Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.873,76 (darin S 1.478,96 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war in der Zeit vom 2. 12. 1986 bis 30. 9. 1997 als Frisörin bei einer Gesellschaft mbH beschäftigt, die an insgesamt sieben Standorten Frisörgeschäfte betrieb. Bereits im Jahr 1995 hatte die Gesellschaft mbH große finanzielle Schwierigkeiten, weil in allen Standorten der Umsatz drastisch zurückging. Als sich im Sommer 1997 herausstellte, dass durchgeführte Personalreduktionen nicht zu einer wirtschaftlichen Konsolidierung führten, versuchte der Geschäftsführer einzelne Filialbetriebe abzustoßen.
Der Geschäftsführer bot der Klägerin anlässlich der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses am 30. 9. 1997 an, einen der Betriebe, der nicht der bisherige Arbeitsort der Klägerin war, um S 150.000 zu kaufen. Da die Klägerin mit 1. 10. 1997 arbeitlos geworden wäre und der ihr angebotene Betrieb zudem in der Nähe ihres Wohnortes lag, überlegte sie, dort gemeinsam mit ihrem Mann, dessen Arbeitsverhältnis bei der Gesellschaft mbH ebenfalls gekündigt worden war, einen Frisörladen zu eröffnen. Der zugezogene Steuerberater riet der Klägerin, im Hinblick auf eventuelle Haftungen aus einer Betriebsübernahme nicht einen Betriebsteil zu übernehmen, sondern von der Gesellschaft mbH lediglich das Inventar und allenfalls vorhandenes Material zu kaufen und sich vorweg mit dem Vermieter wegen Abschlusses eines Mietvertrags in Verbindung zu setzen.
Die Klägerin vereinbarte daraufhin mit dem Geschäftsführer als Kaufpreis für Inventar und restliches Material bei Unterfertigung des Vertrags einen Barbetrag von S 100.000 und S 37.500 "inoffiziell" in monatlichen Raten zu zahlen. Nach Abschluss eines Mietvertrages unterfertigte die Klägerin den Kaufvertrag und übergab dem Geschäftsführer den Barbetrag von S 100.000. Innerhalb der nächsten zwei Jahre zahlte sie den Restbetrag von S 37.500 in Raten ab. Sie eröffnete im Oktober 1997 den Frisörsalon und stellte im Jänner 1998 die ehedem an diesem Standort beschäftigte Frisörin ebenso ein wie einen zuvor dort tätigen Lehrling.
Die Ehefrau des Geschäftsführers der Gesellschaft mbH übernahm ebenfalls eine der Filialen und führte diese ab 1. 10. 1997 als Frisörgeschäft weiter. Als Kaufpreis wurde vereinbart, dass sie sämtliche Bankschulden der Gesellschaft mbH in ihr eigenes Zahlungsversprechen übernimmt und für die Gesellschaft mbH begleicht. Auch bei dieser Filiale handelte es sich nicht um jene, in der die Klägerin gearbeitet hatte. Die Gesellschaft mbH veräußerte noch eine weitere Filiale, die übrigen - darunter auch jene, in der die Klägerin gearbeitet hatte - wurden noch bis Ende Jänner 1998 weitergeführt und sodann geschlossen.
Als die Klägerin im Oktober 1997 ihr laufendes Entgelt bzw ihre beendigungsabhängigen Ansprüche beim Geschäftsführer der Gesellschaft mbH urgierte, erklärte dieser, nicht zahlen zu können. Im Dezember 1997 machte sie ihre Ansprüche bei Gericht geltend und erwirkte einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl, auf Grund dessen sie erfolglos Exekution führte. Mit Beschluss vom 8. 7. 1998 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mbH abgewiesen. Mit Bescheid vom 17. 9. 1999 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für die nun mit Klage geltend gemachten Ansprüche ab.
Mit ihrer am 30. 9. 1999 beim Erstgericht überreichten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte für Lohn vom 1. 9. 1997 bis 30. 9. 1997, Überstundenentgelt, anteilige Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung, gesetzliche Abfertigung in der Höhe von drei Monatsentgelten sowie verschiedene Kosten und Zinsen zur Zahlung des Gesamtbetrages von S
93.563 netto sA schuldig zu erkennen. Die Klägerin sei in einer Filiale der Gesellschaft mbH beschäftigt gewesen, welche mit Wirksamkeit 30. 9. 1997 endgültig geschlossen worden sei. Das Dienstverhältnis habe durch ordnungsgemäße Arbeitgeberkündigung geendet. Es liege weder ein Fall des § 6 Abs 1 AVRAG noch ein solcher des § 1409 ABGB vor, weil der von der Klägerin übernommene Filialbetrieb einerseits nicht jener gewesen sei, in dem sie gearbeitet habe und andererseits ein wertentsprechender Kaufpreis entrichtet worden sei. Auch könne die Klägerin nur für jene Verbindlichkeiten haften, die dem von ihr übernommenen Standort zuzurechnen seien.
Die Beklagte wendete dagegen ein, dass in dem mit S 100.000 vereinbarten Kaufpreis bereits die ausständigen Löhne der Klägerin berücksichtigt worden seien. Der Kaufpreis sei deshalb so gering gewesen, weil die Klägerin ihre offenen Ansprüche darauf in Anrechnung gebracht habe. Sie sei daher lohnbefriedigt; allenfalls noch offene Forderungen seien auf die Gattin des Geschäftsführers der Gesellschaft mbH als Betriebsübernehmerin übergegangen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass die Filiale, in der die Klägerin gearbeitet habe, am 1. 2. 1998 stillgelegt worden sei. Die Haftung der Gattin des Geschäftsführers der Gesellschaft mbH könne sich nur auf Ansprüche der im übernommenen Betriebsteil beschäftigten bzw beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer beziehen, sodass insoweit kein Dritter für die Ansprüche der Klägerin hafte. Auch auf die Klägerin sei die Erwerberhaftung hinsichtlich in anderen Standorten begründeter Forderungen nicht übergegangen.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Fortbetrieb der Filiale durch die Klägerin als Frisörgeschäft, die Übernahme von materiellen zur Funktionsausübung erforderlichen Hilfsmitteln sowie die Übernahme eines entsprechenden ortsüblichen Kundenstocks stelle hinreichende Indizien für einen Betriebs-(Teil-)Übergang im Sinn des AVRAG dar. Nach ständiger Rechtsprechung zu dem gemäß § 6 Abs 1 AVRAG anzuwendenden § 1409 ABGB hafte auch bei Übertragung nur eines Unternehmensteils der Erwerber neben dem Veräußerer für alle zum Gesamtunternehmen gehörigen Schulden, wobei ihm lediglich die Möglichkeit eingeräumt werde, sich an den anderen Teilbetriebsinhabern zu regressieren. Der erkennende Senat schließe sich trotz gegenteiliger Lehrmeinung dieser Rechtsprechung an, weil durch die Schulden eines Unternehmens dessen ganzes Vermögen samt allen Teilbetrieben belastet werde und nicht davon gesprochen werden könne, dass zu einzelnen Teilbetrieben nur bestimmte Schulden gehörten. Die Klägerin als Übernehmerin eines Betriebsteiles hafte daher für alle unberichtigten Dienstnehmerforderungen gegenüber der GesmbH. Hinsichtlich ihrer eigenen Forderung führe dies gemäß § 1445 ABGB zum Erlöschen. Dies stehe mit den Zielrichtungen des IESG im Einklang, habe dieses doch Existenzsicherungsfunktion, diene aber nicht dazu, den Übernehmer von seiner gesetzlichen Haftung gemäß § 6 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 AVRAG faktisch zu entbinden.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobenen Revision der Klägerin kommt Berechtigung zu.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung SZ 70/219 ausführlich dargestellt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Art 3 Abs 1 der RL 77/187/EWG nicht die Rechte und Pflichten umfasse, die sich für den Veräußerer auf Grund eines zum Zeitpunkt der Übergangs bestehenden Arbeitsvertrages oder Arbeitsverhältnisses gegenüber Arbeitnehmern ergeben, die nicht zu dem übertragenen Teil des Unternehmens gehören, aber bestimmte Tätigkeiten mit Betriebsmitteln des übertragenen Teils des Unternehmens verrichteten oder die als Beschäftigte einer Verwaltungsabteilung des Unternehmens, die selbst nicht übertragen wurde, Tätigkeiten für den übertragenen Teil des Unternehmens verrichteten. Wird somit ein Betriebsteil als selbständige organisatorische Einheit übertragen, so tritt der Übernehmer, selbst wenn zu anderen Betriebsteilen Berührungspunkte und Überschneidungen bestanden, gemäß § 3 Abs 1 AVRAG nur in die Rechte und Pflichten im Zeitpunkt des Übergangs bestehender Arbeitsverhältnisse ein, die den übertragenen Betriebsteil betreffen (in diesem Sinne auch jüngst 9 ObA 5/00a).
Der Oberste Gerichtshof hat weiters in DRdA 2000/59 (ihr folgend 8 ObS 91/00s) dargestellt, dass der neue Inhaber gemäß § 3 Abs 1 AVRAG auf Grund des ex-lege-Überganges aller Rechte und Pflichten des alten Arbeitgebers selbst Arbeitgeber und Schuldner aller Ansprüche aus den übergegangenen und im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnissen wird. Zu dieser alle Schulden, die im Zeitpunkt des Übergangs bestanden haben und aus Arbeitsverhältnissen mit dem Veräußerer entstanden sind, umfassenden Anordnung des § 3 Abs 1 AVRAG stehe § 6 Abs 1 AVRAG, wonach hinsichtlich der mit dem Veräußerer bestehenden Haftung des Erwerbers zur ungeteilten Hand für Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältlnis zum Veräußerer die vor dem Zeitpunkt des Übergangs begründet wurden, § 1409 ABGB anzuwenden sei, in einem gewissen Spannungsverhältnis. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (1077 BlgNR 18. GP, 14) sähen § 6 Abs 1 AVRAG als Konkretisierung des Art 3 Abs 1 der Richtlinie, der sich auf die Erwerberhaftung für Ansprüche übergeleiteter Arbeitnehmer beziehe. Wörtlich werde ausgeführt, dass "in die bestehende Haftungsregelung des § 1409 ABGB für den Erwerber nicht eingegriffen werden soll". Bei der gegebenen Notwendigkeit richtlinienkonformer Auslegung ließen sich die Bestimmungen des § 3 Abs 1 und § 6 Abs 1 AVRAG im Sinne der überwiegenden Literaturmeinungen dahin harmonisieren, dass sich die in § 6 Abs 1 AVRAG angeführte Haftungsbeschränkung des § 1409 ABGB nur auf die nicht auf Grund des § 3 Abs 1 AVRAG übernommenen Verpflichtungen beziehe, sohin auf solche aus zum Zeitpunkt des Übergangs nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnissen. Für diese Auslegung spreche, dass nach dem letzten Satz des § 6 Abs 1 AVRAG dies insbesondere für Leistungen aus betrieblichen Pensionszusagen des Veräußerers gelte, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits erbracht worden seien.
Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend dargestellt, dass in einer älteren Judikaturlinie ausgesprochen wurde, auch die Übernahme nur eines Teiles eines Unternehmens sei als Unternehmensübernahme im Sinn des § 1409 ABGB anzusehen, wenn der übernommene Teil eine selbständige Betriebsmöglichkeit biete. Der Übernehmer des Teilbetriebes hafte im Rahmen des § 1409 ABGB für alle Schulden des ehemaligen gemeinschaftlichen Unternehmens. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass durch die Schulden eines Unternehmens das ganze Vermögen des Unternehmens samt allen Teilbetrieben belastet werde und niemals davon gesprochen werden könne, dass zu einzelnen Teilbetrieben nur bestimmte Schulden gehören (SZ 25/266, SZ 32/74, SZ 44/170 ua). Es wurde auch ausgesprochen, dass es für das Vorliegen einer Vermögensübernahme und die daraus zu ziehenden Folgerungen keinen Unterschied mache, ob das Vermögen an eine Person oder an mehrere übergeben wurde, von denen jede die Übertragung an den anderen kennt und die Verträge in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen (HS 16.029; RdW 1995, 178).
Die Anwendung der Haftungsregel des § 1409 ABGB auf die Übernahme von Teilen eines Unternehmens wurde von der Lehre kritisiert (Koziol, Beeinträchtigung, 94; Ertl in Rummel ABGB2 § 1409 Rz 6; Honsell/Heidinger in Schwimann ABGB2 § 1409 Rz 15). Ertl aaO stellt dar, dass eine solche Begünstigung der Gläubiger, die über die Haftung für die zum übernommenen Vermögen oder Unternehmen "dazugehörigen" Schulden hinausgeht, weder im Wortlaut noch im Zweck des Gesetzes Deckung finde. Richtigerweise könne der Erwerb des Teilbetriebes oder des Teilvermögens nur eine Haftung für den darauf entfallenden Teil der Schulden auslösen.
Aus § 1409 Abs 1 ABGB ergibt sich, dass dem Gläubiger grundsätzlich gegen den Erwerber nur solche Ansprüche zustehen, die mit der Funktion des Vermögens als Haftungsfonds zusammenhängen oder in einem Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen. Das heißt, es muss ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Das gesetzliche Erfordernis der Zugehörigkeit von Schulden zu einem rechtsgeschäftlich übernommenen Vermögen wurde von der Rechtsprechung dann als entbehrlich erkannt, wenn dieses im Wesentlichen das gesamte Vermögen des Überträgers darstellt (SZ 54/67; 9 ObA 125/93; RdW 1995, 178; Ertl in Rummel ABGB2 § 1409 Rz 6 mwH). In seiner Entscheidung JBl 1996, 589 (Riedler) hat der Oberste Gerichtshof diese Ansicht dogmatisch ausführlich begründet und den Rechtssatz formuliert, ein Erwerber eines einzelnen Vermögensbestandteils müsse sich den Rechtsfolgen des gesetzlichen Schuldbeitritts in Analogie zu § 1409 ABGB nur dann aussetzen, wenn er schon bei Abschluss des dem Erwerber als Rechtstitel dienenden Verpflichtungsgeschäfts wusste, dass es sich dabei um das - zumindest im Wesentlichen - einzige Vermögen des Schuldners handelt oder er die Verhältnisse kannte, aus denen das erschlossen werden konnte. Jedenfalls dann, wenn der Erwerber nicht dem Kreis der nahen Angehörigen (§ 4 AnfO) zuzurechnen sei, habe der Gläubiger zu behaupten und zu beweisen, dass das Erwerbsobjekt das im Wesentlichen einzige Vermögen des Veräußerers sei und der Erwerber dies bei Vertragsabschluss wusste oder die Verhältnisse kannte, aus denen dieser ohne weiteres darauf schließen konnte. Die in der zitierten Entscheidung (dort hinsichtlich des Erwerbs einer Liegenschaft) angestellten Überlegungen lassen sich auch auf den Kauf eines Unternehmensteils übertragen, entbehrt doch auch dieser oftmals jener "warnenden Wirkung", die "die Vereinbarung einer Gesamtvermögensübertragung vermitteln" kann (Möschel in MünchKomm3 § 419 BGB Rz 9). Zudem differenziert § 1409 Abs 1 ABGB nicht zwischen der Veräußerung eines Vermögens oder eines Unternehmens und ordnet für beide Fälle die unmittelbare Verpflichtung des Übernehmers für die "aus dem zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen musste", an. Es kommt somit auch beim Kauf eines Unternehmensteils für den Umfang der Haftung für Arbeitnehmerforderungen entscheidend darauf an, ob damit das im Wesentlichen einzige Vermögen des Übergebers veräußert wurde und ob dies dem Übernehmer bekannt war oder zumindest bekannt sein musste.
Unbeschadet der Frage, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ihren tragenden Grund im Betriebsübergang gehabt hat und daher mit Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB behaftet ist (SZ 70/171; SZ 71/100; SZ 71/216; 8 ObS 126/00p ua), könnte somit eine Haftung der Klägerin nur dann Platz greifen, wenn sie Kenntnis davon gehabt hätte, der erworbene Unternehmensteil stelle das im Wesentlichen einzige Vermögen der übertragenden Gesellschaft mbH dar oder ihr zumindest Verhältnisse bekannt gewesen wären, die einen entsprechenden Schluss zuließen. Dies hat die dafür beweispflichtige Beklagte aber im Verfahren nicht behauptet, sodass die Ansprüche der Klägerin aus dem Arbeitsvertrag nicht schon deshalb nicht gesichert sind, weil sich Recht und Verbindlichkeit in einer Person vereinigt hätten (§ 1445 ABGB).
Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung SZ 70/168 (ihr folgend: SZ 71/100; 8 ObS 219/99k; 8 ObS 94/00g; 8 ObS 91/00s) ausgesprochen, dass bei bestehender Solidarhaftung des Übernehmers mit dem Übergeber des Unternehmens gemäß § 6 Abs 1 AVRAG für den rückständigen Lohn dem Arbeitnehmer auch bei Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Übergeber des Unternehmens, kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zustehe, weil es nicht Zweck des IESG sei, den Übernehmer von seiner gesetzlichen Haftung nach § 6 Abs 1 AVRAG faktisch zu entbinden. Auf diese Rechtsprechung hat sich die Beklagte offenbar berufen, als sie in erster Instanz darauf verwies, der Klägerin stünden ihre Ansprüche gegenüber der Betriebsübernehmerin zu. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat die Gattin des Geschäftsführers der Gesellschaft mbH ebenfalls einen Filialbetrieb, in welchem die Klägerin vorher nicht gearbeitet hatte, übernommen. Als Kaufpreis hat sie sämtliche Bankschulden der Gesellschaft mbH in ihr eigenes Zahlungsversprechen übernommen.
Ohne dass die Angehörigeneigenschaft (§ 1409 Abs 2 iVm § 32 Abs 2 KO) der Gattin des Geschäftsführers der Gesellschaft mbH und die sich daraus ergebenden Fragen der Beweislastverteilung zu klären wären, ist zu beachten, dass § 1409 Abs 1 letzter Satz ABGB - anders als § 3 Abs 1 AVRAG - die Haftung des Unternehmers insoweit beschränkt, als er an zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen, ihm bekannten oder bekannt sein müssenden Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert der übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Gegenleistung des Erwerbers dann zu berücksichtigen, wenn sie den Gläubigern des Veräußerers die gleiche Sicherheit und die gleiche Befriedigungsmöglichkeit wie dessen bisheriges Vermögen gewährt, etwa bei Eintausch einer Liegenschaft, die den wesentlichen Teil des Vermögens des Veräußerers bildet, gegen eine gleichwertige. Eine nicht äquivalente Gegenleistung liegt nicht nur dann vor, wenn sie dem Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens nicht entspricht, sondern auch dann, wenn sie nicht die gleiche Sicherheit und Befriedigungsmöglichkeit bietet (SZ 61/49; ÖBA 1991, 383; 7 Ob 274/00w). Dass die Übernahme sämtlicher Bankverbindlichkeiten durch die Gattin des Geschäftsführers der Gesellschaft mbH in diesem Sinne inadäquat gewesen wäre, hätte die Beklagte zu behaupten und zu beweisen gehabt. Selbst wenn man daher von einem Haftungsfall des § 1409 Abs 1 ABGB ausgehen wollte, könnte nach den Verfahrensergebnissen nicht mit Sicherheit gesagt werden, die Klägerin könne von einem Dritten Zahlung erlangen.
Das Berufungsgericht hat es schließlich in Anbetracht seiner Verneinung des Vorliegens gesicherter Ansprüche der Klägerin dahinstehen lassen, inwieweit bei Kenntnis der (mangelnden) Liquidität des Arbeitgebers die Auszahlung eines Kaufpreises trotz bestehender unbestrittener Gegenforderung als sittenwidrig zu Lasten des IESG-Fonds zu sehen wäre. Die Beklagte hat jedoch in erster Instanz weder den Einwand der Sittenwidrigkeit erhoben noch vorgebracht, die Klägerin habe die schlechte finanzielle Situation der Gesellschaft mbH gekannt oder kennen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber Sittenwidrigkeit nur auf Einrede wahrzunehmen; es müssen jene Tatumstände vorgebracht werden, die die Sittenwidrigkeit begründen können (RIS-Justiz RS0016451).
Aus den dargestellten rechtlichen Erwägungen ergibt sich auch, dass eine Zurückverweisung der Sozialrechtssache an das Berufungsgericht zur Erledigung der Beweisrüge nicht erforderlich ist, weil diese einerseits nicht relevante und andererseits vom Parteienvorbringen nicht umfasste Feststellungen begehrt.
Der Revision ist Folge zu geben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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