OGH 2Ob25/01t

OGH2Ob25/01t22.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lothar W*****, vertreten durch Dr. Georg Hoffmann, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Hildegard S*****, 2. Cäcilia A*****, beide***** und 3.***** Versicherungs AG, ***** alle vertreten durch Dr. Reinhard Griesshofer, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen S 91.000 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 24. November 2000, GZ 3 R 252/00s-33, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Irdning vom 18. August 2000, GZ C 585/99 f-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.699,36 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.166,56, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der am 25. 12. 1931 geborene Kläger wurde am 12. 11. 1997 bei einem Verkehrsunfall als Lenker eines PKW verletzt. Die Haftung der beklagten Parteien ist unstrittig. Durch den Unfall erlitt der Kläger eine Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung der Lendenwirbelsäule. Aufgrund dieser Verletzungen hatte er zwei Tage starke, fünf Tage mittelstarke und 21 Tage leichte Schmerzen zu erdulden.

Durch die Auslösung des Airbags kam es zu einer beträchtlichen akuten Lärmeinwirkung. Dadurch wurden beim Kläger ständige Ohrgeräusche beiderseits hervorgerufen ("Tinnitus"). Durch die chronischen Ohrgeräusche entstehen Unlustgefühle als subjektive Missempfindungen. Die Ohrgeräusche, die sich in einem konstanten Pfeifen im Hochtonbereich äußern, führen beim Kläger zu psychischen Begleiterscheinungen wie Konzentrationsmängeln und Durchschlafstörungen. Eine Besserung des Leidens ist nicht zu erwarten.

Die drittbeklagte Partei zahlte vor Einleitung des Rechtsstreites dem Kläger ein Schmerzengeld von DM 9.000 (S 63.000).

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines weiteren Schmerzengeldes von S 91.000.

Die Beklagten wendeten ein, mit der von der drittbeklagten Partei geleisteten Zahlung seien alle Schmerzengeldansprüche des Klägers abgegolten.

Das Erstgericht gab - ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen - dem Klagebegehren statt.

Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Ansicht, die von der drittbeklagten Partei geleistete Zahlung sei nicht ausreichend. Ein ständiges, über Jahre hinweg vorhandenes Geräusch in den Ohren besitze erheblichen Krankheitswert und beeinträchtige den Kläger in seinem Wohlbefinden nachhaltig.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Die ordentliche Revision erachtete es für zulässig, weil hier kein gewöhnlicher, sondern ein besonders gelagerter Fall einer Schmerzengeldbemessung vorliege und weil, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt existiere.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Grundsätzlich kommt bloßen Ermessensentscheidungen - wie über die Höhe des Schmerzengeldes - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (Kodek in Rechberger**2, Rz 3 zu § 502 mwN). Dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begündet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0107773; zuletzt 2 Ob 253/00w). Es ist auch nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofes bei jedem bisher von ihm noch nicht judizierten Krankheitsbild die Höhe des zu ersetzenden Schmerzengeldbetrages festzulegen.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Aber auch in der Revision der beklagten Parteien werden keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne dieser Bestimmung dargetan.

Diese vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, dass den Fragen

a) ob in diesem außergewöhnlichen Fall eines Tinnitus ein zusätzliches Schmerzengeld von S 91.000 sachgerecht und angemessen erscheine und

b) ob das Schmerzengeld nach freier Überzeugung der Gerichte und ohne Zugrundelegung irgendwelcher Tagessätze mit einer Gesamtsumme zu bemessen sei, eine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0031415; zuletzt 2 Ob 66/99s), dass der Schmerzengeldanspruch nach Art, Dauer und Intensität der Schmerzen nicht in festen Tagessätzen, sondern als Globalsumme unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der physischen und psychischen Schmerzen auszumitteln ist. Dies ermöglicht es, den konkreten Stellenwert einer zeitweiligen Lästigkeit, die Unlustgefühle verursacht, zu bestimmen und im System des immateriellen Schadenersatzes angemessen zu berücksichtigen. Dem entspricht auch die Ausmittlung des Schmerzengeldes durch die Vorinstanzen. Dass diese das richterliche Ermessen bei Bestimmung des Schmerzengeldanspruches eklatant überschritten hätten, trifft nicht zu. Ein solcher Entscheidungsfehler müsste aber als Voraussetzung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vorliegen (RZ 1994/45; 2 Ob 66/99s). Berücksichtigt man, dass der zum Unfallszeitpunkt 65 Jahre alte Kläger bis an sein Lebensende an einem ständigen Pfeifen in beiden Ohren leiden und dadurch in seiner Lebensqualität erheblich beeinträchtigt sein wird, kann von einer eklatanten Fehlbeurteilung keine Rede sein.

Die Revision der beklagten Partei war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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