OGH 7Ob160/01g

OGH7Ob160/01g31.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz F*****, vertreten durch Dr. Rainer Beck, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Willibald W*****, vertreten durch Dr. Peter Sziberth, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 100.000,-- (sA) und Feststellung, über die Revision des Klägers (Revisionsinteresse S 80.000,--) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 17. April 2001, GZ 3 R 316/00p-64, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. Juli 2000, GZ 5 C 135/98s-58, infolge Berufung des Klägers bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Beklagten auf Ersatz der Kosten seiner Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Beklagte ist Eigentümer des Hauses ***** in G*****, in dem der Kläger seit Beginn der 90er-Jahre eine im Parterre gelegene Wohnung bewohnt. Diese ist seit 1948 an seine Mutter vermietet, die aber schon seit 1991 selbst nicht mehr dort wohnhaft ist.

Auf Grund mehrerer Rohrbrüche kam es zwischen Herbst 1995 und Jahresbeginn 1999 zu starken Durchfeuchtungen der Wohnung und in der Folge zur Bildung von Schimmelpilz. Nachdem die Ursache der Durchfeuchtungen zunächst nicht erkannt worden war, der Beklagte nur ungeeignete Sanierungsversuche unternommen und im Übrigen auch nur zugewartet hatte, wurden von ihm schließlich entsprechende Trockenlegungsarbeiten veranlasst, die am 9. 10. 1998 abgeschlossen wurden. Seit Beginn des Jahres 1999 ist die Wohnung wieder trocken und der Schimmelpilzbefall gewichen.

Der Kläger raucht täglich mehr als 20 Zigaretten und leidet auf Grund dieses Nikotinabusus an einer chronisch-obstruktiven Bronchitis. Der Schimmelpilz und die Feuchtigkeit in der Wohnung verstärkten dieses Leiden: Die Bronchitisschübe waren dadurch intensiver und häufiger. Ohne (die Vorschädigung durch) das Rauchen wären auf Grund der Feuchtigkeit in der Wohnung (nur) zwei Bronchitisschübe pro Jahr, und zwar im Frühjahr und Herbst, aufgetreten. Der Kläger leidet weiters an einer "Entgleisung der Nasenmuschelmotorik" im Sinne einer "Rhinnitis hyperreflektoria". Auch für diese - als leicht zu bezeichnende - Erkrankung sind in erster Linie die Rauchgewohnheiten des Klägers verantwortlich. Eine Schimmelbildung kann jedoch einen Reiz darstellen, der zu einer Verstärkung einer bereits vorhandenen Schädigung der Nasenmuschelmotorik führt. Insgesamt hatte der Kläger zufolge der Verstärkung seiner Leiden bzw Krankheiten durch die Feuchtigkeit und den Schimmelpilzbefall im Zeitraum von Herbst 1995 bis Anfang 1999 (komprimiert) 28 Tage lang leichte Schmerzen zu erdulden.

Mit der wesentlichen Behauptung, alle seine Leiden und Schmerzen seien (letztlich) auf die Durchnässung der Wohnung und den Schimmelpilzbefall zurückzuführen und es seien Folge- und Dauerschäden nicht auszuschließen, begehrt der Kläger vom Beklagten als Vermieter ein Schmerzengeld von S 100.000,-- sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für zukünftige gesundheitliche Schäden, die ihm "auf Grund des desolaten Zustandes der Wohnung" entstehen würden.

Der Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich, wendete er ein, Gesundheitsmängel des Klägers hätten ihre Ursache in dessen "allzu exzessivem Lebenswandel".

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger S 40.000,-- (sA) zu bezahlen. das Mehrbegehren nach Zuspruch weiterer S 60.000,-- (sA) sowie das Feststellungsbegehren wies es ab. Den bereits eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich im Wesentlichen dahin, den Beklagten treffe als Vermieter auch gegenüber dem Kläger, der die Wohnung zulässigerweise statt seiner Mutter benütze, gemäß § 3 Abs 1 MRG die Erhaltungspflicht des Mietgegenstandes. Diese Erhaltungspflicht habe der Beklagte rechtswidrig verletzt. Dem Kläger sei auch der Nachweis der Kausalität zwischen Feuchtigkeit und Schimmelbildung in der Wohnung und seinen Beschwerden gelungen. Allerdings sei lediglich ein Teil seiner Beschwerden auf den gesundheitsschädigenden Zustand der Wohnung zurückzuführen. Den ihm gemäß § 1298 ABGB obliegenden Nachweis für sein fehlendes Verschulden habe der Beklagte nicht erbracht, weshalb er dem Kläger zu haften habe. Zur Abdeckung des Gesamtkomplexes der Schmerzempfindungen des Klägers erscheine auf Grund der festgestellten Schmerzdauer und -intensität unter Einbeziehung der pyschischen Alteration eine Globalsumme von S 40.000,-- angemessen. Das Feststellungsbegehren sei mangels zu erwartender Dauerfolgen abzuweisen.

Während der klagsstattgebende Teil des Ersturteiles unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, hat der Kläger den gesamten klagsabweisenden Teil mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht verneinte die vom Kläger behaupteten Verfahrensmängel und erachtete auch dessen Feststellungs- und Beweisrüge als unberechtigt. Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen versage aber auch die Rechtsrüge: Zwar bleibe der Schädiger, wenn eine von ihm unmittelbar herbeigeführte Verletzung zusammen mit einer besonderen Veranlagung des Verletzten die Schwere des Verletzungserfolges bedinge, für den gesamten Schadenserfolg verantwortlich. Ein solcher "Anlagefall" liege jedoch hier nicht vor, weil die Ursache für die erweiterten Schmerzen beim Kläger auf einem freien menschlichen Handeln und nicht auf einer "Anlage" beruhten. Für den Teil, für den das sorglose Verhalten des Geschädigten kausal war, hafte dieser aber selbst. Der festgestellte Nikotinabusus, der beim Kläger zu ausgedehnteren und häufigeren Bronchititsschüben als bei einem Nichtraucher geführt habe, sei auf eine freie Entscheidung und ein sorgloses Verhalten gegründet und könne daher dem Schädiger nicht angelastet werden. Feststellungen über die Häufigkeit der (bei Feuchtigkeit) auftretenden Bronchitisschübe und die damit verbundenen Schmerzen bei Rauchern seien daher nicht erforderlich gewesen. Diese Schmerzen seien auf die beim Kläger vorhanden gewesene, dem Beklagten nicht zurechenbare Vorschädigung zurückzuführen. Nach dem Gesamtbild der (auf die Durchfeuchtung der Wohnung und den Schimmelpilzbefall zurückzuführenden) Leiden und Unlustgefühle des Klägers sei der vom Erstgericht zugesprochene Schmerzengeldbetrag angemessen.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob (inwieweit) eine auf Rauchen zurückzuführende Vorschädigung zu einer Einschränkung der Haftung des Schädigers (unter dem Gesichtspunkt sowohl der Kausalität als auch des Verschuldens) führe, nicht vorliege und der Lösung dieser Frage erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch ist die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass kein sogenannter "Anlagefall" vorliegt, von dem dann gesprochen wird, wenn bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bereits eine der geschädigten Person (oder Sache) innewohnende (konstitutionelle) Schadensanlage bestand, die zu dem gleichen Schaden geführt hätte (1 Ob 65/73, SZ 46/47 mwN uva), bzw wenn eine durch den Schädiger unmittelbar herbeigeführte Verletzung (erst) zusammen mit einer besonderen Veranlagung des Verletzten die Schwere des Verletzungserfolges bedingt (vgl RIS-Justiz RS0022684, zuletzt etwa 1 Ob 81/00v). Die dem Beklagten anzulastenden Umstände der Durchfeuchtung und Schimmelpilzbildung in der von ihm vermieteten Wohnung haben die auch durch das Rauchen bedingten Krankheiten und Leiden des Klägers auch nicht etwa vorzeitig (im Sinne überholender Kausalität) ausgelöst, sondern die auf das Rauchen zurückzuführenden bestehenden Leiden des Klägers (nur) verstärkt. Dies sowie auch das Ausmaß dieser Verstärkung wurde ausdrücklich festgestellt. Damit steht fest, dass das gegenständliche Fehlverhalten des Beklagten allein für diese Leidensverstärkung kausal war. Da ein Schadenersatzanspruch ua stets die Kausalität des haftbar machenden Verhaltens des Schädigers für die Schäden, deren Ersatz begehrt wird, voraussetzt, hat der Beklagte für die Leiden des Klägers nur im Ausmaß dieser Verstärkung einzustehen. Da dies klar auf der Hand liegt, kann darin eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht erblickt werden. Ob bzw inwieweit der Kläger für seine Rauchgewohnheiten und die daraus resultierenden Schädigungen selbst verantwortlich ist, kann dahingestellt bleiben (bemerkt sei lediglich, dass ein Raucher für die Behauptung, ihn treffe an seiner Nikotinabhängigkeit aus besonderen Gründen kein Verschulden, gemäß § 1298 ABGB beweispflichtig wäre: vgl 4 Ob 6/76, JBl 1977, 604 zu einem Fall des Alkoholmissbrauches bzw der Alkoholabhängigkeit).

Soweit der Revisionswerber noch daran festhält, dass das erstinstanzliche Verfahren zufolge des Unterbleibens einer von ihm angestrebten ergänzenden Einvernahme des medizinischen Sachverständigen mangelhaft geblieben sei, ist er darauf hinzuweisen, dass ein in der Berufung zwar geltend gemachter, vom Berufungsgericht aber verneinter Mangel erster Instanz nach stRsp nicht mehr in der Revision gerügt werden kann (Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 503 ZPO mwN).

Ein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision ist daher nicht gegeben, zumal auch die Ausmessung der Höhe des Schmerzengeldes keine erhebliche Rechtsfrage darstellt. Geht das Berufungsgericht bei der Prüfung der Berechtigung des begehrten Schmerzengeldes - wie hier - von den nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umständen aus, so handelt es sich nämlich bei dessen Ausmessung selbst um einen Einzelfall, auf den die Kriterien des § 502 Abs 1 ZPO nicht zutreffen (RIS-Justiz RS0042887, zuletzt etwa 2 Ob 25/01t mwN).

Das Rechtsmittel der Klägers war daher mangels Vorliegens eines tauglichen Zulassungsgrundes zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50 und 40 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung nur ausgeführt, dass das Rechtsmittel unbegründet sei und (folgerichtig) allein beantragt, ihm keine Folge zu geben. Auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hat er nicht hingewiesen. Seine Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden und ist deshalb auch nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

Stichworte