OGH 9ObA125/93

OGH9ObA125/9324.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva-Maria Sand und Anton Hartmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** R*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald, wider die beklagte Partei E***** P*****, Landesbediensteter, ***** vertreten durch Dr. Heinz Leitinger und Dr. Gerolf Haßlinger, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen S 998.480,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Februar 1993, GZ 7 Ra 112/92-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Mai 1992, GZ 35 Cga 110/91-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 17. Mai 1916 geborene A***** F***** war die Tante des Gatten der Klägerin und des Beklagten. Von Juni 1972 bis zum Ableben A***** F*****s am 24. Oktober 1990 erbrachte die Klägerin für sie unentgeltliche Dienstleistungen, wie Haus- und Gartenarbeiten und auch persönliche Hilfsdienste wie Eindrehen der Haare, da ihr A***** F***** die gesamte Erbschaft versprochen hatte. Sie erhielt zwar von F***** hin und wieder kleine Mengen an Naturalien, die aber nie das Ausmaß einer echten Gegenleistung erreichten. Am 28. September 1990 schlossen A***** F***** und der Beklagte vor einem auf Kommission im Krankenhaus befindlichen Notar einen Schenkungsvertrag, der mit einem Notariatsakt beurkundet wurde. Danach überließ A***** F***** dem Beklagten, ihrem Neffen, ihre vollständig lastenfreie Liegenschaft, bestehend aus zwei Grundstücken mit Haus im Gesamtausmaß von 1642 m**2 mit einem Einheitswert von 145.000 S. In dem Vertrag wurde festgehalten, daß das Wohnrecht A***** F*****s in dem Haus bis zu ihrem Ableben aufrecht bestehen bleibe; die Verbücherung dieses Wohnrechtes wurde vereinbart. Am 1. Oktober 1990 wurde das Eigentumsrecht des Beklagten auf der Liegenschaft einverleibt. In Unkenntnis dieses Notariatsaktes kümmerte sich die Klägerin um A***** F***** weiter bis zu deren Ableben am 24. Oktober 1990. Die Todfallsaufnahme ergab, daß, abgesehen von wertloser Wäsche und Kleidung, kein Nachlaß vorhanden war. Eine Verlassenschaftsabhandlung fand nicht statt.

Die Klägerin begehrt mit der am 8. April 1991 erhobenen Klage die Zahlung von 998.480,-- S sA. Sie habe seit 1972 wöchentlich 15 Stunden, ab 1983 wöchentlich zumindest 20 Stunden und während des Urlaubes wöchentlich zumindest 24 Stunden für A***** F***** gearbeitet. Diese habe ihr erklärt, sie brauche diese Arbeiten nicht umsonst machen, vielmehr würden sie und ihre Kinder Franz und Georg alles erben. Dies sei sämtlichen Verwandten, insbesondere auch dem Beklagten, sowie Bekannten und Nachbarn bekannt gewesen. Erst nach dem Ableben A***** F*****s sei ihr zur Kenntnis gekommen, daß diese ihre Versprechungen nicht eingehalten habe, sie vielmehr bereits 1986 ein Testament zugunsten des Beklagten errichtet und diesem die Liegenschaft schließlich übergeben habe. Der Beklagte habe davon Kenntnis gehabt, daß sie berechtigt sei, ihre Entgeltansprüche gegen A***** F***** geltend zu machen. Der Beklagte hafte als Vermögensübernehmer gemäß § 1409 ABGB für die Entgeltansprüche der Klägerin.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe Arbeits- und Betreuungsleistungen nicht in dem von ihr behaupteten Umfang erbracht; A***** F***** sei nicht pflegebedürftig gewesen; kleinere Handreichungen seien auch von Dritten erbracht worden. Die Klägerin sei berufstätig und daher gar nicht in der Lage gewesen, A***** F***** im behaupteten Ausmaß zu betreuen. Tatsächlich geleistete Dienste seien von A***** F***** durch Geld- und Naturalleistungen abgegolten worden. Diese habe auch gegenüber nahestehenden und vertrauten Personen betont, daß die Klägerin und deren Familie von ihr nahezu das gesamte Barvermögen erhalten hätten und keinerlei weitere Forderungen bestünden. Die Klageforderung sei überdies verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe wohl Entgeltansprüche erworben, weil A***** F***** die Zusage der letztwilligen Zuwendung ihres Vermögens nicht eingehalten habe. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Lohnansprüche frühestens mit der Errichtung des Notariatsaktes vom 28. September 1990 fällig geworden seien. Die Ansprüche auf Zahlung des Arbeitsentgeltes seien auf den Nachlaß übergegangen. Der Beklagte hafte jedoch nicht als Erbe, weil der Nachlaß armutshalber abgetan worden sei. Auch eine Haftung des Beklagten wegen Übernahme eines Vermögens gemäß § 1409 ABGB bestehe nicht. Vermögen im Sinne dieser Bestimmung sei nur der Inbegriff der in Geld schätzbaren körperlichen und unkörperlichen Güter einer Person, also der gesamte Güterbestand einer Person. Eine einzelne Sache, auch eine einzelne Liegenschaft sei nicht Vermögen im Sinne des § 1409 ABGB. A***** F***** habe dem Beklagten nicht ihr gesamtes Vermögen überlassen, sondern sich ein Wohnungsrecht vorbehalten, das in Geld schätzbar sei und einen Vermögenswert bilde. Schon aus diesem Grund sei eine Haftung des Beklagten gemäß § 1409 ABGB ausgeschlossen. Überdies würde der Beklagte nur dann für zum Vermögen gehörige Schulden haften, wenn ihm im Übernahmezeitpunkt bekannt gewesen sei, daß die Klägerin zum übergebenen Vermögen gehörende Entgeltansprüche gegen A***** F***** gehabt habe oder ihm dies hätte bekannt sein müssen. Die Klägerin habe jedoch die Arbeiten nur für A***** F***** persönlich erbracht. Wegen des höchstpersönlichen Charakters der Dienstleistungen der Klägerin sei nicht anzunehmen, daß der Beklagte dies gewußt habe oder hätte wissen müssen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Das gesetzliche Erfordernis der Zugehörigkeit von Schulden zu einem rechtsgeschäftlich übernommenen Vermögen sei zwar jedenfalls dann entbehrlich, wenn das übernommene Vermögen im wesentlichen das gesamte Vermögen des Überträgers umfasse; hiebei es unerheblich sei, wenn unwesentliche Teile des Vermögens von der Übereignung ausgenommen worden seien. Das A***** F***** eingeräumte höchstpersönliche Wohnungsrecht hätte nur zur Befriedigung ihrer eigenen Wohnbedürfnisse dienen sollen; sie hätte diese Befugnis nicht auf andere Personen übertragen können. Mangels Verwertbarkeit dieses Rechtes habe A***** F***** ihr ganzes Vermögen auf den Beklagten übertragen. Dies ergebe sich auch daraus, daß der Nachlaß praktisch vermögenslos gewesen sei. Dies sei auch dem Beklagten bekannt gewesen. Den ihm zufolge seiner Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 32 KO obliegenden Gegenbeweis habe er nicht erbracht.

Entscheidend sei daher die Frage, ob dem Beklagten der Beweis gelungen sei, daß ihm die von der Klägerin behaupteten Forderungen bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mußten. Zum Eintritt dieser Haftung genüge ein auch ein leichtes Verschulden des Übernehmers bei der Klärung der Schuldenlast des Übergebers. Nach den Ausführungen des Erstgerichtes zur Beweiswürdigung sei nicht erwiesen, daß der Beklagte von den Entgeltansprüchen der Klägerin Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Die Klägerin habe nicht einmal behauptet, daß sie den Beklagten darauf aufmerksam gemacht hatte, daß sie die Dienstleistungen nur deshalb unentgeltlich erbringe, weil ihr bzw. ihren Kindern Teile der Erbschaft versprochen worden seien. Auch daß sich die Klägerin zu dritten Personen, in dieser Richtung geäußert habe, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Entscheidend sei auch, daß der vertragserrichtende Notar A***** F***** ausdrücklich gefragt habe, ob gegenüber der Familie der Klägerin allfällige Verpflichtungen bestünden, was sie verneint habe. Die näheren Umstände und diese qualifizierte Befragung hätten den Beklagten von der Verpflichtung enthoben, weitere Nachforschungen etwa bei der Klägerin anzustellen. Der Beklagte habe sich auf die Äußerung A***** F*****s verlassen können; es sei ihm keine Verletzung der Nachforschungspflicht anzulasten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen; hilfsweise wird der Antrag gestellt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 1409 ABGB ist derjenige, der ein Vermögen oder Unternehmen übernimmt, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übernahme kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Er wird von der Haftung nur insoweit befreit, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmers beträgt. Ist der Übernehmer ein naher Angehöriger des Veräußerers (§ 32 KO), so trifft ihn diese Verpflichtung, soweit er nicht beweist, daß ihm die Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mußten. Die Bestimmung des § 1409 ABGB, auf die die Klage gestützt ist, geht von dem Grundgedanken aus, daß das Vermögen des Überträgers die objektive Haftungsgrundlage für die Forderungen seiner Gläubiger bildet und den Gläubigern durch die Übertragung des im wesentlichen ganzen Vermögens ihres Schuldners auf eine andere Person ihre bisherige Haftungsgrundlage nicht entzogen werden soll (Ertl in Rummel**2 Rz 1 zu § 1409 ABGB; Koziol JBl 1967, 550 ff [553]; JBl 1980, 95; SZ 56/140 ua). Bei einem übernommenen Vermögen wird grundsätzlich für alle Schulden gehaftet, die zu dem Vermögen gehören. Das Erfordernis der Zugehörigkeit der Schulden zum übernommenen Vermögen ist allerdings dann entbehrlich, wenn das übernommene Vermögen im wesentlichen das gesamte Vermögen des Überträgers bildet (Ertl aaO Rz 6 zu § 1409 ABGB; SZ 52/12; EvBl 1980/141; SZ 54/67 ua), sofern den Gläubigern durch die Übertragung des Vermögens die Haftungsgrundlage entzogen wird, wenn also die Übertragung zu einer Vermögensverminderung führt, da anstelle der übergebenen Sachen kein Verkaufserlös tritt (SZ 59/163).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß A***** F***** mit der übergebenen Liegenschaft praktisch ihr gesamtes Vermögen auf den Beklagten übertrug. Die Einräumung eines Wohnungsrechtes auf der übergebenen Liegenschaft hat dabei außer Betracht zu bleiben, weil dieses höchstpersönliche Recht, abgesehen von seinem im Vergleich zum Wert der übergebenen Liegenschaft geringen Wert, keinen Haftungsfonds der Gläubiger der Übergeberin bilden konnte. Die Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher zutreffend, soweit es diese Voraussetzung der Haftung des Beklagten für die Verbindlichkeiten A***** F*****s bejahte. Im übrigen kann aber der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht beigetreten werden.

Das Berufungsgericht verneinte letztlich die Haftung des Beklagten mit der Begründung, das Erstgericht habe seiner Entscheidung zugrundegelegt, daß der Beklagte von den Ansprüchen der Klägerin keine Kenntnis hatte und hievon auch keine Kenntnis haben mußte. Ob eine Partei von einer bestimmten Tatsache Kenntnis hatte, ist eine Tatfrage; die Frage, ob eine bestimmte Tatsache einer Partei hätte bekannt sein müssen, ist hingegen der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen (Arb 9785; SZ 56/36; WBl 1988, 99 ua). Die Feststellung, daß der Beklagte von den Forderungen der Klägerin keine Kenntnis haben mußte, ist daher keine Tatsachenfeststellung, sondern in Wahrheit eine rechtliche Wertung, für die jedoch in den Feststellungen jede Grundlage fehlt. Im fortgesetzten Verfahren werden daher alle Umstände zu prüfen und festzustellen sein, die für die Beurteilung der Frage erforderlich sind, ob der Beklagte von der Forderung Kenntnis haben mußte. Da der Beklagte als Neffe der Übergeberin dem Personenkreis des § 32 KO angehört, trifft ihn die Beweislast dafür, daß er von den in Frage stehenden Forderungen der Klägerin keine Kenntnis haben mußte. Die Erklärung der Übergeberin allein, daß die Klägerin und ihre Familie gegen sie keine Ansprüche habe, reicht für den vom Beklagten zu führenden Nachweis jedenfalls nicht aus (idS SZ 47/80 = EvBl 1975/19). Der Umstand, daß gerade diese Frage anläßlich der Vertragserrichtung erörtert wurde, weist vielmehr darauf hin, daß solche Forderungen nahelagen, was eine entsprechende Nachprüfung durch den Beklagten geboten hätte, zumal es zum Eintritt der Haftung nach § 1409 ABGB genügt, daß den Übernehmer auch nur leichtes Verschulden bei Klärung der Schuldenlast des Übergebers trifft.

In diesem Punkt erweisen sich die Feststellungen ergänzungsbedürftig. Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, daß nach den dargestellten Grundsätzen die Haftung des Beklagten gemäß § 1409 ABGB zu bejahen ist, so wird auch die Höhe der geltend gemachten Ansprüche zu prüfen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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