OGH 10ObS314/02b

OGH10ObS314/02b22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef M*****, Werkstättenleiter, *****, vertreten durch Zauner & Mühlböck, Rechtsanwälte KEG in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2002, GZ 11 Rs 342/01w-27, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Juli 2001, GZ 17 Cgs 119/00d-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es als Teilurteil lautet:

"Der Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension besteht dem Grunde nach für den Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis 30. November 2001 zu Recht. Die Leistung fällt erst an, wenn der Kläger seine Tätigkeit als Werkstättenleiter aufgibt.

Der beklagten Partei wird aufgetragen, dem Kläger ab Aufgabe seiner Tätigkeit als Werkstättenleiter bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides, längstens jedoch bis 30. November 2001, eine vorläufige Zahlung von 700 EUR monatlich jeweils am Monatsersten im Nachhinein zu erbringen".

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 333,12 EUR (darin enthalten 55,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Umfang der Abweisung des weiteren Begehrens auf Gewährung der Invaliditätspension in gesetzlicher Höhe ab dem 1. Dezember 2001 wird die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 30. 7. 1947 geborene Kläger erlernte den Lehrberuf Installateur, übte diesen Beruf jedoch nicht aus. Er schloss vielmehr 1967 die Werkmeisterschule an der HTL, Fachrichtung Maschinenbau, mit der Werkmeisterprüfung ab und arbeitete anschließend zunächst als Maschinenschlosser, in weiterer Folge (seit 1995) als Werkstättenleiter und Werkmeister bei den Österreichischen Bundesforsten. Als Werkmeister hatte der Kläger etwa 20 ihm unterstellte Mitarbeiter; er war allerdings trotz seiner Meisterposition nicht als Angestellter, sondern als Arbeiter (in der höchsten Lohnstufe) eingestuft. Der Kläger hat eine über Facharbeiterniveau qualifizierte Tätigkeit verrichtet. Dazu hatte er durch die Absolvierung der Werkmeisterschule auch die ausbildungsmäßige Qualifikation. Meister werden in den Kollektivverträgen regelmäßig als Angestellte eingestuft. In seiner Berufsgruppe (Meister- und Werkmeistertätigkeiten) ist der Kläger aufgrund seines Leistungskalküls nicht mehr verweisbar. Dies gilt auch für alle qualifizierten Angestelltentätigkeiten. Im Facharbeiterbereich könnte der Kläger noch den Beruf eines Fertigungskontrollors oder CNC-Operators ausüben.

Aufgrund verschiedener Leidenszustände sind dem Kläger noch körperlich leichte und fallweise mittelschwere Arbeiten im Stehen, Gehen und Sitzen möglich. Er ist nicht mehr umschulbar, sondern nur noch anlernbar. Arbeiten, die mit überdurchschnittlichen psychischen Belastungen (insbesondere Zeitdruck, Nachtarbeit, Akkordarbeit und Überstunden) verbunden sind, sind dem Kläger nicht mehr zumutbar. Ebensowenig sind Tätigkeiten möglich, die hohe Anforderungen an die persönliche Kompetenz hinsichtlich Durchsetzung, Entscheidungsfähigkeit und Regulationsaufwand stellen. Eine Besserungsmöglichkeit der gesundheitlichen Situation erscheint nicht ausgeschlossen; dafür sind schmerz- und physiotherapeutische Maßnahmen erforderlich. Daneben wäre auch eine eingehende psychiatrische psychosoziale Behandlung sinnvoll.

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter wies mit Bescheid vom 14. 2. 2000 den Antrag des Klägers vom 16. 11. 1999 auf Gewährung der Invaliditätspension ab.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage insoweit statt, als es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 12. 1999 befristet bis zum 30. 11. 2001 zu gewähren. Weiters trug es der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von monatlich S 10.000 brutto auf. Es vertrat die Auffassung, dass für die Verweisung von jener Tätigkeit auszugehen sei, die der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt habe. Die Tätigkeit eines Werkstättenleiters bzw Werkmeisters beinhalte überwiegend höhere nicht kaufmännische Dienste im Sinn des § 1 Abs 1 AngG. Die dienstvertragliche Einstufung des Klägers als Arbeiter ändere daran nichts, vielmehr sei auf die tatsächliche Tätigkeit abzustellen und der Anspruch auf Invaliditätspension unter Zugrundelegung des Berufsunfähigkeitsbegriffs nach § 273 Abs 1 ASVG zu prüfen. Danach werde das Verweisungsfeld durch den letzten nicht nur vorübergehend ausgeübten Angestelltenberuf bestimmt. Dem Kläger komme daher Berufsschutz als Werkstättenleiter bzw Werkmeister zu. Eine Verweisung des Klägers sei nur noch auf Angestelltentätigkeiten zulässig; eine solche Verweisung sei aber wegen des eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls nicht mehr möglich. Die Verweisbarkeit auf Facharbeitertätigkeiten, die zudem zu einem unzumutbaren sozialen Abstieg führen würde, stehe der Pensionsgewährung nicht entgegen. Gemäß § 256 Abs 1 ASVG gebühre die Invaliditätspension längstens befristet für zwei Jahre. Nur wenn dauernde Invalidität anzunehmen sei, könne die Invaliditätspension gemäß § 256 Abs 2 ASVG auf Dauer gewährt werden. Da beim Kläger noch die Möglichkeit einer Besserung des Leistungskalküls bestehe, sei die Invaliditätspension befristet zuzusprechen.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge und wies über Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren zur Gänze ab. In Behandlung der Berufung der beklagten Partei verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen der darin gerügten Verfahrensmängel und hielt auch die von der beklagten Partei bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen für unbedenklich. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, dass der Anspruch auf Invaliditätspension ungeachtet der kollektivvertraglichen Einstufung als Arbeiter unter Zugrundelegung des Berufsunfähigkeitsbegriffs des § 273 Abs 1 ASVG zu prüfen sei, wenn trotz der Versicherung als Arbeiter tatsächlich Angestelltentätigkeiten verrichtet worden seien. In einem vergleichbaren Fall (SSV-NF 4/101) habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Werkstättenleiter, dessen Weisungs- und Aufsichtsrecht acht bis neun Fachkräfte unterstellt gewesen seien, höhere nicht kaufmännische Dienste im Sinn des § 1 Abs 1 AngG verrichte. Zutreffend sei daher das Erstgericht davon ausgegangen, dass auch der Kläger dieses Verfahrens, weil er seit 1995 als Werkstättenleiter mit etwa 20 Untergebenen tatsächlich Angestelltentätigkeiten verrichtet habe, nach dem Berufsunfähigkeitsbegriff des § 273 Abs 1 ASVG zu beurteilen sei. Bei seiner Verweisung sei daher von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den er zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt habe; dieser Beruf bestimme das Verweisungsfeld, d.h. die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen seien, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen. Im Rahmen der Verweisung nach § 273 Abs 1 ASVG dürfe der Versicherte aber nicht auf Arbeitertätigkeiten verwiesen werden, durch deren Ausübung er den Berufsschutz verlieren würde. Eine Tätigkeit als Arbeiter habe daher bei der Bestimmung des Verweisungsfeldes nach § 273 ASVG außer Betracht zu bleiben. Die kollektivvertragliche Einstufung des Klägers aufgrund der in den letzten Jahren vor dem Stichtag ausgeübten Tätigkeit als Werkstättenleiter sei nicht entscheidungswesentlich, weil das Berufungsgericht die Beurteilung des Erstgerichtes, dass der Kläger innerhalb seiner Berufsgruppe (Meister und Werkmeister) aufgrund seines Leistungsprofils nicht mehr verweisbar sei, teile.

Berechtigt sei allerdings der Einwand der beklagten Partei, der Kläger stehe nach wie vor in einem aufrechten Dienstverhältnis zu den Österreichischen Bundesforsten und erfülle daher eine für den eingeklagten Anspruch geforderte materiellrechtliche Voraussetzung nicht, da eine Leistung im Sinn des § 86 Abs 3 Z 2 ASVG erst nach Aufgabe der Tätigkeit anfallen könne, aufgrund welcher der Versicherte als invalid (berufsunfähig) gelte.

Diesem rechtlichen Argument habe der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung lediglich entgegengehalten, dass die Aufgabe der Tätigkeit entscheidend sei, was nicht automatisch gleichzusetzen sei mit formaler Beendigung des Dienstverhältnisses. Er befinde sich seit 15. 3. 2000 im Krankenstand, was einer "Aufgabe der Tätigkeit" gleichzusetzen und somit der maßgebende Beginn für den Anspruch auf Invaliditätspension sei. Damit habe aber der Kläger gemäß § 267 Abs 1 ZPO iVm § 87 Abs 3 ASGG zugestanden, dass er noch immer in einem aufrechten Dienstverhältnis zu den Österreichischen Bundesforsten stehe und seit 15. 3. 2000 im Krankenstand sei.

Der von der beklagten Partei erstmals in der Berufung erhobene Einwand, der Kläger habe seine Erwerbstätigkeit noch nicht aufgegeben, verstoße nicht gegen das Neuerungsverbot, weil die Aufgabe der Erwerbstätigkeit eine Voraussetzung für den Anspruch auf Invaliditätspension sei, deren Fehlen von Amts wegen wahrzunehmen sei. Solange das Dienstverhältnis des Klägers somit noch aufrecht bestehe, sei die Anspruchsvoraussetzung des Wegfalls der Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für den Zuspruch der Leistung nicht erfüllt, was zu einer Abweisung des Klagebegehrens führe (10 ObS 84/01b). Es erübrige sich damit ein Eingehen auf die Berufungsausführungen des Klägers, der anstelle der befristeten Gewährung der Invaliditätspension deren unbefristeten Zuspruch anstrebe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die - aufgrund der bewilligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - rechtzeitige Revision des Klägers wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO und Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO liegen nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Den Revisionsausführungen sei dennoch Folgendes entgegengehalten:

Gemäß § 267 Abs 1 ZPO hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhaltes des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen, ob tatsächliche Behauptungen einer Partei mangels eines ausdrücklichen Geständnisses des Gegners als zugestanden anzusehen seien. Die Würdigung, ob ein "schlüssiges" Geständnis im Sinn des § 267 ZPO vorliegt, ist der Überprüfung aufgrund einer Verfahrensrüge zugänglich (SZ 66/59 mwN ua).

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei in ihren Berufungsausführungen geltend gemacht, dass der Kläger nach wie vor in einem aufrechten Dienstverhältnis zu den Österreichischen Bundesforsten stehe und dieser Umstand einem Leistungsanfall nach § 86 Abs 3 Z 2 ASVG entgegenstehe. Der Kläger hat diesen Ausführungen in seiner Berufungsbeantwortung lediglich entgegenhalten, dass die Aufgabe der Tätigkeit entscheidend sei, was nicht automatisch gleichzusetzen sei mit einer formalen Beendigung des Dienstverhältnisses. Er befinde sich seit 15. 3. 2000 im Krankenstand, das der "Aufgabe der Tätigkeit" gleichzusetzen und somit der maßgebende Beginn für den Anfall der Invaliditätspension sei.

Der Kläger hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren gegenüber dem bestellten orthopädischen (ON 6), neurologisch-psychiatrischen (ON 8) und berufskundlichen Sachverständigen (ON 15) jeweils angegeben, dass sein Dienstverhältnis zu den Österreichischen Bundesforsten nach wie vor aufrecht sei und er sich seit 15. 3. 2000 im Krankenstand befinde. In der Tagsatzung vom 4. 7. 2001 (= Schluss der Verhandlung erster Instanz) hat der Kläger bei seiner Einvernahme nochmals die Richtigkeit der Ausführungen im berufskundlichen Sachverständigengutachten, welches auch die vorher erwähnte Angabe des Klägers über sein nach wie vor aufrechtes Dienstverhältnis enthält, bestätigt. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes kann in der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das Vorliegen eines aufrechten Dienstverhältnisses (zu dem für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz) sei nach den gesamten Umständen des Falles als vom Kläger schlüssig zugestanden anzusehen, keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Im Übrigen wird auch in den Revisionsausführungen nicht behauptet, dass das Dienstverhältnis des Klägers zu seinem bisherigen Arbeitgeber beendet worden wäre oder der Kläger eine andere als die bisher ausgeübte Tätigkeit im Betrieb übernommen hätte. Es begründet daher keinen Mangel des Berufungsverfahrens, wenn diese schlüssig zugestandene Tatsache vom Berufungsgericht ohne nachprüfende Beweisaufnahme der Entscheidung zugrunde gelegt wurde (RIS-Justiz RS0083785, zuletzt 9 ObA 336/99y). Es liegt entgegen der Ansicht des Revisionswerbers auch keine sonstige Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor, da das Berufungsgericht keine (ergänzende) Feststellung getroffen, sondern ein schlüssiges Zugeständnis im Sinn des § 267 ZPO angenommen hat (vgl 4 Ob 253/98d ua). Eine Aktenwidrigkeit würde nur dann vorliegen, wenn für eine bekämpfte Tatsachenfeststellung überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht, nicht aber dann, wenn sie - wie hier - durch die Beurteilung eines Prozessvorbringens als schlüssiges Geständnis gewonnen wurde. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass die Frage der Invalidität des Klägers ungeachtet seiner dienstvertraglichen Einstufung als Arbeiter unter Zugrundelegung des Berufsunfähigkeitsbegriffs des § 273 Abs 1 ASVG zu prüfen und zu bejahen ist, ist zutreffend und entspricht der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen, sodass gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO auf die Richtigkeit dieser Ausführungen verwiesen werden kann.

Es verbleibt somit noch die Prüfung der Frage, welche Bedeutung dem von der beklagten Partei erstmals in der Berufung geltend gemachten aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses des Klägers zu seinem bisherigen Arbeitgeber für die Beurteilung der Berechtigung des auf die Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. 12. 1999 gerichteten Klagebegehrens zukommt.

Nach § 254 Abs 1 ASVG idF SRÄG 1991, BGBl 1991/157, hatte der Versicherte bei Invalidität Anspruch auf die Invaliditätspension, wenn die Wartezeit erfüllt war (§ 236 ASVG) und er am Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) weder in der Pensionsversicherung nach dem ASVG noch in der nach dem GSVG oder BSVG pflichtversichert war, noch Anspruch auf einen der in § 23 Abs 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge hatte. Nach den Gesetzesmaterialien (AB 85 BlgNR 18. GP 3) sollte diese Neuregelung im Zusammenhang mit dem Entfall der Ruhensbestimmungen verhindern, dass ua bei Invalidität neben dem vollen Entgelt aus derselben Erwerbstätigkeit, für die der Versicherte invalid erklärt wurde, eine Pension bezogen wird. War diese Anspruchsvoraussetzung des Fehlens einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nicht erfüllt, war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein Anspruch auf die begehrte Leistung weder entstanden (§§ 85 und 254 Abs 1 ASVG) noch angefallen (§ 86 Abs 3 Z 2 ASVG) und es war deshalb das Leistungsbegehren abzuweisen (vgl SSV-NF 7/9 ua). Durch diese durch das SRÄG 1991 als weitere Anspruchsvoraussetzung der Invaliditätspension eingeführte Notwendigkeit der Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung musste der Versicherte, der diese Leistung anstrebte, das versicherungspflichtige Dienstverhältnis vor dem Stichtag lösen. Der damals ebenfalls neu in das Gesetz aufgenommene § 255a ASVG schuf daher die Möglichkeit, vor Auflösung des Dienstverhältnisses die besondere Anspruchsvoraussetzung der Invalidität abschließend zu klären (SSV-NF 7/14 ua). Nach dieser Norm war der Versicherte, insoweit in einem Verfahren auf Zuerkennung einer Invaliditätspension nicht entschieden worden war, weil er am Stichtag nach einem der genannten Sozialversicherungsgesetze pflichtversichert war oder Anspruch auf einen der in § 23 Abs 2 Bezügegesetz bezeichneten Bezüge hatte, berechtigt, einen Antrag auf Feststellung der Invalidität zu stellen, über den der Versicherungsträger in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden hatte.

Seit der mit 1. 7. 1993 in Kraft getretenen 51. ASVG-Nov, BGBl 1993/335, ist der Nichtbestand einer Pflichtversicherung am Stichtag keine Anspruchsvoraussetzung für die Invaliditätspension mehr. Es bestand daher auch für die bescheidmäßige Feststellung der Invalidität keine Notwendigkeit mehr, weshalb § 255a ASVG aufgehoben wurde.

Durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 1996/201, wurde der Anfall der Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit neu geregelt.

Es wurde dem § 86 Abs 3 Z 2 ASVG folgender dritter Satz angefügt:

"Für den Anfall einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderter Arbeitsfähigkeit ist zusätzlich die Aufgabe der Tätigkeit, aufgrund welcher der (die) Versicherte als invalid (berufsunfähig, dienstunfähig) gilt, erforderlich, es sei denn, der (die) Versicherte bezieht ein Pflegegeld ab Stufe 3 nach § 4 des Bundespflegegeldgesetzes, BGBl Nr 110/1993."

Nach den ErlBem zur RV 72 BlgNR 20. GP 247 dient diese Regelung der Vermeidung von Missbräuchen. Es soll - wie der Senat bereits festgehalten hat (10 ObS 129/99i = ARD 5186/31/2001 = infas 2000, S

18) - verhindert werden, dass neben dem Bezug einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit die bisherige Tätigkeit weiterhin ausgeübt wird (Teschner/Widlar, MGA ASVG 68. ErgLfg Anm 5b zu § 86).

Diese Neuregelung verfolgt somit offenbar den Zweck, Versicherte vom Leistungsbezug auszuschließen, die zwar objektiv nicht in der Lage sind, ihrer versicherten Tätigkeit nachzugehen, aber auf Kosten ihrer Gesundheit oder aus Entgegenkommen ihres Arbeitgebers ihre bisherige Berufstätigkeit fortsetzen. Die Aufgabe der Berufstätigkeit ist vom Gesetzgeber allerdings nicht als besondere Leistungsvoraussetzung (wie etwa bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253b Abs 1 Z 4 ASVG oder nach der bereits erwähnten früheren Regelung des § 254 Abs 1 ASVG idF SRÄG 1991) konzipiert. Die Fortsetzung der bisherigen Berufstätigkeit bewirkt vielmehr eine Hemmung des Leistungsanfalles. Wird diese Erwerbstätigkeit aufgegeben, fällt die Leistung an (Schrammel in Tomandl, SV-System 8. ErgLfg 149; Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 Rz 271). Wird sie hingegen nicht aufgegeben, ist bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ein Zuerkennungsbescheid zu erlassen mit der Feststellung, dass die Pension (vorläufig) nicht anfällt (vgl Radner ua, BSVG³ Anm 7 zur vergleichbaren Bestimmung des § 51 Abs 2 Z 2 BSVG und Anm 1 zu § 124a

BSVG).

Bei der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit im Sinn des § 86 Abs 3 Z 2 ASVG handelt es sich daher nach nunmehriger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entgegen der noch in der Entscheidung 10 ObS 84/01b vertretenen Auffassung, der sich auch das Berufungsgericht angeschlossen hat, um keine Anspruchsvoraussetzung, deren Fehlen zwingend zur Abweisung des Leistungsbegehrens führt, sondern um eine Voraussetzung für den Anfall der Pensionsleistung (10 ObS 309/01s, 10 ObS 30/02p, zuletzt 10 ObS 152/02d). Gemäß § 87 Abs 1 ASGG hat das Gericht in Sozialrechtssachen sämtliche notwendig erscheinende Beweise von Amts wegen aufzunehmen, wenn sich im Verfahren entsprechende Anhaltspunkte für einen Sachverhalt ergeben, der für die Entscheidung von Bedeutung sein kann (RIS-Justiz RS0042477). Da ein Anspruch grundsätzlich nur bejaht werden kann, wenn alle anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sind (SSV-NF 5/140 ua; RIS-Justiz RS0086045), ist bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte wie im gegenständlichen Fall das Unterbleiben der für den Anfall der Leistung erforderlichen Aufgabe der bisherigen Tätigkeit durch den Versicherten auch von Amts wegen wahrzunehmen.

Die für den Anfall der Invaliditätspension erforderliche vollständige Aufgabe der bisherigen Tätigkeit setzt eine formale Lösung des Arbeitsverhältnisses (also eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, der eine bloße faktische Nichtausübung der Tätigkeit zB aufgrund eines längeren ununterbrochenen Krankenstandes oder Urlaubs nicht gleichzusetzen ist) oder die Ausübung einer anderen Erwerbstätigkeit - auch im gleichen Betrieb (Änderungskündigung) - voraus (10 ObS 309/01s, 10 ObS 152/02d mwN). Da diese Voraussetzung beim Kläger jedenfalls im maßgebenden Zeitpunkt bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht erfüllt war, fällt die Invaliditätspension vorerst nicht an.

Es war daher in teilweiser Stattgebung der Revision des Klägers mit Teilurteil auszusprechen, dass der Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension für den Zeitraum vom 1. 12. 1999 bis 30. 11. 2001 dem Grunde nach zu Recht besteht, die Pension aber solange nicht anfällt, als der Kläger seine Tätigkeit als Werkstättenleiter nicht aufgibt. Gemäß § 89 Abs 2 ASGG war dem beklagten Versicherungsträger eine ab dem Anfall der Leistung (Aufgabe der Tätigkeit im Sinn des § 86 Abs 3 Z 2 dritter Satz ASVG) bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids zu erbringende vorläufige Zahlung aufzutragen, wobei sich deren Höhe an der bereits vom Erstgericht aufgetragenen vorläufigen Zahlung orientiert. Diese vorläufige Zahlung war bis längstens 30. 11. 2001 zu befristen, da auch der Pensionsanspruch des Klägers vorerst nur befristet bis zu diesem Zeitpunkt als dem Grunde nach zu Recht bestehend beurteilt werden konnte. Im übrigen Umfang (Begehren auf Gewährung einer unbefristeten Invaliditätspension) war das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers aufzutragen. Das Rechtsmittel des Klägers ist nämlich auch insoweit zulässig, als der Kläger statt der vom Erstgericht ausgesprochenen befristeten Zuerkennung einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit die unbefristete Gewährung dieser Leistung anstrebt, da der im § 256 Abs 3 ASVG vorgesehene Ausschluss der Klagsmöglichkeit gegen den Ausspruch einer befristeten Gewährung der Leistung in einem Bescheid nicht im Wege der Analogie auf einen Rechtsmittelausschluss des Versicherten im Fall der Zuerkennung einer befristeten Pensionsleistung durch das Arbeits- und Sozialgericht ausgedehnt werden darf (vgl 10 ObS 307/02a).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Da der Anspruch des Klägers auf Kostenersatz hinsichtlich des mit Teilurteil zuerkannten Anspruches vom Ausgang des Verfahrens über den noch offenen Anspruchsteil unabhängig ist, konnte der Kostenzuspruch im Teilurteil erfolgen (vgl 10 ObS 318/91 ua).

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