OGH 7Ob310/01s

OGH7Ob310/01s19.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in Klagenfurt und deren Nebenintervenienten Erich S*****, vertreten durch Dr. Heimo Berger, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Donau A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2001, GZ 3 R 117/01b-55, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat die Deckungsklage der Versicherungsnehmerin mit der wesentlichen Begründung (zur Gänze) abgewiesen, der von der Geschädigten mit S 2,531,018,40 bezifferte Schadenersatzanspruch sei schon im Jahre 1997 (also vor Einbringung der gegenständlichen Klage) durch Aufrechnung mit Forderungen der klagenden Partei getilgt und damit gemäß § 154 Abs 1 VersVG die Leistungspflicht des beklagten Versicherungsunternehmens begründet worden. Damit habe sich der vermeintliche Befreiungsanspruch der klagenden Partei in einen Zahlungsanspruch verwandelt, weshalb das vorliegende Feststellungsbegehren bereits aus diesem Grunde (wegen des Fehlens eines Feststellungsinteresses) unberechtigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Nach stRsp ist das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung Erfolgsvoraussetzung des Feststellungsbegehrens (SZ 54/126 uva; anders die überwiegende Lehre [vgl die Nachweise bei Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 Rz 2 und 3 zu § 228], die darin eine besondere Prozessvoraussetzung erblickt), bei dessen Mangel das Begehren mit Urteil abzuweisen ist. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist dann gegeben, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht (7 Ob 68/00a; 1 Ob 58/01p uva; Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 1096). Nach der Judikatur muss das Feststellungsurteil für den Kläger von "rechtlich-praktischer Bedeutung" sein (Rechberger/Frauenberger aaO Rz 7 zu § 228 ZPO). Das Feststellungsinteresse, das in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist, muss schon bei Einlangen der Klage vorliegen, jedenfalls aber in dem Zeitpunkt, in dem die mündliche Verhandlung über die Klage geschlossen wird (stRsp, zuletzt etwa 1 Ob 58/01p). Die Feststellungsklage dient neben dem Ausschluss der Verjährungsgefahr und der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten insbesondere auch der Klarstellung der Haftungsfragen dem Grunde nach, wenn ein eingetretener Schaden (noch) nicht bezifferbar ist (2 Ob 602/94, ecolex 1995, 336; 1 Ob 166/98p, JBl 1999, 733 [Riedler] = EvBl 1999/29 uva). In der Regel ist eine Feststellungsklage dann unzulässig, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (stRsp, RIS-Justiz RS0038817 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen); die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt somit bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (JBl 1968, 206; SZ 55/32; 1 Ob 45/99w, EFSlg 90.931; RIS-Justiz RS0038849 mit zahlreichen weiteren Entscheidungsnachweisen). Die Feststellungsklage ist nur subsidiär zulässig, wenn keine anderen oder nur wesentlich unökonomischere Mittel zur Rechtsverfolgung zur Verfügung stehen (8 Ob 504/89 ua; Fasching aaO Rz 1101 mwN).

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Die Höhe des Schadens, für den Versicherungsdeckung begehrt wird, stand zum Schluss des Verfahrens, ja sogar schon vor Klagseinbringung fest (dass die Klägerin die in diesem Zusammenhang noch zu berücksichtigenden, ebenfalls bereits vor Klagseinbringung erbrachten Eigenleistungen nicht beziffern hätte können, ist nicht anzunehmen und hat sie auch nicht behauptet). Da die Klägerin daher ohne weiteres Leistungsklage erheben hätte können und das streitige Rechtsverhältnis dadurch endgültig bereinigt würde (JBl 1966, 618 uva), entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichtes, die Klage mangels Feststellungsinteresses abzuweisen, der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur.

Der Einwand der Revisionswerberin, die Aufrechnung mit ihren Forderungen gegenüber der Geschädigten stelle kein konstitutives Anerkenntnis dar, geht ins Leere, weil Anerkenntnis iSd § 154 Abs 1 VersVG nicht nur das konstitutive, sondern auch das deklaratorische (VersR 1974, 405) ist und daher auch die Voraussetzung der Fälligkeit der Leistung zu bejahen ist.

Der weitere Einwand der Klägerin, das Berufungsgericht habe die erstgerichtlichen Feststellungen nicht beachtet, wonach zwischen dem zuständigen Schadensreferenten der Beklagten und dem Nebenintervenienten vereinbart worden sei, dass im Falle der Ablehnung der Deckungspflicht durch die Beklagte eine Feststellungsklage eingebracht werden und nach einer gerichtlichen Feststellung des Deckungsanspruchs durch Urteil die Höhe außergerichtlich geklärt werden solle, übersieht, dass das Feststellungsinteresse nach ganz herrschender Meinung in jeder Lage des Verfahrens (also auch im Rechtsmittelverfahren) von Amts wegen wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0039123 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen) und daher der Parteiendispostion entzogen ist, also weder anerkannt, noch zugestanden, noch außer Streit gestellt und auch kein Gegenstand des Vergleichs sein kann (Fasching Komm III § 228 ZPO Anm 9; ders ZPR2 Rz 1102; Rechberger/Simotta, ZPR5 Rz 414; Rechberger/Frauenberger aaO Rz 13 zu § 228; Buchegger/Deixler-Hübner/Holzhammer, Prakt ZPR I6, 185). Die Behauptung, die Einwendung des mangelnden Feststellungsinteresses durch die Beklagte sei wider Treu und Glauben erfolgt, ist daher rechtlich nicht von Belang.

Soweit die Revisionswerberin als Zulassungsgrund auch noch reklamiert, dass die vom Berufungsgericht nun vertretene Rechtsansicht bezüglich des Vorliegens eines Anerkenntnisses iSd § 154 Abs 1 VersVG im Widerspruch zu der vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss vertretenen und dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht stehe, genügt der Hinweis, dass zwar auch das Berufungsgericht an seine im Aufhebungsbeschluss geäußerte Ansicht gebunden ist, ein Verstoß des Berufungsgerichtes dagegen aber keinen Revisionsgrund bildet, wenn das neue Urteil richtig ist (Kodek in Rechberger2 Rz 2 zu § 499 ZPO mwN; zuletzt etwa 7 Ob 257/01x). Ob die Klage, wie das Berufungsgericht meint, auch deshalb abzuweisen wäre, weil die Beklagte zufolge einer Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin leistungsfrei sei, ist mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr zu untersuchen. In diesem Zusammenhang kann sich daher ebensowenig eine Rechtsfrage von iSd § 502 ZPO erheblicher Bedeutung stellen, wie hinsichtlich des ebenfalls nicht mehr entscheidungswesentlichen Streitpunktes, ob die Erhöhung der Versicherungssumme auf S 4 Mio auf das Produkthaftpflichtrisiko "Lieferbeton" beschränkt wurde.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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