OGH 7Ob68/00a

OGH7Ob68/00a7.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fritz G*****, vertreten durch Dr. Constantino de Nicolo, Rechtsanwalt in Spittal a.

d. Drau, gegen die beklagte Partei J*****, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert S 60.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 29. Oktober 1999, GZ 1 R 191/99d-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 26. Mai 1999, GZ 24 C 1/99s-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit Mietvertrag vom 19. 2. 1971 vermietete der Rechtsvorgänger des Klägers dem beklagten Verein ein ca 20.000 m2 großes Grundstück zum Zwecke der Errichtung einer Schießstätte auf die Dauer von 99 Jahren. Es wurde ua vereinbart, dass der Mietvertrag beiderseits auf den jeweiligen Rechtsnachfolger übergehe; weiters, dass ihn die Vertragsparteien jeweils unter Einhaltung einer 12-monatigen Kündigungsfrist zum 31. 12. eines jeden Jahres kündigen könnten, der Vermieter aber "nur unter den im Mietengesetz in der derzeit geltenden Fassung vorgesehenen Kündigungsgründen, jedoch nicht wegen Eigenbedarfes nach § 19 Abs 2 Z 5 Mietengesetz".

Mit Schreiben vom 13. 11. 1998 kündigte der Kläger dem beklagten Verein das Mietverhältnis zum 31. 12. 1999 außergerichtlich auf, wobei er 1.) eine "ordentliche Kündigung" und 2.) eine "außerordentliche Kündigung" erklärte. Zu 1.) führte er im Wesentlichen aus, beim Bestandobjekt handle es sich um eine "nackte Grundfläche", auf der die gekündigte Partei Hilfsgebäude errichtet habe. Es handle sich um keine Raummiete, sodass die Kündigung zu den vertraglich vereinbarten Fristen erfolge. Zu 2.) machte er als "gesetzliche Kündigungsgründe" einen erheblichen nachteiligen Gebrauch des Bestandobjekts durch Lärmimmissionen und Beeinträchtigungen des Grundwassers sowie eine Beschädigung seiner Maisernte geltend.

Darauf antwortete der beklagte Verein mit Schreiben seines Vertreters vom 19. 11. 1998 (Blg./D) ua folgendes:

"Sie haben an den J*****verein ***** eine außergerichtliche Aufkündigung gerichtet und diese damit begründet, dass es sich um keine Raummiete, sondern um eine Kündigung zu den vertraglich vereinbarten Fristen handelt.

Hiezu ist festzuhalten, dass auf Grund des am 19. 2. 1971 abgeschlossenen Vertrages die Bestandsfläche auf die Dauer von 99 Jahren erfolgt. Während dieser Zeit ist der Mietvertrag unkündbar. Erst nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer gilt der Vertrag auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn nicht eine rechtzeitige Kündigung zwölf Monate vor dem 31. 12. 2069 erfolgt.

Eine vorzeitige Kündigung durch den Vermieter ist an die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes gebunden. Voraussetzungen, die den Vermieter zu einer außergerichtlichen Kündigung berechtigen, liegen nicht vor.... ."

Im weiteren wird im Einzelnen auf die geltend gemachten Kündigungsgründe eingegangen und ihr Vorliegen bestritten. Abschließend wird erklärt, die außergerichtliche Kündigung vom 13. 11. 1998 mangels gerechtfertigter Kündigungsgründe nicht zur Kenntnis zu nehmen. Der beklagte Verein werde iSd am 19. 2. 1971 abgeschlossenen Mietvertrages die Bestandsflächen wie bisher ordnungsgemäß nutzen.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das zwischen den Streitteilen begründete Bestandverhältnis nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliege. Zufolge der Beschaffenheit des Bestandobjektes sei eine außergerichtliche Kündigung zulässig; er sei daher nicht veranlasst, eine gerichtliche Aufkündigung gemäß dem MRG einzubringen.

Der beklagte Verein wendete ein, sein Antwortschreiben vom 19. 11. 1998 sei so zu verstehen, dass die vorzeitige Kündigung durch den Vermieter nur unter den im Mietengesetz vorgesehenen Kündigungsgründen erfolgen könne. Bei der Anführung des Mietrechtsgesetzes (statt des Mietengesetzes) handle es sich um einen Schreibfehler. Das Erfordernis einer gerichtlichen Aufkündigung habe er, der beklagte Verein, nie behauptet. Es habe also für den Kläger kein Anlass zur Klagsführung bestanden. Im Übrigen sei die Einbringung einer Feststellungsklage unzulässig, wenn mit einer Leistungsklage vorgegangen werden könne. Der Kläger hätte richtigerweise eine Räumungsklage einbringen müssen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellungsklage sei zu bejahen, weil der Beklagte die Bindung des Mietverhältnisses an das MRG behauptet habe, was - wie sich aus dem Prozeßstandpunkt des Beklagten ergebe - nicht der Fall sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil der ersten Instanz dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,--, nicht aber S 260.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Rechtsprechung lasse ein Feststellungsbegehren des Inhaltes, dass auf ein Bestandverhältnis die Vorschriften des MRG anwendbar seien, zu. Die Feststellungsfähigkeit des hier strittigen Rechtsverhältnisses liege also vor. Betreffend die zweite Voraussetzung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage, nämlich das Feststellungsinteresse, sei entscheidend, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Erhebung der Feststellungsklage schon auf Räumung hätte klagen können. Im Bestandverfahren sei gemäß §§ 562, 567 ZPO die Verurteilung zur Übergabe (oder Übernahme) einer Bestandsache für einen gesetzlichen oder vertraglichen Räumungstermin möglich, der bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht abgelaufen sei. Nach § 567 Abs 4 ZPO könne der Anspruch auf Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes schon vor Ablauf der Kündigungsfrist geltend gemacht und die Kündigung mit der Klage verbunden werden, wenn es zur Aufhebung des Bestandvertrages einer Aufkündigung bedarf. Zwar sei der Anwendungsbereich der Kündigungsklage umstritten, doch habe damit die Möglichkeit der Erwirkung eines Räumungstitels vor Fälligkeit unter Durchbrechung der Regelung des § 406 ZPO ermöglicht werden sollen. Der Oberste Gerichtshof bezeichne die Kündigungsklage nach § 567 Abs 4 ZPO daher ausdrücklich als Räumungsklage, mit der eine Kündigung verbunden werden könne und lasse sie zur Auflösung einer Unternehmenspacht bei Einhaltung der vorgesehenen Kündigungsfrist genügen. Diese Grundsätze seien auch im vorliegenden Fall tragfähig, woraus folge, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erhebung des Feststellungsbegehrens zwar nicht eine auf titellose Benützung des Bestandgegenstandes gestützte Räumungsklage, wohl aber eine Kündigungsklage nach § 567 Abs 4 ZPO einbringen hätte können. Ob er mit dieser die Kündigung verband oder die Kündigungsklage bereits auf eine zuvor ausgesprochene außergerichtliche Kündigung gründete, sei rechtlich ohne Bedeutung. Der Oberste Gerichtshof habe allerdings die negative Feststellungsklage neben einer möglichen Räumungsklage zugelassen, wenn der Feststellungskläger damit mehr erreichen konnte als der Räumungskläger. Hier strebe der Kläger nach dem Inhalt der außergerichtlichen Aufkündigung und dem von ihm eingenommenen Prozesstandpunkt die Räumung der Liegenschaft durch den beklagten Verein an, die er mit der erhobenen Feststellungsklage nicht erreichen könne. Um sein Ziel der Räumung der Liegenschaft durch den beklagten Verein zu erreichen, müsste der Kläger jedenfalls noch die Räumungsklage (wegen titelloser Benützung nach dem 31. 12. 1999) erheben, in welchem Verfahren erst geprüft werden müsste, ob die von ihm behaupteten und vertraglich vereinbarten Gründe für eine vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses vorliegen. All dies hätte der Kläger durch eine Kündigungsklage nach § 567 Abs 4 ZPO erreichen können. Der Räumungsklage nach dieser Gesetzesstelle komme demnach im Verhältnis zur Feststellungsklage die weitergehende Bereinigungswirkung zu, weshalb der Leistungsklage der Vorzug gebühre. Es entspreche auch der Prozeßökonomie, anstelle zweier Prozesse nur einen zu führen, mit dem überdies (möglicherweise noch vor Ablauf der Kündigungsfrist) der vom Kläger angestrebte Räumungstitel geschaffen werden könnte. Mangels Feststellungsinteresses sei die Klage daher abzuweisen. Auf die Frage, ob auf Grund des Schreibens vom 19. 11. 1998 für den Kläger überhaupt ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses bestanden hat und dieses Rechtsverhältnis zufolge hartnäckiger Bestreitung oder Berühmung des Beklagten durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet war, müsse daher nicht näher eingegangen werden, wenngleich auch diese Voraussetzungen unter Bedachtnahme auf den Text des erwähnten Schreibens in seinem Zusammenhang zumindest als fraglich angesehen werden müssten. Die Revision sei für zulässig zu erklären gewesen, weil zur Frage des Anwendungsbereichs der Kündigungsklage und deren Verhältnis zur Feststellungsklage, der grundsätzliche prozessuale Bedeutung zukomme, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a ZPO), nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen nach § 228 ZPO die zwei weiteren besonderen Prozessvoraussetzungen und zwar a) der Feststellungsfähigkeit des Rechtsverhältnisses und b) des rechtlichen Interesses des Klägers an der alsbaldigen Feststellung gegeben sein müssen.

Die Bejahung der Feststellungsfähigkeit durch das Berufungsgericht steht im vorliegenden Fall im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (MietSlg 34.727; MietSlg 36.034/48 = SZ 57/194; MietSlg 38.770 ua). Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist dann gegeben, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht (Fasching ZPR2 Rz 1096). Dieser Anlass ist dann zu bejahen, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint; zB wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet oder sich das Recht ernstlich angemaßt hat (Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 Rz 7 zu § 228 mwH). Nach der Rechtsprechung muß das Feststellungsurteil für den Kläger von "rechtlich-praktischer Bedeutung" sein (MietSlg 8410 uva). Die negative Feststellungsklage ist bei Berühmung eines Rechts durch den Gegner zulässig (SZ 58/12 = MietSlg 37.746), sofern Zweifel an seinem Bestehen überhaupt möglich sind (SZ 32/89); sie hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (Rechberger/Frauenberger aaO Rz 8 zu § 228 mwN). Das Feststellungsinteresse, das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist, muss schon bei Einlangen der Klage vorliegen, jedenfalls aber in dem Zeitpunkt, in dem die mündliche Verhandlung über die Klage geschlossen wird. Der nachträgliche Fortfall des Feststellungsinteresses nach Klagseinbringung ist zu beachten (Fasching aaO Rz 1102).

Im vorliegenden Fall hat der beklagte Verein zwar in seinem Antwortschreiben auf die außergerichtliche Aufkündigung vom 24. 11. 1998 behauptet, eine vorzeitige Kündigung durch den Kläger sei "an die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes gebunden". Schon mit Schriftsatz ON 3 wurde aber darauf hingewiesen, dass es sich bei der im erwähnten Schreiben erfolgten Berufung auf das Mietrechtsgesetz nur um einen Schreibfehler handle und es richtig Mietgesetz heißen müsse. Dies ist im Hinblick auf die Formulierung im gegenständlichen Mietvertrag, wonach die Kündigung von Seiten des Vermieters ebenfalls unter Einhaltung einer 12-monatigen Kündigungsfrist zum 31. 12. eines jeden Jahres, "jedoch nur unter den im Mietengesetz in der derzeit geltenden Fassung vorgesehenen Kündigungsgründen" erfolgen könne, auch völlig naheliegend. Obwohl also vollkommen klargestellt erscheint, dass der beklagte Verein die Anwendbarkeit nicht des Mietrechtsgesetzes, sondern von Bestimmungen des Mietengesetzes reklamiert, hat der Kläger an seinem Klagebegehren der Feststellung, das gegenständliche Bestandverhältnis unterliege nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, unverändert festgehalten. Mit der Feststellung des - völlig außerstreitstehenden - Umstandes, dass das MRG nicht auf den Mietvertrag vom 19. 2. 1971 anzuwenden ist, wäre für den Kläger nichts gewonnen. Wie er in der Revision nochmals betont und bekräftigt, geht es ihm ja darum, dass seine außergerichtliche Kündigung wirksam gewesen sei; er betont ausdrücklich, dass seiner Ansicht nach das Bestandobjekt weder dem MRG noch dem MG unterliege.

Der somit augenfällig vorliegende Mangel einer "rechtlich-praktischen Bedeutung" des vom Kläger angestrebten Feststellungsurteils und damit das mangelnde Interesse an der begehrten Feststellung liegt daher klar auf der Hand. Ob im Fall einer Änderung des Feststellungsbegehrens auf "Mietengesetz" (statt Mietrechtsgesetz) gleichwohl das Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Möglichkeit der Einbringung einer Kündigungsklage gemäß § 576 Abs 4 ZPO zu verneinen wäre, kann dahingestellt bleiben. Nur dieser Frage könnte aber, weil oberstgerichtliche Judikatur dazu fehlt, Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommen. Mangels der notwendigen Präjudizialität der vom Berufungsgericht als revisionswürdig erachteten Rechtsfrage (vgl 1 Ob 39/94; 1 Ob 535/95; 3 Ob 214/97k; 7 Ob 255/99x uva) war die Revision daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Entscheidung über die Kosten fußt auf den §§ 50 und 40 ZPO. Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung war abzuweisen, weil darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen worden ist (RIS-Justiz RS0035962).

Stichworte