OGH 1Ob535/95

OGH1Ob535/9519.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus B*****, vertreten durch Dr.Manfred C.Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die (viert)beklagte Partei S***** Immobilienmakler Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Renate Steiner, Rechtsanwältin in Wien, wegen 310.000 S sA, infolge Revision der (viert)beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 22.November 1994, GZ 49 R 201/94-59, womit infolge Berufungen der klagenden, der (dritt-) und der (viert)beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15.April 1994, GZ 41 C 236/90-52, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die (viert)beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 14.490 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.415 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der vormals Drittbeklagte, ein freier Mitarbeiter der (viert-) und im Revisionsverfahren allein beklagten Immobilienmakler Gesellschaft mbH, renovierte zum Großteil durch Dritte eine durch einen Brand stark beschädigte und gänzlich unbrauchbare Mietwohnung über Auftrag des Hausverwalters mit von diesem erhaltenen Geldmitteln. Ob der Hausverwalter dabei im Auftrag der damaligen Hauseigentümer oder wenigstens mit deren Wissen und Willen vorging, ist nicht feststellbar. Nach Abschluß der Arbeiten befand sich die Wohnung in neuwertigem Zustand entsprechend der Ausstattungskategorie „B“ (iS des § 16 Abs 2 Z 2 MRG idF vor dem 3.WÄG). Der vormals Drittbeklagte sollte sich aufgrund seiner Absprache mit dem Hausverwalter nach Instandsetzung der Wohnung um deren Vermietung kümmern, aber nicht selbst Mieter werden. Die (viert)beklagte Partei - deren „Verantwortlichen“ bekannt war, daß der vormals Drittbeklagte nicht Hauptmieter der Wohnung war - inserierte schließlich über Betreiben des vormals Drittbeklagten die Wohnung in einer Tageszeitung:

„4: Großhauptmiete, 3 1/2 Zimmer, Nebenräume, Gartenbenützung, komplett renoviert, 310.000,-/3900.- Inklusivmiete. ... (viertbeklagte Partei) ...“

Der an der Wohnung interessierte Kläger kam bei der mit der (viert)beklagten Partei telefonisch vereinbarten Besichtigung der Wohnung am 20.Jänner 1988 mit dem als deren Mitarbeiter auftretenden vormals Drittbeklagten in Kontakt. Beide - der vormals Drittbeklagte für die (viert)beklagte Partei unter Beifügung von deren Firmenstampiglie - unterfertigten am gleichen Tag ein von einer Angestellten der (viert)beklagten Partei ausgefertigtes schriftliches Mietanbot, das ua eine Verpflichtung des Mieters zur Zahlung einer nicht näher aufgeschlüsselten und von den Parteien auch nicht erörterten Investitionsablöse von 310.000 S sowie einer Gesamtprovision von 12.840 S bei Mietvertragsabschluß enthält. Am 22.Jänner 1988 übergab der Kläger nach vorheriger mündlicher Vereinbarung dem vormals Drittbeklagten in den Räumlichkeiten der (viert)beklagten Partei den Teilbetrag von 100.000 S - ohne Erörterung, an wen letztlich der Ablösebetrag gelangen sollte - und erhielt dafür folgende Bestätigung:

„Treuhandvereinbarung

Die Firma ... (viertbeklagte Partei) bestätigt am 22.1.1988 den Betrag von S 100.000 treuhändig als Anzahlung für die Wohnung in ... übernommen zu haben.“

Der vormals Drittbeklagte unterfertigte diese Bestätigung unter Beifügung einer Firmenstampiglie der (viert)beklagten Partei, ohne auch nur sinngemäß darauf hinzuweisen, selbst Zahlungsempfänger zu sein. Am 25.Jänner 1988 trafen der Kläger und der vormals Drittbeklagte abredegemäß in der Kanzlei des Hausverwalters zum Abschluß des schriftlichen Mietvertrags und Übergabe des restlichen Ablösebetrags zusammen. Nach ergebnislosen Verhandlungen über hier nicht relevante Nebenpunkte unterfertigte der Kläger vor dem Hausverwalter den von diesem vorbereiteten schriftlichen Mietvertrag. Auf die Frage des Klägers, wem er nun die restlichen 210.000 S übergeben solle, forderte der Hausverwalter den Kläger und den vormals Drittbeklagten sinngemäß auf, die Geldübergabe im Vorzimmer abzuwickeln, weil er damit nichts zu tun haben wolle. Daraufhin übergab der Kläger im Vorzimmer des Hausverwalters dem vormals Drittbeklagten 210.000 S in bar, ohne daß dabei erörtert worden wäre, wer letztlich Zahlungsempfänger der Ablöse werden sollte. Mit dem Geld ging der vormals Drittbeklagte allein ins Arbeitszimmer des Hausverwalters zurück, übergab ihm den erhaltenen Betrag und brachte unmittelbar danach die nun auch vom Hausverwalter für die Vermieter unterfertigten beiden Mietvertragsexemplare ins Vorzimmer. Der Kläger wurde Hauptmieter der Wohnung und leistete an die (viert)beklagte Partei wie vereinbart die Vermittlungsprovision von 12.840 S.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Rückzahlung der verbotenen Ablöse von 310.000 S gegenüber der (viert)beklagten Vermittlerin, deren vormals drittbeklagten Mitarbeiter sowie den beiden damaligen Hauseigentümern - vormalige Erst- und Zweitbeklagte, in Ansehung derer Ruhen des Verfahrens unter Verzicht auf Verfahrensfortsetzung vereinbart wurde (ON 11 AS 71) - nur in Ansehung der (viert)beklagten Partei statt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil teilweise dahingehend ab, daß es auch den vormals Drittbeklagten als Mittäter der Verwaltungsübertretung nach § 27 Abs 4 MRG aF (§ 27 Abs 5 idF des 3.WÄG) zur ungeteilten Hand mit der (viert)beklagten Partei für schuldig erkannte, dem Kläger (im Rahmen des Berufungsantrags) 100.000 S sA zu bezahlen. Es ließ die ordentliche Revision wegen einer - seiner Ansicht nach - im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iS des § 502 Abs 1 ZPO wegen fehlender Rechtsprechung zur Frage der deliktischen Haftung des Erfüllungsgehilfen des Realitätenvermittlers infolge Schutzgesetzverletzung (§ 27 Abs 1 MRG iVm § 1311 ABGB) zu, ohne indes diesen möglicherweise nur auf den vormals Drittbeklagten bezogenen Ausspruch im Spruch seiner Entscheidung oder auch nur in der Erledigung der Berufung der (viert)beklagten Partei auf diesen zu beschränken. Es muß daher hier grundsätzlich von der Zulassung des Rechtsmittels auch der (viert)beklagten Partei durch die zweite Instanz ausgegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iS des § 502 Abs 1 ZPO liegt dann vor, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung dieser - erheblichen - Rechtsfrage abhängt. Die angeschnittene Rechtsfrage muß also präjudiziell sein (1 Ob 39/94 ua; Kodek in Rechberger, § 508a ZPO Rz 1). Dies ist hier nicht der Fall.

Die von der Revisionswerberin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Daß die vom Kläger bezahlte Ablöse gegen § 27 Abs 1 MRG verstößt, zieht die (viert)beklagte Partei nicht mehr in Zweifel, weil sie ihren von den Vorinstanzen abgelehnten Rechtstandpunkt zum behaupteten Ausnahmetatbestand vom Ablöseverbot nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG - zu Recht - nicht mehr aufrecht erhält.

Der Kläger nimmt die (viert)beklagte Realitätenvermittlerin nicht als Vermieterin, somit aus dem Kondiktionsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG aF, sondern aus dem Titel des Schadenersatzes, erkennbar ex contractu wegen schuldhafter Verletzung des mit ihm abgeschlossenen Vermittlungsvertrags durch deren vormals drittbeklagten Erfüllungsgehilfen und ex delicto wegen Mitwirkung an der Verwaltungsübertretung nach § 27 Abs 4 MRG aF in Anspruch (ON 1 AS 3). Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits von den Vorinstanzen herangezogenen Entscheidung 6 Ob 683/86 (= MietSlg 38.411/48 = JBl 1988, 110 = RdW 1987, 289) ausgesprochen, daß ein Realitätenvermittler auf Grund des Vermittlungsauftrags eines Wohnungsinteressenten - hier durch beiderseitige Fertigung des Mietanbots vom 20.Jänner 1995 - somit ex contractu, verpflichtet ist, dessen Interessen soweit zu wahren, daß er nicht mit gesetzlich unzulässigen Forderungen belastet wird. Ihm obliegt gemäß § 1298 ABGB der Beweis, daß ihm kein Verschulden zur Last liegt, etwa weil er die für die Unzulässigkeit der Ablöse erheblichen Umstände nicht zu erkennen vermochte (EvBl 1995/35 = WoBl 1995, 97 mit Anm von Dirnbacher = ImmZ 1994, 446 = RdW 1994, 348; AnwBl 1994, 539 mit Anm von Liedermann; 7 Ob 589/93 ua). Diese Interessenwahrungspflicht gegenüber einem Wohnungssuchenden besteht selbst ohne Beziehung auf einen Vertrag, somit ex delicto, auf Grund der als Schutzgesetz zu wertenden Bestimmung des § 27 Abs 4 MRG aF (EvBl 1995/35; 7 Ob 589/93; so schon Iro, Rückforderung verbotener Ablösen vom Wohnungsvermittler in RdW 1988, 2 und wohl auch Rueprecht, Die Rückforderung verbotener Ablösezahlungen in ÖJZ 1989, 555 ff, 556). Bedient sich der Realitätenvermittler eines Gehilfen, so muß er sich dessen Verschulden zurechnen lassen. Der vormals Drittbeklagte war Erfüllungs- und nicht bloß Besorgungsgehilfe der (viert)beklagten Partei, stellen doch das Besichtigen der vermittelten Wohnung, die Entgegennahme von Zahlungen dafür und die Hilfe beim Vertragsabschluß typische Vertragspflichten des Realitätenvermittlers dar, die der vormals Drittbeklagte mit Wissen und Willen der (viert)beklagten Partei vorgenommen hat.

War die (viert)beklagte Partei aber dem Kläger schon vertraglich verpflichtet, es zu unterlassen, sich oder einem anderen eine verbotene Ablöse nach § 27 Abs 1 MRG versprechen zu lassen oder für sich oder den Dritten entgegenzunehmen, dann war ihr verbotswidriges Verhalten für den Abschluß und die Erfüllung der verbotenen Vereinbarung selbst dann kausal, wenn dem Kläger bekannt war, daß die Ablöse ungesetzlich war und daher wieder zurückgefordert werden kann, weil er ohne die von der (viert)beklagten Partei im Inserat und im Mietanbot geforderte Ablöse die Mietwohnung nicht erlangt hätte. Die (viert)beklagte Partei hat nicht bloß eine Aufklärungspflicht verletzt, die für den Schaden nicht kausal wäre, wenn dem Vertragspartner die aufzuklärenden Umstände ohnedies bekannt sind, sondern auch ein gesetzliches Verbot, an der Vereinbarung und Zahlung solcher Ablösen mitzuwirken (EvBl 1995/35).

Der der (viert)beklagten Schädigerin wegen Verletzung dieser Vertragspflicht nach § 1298 ABGB obliegenden Beweis, weder ihr noch ihrem als Erfüllungsgehilfen handelnden - vormals drittbeklagten - freien Mitarbeiter falle ein Verschulden zur Last, etwa, weil sie für die Unzulässigkeit der Ablöse erhebliche Umstände nicht zu erkennen vermocht habe, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht als gelungen angesehen werden. Die (viert)beklagte Partei inserierte selbst die Wohnung, ohne im Inserat für den zur Erlangung des Mietvertrags geforderten Betrag von 310.000 S einen plausiblen und rechtlich zulässigen Rechtsgrund zu nennen; bei der von ihr organisierten Besichtigung der Wohnung wurde mit ihrem Willen der Kontakt zwischen dem Kläger und dem vormals Drittbeklagten hergestellt und ihre Mitarbeiterin erstellte das schriftliche Mietanbot vom 20.Jänner 1988, in dem eine nicht näher aufgeschlüsselte Investitionsablöse von 310.000 S genannt ist, dies bei Kenntnis ihrer „Verantwortlichen“, daß der vormals Drittbeklagte, dem die 310.000 S zukommen sollten, nicht Vormieter der Wohnung war. Insoweit bedarf es gar nicht des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des Erfüllungsgehilfen. Ihr Erfüllungsgehilfe kassierte die Ablöse und bestätigte namens der (viert)beklagten Partei in Ansehung von 100.000 S den Erhalt als „Anzahlung für die Wohnung“. Daß die „Verantwortlichen“ der (viert)beklagten Partei von diesen Umständen nicht informiert gewesen seien, wurde gerade nicht festgestellt. Die (viert)beklagte Partei haftet daher schon ex contractu für die dem Kläger aus der Zahlung der Ablöse erwachsenen vermögensrechtlichen Nachteile.

Der Schaden des Klägers ist bereits durch dessen beiden Zahlungen eingetreten, zumal eine Geldforderung mit Einbringlichkeitsrisiko keinesfalls dem Besitz eines Geldbetrags gleicher Höhe gleichgehalten werden kann (Jbl 1987, 388 mwN), sodaß der Kläger nicht zuerst einen allfälligen Kondiktionsanspruch durchsetzen muß. Die nun behauptete Verletzung einer Schadensminderungspflicht durch den Kläger, weil er den Hausverwalter nicht belangt und mit den beiden damaligen Hauseigentümern Ruhen des Verfahrens vereinbart habe, ist als Neuerung unbeachtlich.

Dem Revisionsantrag, auszusprechen, daß die Haftung der (viert)beklagten Partei nur zur ungeteilten Hand mit dem vormals Drittbeklagten bestehe, ist bereits durch den Spruch des Berufungsurteils Genüge getan. Angesichts des Berufungsantrags des Klägers, den vormals Drittbeklagten zur Zahlung von 100.000 S sA zu verhalten, stand es - ungeachtet eines nun behaupteten Interesses der (viert)beklagten Partei an einer Mithaftung des vormals Drittbeklagten in voller Höhe - zufolge § 405 ZPO außerhalb der Ingerenz der zweiten Instanz, den Drittbeklagten zur Zahlung des vollen Klagsbetrags zu verhalten. Erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellen sich damit nicht.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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