OGH 8ObA179/02k

OGH8ObA179/02k29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter HR DI Roland Bauer und Ulrike Kargl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dragan J*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Felix Spreitzhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Leopold H*****, Spenglermeister, *****, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 7.075,75 s.A., über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 6.605,93 s.A.) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 2002, GZ 7 Ra 96/02t-23, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. November 2001, GZ 14 Cga 206/00s-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 20. 8. 1997 bei dem Beklagten als Bauspengler mit einem Stundenlohn von zuletzt S 113,31 brutto beschäftigte Kläger war vorweg von 10. 8. 2000 bis 25. 8. 2000 wegen eines Hautausschlages in Krankenstand. Am Samstag, dem 26. 8. 2000 rutschte er zu Hause aus. Er fiel auf seinen rechten Unterarm, den er sich bereits einmal im Rahmen eines Arbeitsunfalles bei der Beklagten gebrochen hatte und deshalb eine Metallplatte im Bereich des rechten Ellbogengelenkes hat. Er hatte Schmerzen und suchte am darauffolgenden Montag einen Hausarzt auf, kam jedoch vormittags unverrichteter Dinge nach Hause zurück, weil dieser Hausarzt erst am Nachmittag Ordination hat. Der Kläger rief die Ehegattin des Beklagten über deren Ersuchen zurück und teilte ihr mit, dass er eine Handverletzung habe und deshalb nicht zur Arbeit kommen könne. Bei seinem Arztbesuch am Nachmittag stellte ihm der Hausarzt jedoch keine Krankenstandsbestätigung aus, sondern schickte ihn zur Gebietskrankenkasse. Der Hausarzt handhabt es regelmäßig so, dass er nach Beendigung eines Krankenstandes keine Bestätigung mehr ausstellt. In der Mitteilung an den Dienstgeber hielt er fest, dass der Kläger eine Verlängerung des Krankenstandes begehre und zur Gebietskrankenkasse geschickt wurde. Wegen deren Öffnungszeiten konnte der Kläger diese jedoch erst am 29. 8. 2000 aufsuchen. Dort wurde eine Röntgenaufnahme des rechten Armes veranlasst. Obwohl der Kläger weiter Schmerzen am rechten Unterarm hatte, erfolgte keine Fortsetzung des Krankenstandes. Als der Kläger sodann am Nachmittag dieses Tages den Betrieb der Beklagten aufsuchte wurde ihm dort mitgeteilt, dass er nicht mehr zu kommen brauche. Gegenüber der Krankenkasse wurde angegeben, dass der Kläger "vorzeitig ausgetreten" sei.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger insgesamt S 100.888,36 brutto abzüglich S 3.523,88 netto an restlichem Lohn und Kündigungsentschädigung einschließlich der Sonderzahlungen sowie die Abfertigung. Er stützt sich zusammengefasst darauf, dass die Beklagte sein Dienstverhältnis fristwidrig beendet habe. Er selbst sei nicht ausgetreten. Die Abwesenheiten des Klägers am 28. und 29. August seien gerechtfertigt gewesen, da der Kläger eine Behandlung seines Armes nach dem Sturz vornehmen lassen wollte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass der Kläger durch sein ungerechtfertigtes Fernbleiben zumindest schlüssig ausgetreten sei. Hilfsweise stützte er sich darauf, dass er die Entlassung berechtigt ausgesprochen habe, da der Kläger vom Dienst am 28. und 29. 8. 2000 unberechtigt ferngeblieben sei. Wäre der Kläger tatsächlich krank gewesen, hätte ihn auch der behandelnde Arzt krankschreiben können. Der Kläger habe auch keinen Grund gehabt, subjektiv seine Arbeitsunfähigkeit zu vermuten. Auch vor diesem Vorfall sei der Kläger bereits mehrmals verspätet erschienen sowie unentschuldigt ferngeblieben und deshalb auch mündlich verwarnt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging davon aus, dass der Kläger weder einen Entlassungsgrund gesetzt noch sein Dienstverhältnis durch vorzeitigen Austritt beendet habe. Er sei auch nach dem 25. 8. 2000 nicht in der Lage gewesen, seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es beurteilte den einleitend dargestellten Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sei, auch vorübergehende Dienstverhinderungen unverzüglich mitzuteilen und vorhersehbare Verhinderungen vorweg anzukündigen, um dem Arbeitgeber eine rechtzeitige Disposition zu ermöglichen. Auch bestehe die Mitteilungspflicht, um dem Arbeitgeber die Abwägung hinsichtlich der Berechtigung des Fernbleibens zu ermöglichen. Die ärztliche Bestätigung einer Krankheit sei nicht entscheidend, ausschlaggebend sei vielmehr ob subjektiv für den Arbeitnehmer der ernstzunehmende Anschein vorhanden gewesen sei, dass durch eine Dienstleistung die Gefahr der Verschlimmerung seiner Erkrankung bestehe bzw er einer ärztlichen Versorgung oder diagnostischen Abklärung bedürfe. Hier sei die Phase des Aufsuchens des Arztes entscheidend. Der Arbeitgeber habe den Gegenbeweis anzutreten, dass der Arbeitnehmer nicht so weit in seiner Leistungsunfähigkeit eingeschränkt worden sei, dass er die vertragsmäßig geschuldete Arbeit nicht verrichten hätte können. Dienstliche Abwesenheit infolge von Untersuchungen, die durch den praktischen Arzt angeordnet worden seien, seien als wichtige Gründe in der Person des Arbeitnehmers, die ihn ohne sein Verschulden an der Dienstleistung hinderten, anzusehen. Von einem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers könne hier nicht ausgegangen werden. Zusätzlicher Feststellungen zu einer Verwarnung oder einen verspäteten Dienstantritt bedürfe es nicht. Eine Entlassung sei weder ausgesprochen noch festgestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG jedenfalls zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Zutreffend weist die Revision auf die Widersprüchlichkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes hin, das einerseits vom mangelnden Vorliegen einer Entlassungserklärung ausgeht, andererseits aber das Vorliegen Entlassungsgründen prüft, ohne dies im Zusammenhang zu sehen. Zutreffend weist die Beklagte auch darauf hin, dass hier vom Vorliegen einer Entlassungserklärung auszugehen ist. Nach ständiger Judikatur ist die Auflösungserklärung so zu beurteilen, wie sie der Erklärungsempfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umständen bei objektiver Betrachtungsweise verstehen konnte (vgl. RIS-Justiz RS0028612 mzwN etwa zuletzt OGH 8. 5. 2002, 9 ObA 53/02p). Für das Vorliegen einer Entlassungserklärung entscheidend ist im Wesentlichen, ob klar und eindeutig für den Dienstnehmer der Ausdruck kommt, dass der Arbeitgeber das bestehende Dienstverhältnis einseitig und mit sofortiger Wirkung auflösen will (vgl. RIS-Justiz RS0029120 mwN etwa zuletzt OGH 6. 12. 2000 9 ObA 275/00g).

Es wird auch berücksichtigt, dass die Austritts- und Entlassungserklärungen sehr häufig im Gefolge von unerquicklichen Vorgängen und gewissen Spannungs- und Erregungszuständen erfolgen. Aber auch dann wird regelmäßig die Wirksamkeit angenommen (vgl. RIS-Justiz RS0014738 insbesondere OGH 5. 11. 1997 9 ObA 282/97d). Als der Kläger nach dem Arztbesuch am 29. 8. 2000 den Betrieb des Beklagten aufsuchte, konnte er aus der Erklärung, "dass er nicht mehr zu kommen brauche" objektiv betrachtet aber nur den Willen des Arbeitgebers erschließen, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden (vgl. etwa MGA Arbeitsrecht § 1162 ABGB E 172, 175 und 176 = Arb 5754 Arb 7098 und Arb 7898). Damit stellt sich aber die Frage der Berechtigung der Entlassung. Entsprechend § 82 lit f der Gewerbeordnung 1859 stellt das "unbefugte Verlassen" der Arbeit einen Entlassungsgrund dar. Dieser ist verwirklicht, wenn der Arbeiter die vereinbarte oder ortsübliche Arbeitszeit nicht einhält und es sich um ein erhebliches Dienstversäumnis handelt für das ein rechtmäßiger Grund fehlt (vgl. allgemein RIS-Justiz RS0060735 mwN etwa zuletzt OGH 21. 2. 2002 8 ObA 27/02g). Dazu ist festzuhalten, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die Beweislast für den Rechtfertigungsgrund, der das Entlassungsrecht des Arbeitgebers wegen des ansonsten pflichtwidrigen Fernbleibens von der Arbeit aufhebt, den Arbeitnehmer trifft (vgl RIS-Justiz RS0029534 mzwN etwa SZ 51/28 = Arb 9672 = EvBl 1978/145, zuletzt OGH 22. 11. 2001 8 ObA 189/01d). Der Kläger konnte nun nachweisen, dass er am Wochenende auf jenen Arm stürzte, der bereits infolge eines Arbeitsunfalles beeinträchtigt war und dass er deshalb auch Schmerzen hatte (vgl. im Übrigen auch die Angaben des Arztes zu Schwellungen und Rötungen AS 45). Er hat am folgenden Werktag seinen Hausarzt aufgesucht - der jedoch erst am Nachmittag Ordination hatte - und auf dessen Anraten dann die Gebietskrankenkasse. Diese hat ein Röntgenbild des Armes veranlasst und nach dessen Vorliegen trotz der Schmerzen des Klägers keinen Grund für die Verlängerung des Krankenstandes festgestellt. So wie nach § 27 Z 4 AngG setzt auch die Verwirklichung des Entlassungstatbestandes nach § 82 lit f GewO ein Verschulden voraus (vgl. etwa Kuderna Entlassungsrecht2 137 iVm 104 f; RIS-Justiz RS0029518 mwN zuletzt 9 ObA 189/01d). Hier ergibt sich, dass der Kläger offensichtlich auf Grund seiner Schmerzzustände in dem Arm, der bereits einmal massiv verletzt war, davon ausging, arbeitsunfähig zu sein. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob dies allein auf Grund der Schmerzzustände und des Berufes des Klägers als Bauspengler schon anzunehmen ist. Jedenfalls ist es dem Kläger aber zuzubilligen, dass er die Ursache und die Behandlungsbedürftigkeit sowie eine allfällige Arbeitsunfähigkeit der von ihm nachgewiesenen Schmerzzustände durch Vornahme der erforderlichen diagnostischen Maßnahmen beurteilen lässt. Wenn der praktische Arzt dafür letztlich eine Abklärung durch die Gebietskrankenkasse und diese wieder die Einholung eines Röntgens für erforderlich erachtete, und diese vom Kläger ohne wesentlichen Verzug durchgeführt würden, so ist selbst dann, wenn tatsächlich keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen sein sollte, regelmäßig eine berechtigte Dienstverhinderung anzunehmen, ihm aber jedenfalls kein Verschulden im dargestellten Sinn anzulasten. Weitere Entlassungsgründe werden nicht zureichend konkret geltend gemacht, sodass die Entlassung sich insgesamt als unberechtigt erweist. Insgesamt war daher der Revision der Beklagten im Ergebnis nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, 50, 41 ZPO.

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