OGH 1Ob352/97i

OGH1Ob352/97i24.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Bettina L*****, vertreten durch Dr.Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 68.400,-- sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14.Juli 1997, GZ 53 R 145/97y-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 29.Jänner 1997, GZ 2 C 1798/96z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Alleinvermittlungsauftrag vom 13.9.1996 wurde die Klägerin von den grundbücherlichen Eigentümern mit dem Verkauf eines Bauernhauses samt dem dieses umgebenden Grund beauftragt. Mangels Vermessung war das genaue Ausmaß der Grundfläche nicht bekannt. Die Klägerin bot in einem Zeitungsinserat die Liegenschaft unter Nennung des Kaufpreises und einer Grundstücksgröße von „ca 900 m2“ an. Die Beklagte gab einer Angestellten der Klägerin telefonisch ihr Kaufinteresse bekannt, worauf ihr mitgeteilt wurde, daß das Objekt wegen der Größe von rund 900 m2 nur für Wohnzwecke, nicht aber für die Viehhaltung geeignet sei. Anläßlich der Besichtigung wurde der Beklagten und ihrem Ehemann von der Angestellten der Klägerin mitgeteilt, das Grundstück sei möglicherweise nur 850 m2 groß und müsse erst vermessen werden. Die Beklagte erwähnte, daß sie das Haus zu Wohnzwecken umbauen wolle. In der Folge unterfertigte die Beklagte ein Kaufanbot, in welchem die Größe des Kaufgegenstands mit „ca. 800 bis 900 m2“angegeben war. Die Verkäufer nahmen das Kaufanbot an. Bei dem zur Kaufvertragsunterfertigung vereinbarten Termin beim Notar erklärten die Verkäufer, nun die Vermessungsurkunde erhalten und zu ihrer Überraschung daraus erfahren zu haben, daß die Liegenschaft nur 740 m2 groß sei. Der Ehemann der Beklagten wies darauf hin, daß er wegen der Bewilligung des geplanten Umbaus eine größere Grundfläche benötige. Die Verkäufer waren lediglich bereit, einen jenseits einer der angrenzenden Straßen spitz zulaufenden Grundstücksteil, durch dessen Einbeziehung die Liegenschaft eine Größe von 801 m2 erhalten hätte, abzutreten oder einen Preisnachlaß von S 50.000 zu gewähren. Die Beklagte nahm jedoch den Standpunkt ein, daß ein Kaufvertrag mangels Einigung nicht zustandegekommen und sie in Irrtum geführt worden sei. Die Vertragsurkunde wurde von den Parteien nicht unterfertigt. Die Beklagte erklärte für den Fall des Vorliegens eines wirksamen Kaufanbots den Rücktritt vom Vertrag.

Mit ihrer am 20.11.1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Vermittlungsprovision. Der Kaufvertrag sei rechtswirksam zustandegekommen. Eine Irreführung der Beklagten liege nicht vor, weil ihr gesagt worden sei, daß die Kaufliegenschaft noch nicht vermessen sei. Die Nichtdurchführung des Geschäfts habe allein die Beklagte zu vertreten, die ohne hinreichende Gründe den Vertrag nicht mehr wolle.

Die Beklagte wendete dagegen das Vorliegen von Irrtum ein. Der Kaufgegenstand sei tatsächlich im Vergleich zum Anbot um rund 20 % kleiner, was einen erheblichen Unterschied darstelle. Die Möglichkeit eines aufgrund der geringeren Größe nicht mehr möglichen Um- bzw Ausbaus des Gebäudes sei ausdrücklich bei der ersten Besichtigung besprochen worden. Die Grundstücksgröße sei für die Beklagte ein wesentlicher Grund gewesen, das Kaufanbot zu stellen. Da wegen der geringeren Grundstücksgröße für die Liegenschaft eine baupolizeiliche Ausbaugenehmigung nicht erreichbar gewesen wäre, sei der Kaufvertrag nicht zustandegekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und würdigte diese dahin, daß in Ansehung der Grundstücksgröße ein gemeinsamer Irrtum aller Vertragsteile vorgelegen sei. Die Größe eines Grundstücks sei naturgemäß eine wesentliche Eigenschaft und daher ein Irrtum darüber ein wesentlicher Irrtum. Durch den berechtigten Vertragsrücktritt der Beklagten sei der durch Annahme des Kaufanbots zustandegekommene Vertrag ex tunc aufgelöst, sodaß ein rechtswirksames Geschäft nicht mehr vorliege. Die Beklagte sei daher zur Bezahlung der Vermittlungsprovision nicht verpflichtet.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Urteil der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge aus, der Flächendifferenz komme angesichts des Umstandes, daß die Beklagte das Objekt zu Wohnzwecken habe kaufen und umbauen wollen, erhebliche Bedeutung zu. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, daß die Möglichkeit der Bebaubarkeit eines Grundstücks von dessen Größe abhänge. Die Beklagte habe sich daher in einem wesentlichen Geschäftsirrtum befunden, weshalb sie sich weder mit einer Kaufpreisreduktion noch der Zugabe eines jenseits der Straße liegenden Grundstücksteils habe begnügen müssen. Dieser Irrtum sei von den Verkäufern bzw der insoweit der Sphäre der Verkäufer zuzurechnenden Klägerin veranlaßt worden und sei darüber hinaus auch ein gemeinschaftlicher Irrtum gewesen, der nach herrschender Meinung ebenfalls zur Anfechtung des Rechtsgeschäfts berechtige. Der Irrtum sei gerichtlich allerdings geltend zu machen; eine außergerichtliche Erklärung reiche nicht aus. Wenn auch nach der Aktenlage von einer schon erfolgreichen gerichtlichen Anfechtung des Kaufvertrages wegen Irrtums nicht ausgegangen werden könne, seien die Feststellungen doch dahin zu beurteilen, daß die Beklagte zu einer derartigen Anfechtung berechtigt wäre. Die Anfechtbarkeit des Kaufvertrags und den Umstand, daß die Beklagte den Kaufvertrag auch tatsächlich nicht zuhalten wolle, könne sie dem Provisionsanspruch der Klägerin erfolgreich entgegenhalten. Die ordentliche Revision sei für zulässig zu erklären gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit die bloße Anfechtbarkeit des vermittelten Geschäfts dem Vermittler entgegengehalten werden könne, fehle.

Die Revision der Klägerin ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 7 Abs 1 des gemäß dessen Art 3 Abs 2 in Anbetracht des Datums des Abschlusses des Maklervertrags hier bereits anzuwendenden Maklergesetzes entsteht der Anspruch auf Provision mit Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts. Gemäß Abs 2 der zitierten Gesetzesstelle entfällt der Anspruch auf Provision, wenn und soweit feststeht, daß der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt wird. Abs 2 folgt dem bisher für Zivilmakler geltenden § 6 Abs 3 HVG nach und übernimmt die Vorgängerbestimmung zwar nicht wortgleich, jedoch inhaltlich im wesentlichen unverändert (S.Bydlinski, Das Maklergesetz, 31). Auftraggeber nach dem Maklergesetz ist - ebenso wie dies bereits zum HVG und der Immobilienmaklerverordnung judiziert wurde - nicht nur derjene, der den Vermittlungsauftrag erteilt, sondern auch der Interessent, der der Vermittlung durch den Makler zumindest schlüssig zustimmt (SZ 58/157; 1 Ob 195/97a; 8 Ob 305/97d ua). Der gegen den Kaufinteressenten gerichtete Anspruch auf Vermittlungsprovision ist vom Grundgeschäft insoweit abhängig, als er nicht gebührt, wenn das vermittelte Geschäft nicht zustandegekommen ist oder in der Folge aus wichtigen Gründen rückgängig gemacht wurde (ImmZ 1975, 51; 8 Ob 502/80; WBl 1987, 66 ua). Um sich von seiner Provisionspflicht zu befreien, muß der Auftraggeber nachweisen, daß die Ausführung des vermittelten Geschäfts ohne sein Verschulden infolge einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse unmöglich oder unzumutbar geworden ist (SZ 43/111; 9 Ob 706/91 ua).

Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß Verträge, die durch List oder Irreführung zustandekamen, aufrecht bleiben, wenn sie nicht angefochten werden (JBl 1982, 36; SZ 62/7 ua). Der Provisionsanspruch entfällt, wenn das vermittelte Geschäft wegen Bestehens von Willensmängeln erfolgreich angefochten wurde, weil die Verdienstlichkeit eines derart fehlerhaft abgeschlossenen und in der Folge wieder aufgelösten Rechtsgeschäftes zu verneinen ist. Das heißt allerdings nicht, daß der Entfall der Provisionspflicht nur durch gerichtliche Anfechtung des vermittelten Geschäfts herbeigeführt werden könnte. Vielmehr steht dem Vermittler ein Provisionsanspruch auch dann nicht zu, wenn die einvernehmliche Auflösung des Vertrags wegen eines dem Rechtsgeschäft anhaftenden Wurzelmangels erfolgte (3 Ob 630/85; SZ 62/7; ImmZ 1995, 351).

Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht kommt es daher auf die Frage, ob die (gerichtliche) Anfechtbarkeit des vermittelten Geschäfts dem Vermittler entgegengehalten werden kann, im hier zu entscheidenden Fall nicht an, weil das Erstgericht - wovon auch das Berufungsgericht ausging - festgestellt hat, daß die Beklagte vom Vertrag „zurückgetreten“ ist. Beide Parteien haben im Verfahren vorgebracht, daß das Geschäft nicht durchgeführt worden sei (Klägerin: S 9, Beklagte: S 15), weshalb ohneweiteres davon ausgegangen werden kann, daß die Verkäufer der Rücktrittserklärung der Beklagten nichts entgegengesetzt haben und somit tatsächlich der vermittelte Kaufvertrag aufgehoben wurde.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß der Irrtum über das Ausmaß einer Liegenschaft ein wesentlicher sein kann (in diesem Sinne: JBl 1956, 365; 7 Ob 765/83; 3 Ob 630/85; ImmZ 1995, 351). Die Frage, unter welchen Umständen eine abweichende Grundgröße zur Irrtumsanfechtung und damit auch zu einer den Provisionsanspruch vernichtenden einvernehmlichen Vertragsaufhebung führen kann, ist eine solche des Einzelfalls, die von den Vorinstanzen nicht offenkundig unrichtig beurteilt wurde. Daß der Irrtum von der Verkäuferin (zumindest) veranlaßt wurde (§ 871 erster Fall ABGB), kann zwanglos den Feststellungen entnommen werden; auch in der Revision finden sich keine Argumente, die dieser Beurteilung entgegenstehen.

Mangels Vorliegens einer im § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Rechtsfrage erweist sich daher die Revision trotz des gegenteiligen, den Obersten Gerichtshof allerdings nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts als unzulässig.

Die Beklagte, die in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen hat, hat es zudem unterlassen, Kosten zu verzeichnen, sodaß ihr solche schon aus diesem Grunde nicht zugesprochen werden konnten.

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