Spruch:
Nur bei mietengeschützten Mietverhältnissen kann aus der Nichtkündigung und Zinsannahme zweifelsfrei auf den Willen des Erwerbers geschlossen werden, das Mietverhältnis fortzusetzen.
Nur der Erwerber aller Miteigentumsanteile kann nach § 1120 ABGB. kundigen.
Die negative Feststellungsklage ist im Falle der Berühmung zulässig, wenn Zweifel an dem Bestehen des behaupteten Rechtes überhaupt möglich sind.
Entscheidung vom 8. Juli 1959, 3 Ob 247/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß die vom Beklagten behauptete Vereinbarung einer 15jährigen Kündigungsfreiheit für die vom Beklagten gemieteten Geschäftsräume ihr gegenüber nicht zu Recht bestehe.
Es steht fest, daß der Beklagte mit den früheren Hauseigentümern im Jahre 1947 einen Mietvertrag schloß und dabei eine 15jährige Kündigungsfreiheit vereinbarte. Die klagende Partei erwarb 4/5 Anteile der Liegenschaft, in welcher sich die gemieteten Geschäftsräume befinden, im Jahre 1956, das restliche Fünftel im Jahre 1958. Die grundbücherliche Einverleibung fand am 28. Mai 1958 statt. Eine ausdrückliche Überbindung der mündlichen Vereinbarung über eine 15jährige Kündigungsfreiheit erfolgte nicht. Der Hausverwalter, der von der klagenden Partei übernommen wurde, hat das Vorliegen einer derartigen Vereinbarung immer bestritten. Im Dezember 1956 wies der Beklagte auf die Vereinbarung hin. Am 1. September 1958 teilte die klagende Partei dem Beklagten mit, daß sie eine solche Vereinbarung gemäß § 1120 ABGB. für sich nicht als verbindlich erachte. Der Beklagte widersprach dem mit Schreiben vom 4. September 1958.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht wies es ab. Es folgte der Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß der Erwerber einer Liegenschaft an die Vereinbarungen über die Aufkündigung nicht gebunden sei. Es seien aber abweichende Parteivereinbarungen zulässig, und es könne der vollwirksame Eintritt in den Vertrag auch stillschweigend erfolgen. Ein solcher stillschweigender Eintritt liege dann vor, wenn der Erwerber nicht zum nächstmöglichen Kündigungstermin kundige oder den Mietzins weiterhin annehme. Das Berufungsgericht stützte sich dabei auf die Meinung Klangs zu § 1120 ABGB. Da die klagende Partei am 28. Mai 1958 das Eigentum erworben, aber erst am 1. September 1958 die Kündigungsabrede bestritten habe, zu welchem Zeitpunkt der nächstmögliche Kündigungstermin (31. Juli 1958) bereits abgelaufen war, sei die klagende Partei in den Mietvertrag mit allen Nebenabreden eingetreten. Die klagende Partei habe bereits als 4/5- Eigentümerin im Jahre 1956 Kenntnis von der Sachlage gehabt, und es wäre ihre Pflicht gewesen, sich zu erklären; ihr Schweigen verstoße gegen Treu und Glauben.
Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil der ersten Instanz wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Lehre und Rechtsprechung stehen nunmehr übereinstimmend auf dem Standpunkt, daß der Erwerber der Liegenschaft in den mit den Voreigentümern geschlossenen Mietvertrag eintritt, wobei das Bestandverhältnis ohne Rücksicht auf andere Vertragsbestimmungen in ein solches von unbestimmter Dauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist verwandelt wird. Soweit stimmen auch die Rechtsansichten der Untergerichte überein. Die klagende Partei ist daher an den vereinbarten Kündigungsverzicht nicht gebunden, weil der bestandene Mietvertrag auf sie ohne diese Vereinbarung übergegangen ist.
Der Oberste Gerichtshof vermag dagegen der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß ein stillschweigender Eintritt auch in diese Nebenabrede anzunehmen sei, weil von der klagenden Partei nicht gekundigt und der Zins angenommen wurde, nicht zu folgen. Die Berufung auf Klang übersieht, daß sich diese Meinung nur auf Mietverhältnisse beziehen kann, auf die das Mietengesetz keine Anwendung findet. Denn nur bei solchen Mietverhältnissen kann aus der Tatsache der Nichtkündigung oder der Annahme des Zinses zweifelsfrei geschlossen werden, daß der Erwerber das Mietverhältnis fortzusetzen gewillt ist. Klang selbst verweist darauf, daß im Fall der Beschränkung des Kündigungsrechtes nach dem Mietengesetz die Unterlassung der Kündigung nicht als stillschweigender Eintritt in den Vertrag gedeutet werden kann (2. Aufl. V 132). Das gleiche gilt auch für die Zinsannahme. Ebensowenig kann dem Berufungsgericht gefolgt werden, wenn es dem Erwerber die Rechtspflicht auferlegen will, sich sofort nach Erwerb der Liegenschaft dem Mieter gegenüber dahin zu äußern, daß er den vereinbarten Kündigungsverzicht nicht anerkenne. Durch den Rechtsübergang hat sich der Inhalt des Mietvertrages dahin geändert, daß das Mietverhältnis nunmehr kundbar geworden ist. Diese Rechtslage mußte auch der Mieter zur Kenntnis nehmen, ohne daß es erst einer dahingehenden besonderen Äußerung des Erwerbers bedurfte. Die bloße Kenntnis des Erwerbers von einer solchen Vertragsklausel ist rechtlich bedeutungslos. Irgendeine Handlung aber, die als Anerkennung der Vereinbarung ausgelegt werden konnte, wurde nicht festgestellt. Solange die klagende Partei nur 4/5-Eigentümerin war, konnte sie außerdem von dem (im Vertrag ausgeschlossenen) Kündigungsrecht noch keinen Gebrauch machen. Daß aber die zwischen der Eigentumseinverleibung (28. Mai 1958) und der Bestreitung der Vertragsklausel (1. September 1958) verstrichene Zeit übermäßig lang gewesen sei, kann wohl nicht behauptet werden. Von einem Handeln gegen Treu und Glauben ist daher keine Rede.
Der Beklagte hat noch das rechtliche Interesse der klagenden Partei an der Feststellung bestritten. Dies aber mit Unrecht. Die negative Feststellungsklage ist im Fall der Berühmung zulässig, wenn Zweifel an dem Bestehen des behaupteten Rechts überhaupt möglich sind. Das ist hier aber der Fall. Die klagende Partei hat auch ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Kündigungsmöglichkeit, weil offensichtlich Eigenbedarf geltend gemacht wird, die klagende Partei für ein entsprechendes Ersatzlokal sorgen muß, was mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden sein kann, und sie daher zunächst wissen muß, ob sie mit einer Eigenbedarfskündigung vorgehen kann.
Der Beklagte hat noch versucht, den Übergang seiner vertraglichen Abmachung auf den stufenweisen Erwerb der Eigentumsanteile zu stützen. Da nach Lehre und Rechtsprechung der Erwerb von Miteigentumsanteilen nicht genüge, um nach § 1120 ABGB. zu kundigen, sei die klagende Partei bei dem Erwerb von 4/5-Anteilen in den Vertrag voll eingetreten, so daß auch der Erwerb des restlichen Fünftels daran nichts mehr ändern konnte. Dem kann nicht gefolgt werden. Dem Erwerber von Miteigentumsanteilen wird das Kündigungsrecht nach § 1120 ABGB. nur deshalb verweigert, weil das Mietverhältnis ein unteilbares ist und der verbleibende Miteigentümer durch den Übergang von Miteigentumsanteilen an andere Personen nicht von seiner Vertragspflicht entbunden werden kann. Solange daher noch ein Anteilseigentümer vorhanden ist, für den der ursprüngliche Mietvertrag voll gültig ist, kann der Erwerber der übrigen Anteile von dem Kündigungsrecht des § 1120 ABGB. keinen Gebrauch machen. Erst wenn alle Miteigentumsanteile auf Personen übergegangen sind, die nicht Vertragspartner des ursprünglichen Mietvertrages waren, wird § 1120 ABGB. wirksam, die Bindung an vereinbarte Bestandzeiten und Kündigungsfristen hört auf.
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