarung sowie das Ruhen des Verfahrens vor dem LG St. Pölten angeboten. Hinsichtlich des dritten Schuldners der Gruppe war ein bestimmter Betrag zu zahlen und sollte im übrigen hinsichtlich diese Schuldners in den Wechselverfahren ewiges Ruhen eintreten. Abschließend wurde festgehalten, dass dies ein Pauschalanbot darstelle, das nur von allen Mitgliedern der Gruppe gemeinsam angenommen werden könne. Der hinsichtlich des erstgenannten Schuldners - der Immobilienverwertungsgesellschaft - vorgesehene pauschale Schadenersatz beziehe sich auf sämtliche Geschäftsfälle zwischen der Klägerin und der Gruppe.
Dieses Anbot wurde angenommen.
Der vorliegenden Wechselklage liegt ein Wechsel der Beklagten zugrunde, in dem die Beklagte für ein an eine andere Schuldnerin im Jahre 1996 gewährtes Darlehen die Haftung übernahm. Diese Darlehen war im Zeitpunkt der oben genannten Verfahren weder fällig noch eingeklagt, sondern wurde regelmäßig bedient. Die Bürgenhaftung der Beklagten war nicht Gegenstand der Besprechungen und der erzielten Einigung.
Rechtliche Beurteilung
Soweit es nun die Beklagte als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens releviert, dass das Berufungsgericht die Beweisrüge nicht behandelt habe, weil es nicht darum gehe, die Absicht der Parteien festzustellen, sondern nur die Urkunden (schriftliches Anbot und Annahme) auszulegen, so macht sie damit eine Frage der rechtlichen Beurteilung geltend. Ist doch die Beurteilung der Frage, welche Tatsachen zur abschließenden rechtlichen Beurteilung festgestellt werden müssen bzw inwieweit die festgestellten Tatsachen für die rechtliche Beurteilung relevant sind, eine solche der rechtlichen Beurteilung (Kodek in Rechberger ZPO2 § 471 Rz 6 mwN). Die Beweisrüge selbst wurde vom Berufungsgericht ausführlich behandelt.
Im Rahmen ihrer Rechtsrüge macht die Beklagten vor allem geltend, dass die Auslegung der Vorinstanzen, dass die gegenständliche Haftung von der gütlichen Bereinigung 1998 nicht erfasst gewesen sei, unzutreffend sei.
Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, entziehen sie sich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (vgl RIS-Justiz RS0112106 mwN ebenso RS0044298 mwN; inbes zur Auslegung eines Vergleiches RIS-Justiz RS0113785 mwN).
Bei der Auslegung von Willenserklärungen nach den §§ 914 ff ABGB ist nur zunächst (vgl auch RIS-Justiz RS0017865 mwN) vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehenzubleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger - nach den Umständen objektiv (vgl RIS-Justiz RS0014160 mwN ; RIS-Justiz RS0113932 mwN; zu den Urkunden RIS-Justiz RS0017823) - erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Es ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (vgl allgemein RIS-Justiz RS0017915 mwN insbes 8 Ob 232/99x). Es ist also nicht allein das entscheidend, was schriftlich geäußert wurde (vgl RIS-Justiz RS0017797 mwN). Der objektive Aussagewert des Textes der Urkunde und der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung ist für die Ermittlung der Parteienabsicht nur dann maßgeblich, wenn nicht behauptet und bewiesen wurde, dass für den einen Vertragspartner aus dem Erklärungsverhalten des anderen eine vom Inhalt der Urkunde abweichende Erklärungsbedeutung zu erschließen war bzw eine übereinstimmende abweichende Parteiabsicht bestand (RIS-Justiz RS0017833 mwN zuletzt etwa 9 ObA 122/02k; RIS-Justiz RS0017834; RIS-Justiz RS0017783). Es handelt sich um eine "Quästio mixta", bei der zwischen den Indizien für den Parteienwillen als Tatsachenfeststellungen und deren rechtlicher Bewertung zu unterscheiden ist (vgl OGH 22. 5. 2001 10 Ob 299/00v; vgl zur alleinigen Auslegung der Urkunde als rechtlicher Beurteilung hingegen der Parteienabsicht als Beweisfrage RIS-Justiz RS0017911 mwN).
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis die Rechtsrüge der Beklagten auch inhaltlich behandelt. Ausgehend von der dargestellten Grundsätzen kann in der konkreten Auslegung durch das Berufungsgericht keine Fehlbeurteilung gesehen werden, die es im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung erfordern würde, diese zur Wahrung der Rechtssicherheit durch den Obersten Gerichtshof aufzugreifen.
Hier wurde schon im Rahmen der schriftlichen Vereinbarung klar auf eine "außergerichtliche" Bereinigung und bestimmte Hauptschuldner Bezug genommen. Über das vorliegende Darlehensverhältnis und die Haftung der Beklagten war aber weder ein Rechtsstreit anhängig noch wurde der Hauptschuldner in diesem Schreiben überhaupt nur erwähnt. Auch die Erfassung "sämtlicher Geschäftsfälle" bezog sich nur auf Schadenersatzforderungen, während es hier um die Wechselbürgschaft für ein Darlehen geht. In der Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass sich schon aus der Urkunde selbst die von der Beklagten offensichtlich begehrte Ermittlung der Parteienabsicht im Sinne eines "Generalvergleichs" auch zu noch gar nicht schlagend gewordenen Haftungen für Rechtsträger, hinsichtlich derer die damalige Klägerin sich in überhaupt keinem Rechtsstreit befand, nicht ableiten lasse, stellt jedenfalls keine im obigen Sinne aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Hinzu kommt eben noch die festgestellte Absicht der Parteien, die anhängigen Verfahren zu erledigen. Ausgehend davon wäre es aber an der Beklagten gelegen nachzuweisen, dass die hier maßgebliche, noch überhaupt nicht strittige Bürgenhaftung für eine andere Hauptschuldnerin trotzdem Gegenstand der erzielten Einigung war. Konkret wurde aber sogar festgestellt, dass dies nicht der Fall war.
Entgegen der Ansicht der Beklagten entspricht es den oben dargestellten allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, dass das Berufungsgericht auch die besonderen Umstände bei Abgabe der Willenserklärung berücksichtigt hat (vgl etwa OGH 8. 8. 2002 8 Ob 101/02i).
Für das konkrete Verfahren vermag die Beklagte im Ergebnis keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
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