OGH 1Ob14/93

OGH1Ob14/9311.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter Paul F*****, vertreten durch Dr. Wilfried Piesch, Dr. Georg Willenig, Mag. Ingomar Arnez, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Land- und Forstwirtschaftsverwaltung-Wasserbau), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse: S 60.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 21. Oktober 1992, GZ 3 R 482/92-53, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirchen vom 12. Juni 1992, GZ 2 C 635/91-46, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile beider Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, zu welcher unter anderen das Grundstück Nr. 297 gehört. Der Kläger betreibt darauf ein gewerbliches Strandbad, dessen Liegewiese sich in der Natur bis zum durch eine Steinmauer gebildeten Ufer des O***** Sees erstreckt. Die Katastergrenze des Grundstückes Nr. 297 verläuft jedoch tatsächlich nicht ident mit dieser Uferlinie, sondern liegt nördlich davon. Die zwischen Katastergrenze und Uferlinie befindliche annähernd dreiecksförmige Parzelle beträgt die Bezeichnung Nr. 1149 Garten und wurde über Antrag der Beklagten zu 4 Nc ***** des Erstgerichtes in das Grundbuch ***** aufgenommen und im Gutsbestand der neu eröffneten Einlage als „öffentliches Wassergut“ bezeichnet. Im Eigentumsblatt wurde das Eigentumsrecht für die beklagte Partei einverleibt. Der Kläger wurde mit seinem Eigentumsanspruch gemäß § 41 Abs 1 AllgGAG auf den Rechtsweg verwiesen.

Bereits mit Antrag vom 6.9.1989 hatte der Kläger einen Antrag auf „Grenzerneuerung bzw Grenzberichtigung“ eingebracht, der in der Folge - nach Nichtigerklärung des Verfahrens durch das Rekursgericht - als Klage behandelt wurde. Der Kläger begehrte die Feststellung, daß die Grenze zwischen dem im Grundbuch ***** gelegenen Grundstücken 297 Sonstige (Bad) einerseits und 1149 Garten und 1109 See andererseits dahingehend verlaufe, daß sie entlang der Außenkante der im Süden des Grundstückes 297 bzw 1149 gelegenen seeuferseitigen Betonmauer verlaufe, daß somit das Grundstück 1149 Garten (neu) Bestandteil des Grundstückes 297 sei. Die Grenze beginne im Westen bei Punkt 4 der Beilage ./23 des Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. Gustav Kastenhofer und verlaufe in östlicher Richtung entlang der in dieser Beilage als Uferschutzmauer bezeichneten Linie. Das Grundstück Nr.297 grenze seit unvordenklichen Zeiten an den O***** See, sei gegenüber den Nachbargrundstücken anderer Eigentümer abgezäunt und nur für den Kläger und dessen Gäste zugänglich. Das Grundstück Nr. 1149 sei nie Wassergut gewesen, vielmehr habe es sich immer um Festland gehandelt, das weder angeschüttet noch angeschwemmt worden sei. Es habe sich um festen alten Grund gehandelt, der nie im Eigentum der Beklagten gestanden, sondern vom Kläger und seinen Rechtsvorgängern seit Menschengedenken als Gartenfläche bzw als Liegefläche des Bades verwendet worden sei. Das Eigentum am Grundstück sei daher ersessen. Da es sich nicht um Wassergut handle, sei der Ausschluß der Ersitzungsmöglichkeit nach § 4 Abs 6 WRG 1934 nicht gegeben, obwohl auch im Jahre 1934 bereits die 40-jährige Ersitzungszeit abgelaufen gewesen sei. Mit Kaufvertrag vom 29.5.1894 habe Andreas P***** an Auguste S***** aus dem Grundstück 297 Weide den östlichen an den O***** See anschließenden Teil verkauft. Es werde daher ausdrücklich Ersitzung ab diesem Zeitpunkt (1894) geltend gemacht. Aus einem Grundbesitzbogen 1899 ergebe sich, daß das Grundstück Nr. 297 damals eine Fläche von 2170 m2 und somit um rund 650 m2 mehr ausgewiesen habe als dies derzeit mappenmäßig der Fall sei. Die Beklagte habe durch Ausstellung dieses Grundbesitzbogens aber auch durch den Bescheid der politischen Expositur F***** vom 22.3.1929 anerkannt, daß die Wasserlinie die Grundgrenze sei. Jedenfalls hätten die Rechtsvorgänger des Klägers die streitgegenständliche Grundfläche durch Ankauf gutgläubig erworben; der Kläger stütze seinen Anspruch daher auch auf § 372 ABGB.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete ein, daß mit Bescheid der politischen Expositur F***** vom 22.3.1929 über Antrag des Rechtsvorgängers des Klägers der Einbau zweier Holzstege in den See bewilligt worden sei. Aus dem angeschlossenen Projektplan, der nach dem Bescheidinhalt „bis auf geringe Abweichungen mit der Natur übereinstimmt“ ergebe sich, daß die Uferlinie des Grundstückes Nr. 297 im Jahre 1928 zu See hin eine völlig andere Grundgrenze als heute aufgewiesen habe. Die Südgrenze dieses Grundstückes sei vollkommen gerade verlaufen und erscheine mit der heutigen Grundstückgrenze nahezu ident. Das Grundstück 1149 habe daher im Jahre 1928 noch gar nicht existiert, sondern sei vielmehr später ohne Zustimmung der Beklagten in den See angeschüttet worden. Unter Berücksichtigung des im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens führte die Beklagte weiters aus, daß die Uferlinie 1928 einen völlig anderen Verlauf als heute aufgewiesen habe, weshalb der Grundbesitzbogen aus dem Jahre 1899 nicht als Beweis für den Rechtserwerb durch den Kläger herangezogen werden könne. Es werde die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fache Seenkunde zum Beweis dafür beantragt, daß das Grundstück 1149 seit dem Jahre 1826 durch Anschwemmung entstanden sei, weiters die Beiziehung eines Sachverständigen zur Rekonstruktion des Uferverlaufs im Jahre 1894. Die vom Kläger geltend gemachte Ersitzung werde bestritten.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß sich die Uferlinie südlich des Grundstückes 297 seit dem Jahre 1927 im strittigen Bereich nicht geändert habe; das Gelände des Grundstückes 297 und die im Süden daran anschließende Fläche sei schon im Jahre 1927 bis zur heutigen Uferlinie als Liege- und Badewiese genutzt worden. Die Renovierung der Uferschutzmauer im Jahre 1948 habe an ihrem Verlauf und der Uferlinie nichts geändert. Die Grenzen zwischen dem Grundstück Nr. 297 und der im Süden daran anschließenden Grundfläche seien nicht erkennbar gewesen; Nutzungshandlungen der öffentlichen Hand haben im strittigen Bereich nie stattgefunden. Der Kläger habe das Grundstück Nr. 297 im Jahre 1987 erworben. Das Grundstück Nr. 297 habe derzeit ein mappenmäßiges Ausmaß von 1514 m2, das Grundstück Nr. 1149 ein solches von 341 m2. Im Grundbesitzbogen des K.u.K. Steueramtes F***** Stand 1899 sei das Grundstück Nr. 297 mit einer Fläche von 2170 m2 ausgewiesen, ebenso im Anmeldungsbogen Nr. 21 des Bezirksvermessungsamtes S***** vom 12.4.1928. Mit Kaufvertrag vom 29.5.1894 habe Andreas P***** dem Fräulein Auguste S***** als Eigentümerin der Krainer Realität EZ ***** den östlich an den O***** See anstoßenden Teil des Grundstückes Nr. 297 Wiese ***** welcher nach dem Inhalt dieses Kaufvertrages ungefähr 25 Klafter gemessen habe, verkauft. Mit Kaufvertrag vom 2.1.1920 haben die Ehegatten Georg und Maria L***** von Alexander K***** und anderen den Groß'schen Badeplatz und andere Liegenschaften ***** samt Bootshütte, Badeanstalt, 6 Booten und mit allen den Besitz „anklebenden“ Rechten und Verbindlichkeiten, mit denen der Verkäufer diese besessen habe oder zu besitzen berechtigt gewesen sei, gekauft. Mit Bescheid der politischen Expositur F***** vom 22. März 1929 sei dem Georg L***** nach Entfernen einer in den Seebereich ragenden Badehütte die Errichtung zweier Holzstege mit einem Sprungbrett unter verschiedenen Auflagen bewilligt worden. Die Südgrenze des Grundstückes Nr. 297 sei im Jahre 1928 im Kataster mit der heutigen Katastergrenze ident verlaufen. Die Uferlinie habe hingegen einen völlig anderen Verlauf, nämlich den in der Beilage ./23 dargestellten (dem heutigen Zustand entsprechenden) aufgewiesen.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Kläger seinen Anspruch zu Recht auf die Bestimmung des § 372 ABGB als Naturalbesitzer gegen den Tabularbesitzer gestützt habe, wobei er die Anspruchsvoraussetzungen, und zwar den rechtmäßigen redlichen und echten Besitz jener Fläche, die mit dem Ufer des O***** Sees im Süden abschließe, nachzuweisen vermocht habe. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich zumindest seit dem Jahr 1894 nichts an dem Verlauf der jetzigen Uferlinie verändert habe, sei im höchsten Maße gegeben. Hinweise auf Anschüttungen oder Anschwemmungen nach dieser Zeit liegen nicht vor. Der Kläger könne sich daher auf die Ersitzung der nunmehr strittigen Fläche berufen, die Beklagte hingegen könne Besitzhandlungen in diesem Bereich nicht einmal behaupten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache. Der Beklagte könne sich zwar zulässigerweise weder mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 1375 ff ABGB auf ein Anerkenntnis der politischen Behörden in den Jahren 1899 und 1929 noch auf die Bestimmung des § 372 ABGB berufen - letzteres da die publizianische Klage nicht auf Feststellung des Eigentums gerichtet werden könne - , die Beklagte habe jedoch durch ihr bloß unsubstantiiertes Bestreiten die vom Kläger behauptete Ersitzung anerkannt. Die einzige konkrete Gegenbehauptung, die Uferlinie habe im Jahre 1928 einen völlig anderen Verlauf als die nunmehr streitgegenständliche Fläche gehabt, sei im Verfahren widerlegt worden. Die Anträge auf Sachverständigenbestellung könnten die darüber hinaus fehlenden Prozeßbehauptungen nicht ersetzen. Es entspreche aber ständiger Rechtsprechung, daß Behauptungen, zu denen ein konkretes Sachgegenvorbringen nicht vorliege, gemäß § 267 ZPO als zugestanden zu gelten haben. Es könne daher das Vorbringen des Klägers über die Nutzung des strittigen Grundstreifens jedenfalls ab 1894 der Entscheidung zugrundegelegt werden. Diese Nutzung habe den Anschein des Besitzwillens der Rechtsvorgänger des Klägers für sich; daß dieser gefehlt habe, habe die Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Es sei daher davon auszugehen, daß die Rechtsvorgänger des Klägers das Eigentumsrecht am Grundstück 1149 vor Inkrafttreten des WRG 1934 am 1.11.1934 ersessen haben.

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz gelangte ausschließlich deshalb zu einer Bestätigung des Ersturteiles, weil es aus dem Verhalten der Beklagten im Prozeß ableitete, diese habe das Tatsachenvorbringen des Klägers zu den Voraussetzungen der behaupteten Ersitzung schlüssig zugestanden. Der Oberste Gerichtshof hat in ZVR 1982/394 ausgesprochen, daß die Beurteilung des Berufungsgerichtes, das Tatsachenvorbringen des Klägers sei durch die Beklagte zugestanden worden, als eine im Rahmen der Beweiswürdigung unanfechtbare Anwendung des § 267 ZPO anzusehen sei. Dieser Ansicht vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Zwar legen § 267 Abs 1 ZPO und § 272 ZPO ein inhaltlich weitgehend gleiches richterliches „Ermessen“ zugrunde, jedoch geht die Würdigung, ob ein Geständnis vorliegt oder nicht, ob Beifügungen oder Einschränkungen es seiner Wirksamkeit berauben u.dgl. mehr der Beweisaufnahme stets voraus und hat nur die Prüfung zum Gegenstand, ob die „unvollkommen“ zugestandenen Tatsachen überhaupt bewiesen werden müssen. Die Überprüfung dieses Ermessens ist daher im Rahmen der Verfahrensrüge möglich (Fasching III 246 Anm 6; 3 Ob 507/85).

Tatsachen, die zwar nicht ausdrücklich bestritten, die aber auch nicht zugestanden wurden, sind beweisbedürftig (JBl 1948, 163; SZ 48/35; ZVR 1982/394; SZ 55/116; 3 Ob 507/85; 9 ObA 292/90; Fasching III 249). Für die Beweisbedürftigkeit einer Tatsache ist somit der Mangel eines Zugeständnisses und nicht die ausdrückliche Bestreitung entscheidend (SZ 56/92). Gemäß § 267 Abs 1 ZPO hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhaltes des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen, ob tatsächliche Behauptungen einer Partei mangels eines ausdrücklichen Geständnisses des Gegners als zugestanden anzusehen seien. Die Rechtsprechung hat daher - wie die Revisionswerberin zutreffend darstellt - immer nur dann die unterbliebene Bestreitung als Zugeständnis gewertet, wenn im Einzelfall gewichtige Indizien für ein derartiges Geständnis sprachen. So wurde etwa ein Zugeständnis angenommen, wenn der Beklagte seinem Vorbringen die Behauptungen des Gegners zugrunde legte (3 Ob 507/85), wenn der Beklagte mehrfaches und heftiges Vorbringen nie konkret bestritt, obwohl es ihm im Gegensatz zum Kläger ein leichtes gewesen wäre, die dieses Vorbringen entkräftenden Beweise vorzulegen (SZ 55/116), wenn er der Beklagten die rechnerische Richtigkeit der Klagsforderung „unter neuerlichem Hinweis auf das sonstige Vorbringen“ zugestand, ohne daß ein derartiges Vorbringen zur Hauptsache vorgelegen wäre (SZ 63/201) oder schließlich wenn der Beklagte zwar das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit gestellt, sich jedoch zum Zinsenbegehren nicht geäußert hat (9 ObA 292/90).

Ein derartiges Verhalten der Beklagten im Verfahren liegt jedoch nicht vor. Sie hat unmißverständlich insbesondere auch die vom Kläger behauptete Ersitzung der strittigen Grundfläche bestritten und darüber hinaus zu einzelnen ihr bedeutsam erscheinenden Fragen ein weiteres Sachvorbringen erstattet. Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen trifft den Ersitzungsbesitzer (Schubert in Rummel ABGB2 § 1460 Rz 8). Der Gegner ist vorerst nicht verhalten, ein Vorbringen zu erstatten, daß und weshalb die vom Kläger behaupteten anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht gegeben sind. Jede Partei hat nämlich nur die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Normen zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Sache der Beklagten ist es lediglich, die rechtshemmenden oder - vernichtenden Tatsachen vorzubringen (Fasching ZPR2 Rz 882), somit etwa ein die Ersitzung ausschließendes Verhältnis unter Beweis zu stellen (SZ 56/111).

Trifft aber die Beklagte in einem bestimmten Bereich keine Behauptungslast, kann, zumindest solange nicht besondere, den oben dargestellten nahekommende Umstände vorliegen, aus der Tatsache der bloßen Bestreitung nicht ein Zugeständnis des klägerischen Vorbringens abgeleitet werden. Auch die Behauptung des Klägers, es habe sich bei dem strittigen Grundstück immer um Festland gehandelt, zwingt zu keiner anderen Betrachtungsweise, da der Kläger sein Eigentumsrecht, selbst wenn er sich auf originären Eigentumserwerb berufen wollte, vorerst zu behaupten und unter Beweis zu stellen hat.

In der Sache selbst ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten in den Behördenakten der Jahre 1899 und 1929 nicht gesehen werden kann. Weder der im Grundbesitzbogen angegebenen Quadratmeterzahl noch dem Bescheid, mit welchem Einbauten in den See bewilligt wurden, kommt die Wirkung der Bereinigung eines konkreten Streites oder Zweifels über die Ausdehnung des strittigen Grundstückes zu (vgl JBl 1981, 90; ecolex 1990, 283), da das Einschreiten der Behörde in keinem der beiden Fälle wegen Unstimmigkeiten über die Ausdehnung des Grundstückes in der Natur erfolgte.

Auch für die Anwendung des § 372 ABGB, der „Eigentumsklage aus dem rechtlich vermuteten Eigentume des Klägers“, ist kein Raum, da der außerbücherliche Erwerber gegen den Buchbesitzer nur dann durchdringt, wenn dieser mangels Titels nicht Eigentümer wurde (NZ 1987, 151; Koziol-Welser Grundriß9 II 38 f). Gegen den wirklichen Eigentümer kann die publizianische Klage nicht angestrengt werden (SZ 58/23). Gemäß § 3 KWRG 1870 sind unter anderem auch die nicht zur Fahrt mit Schiffen oder gebundenen Flößen dienenden Seen öffentliches Gut, soweit sie nicht infolge gesetzlicher Bestimmungen oder besonderer Privatrechtstitel jemandem zugehören. Öffentliches Gut aber steht im Eigentum des Bundes oder des Landes (Spielbüchler in Rummel ABGB2 § 287 Rz 3). Daß von den Rechtsvorgängern des Klägers verschiedene dritte Personen jemals Eigentümer des strittigen Grundstreifens gewesen wären, wurde im Verfahren nicht behauptet. Den Beweis, daß es sich bei dieser Fläche niemals um Seegrund gehandelt habe, konnte der dafür behauptungs- und beweispflichtige Kläger (§ 4 Abs 1 zweiter Satz WRG) bisher nicht erbringen und scheint seine Behauptungen, es habe sich seit jeher um Festland gehandelt, durch das Sachverständigengutachten ON 18 (Punkt 1.01) widerlegt.

Gemäß § 4 Abs 6 WRG kann durch Ersitzung das Eigentum oder ein anderes dingliches Recht am öffentlichen Wassergut nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes (1.11.1934) nicht mehr erworben werden. Nur bereits durch Ablauf der Ersitzungszeit vor dem 1.11.1934 erworbene Rechte am öffentlichen Wassergut können daher auch heute noch geltend gemacht werden (SZ 56/111). Die Ersitzungszeit könnte nur dann während der Geltung des WRG vollendet werden, wenn vor dem 1.11.1934 infolge originären Eigentumserwerbes, etwa durch Verlandung kein öffentliches Gewässer vorlag und daher gemäß der vor Inkrafttreten des § 4 Abs 1 WRG in Geltung gestandenen Bestimmung des § 410 ABGB das verlassene Wasserbett den angrenzenden Uferbesitzern zufällt (EvBl 1968/212). Allerdings sind unter dem in §§ 410 bis 411 ABGB vorkommenden Ausdrucke „Gewässer“ nur fließende Gewässer, das sind Bäche, Flüsse und Ströme, zu verstehen. Nicht nur, daß die grammatikalische Bedeutung des in § 411 ABGB verwendeten Wortes „Anspülen“ auf in Bewegung befindliches Wasser hindeutet, spricht § 407 ABGB vom Eigentum der an beiden Ufern liegenden Grundstücke, § 408 ABGB von der Teilung des Gewässers in mehrere Arme und § 409 ABGB von den Grundbesitzern, welche durch den neuen Lauf des Gewässers Schaden leiden. Auf Seen und Teiche, selbst wenn sie durch Zuflüsse gespeist oder von Bächen oder Flüssen durchströmt werden, können daher die Bestimmungen der §§ 407 bis 411 ABGB nicht angewendet werden (GlUNF Nr 6503; EvBl 1964/139; Klang in Klang ABGB I/2.Hlbb 131; Randa, Das österreichische Wasserrecht 69 ff; Peyrer-Heimstätt, Das österreichische Wasserrecht 457 f; Haager-Vanderhaag, Das neue österreichische Wasserrecht 114).

Da somit originärer Eigentumserwerb der Rechtsvorgänger des Klägers auch unter Berücksichtigung der im Gutachten ON 18 (Punkt 1.1.02) angeführten „Verlandung“ nicht in Frage kommt, kann der Kläger mit seinem Klagebegehren nur dann durchdringen, wenn ihm der Beweis der Ersitzung gelingt, wozu es der Vollendung der 40-jährigen Ersitzungszeit des § 1472 ABGB vor Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes bedürfte.

Aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Erstgericht aber keine Feststellungen über Zustand und Nutzung des Grundstückes vor dem Jahre 1929 getroffen, obwohl das Gutachten ON 18 sowie die im Akt erliegenden Urkunden zumindest in Teilbereichen hiefür Anhaltspunkte bieten. Es hat auch unterlassen, sich mit den von der Beklagten angebotenen Beweisen auseinanderzusetzen, so daß nach Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte