OGH 7Ob127/01d

OGH7Ob127/01d17.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas G*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in Wien, und Dr. Gaetano Longo, Avvocato, Via Mazzini 10, I-33100 Udine, wider die beklagten Parteien 1. Banca S***** S. p. A., *****Roma, vertreten durch Petsch, Frosch & Klein, Rechtsanwälte in Wien, und 2. C***** S. r. l,***** Roma, wegen EUR 142.883,80 = S 1,966.124 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 26. Februar 2001, GZ 1 R 286/00v-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Oktober 2000, GZ 10 Cg 87/00h-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.841,06 = S 25.333,60 (darin EUR 306,85 = S 4.222,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Nach dem von der Erstbeklagten (an die Zweitbeklagte konnte die Klage noch nicht wirksam zugestellt werden) nicht weiter substantiiert bestrittenen Klagevorbringen hat der in Tirol ansässige Kläger über Auftrag der Zweitbeklagten mit Sitz in Rom im Zeitraum 7. 4. 1999 bis 4. 5. 1999 mehrere Viehlieferungen (Schlachtschweine) nach Italien durchgeführt und dafür am 7. 4. 1999, 13. 4. 1999, 20. 4. 1999, 27. 4. 1999 und 4. 5. 1999 Rechnungen über S 310.000, S 316.144, S 290.440, S 266.000 und S 283.540 ausgestellt. Zur Bezahlung der Lieferungen stellte die Zweitbeklagte folgende gekreuzte Bankschecks (iSd Art 39 ScheckG) der erstbeklagten Bank mit Sitz in Italien zu Lasten des Kontos der Zweitbeklagten aus:

Am 25. 4. 1999 einen Scheck über S 316.144, am 28.4.1999 zwei Schecks über S 290.440 bzw 310.000 und am 18.5.1999 einen Scheck über S

260.680.

Die Schecks wurden bei der Hausbank des Klägers eingereicht, auf seinem Kontokorrentkredit unter Vorbehalt der Einlösung gutgeschrieben, sodann über die Dornbirner Sparkasse an die Sparkasse Bozen gesandt und von dieser zur endgültigen Abrechnung an die Girozentrale der italienischen Sparkassen (ICCRI) in Mailand weitergeleitet. Dort fand das Clearing zwischen dieser und der bezogenen Bank (= Erstbeklagte) mit dem Ergebnis statt, dass sämtliche Schecks nicht eingelöst wurden und der Kläger von seiner Hausbank mit den Scheckbeträgen wieder rückbelastet wurde. Mit der am 19. 5. 2000 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage begehrt der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung des Betrages von S 1,966.124 sA. Er habe im Vertrauen auf die Einlösbarkeit der Schecks der Zweitbeklagten seine Lieferungen fortgesetzt. Hätte die Erstbeklagte rechtzeitig binnen der 7-Tage-Frist die ersten Schecks protestiert und den Kläger unverzüglich durch die Korrespondenzbank über die Nichteinlösung der Schecks verständigt, wären die Lieferungen sofort eingestellt worden. Entgegen den Ausführungen der Hausbank des Klägers, dass mit den Schecks alles in Ordnung sei, habe sich später herausgestellt, dass die Zweitbeklagte bereits im Jahr 1998 Scheckproteste zu verzeichnen gehabt habe. Dies sei dem Kläger von der Erstbeklagten nie bekannt gegeben worden, obwohl sie laut Gesetz dazu verpflichtet gewesen wäre, das Kontokorrent unverzüglich zu sperren und dem Kontoinhaber die Berechtigung zur Scheckausstellung zu entziehen. Die Erstbeklagte habe daher in gleicher Weise wie die Zweitbeklagte dem Kläger durch die Verletzung von Sorgfaltspflichten aus der Scheckbegebung Schäden zugefügt, für die sie soldarisch hafte. Das Verschulden der Erstbeklagten werde insbesondere darin erblickt, dass sie der Zweitbeklagten die Scheckformulare nicht entzogen habe, obwohl ihr aus dem öffentlichen Protestregister, das von der Handelskammer geführt werde, bekannt gewesen sei, dass bereits viele Schecks ihres Kunden nicht eingelöst worden seien und dem Kunden überhaupt die Befugnis zur Scheckausstellung entzogen worden sei. Durch das schuldhafte Verhalten der Erstbeklagten habe der Kläger einen erheblichen Vertrauensverlust bei seinen Geschäftspartnern erlitten, weil er nach der Rückbelastung infolge ungedeckter Schecks im Juli 1999 seine eigenen Lieferanten nicht habe bezahlen können. Die Höhe des aus der Kreditschädigung bei den eigenen Lieferanten entstandenen Schadens wurde vorerst mit S 500.000 beziffert.

Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes stützte der Kläger auf Art 5 Z 3 LGVÜ, wonach die Klage auch am Ort des Eintritts des schädigenden Ereignisses erhoben werden könne. Durch Nichtzahlung der Liefersummen infolge grob fahrlässigen Verhaltens der Beklagten über mehrere Folgemonate sei die Vermögensminderung und damit der Schaden in Rattenberg, Tirol, dem Sitz des Klägers, eingetreten (ON 1 und 10). Hilfsweise berief sich der Kläger auch auf ein "Mandatsverhältnis" zwischen ihm und der Erstbeklagten zufolge der Einlösung bzw der Vorlage zur Einlösung der Schecks, zumal diese nur als Verrechnungsschecks ausgestellt gewesen seien, sodass die Zuständigkeit gemäß Art 5 Nr 1 EGVÜ vorliege.

Die Erstbeklagte wendete ua die fehlende internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts mit der Begründung ein, dass die Klagsansprüche auf einem Vertrag, nämlich auf einem Scheckvertrag beruhten. Art 5 Z 3 des LGVÜ/EUGVÜ sei daher nicht anwendbar. Die Nichteinlösung oder verspätete Einlösung eines Schecks sei keine unerlaubte Handlung iSd zitierten Bestimmung. Bei Ansprüchen in diesem Zusammenhang handle es sich vielmehr um vertragliche Ansprüche. Außerdem habe der Kläger die behauptete "unerlaubte Handlung" nicht näher präzisiert. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Erstbeklagte für den Gesamtbetrag der offenen Rechnungen in Höhe von S 1,466.124 haften sollte, obwohl die Schecks nur einen Betrag von S 1,176.584 (richtig: S 1,177.264) erfassten. Außer Streit steht, dass zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten nie irgendwelche direkten Verhandlungen stattfanden, die zur Ausstellung der Schecks führten (AS 69 = S 2 in ON 12). Das Erstgericht hat die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit mit abgesondertem Beschluss verworfen. Zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten bestehe keine Vertragsbeziehung. Der Vorwurf gegenüber der Erstbeklagten sei daher dem Art 5 Z 3 EuGVÜ zu unterstellen, wonach der Kläger auch die Möglichkeit habe, den Ort des Schadenseintrittes als zuständigkeitsbegründend zu wählen. Da der Schaden am Sitz des Klägers in Rattenberg eingetreten sei, sei die Zuständigkeit des Erstgerichts zu bejahen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Klage wegen Fehlens der "inländischen Gerichtsbarkeit" zurückwies und den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte. Da auch Italien das EuGVÜ in der Fassung des 4. Beitrittsübereinkommens bereits ratifiziert habe, sei nicht mehr das LGVÜ, sondern bereits das EuGVÜ auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Nach der Judikatur des EuGH sei anerkannt, dass die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" iSd Art 5 Nr 3 EuGVÜ sowohl den Ort, an dem der Schaden entstanden ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens bezeichne, aber nicht so weit auszulegen sei, dass sie jeden Ort erfasse, an dem die schädigenden Folgen eines Umstandes spürbar werden könnten, der bereits einen Schaden verursacht habe, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden sei. Die Zuständigkeitsregel des Art 5 Nr 3 EuGVÜ dürfe daher nicht so verstanden werden, dass sie es einer Person, die einen Schaden als Folge eines Schadens geltend mache, den andere Personen unmittelbar aufgrund des schädigendes Ereignisses erlitten haben, erlaube, den Urheber dieses Ereignisses vor den Gerichten des Ortes zu verklagen, an dem sie selbst den Schaden an ihrem Vermögen festgestellt hätten. Auch dürfe die Bestimmung des zuständigen Gerichtes nicht von ungewissen Umständen und Zufällen abhängen, weil dies mit dem Ziel des Übereinkommens, sichere und voraussehbare Zuständigkeitszuweisungen festzulegen, unvereinbar wäre. Insoweit müsse also die Wahlmöglichkeit des Geschädigten beschränkt werden. Der zuständigkeitsbegründende Ort könne daher nur jener sein, wo das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen geschädigt habe, weil nur am Ort des Schadenseintritts für den unmittelbar Geschädigten im Allgemeinen der Zweck des Art 5, ein der unerlaubten Handlung nahes Gericht zur Verfügung zu stellen, noch erfüllt werde. Bei dem der Erstbeklagten als deliktische Handlung vorgeworfenen und gewerteten Verhaltensunrecht könne der als zuständigkeitsbegründend herangezogene Ort der Verwirklichung des behaupteten Vermögensschadens (der regelmäßig dem Wohnsitz oder der Niederlassung eines Gläubigers gleichzusetzen sei) nach den dargestellten Grundsätzen (insbesondere unter Berücksichtigung des Zieles einer sicheren und voraussehbaren Zuständigkeitszuweisung, der einschränkenden Auslegung der Spezialgerichtsstände als Ausnahme der Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates und der gebotenen Sachnähe für eine wirksame Beweisführung) nicht zur Bestimmung des "Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" iSd Art 5 Nr 3 EuGVÜ herangezogen werden. Der Kläger mache nämlich nur einen Vermögensschaden als finanziellen Folgeschaden wegen Unterlassung der rechtzeitigen Benachrichtigung von der Nichteinlösung der Schecks bzw wegen nicht rechtzeitiger Protesterhebung und darüber hinaus auch wegen Nichteinziehung der Scheckformulare bzw wegen Nichtaufkündigung des Scheckvertrages mit der Zweitbeklagten geltend. Diese Handlungen wären aber - ebenso wie die Einlösung der ausgestellten Schecks - von der Erstbeklagten in Italien zu setzen gewesen. Folge man der Ansicht des Klägers, dann wäre immer sein Wohnsitz für den geltend gemachten Vermögensschaden maßgeblich, weil sich dort der von ihm behauptete Vermögensschaden als mittelbarer Folgeschaden verwirkliche. Dies widerspräche jedoch der oa Zielsetzung. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass bei der Vorlage eines Schecks durch eine Inkassobank bzw durch weitere vorgeschaltete Zwischenbanken (also [durch] die hier aus Sicht der bezogenen Bank ersten inländischen, also italienischen Inkassobank) Treuhänder im eigenen Namen und nicht namens des Scheckeinreichers tätig würden und daher von der Nichtzahlung (Nichteinlösung) in erster Linie betroffen seien. Zur Vermeidung der Aushöhlung des Wohngerichtsstandes könnte daher auch nur der Gerichtsstand des Zahlungsortes, also der Wohnsitz der bezogenen Bank bzw der Ort einer Abrechnungsstelle (Clearing-Stelle iSd Art 31 ScheckG) maßgeblich sein.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit bei der hier maßgebenden Verfahrensrechtsfrage zuzulassen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gegeben und das gesetzmäßige Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen sei; es wird also eine Abänderung dahin begehrt, dass der die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verwerfende Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die Erstbeklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Revisionsrekurswerber weist darauf hin, dass er im vorliegenden Verfahren lediglich deliktische Anprüche geltend mache. Er gesteht zu, das Rekursgericht habe richtig festgestellt, dass der zuständigkeitsbegründende Ort jener sei, wo das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen geschädigt habe, weil nur am Ort des Schadenseintrittes für den unmittelbar Geschädigten im Allgemeinen der Zweck des Art 5 Z 3 EuGVÜ noch erfüllt werde, ein der unerlaubten Handlung nahes Gericht zur Verfügung zu stellen. Er zieht nicht in Zweifel, dass nunmehr anerkannt sei, die diesbezügliche Wendung des Art 5 Z 3 EuGVÜ ("Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist") dürfe nicht so weit ausgelegt werden, dass sie jeden Ort erfasse, an dem die schädigenden Folgen eines Umstandes spürbar werden könnten, der bereits einen Schaden verursacht habe, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden sei, und räumt auch ein, dass das Ubiquitätsprinzip laut EuGH daher dahin eingeschränkt sei, dass dadurch keine Zuständigkeit begründet werde, wenn außer an dem Ort, an dem der unmittelbar Betroffene durch das haftungsauslösende Ereignis direkt geschädigt worden sei, in der Folge noch an einem weiteren Ort in einem anderen Vertragsstaat ein Vermögensschaden oder eine Verschlimmerung eingetreten sei. Hier handle es sich jedoch - entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht - nicht um einen Vermögensschaden als finanziellen Folgeschaden, sondern um einen unmittelbaren Schaden, der im Sprengel des angerufenen Gerichtes eingetreten sei, weil dem Kläger die gegenständlichen Schecks nur unter Vorbehalt der Einlösung gutgeschrieben, letztlich aber rückbelastet worden seien. Es liege daher sowohl für den Erst- als auch für den Folgeschaden aus der Kreditschädigung der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, in Österreich.

Dem hält die Erstbeklagte zunächst weiterhin entgegen, dass auch im dreipersonalen Verhältnis Aussteller-Berechtigter-Bezogener vertragliche Ansprüche im Vordergrund stünden, weshalb Art 5 Z 1 EuGVÜ/LGVÜ anwendbar und das angerufene Gericht schon aus diesem Grund unzuständig sei. Aber auch wenn kein Vertragsverhältnis vorliegen sollte, sei keine inländische Zuständigkeit begründet, weil der Erfolgsort gemäß Art 5 Z 3 EuGVÜ nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nur dort liege, wo das geschützte Rechtsgut verletzt worden sei, also am Ort des Erstschadens. Dieser liege in Italien, wo die Bezahlung der Schecks hätte erfolgen sollen. Dass sich der daraus resultierende Verlust auch beim inländischen Vermögen des Klägers ausgewirkt habe, sei als Folgeschaden ebensowenig zuständigkeitsbegründend wie der geltend gemachte Verlust von Kreditwürdigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Da der erkennende Senat die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses aber für zutreffend erachtet, genügt es auf deren Richtigkeit hinzuweisen und sie, bezugnehmend auf die wesentlichen Ausführungen des Revisionsrekurses, wie folgt zu ergänzen (§§ 528a, 510 Abs 3 zweiter SatzZPO):

Gemäß Art 5 Z 3 des hier anzuwendenden EuGVÜ (Art 54 Abs 1 EuGVÜ; vgl zum In-Kraft-Treten gegenüber Italien am 1.6.1999: BGBl III 1999/102 und Mayr in Rechberger² Rz 1 nach § 27a JN bzw zu der mit 1. 3. 2002 in Kraft getretenen EuGVO: Stohanzl JN-ZPO15 Anh zu § 27a JN) kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat geklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.

Die Begriffe der "unerlaubten Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" müssen ebenso wie der in Art 5 Z 1 EuGVÜ festgelegte Begriff des Vertrages übereinkommensautonom (also nicht nach lex fori oder lex causae) ermittelt werden (SZ 70/176 [zum wortgleichen Art 5 LGVÜ]; RIS-Justiz RS0108473; 7 Ob 76/01d, 6 Ob 27/01s mwN sowie Simotta in Fasching I² Rz 22 zu § 92a JN mwN aus der Rsp des EuGH). Darunter fallen zB Klagen aus Verkehrsunfällen, Umweltbeeinträchtigungen, wegen fehlerhafter Produkte, unlauteren Wettbewerbs, oder aufgrund von Kartellverstößen, aus Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in Immaterialgüterrechte, wegen Verletzung von Schutzgesetzen, aber auch Klagen, mit denen - wie hier - ein allgemeiner Vermögensschaden geltend gemacht wird (Simotta aaO Rz 24 zu § 92a JN). Nicht unter Art 5 Z 3 EuGVÜ fallen dagegen Klagen, die auf Verletzung von vertraglichen Pflichten gestützt werden (RIS-Justiz RS0115357). Der EuGH stellt bei der Abgrenzung zwischen Delikts- und Vertragsklagen darauf ab, ob die Pflichten, aus deren Verletzung der deliktische Schadenersatzanspruch abgeleitet wird, in einem so engen Zusammenhang mit dem Vertrag stehen, dass dieses vertragliche Element ganz im Vordergrund steht und auch den Charakter des deliktischen Rechtsverhältnisses ganz entscheidend prägt. In einem solchen Fall ist Art 5 Z 3 EuGVÜ unanwendbar, wie zB für Schadenersatzansprüche wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme einer Bankgarantie oder wegen Veruntreuung bzw Unterschlagung von Wertpapieren, die der beklagten Bank durch Verwahrungsvertrag anvertraut waren (Simotta aaO Rz 26 zu § 92a JN mwN).

Auch der Oberste Gerichtshof hat iSd Auslegung des EuGH bereits

mehrfach ausgesprochen, dass sich Art 5 Z 3 EuGVÜ grundsätzlich auf

alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten

geltend gemacht wird, die nicht an einen "Vertrag" iSd Art 5 Z 1

EuGVÜ anknüpft (RIS-Justiz RS0109078, RS0109739, RS0115357; EvBl

2001/194; SZ 71/1; Stohanzl aaO E 1 f). Davon ist hier schon deshalb

auszugehen, weil außer Streit steht, dass zwischen dem Kläger und der

Erstbeklagten nie irgendwelche direkte Verhandlungen stattfanden, die

zur Ausstellung der Schecks führten. Dass der Kläger im vorliegenden

Verfahren "lediglich deliktische Ansprüche geltend macht" (wie er auf

S 2 des Revisionsrekurses ausdrücklich klarstellt und bereits im

Schriftsatz ON 10 [AS 49] festgehalten wurde) ist im Übrigen auch der

- einen gegenteiligen Standpunkt vertretenden -

Revisionsrekursbeantwortung der Erstbeklagten zu entnehmen. Dort ist

nämlich nur von einem "Vertragsverhältnis" zwischen der Erst- und der

Zweitbeklagten die Rede, während in Bezug auf den Kläger lediglich

von einem "dreipersonalen Verhältnis

Aussteller-Berechtigter-Bezogener" gesprochen wird. Da eine

Vertragsbeziehung im (scheckrechtlichen) Verhältnis zwischen dem

Kläger als Berechtigtem und der Erstbeklagten als bezogener Bank

nicht zu erkennen ist und daher keinesfalls "im Vordergrund" steht,

ist Art 5 Z 1 EuGVÜ hier nicht anzuwenden; fehlt es doch an dem vom

EuGH geforderten Eingehen einer freiwilligen Verpflichtung zwischen

den Streitteilen (vgl dazu 7 Ob 132/00p = RdW 2001/35 = ZfRV 2001/11

= JBl 2001, 185 sowie Fasching aaO Rz 77 zu § 88 JN mwN).

Entgegen dem Standpunkt der Erstbeklagten hat sich das Rekursgericht daher zutreffend auf die Prüfung der Voraussetzungen einer Klage nach Art 5 Nr 3 EuGVÜ beschränkt. Örtlich zuständig für derartige Klagen ist - wie bereits ausgeführt - das "Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" (Art 5 Z 3 EuGVÜ). Diese Bestimmung muss nach der Rsp des EuGH übereinkommensautonom dahin ausgelegt werden, dass sie sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint (RIS-Justiz RS0109737; RS0115357; EvBl 2001/194 mwN). Der Kläger kann daher, wenn beide Orte in Vertragsstaaten liegen, nach seiner Wahl entweder am Handlungs- oder am Erfolgsort klagen (Ubiquitätstheorie; Simotta aaO Rz 31 Abs 2 zu § 92a JN mwN).

Es war somit zu untersuchen, ob der behauptete und auch festgestellte Vermögensschaden (S 6 des Beschlusses erster Instanz) ausreichte, um einen österreichischen Schadenseintrittsort iSd Art 5 Nr 3 EuGVÜ zu begründen. Richtig hat das Rekursgericht nämlich auch darauf hingewiesen, dass der Kläger nach den für die Prüfung der Zuständigkeit maßgebenden Klagsangaben einen bloßen Vermögensschaden geltend macht. Darunter sind Nachteile zu verstehen, die nicht durch die Verletzung eines absolut geschützten Gutes des Geschädigten (zB des Lebens, der Gesundheit oder des Eigentums) oder als deren Folge eintreten, sondern sich - wie hier - nur sonst in seinem Gesamtvermögen auswirken und den Schädiger nach hA nur dann ersatzpflichtig machen, wenn eine vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechtes oder eines Schutzgesetzes iSd § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliegt oder sich die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens sonst aus der Rechtsordnung unmittelbar aufgrund eines Gesetzes ableiten lässt (7 Ob 132/00p mwN; Koziol/Welser II12, 295).

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger aber nicht den Ersatz des durch die angebliche Verletzung von Sorgfaltspflichten und die Nichteinlösung der Schecks entstandenen Erstschadens - bei dem freilich sowohl der Schadenseintrittsort (für den durch die unterbliebene Scheckeinlösung erlittenen Schaden) als auch der Handlungsort (an dem - iSd angeblich unterlassenen Verständigung bzw Sperrung des Kontos samt Einziehung der Scheckformulare - zu handeln gewesen wäre: Fasching aaO Rz 35 zu § 92a JN) in Italien liegen würden -; geltend gemacht werden vielmehr die daraufhin in seinem inländischen Vermögen eingetretenen Folgeschäden aus den unbezahlten (weiteren) Lieferungen und der wegen Illiquidität erlittenen Kreditschädigung. Diese „Vermögensschäden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen und dort vom Kläger erlittenen Erstschadens" sind jedoch, wie der EuGH in einem durchaus vergleichbaren Fall, nämlich der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung vom 19. 9. 1995, Rechtssache C-364/93 "Marinari/LLoyds Bank" (Slg 1995, I-2719, Randnr. 15) ausführlich dargelegt hat, nicht zuständigkeitsbegründend (Simotta aaO Rz 37 zu § 92a JN). Den Ausführungen des Revisionsrekurses, die diese Auslegung ohnehin richtig wiedergeben, ist daher nur noch ergänzend zu erwidern, dass der EuGH an seinem Standpunkt auch in der Entscheidung vom 27.10.1998, Rechtssache C-51/97 "Réunion/Spliethoff's" (Slg 1998, I-6511) festgehalten und ausgeführt hat, mit dem Urteil Marinari (Randnr. 13) sei klargestellt, dass die in Art 5 Z 3 EuGVÜ eröffnete Wahlmöglichkeit (zwischen dem Schadenseintrittsort und dem Ort des ursächlichen Geschehens) "nicht über die sie rechtfertigenden besonderen Umstände hinaus erweitert werden darf, soll nicht der in Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens aufgestellte allgemeine Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, ausgehöhlt und im Ergebnis über die ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinaus die Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Klägers anerkannt werden, gegen die sich die Verfasser des Übereinkommens ausgesprochen haben, indem sie in Artikel 3 Absatz 2 die Anwendung innerstaatlicher Vorschriften, die derartige Gerichtsstände vorsehen, gegenüber Beklagten, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ausgeschlossen haben." (Slg 1998, I-6511, Randnr 29). Das ist dem Revisionsrekurs auch entgegenzuhalten, wenn er die Auslegung des Ubiquitätsprinzips durch das Rekursgericht zuletzt mit der Begründung als „falsch" bezeichnet, dass sie der „Zielsetzung des EuGVÜ" widerspreche. Dabei wird aber auch übersehen, dass bereits in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 71/31, die den Ort, an dem die Vermögensminderung eingetreten ist, als zuständigkeitsbegründend iSd Art 5 Z 3 LGVÜ (Art 5 Z 3 EuGVÜ) bezeichnet, folgendes festgehalten ist:

Die "Ubiquitätstheorie" (vgl dazu Simotta aaO Rz 31 Abs 2 zu § 92a JN) führe [zwar] fallweise zu einem Klägergerichtsstand, weil der Schadenseintrittsort in der Regel der Ort sei, an dem die Vermögensminderung eingetreten ist. Diese Folgewirkung der Auslegung der Zuständigkeitsbestimmung werde allerdings dadurch eingeschränkt, dass .... der Eintritt eines reflexartigen Folgeschadens in einem weiteren Staat in diesem Staat nicht (nochmals) zuständigkeitsbegründend wirke. Es komme vielmehr allein darauf an, wo der Schaden zuerst aufgetreten sei. Nur in diesem Sinne sei die Entscheidung des EuGH Slg 1995, 2719 - Marinari gegen Lloyds Bank Plc ua zu verstehen (1 Ob 319/97m mwN).

Der diesen Entscheidungen folgenden, das Vorliegen eines Gerichtsstandes nach Art 5 Z 3 EuGVÜ verneinenden Ansicht des Rekursgerichts ist beizutreten; hat doch auch der erkennende Senat bereits ausgesprochen, dass durch den bloßen Vermögensschaden eines inländischen Händlers, den er durch den Mangel einer verkauften Sache erlitten hat, gegenüber dem ausländischen Produzenten, mit dem er nicht in Vertragsbeziehung steht, ein Gerichtsstand nach Art 5 LGVÜ nicht begründet wird (JBl 2001, 185 = RdW 2001/35 mwN; RIS-Justiz RS0114004), weil dieser nicht zu einem Klägergerichtsstand ausgedehnt werden darf (RS0109737 [T2]). Der Umstand, dass der Kläger - infolge des in Italien eingetretenen Erstschadens - (auch) sein Vermögen im Inland gemindert sieht, begründet keinen (weiteren) „Erfolgsort" iSd Art 5 Z 3 EuGVÜ.

Da sich die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit demnach als berechtigt erweist, muss der Revisionsrekurs erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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