OGH 8ObS94/00g

OGH8ObS94/00g30.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Walter Kraft und MMag Albert Ullmer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ludwig W*****, Tischler, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Oberösterreich, Linz, Gruberstraße 63, vertreten durch durch die Finanzprokuratur Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (S 97.509,-- netto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Jänner 2000, GZ 12 Rs 264/99a-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. August 1999, GZ 19 Cgs 62/99k-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 21. 4. 1992 bis 31. 3. 1996 bei Karl S*****, Tischlermeister, sodann vom 1. 4. 1996 bis 30. 6. 1996 bei Johann M*****, Tischlermeister, der den Betrieb Karl S***** und dessen Arbeitnehmer übernahm, beschäftigt. Am 28. 6. 1996 kündigte Johann M***** das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist auf. Seit 1. 7. 1996 (bis jetzt) ist der Kläger auf Grund einer Rückübertragung des Betriebes wieder bei Karl S***** beschäftigt. Am 29. 11. 1996 wurde über das Vermögen des Johann M***** das Konkursverfahren eröffnet. In der Folge kam es zum Abschluss eines Zwangsausgleiches. Im Verfahren 14 Cga 41/97m des Erstgerichtes machte der Kläger gegen Johann M***** beendigungsabhängige Ansprüche von insgesamt S 112.863,12 sA geltend. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht wurde dem Kläger die Zwangsausgleichsquote von S 22.572,62 zuerkannt und das Mehrbegehren abgewiesen. Dieses Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof zu 9 ObA 240/98d bestätigt.

Der Kläger begehrt für die noch offenen Ansprüche aus der fristwidrigen Beendigung seines Dienstverhältnisses durch Johann M***** (Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 1. 7. bis 30. 9. 1996; Urlaubsentschädigung für 22,5 Arbeitstage, Abfertigung von 2 Monatsentgelten) sowie Zinsen und Kosten Insolvenzausfallgeld von insgesamt S 97.509,--.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Begründung der Berufungsentscheidung, dem Kläger stehe im Falle des zweimaligen Überganges seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Abs 1 AVRAG nach Konkurseröffnung gegen den "Zwischenerwerber" neben den Ansprüchen gegen den Erstübergeber und Zweitübernehmer, der gemäß § 6 Abs 1 AVRAG solidarisch mit dem "Zwischenerwerber" hafte, kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld auch dann zu, wenn nach Rückübertragung des Betriebes auf den Erstarbeitgeber gegen den "Zwischenerwerber" ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde (vgl SZ 70/168 = DRdA 1998/24, 245 [Wachter]; 8 ObS 219/99k; aM Grießer, Insolvenzsicherung und Haftung des Unternehmenserwerbers gemäß § 6 AVRAG, RdW 1998, 617) ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist zu erwidern:

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass der Kläger sein Wahlrecht hinsichtlich der Kündigung zum 30. 6. 1996 in der Weise ausüben könne, dass er statt der Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung (wegen Rückübertragung des Betriebes auf den Erstarbeitgeber gemäß § 3 Abs 1 AVRAG) die rechtlichen Ansprüche aus der rechtswidrigen Kündigung gegen den "Zwischenerwerber" geltend machen könne (wie der Oberste Gerichtshof zu 9 ObA 240/98d ausgesprochen hat, können die Nichtigkeit einer Kündigung oder die Folgen der nichtigen Kündigung auch nur gegenüber einem der zur ungeteilten Hand haftenden Schuldner geltend gemacht werden); dies aber nicht zu Lasten der beklagten Partei, weil eine solche Vorgangsweise gegen § 879 Abs 1 ABGB verstößt, soweit damit Verpflichtungen des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds begründet werden sollen, und damit rechtsmissbräuchlich ist (vgl das Sozialstaatsprinzip die sich daraus ergebende Verpflichtung des Versicherten gegenüber der Versichertengemeinschaft zur Abwendung oder Minderung des die öffentlichen Sozialleistungen begründenden "Schadens": vgl 10 ObS 149/97; 10 ObS 287/88; 8 ObA 153/97a; 8 ObA 2157/96f; 10 ObS 2303/96s ua).

Dem behaupteten Verstoß dieses Auslegungsergebnisses gegen den Schutzzweck der Betriebsübergangsrichtlinie 77/187 EWG ist zu erwidern, dass Art 10 Abs 1 der Insolvenz-Richtlinie die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt lässt, die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen (lit a). Der Kritik an der eingangs zitierten Entscheidung ist entgegenzuhalten, dass die Vorfinanzierung gemäß § 11 IESG durch den Fonds dazu führte, dass sich der Arbeitgeber, der den Kläger bis auf drei Monate ausschließlich beschäftigt hat, dadurch der Schuld für Forderungen (zB Abfertigung, Urlaubsentschädigung) entledigen könnte. Außerdem hat der Kläger für den Zeitraum, für den er Kündigungsentschädigung im Ausmaß von drei Monatsentgelten begehrt, vom Erstarbeitgeber ohnedies sein laufenden Entgelt erhalten, sodass sein Klagebegehren auf eine unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses unberechtigte Doppelliquidation zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hinausliefe; dies gilt insbesondere dann, wenn man den Entscheidungen ZIK 1996, 219 und 8 ObS 219/99k sowie dem Wortlaut der Bestimmung folgend, § 11 IESG dahin auslegt, dass gesicherte Ansprüche des Arbeitnehmers auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds nur soweit übergehen, als sie gegen den insolventen Arbeitgeber zustehen. Eine solche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ist vom Zweck des IESG, die Existenz des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen zu sichern, nicht umfasst.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Revision war die Entscheidung SZ 70/168 schon veröffentlicht, gegen die sich der Kläger mit nicht überzeugenden Argumenten gewandt hat, sodass besondere rechtliche Schwierigkeiten, die das Berufungsgericht zum Kostenzuspruch an den Kläger veranlassten, nicht vorliegen.

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