OGH 8Ob132/02y

OGH8Ob132/02y8.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** KEG, ***** vertreten durch Dr. Susanna Fuchs-Weißkircher, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Erwin F*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Martina P***** Gesellschaft m.b.H, ***** wegen EUR 69.033,25 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 21. März 2002, GZ 4 R 240/01y-38, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Beklagte dagegen wendet, dass in der Berufungsverhandlung eine weitere Beweisaufnahme hinsichtlich einer Sachverhaltsdarstellung in einem Strafverfahren nicht vorgenommen wurde und geltend macht, dass aus dieser die Feststellung zur mangelnden Kenntnis der beklagten Partei über die Unrichtigkeit der Quartalsausweise widerlegt hätte werden können, ist er schon darauf zu verweisen, dass die Berufung eine Bekämpfung der Feststellungen in dieser Richtung gar nicht enthält. Auch kann nach ständiger Judikatur ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (vgl etwa OGH 25. 6. 2001, 8 Ob 311/00v mwN = JBl 1972, 569; SZ 62/157 uva) ebensowenig die Frage, ob eine Beweiswiederholung oder eine weitere Beweisaufnahme erforderlich war (MGA ZPO15 E 81 und E 82 jeweils mwN etwa SSV-NF 12/32; EFSlg 57.832 uva).

Die folgenden Ausführungen des Beklagten weichen von den Festsellungen ab, da sie davon ausgehen, dass der klagenden Partei die richtigen Umsatzzahlen vor der 2. "Versteigerung" bekannt gewesen wären. Im übrigen hat sich das Berufungsgericht auch inhaltlich mit der vom Beklagten erhobenen Tatsachenrüge auseinandergesetzt. Auch mit seiner Rechtsrüge zeigt der Beklagte keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 11. 6. 2001 zu 8 Ob 271/00m ( tw veröffentlicht zu ÖBA 2002/1026 und ZIK 2002/93) ausgeführt hat, bewirkt der Beschluss über die konkursgerichtliche Genehmigung einer - damals im Rahmen des § 120 Abs 2 KO - vorgenommenen freihändigen Veräußerung, dass festgestellt wird, ob und zu welchem Preis der Kaufvertrag über die feilgebotene Sache zustande gekommen ist (vgl hier zum Erfordernis der konkursgerichtlichen Genehmigung beim Unternehmensverkauf § 117 KO). Erst danach steht fest, dass "Nachbesserungen" nicht mehr erreicht und Anbote anderer Interessenten nicht mehr berücksichtigt werden können und dass der im Beschluss bezeichnete Käufer die nach dem Inhalt des Kaufvertrags ihn treffenden Pflichten zu erfüllen hat. Eine solche Genehmigung ist nie erfolgt und wurde vom Beklagten auch nie beantragt. Voraussetzung für die in den Verkaufsbedingungen bei der freihändigen Versteigerung für den Fall der "Wiederversteigerung" vorgesehene Haftung des Erstkäufers wäre es aber gewesen, dass der Kaufpreis nicht binnen 8 Tagen nach der konkursgerichtlichen Genehmigung des Kaufvertrages erlegt wird. Die Voraussetzungen dafür liegen also nicht vor.

Der beklagte Masseverwalter hat vielmehr, nachdem er wegen des festgestellten massiven Abweichens der tatsächlichen Umsatzzahlen von den von ihm genannten Umsatzzahlen für ein bestimmtes Quartal mit der Androhung der gerichtlichen Anfechtung der Kaufverträge wegen Irrtum und laesio enormis und damit dem Begehren auf Aufhebung der Kaufverträge (vgl auch RIS-Justiz RS0014332) konfrontiert wurde, den der Klägerin bereits überlassenen Verkaufsgegenstand wieder in seinen Besitz gebracht und erneut veräußert.

Das Berufungsgericht hat dies als schlüssige Zustimmung zur Auflösung der Kaufverträge beurteilt. Eine schlüssige ("stillschweigende") Erklärung im Sinne des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt. Dieser Erklärungswert ist vornehmlich auch aus den Begleitumständen zu erschließen. Insgesamt muss das Verhalten nach der Verkehrssitte eindeutig in eine Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluß zulassen, dass die Partei diesen Vertrag - hier - aufheben will. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt. Dies kann nur nach den gesamten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RIS-Justiz RS0109021 mzwN). Ob nun eine solche Erklärung im Einzelfall als abgegeben angesehen werden kann stellt regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO dar (vgl RIS-Justiz RS0043253 mwN etwa zuletzt OGH 2. 5. 2002 9 Ob 93/02w). Dies wäre nur dort der Fall , wo es die Rechtssicherheit erfordert, eine unrichtige, mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bedeutung eines Verhaltens im Widerspruch stehende rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht auch im Rahmen einer außerordentlichen Revision zu korrigieren (vgl RIS-Justiz RS0016489). Eine solche Rechtsprechung zeigt die Revision jedoch nicht auf. Auch sonst ist das konkrete Argument der Revision, dass der Beklagte bis zum 20. 10. 1999 versucht habe, die klagende Partei zum Festhalten am Vertrag zu bewegen, schon deshalb nicht geeignet, eine Rechtsfrage im dargestellten Sinne nachzuweisen, weil die erneute Versteigerung ja erst am 27. 10. 1999 erfolgte.

Der Verkäufer kann eine vom Käufer begehrte Vertragsaufhebung auch dann wenn sie unberechtigt ist annehmen und den Vertrag als aufgelöst betrachten (vgl RIS-Justiz RS0018412 mwN). Dies kann auch stillschweigend erfolgen (vgl etwa RIS-Justiz RS0015913 und RS0015916; umso mehr, wenn die begehrte Vertragsaufhebung als berechtigt erscheinen muss). Dann bedarf es auch bei einer Anfechtung wegen eines Geschäftsirrtums keiner gerichtlichen Geltendmachung (vgl RIS-Justiz RS0016238 mwN etwa 1 Ob 352/97i), die hier im übrigen ohnehin auch noch erfolgte (vgl zur Geltendmachung mit dem Rückforderungsanspruch RIS-Justiz RS0016253 mwN etwa 9 Ob 308/99f). In diesem Zusammenhang ist der Beklagte darauf zu verweisen, dass ganz allgemein die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens als eine Eigenschaft der Sache Gegenstand einer Qualitätszusage sein kann. Orientieren sich die Vorstellungen über die Kaufwürdigkeit des Unternehmens und die Angemessenheit des Kaufpreises doch regelmäßig daran. Angaben des Verkäufers über die Ertragsfähigkeit und die Grundlagen ihrer Berechnung - gerade die Umsätze - sind dann als zum Vertragsinhalt zählende bindende Qualitätszusagen und nicht bloß als rechtsfolgenlose allgemeine Anpreisungen des Unternehmens zu beurteilen, wenn der Verkäufer ihren maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung des Käufers erkennen musste und Letzterer unter den besonderen Umständen des Falles nach der Verkehrsauffassung und den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs sie in diesem Sinne verstehen durfte. Wenn sich herausstellt, daß die Ertragsfähigkeit des Unternehmens erheblich unter dem zugesicherten Betrag liegt, kann die dadurch bewirkte Störung der subjektiven Äquivalenz auch im Wege

des § 871 ABGB geltend gemacht werden (vgl RIS-Justiz RS0016178 mwN =

SZ 54/88 = MietSlg 33110 ua; ebenso RIS-Justiz RS0016176 mwN, zuletzt

8 Ob 341/97y; ferner RIS-Justiz RS0016175). Hier hat nun der Beklagte die Versteigerung selbst als "Unternehmensversteigerung" angekündigt (vgl auch Beil./ 2) und in dem von ihm schließlich der klagenden Partei übermittelten Kaufvertrag einen Betrag von 95.000 EUR allein für den Unternehmenswert angesetzt. Auch aus den Fragen der klagenden Partei musste dem Beklagte offensichtlich sein, dass der Höhe des Umsatzes erhebliche Bedeutung zukommt. Die von der Klägerin begehrte Aufhebung des Kaufvertrages wegen der deutlich von den wiederholt bestätigten Umsatzzahlen tatsächlich abweichenden bisher erzielten Quartalsumsätze gemäß § 871 ABGB konnte also durchaus als berechtigt erscheinen. Vor diesem Hintergrund kann in der Beurteilung des Berufungsgerichtes, aus der Aneigung des Kaufgegenstandes und der neuerlichen Versteigerung sei eine schlüssige Zustimmung des Beklagten zur Vertragsaufhebung abzuleiten, im Lichte der konkreten Argumente in der außerordentlichen Revision keine Fehlbeurteilung im obigen Sinne erblickt werden. Einen Vorbehalt hinsichtlich allfälliger Schadenersatzansprüche hat der Beklagte in diesem Zusammenhang vor der 3. Versteigerung nicht gesetzt. Insgesamt vermag es der Beklagten jedenfalls nicht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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