OGH 8ObS219/99k

OGH8ObS219/99k27.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter OSR Dr. Felix Joklik und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Annemarie G*****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr und Dr. Josef Kantner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Tirol, 6010 Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 3, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 55.228,64 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Juni 1999, GZ 25 Rs 49/99p-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Februar 1999, GZ 47 Cgs 218/98g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 15. 10. 1991 als Kellnerin in der sogenannten "Oldie-Bar" beschäftigt. Das Unternehmen wurde ursprünglich vom Lokaleigentümer geführt, der es mit 1. 6. 1995 an eine Gesellschaft mbH übertrug. Diese übernahm die Klägerin als Kellnerin mit allen Rechten und Pflichten, ohne dass zuvor ihre Ansprüche vom bisherigen Lokalinhaber endabgerechnet worden wären. Die Klägerin arbeitete drei Tage in der Woche jeweils ab 21 Uhr in dem Lokal. Der Bruttomonatslohn der Klägerin betrug S 7.601 und wurde ihr bis einschließlich Februar 1997 ausbezahlt. Am 18. 3. 1997 fand die Klägerin bei Dienstantritt das Lokal versperrt vor. Die Geschäftsführerin der Gesellschaft mbH teilte ihr am 19. 3. 1997 über telefonische Anfrage mit, dass sie den Betrieb nicht mehr aufsperren werde. Das Dienstverhältnis der Klägerin wurde von der Geschäftsführerin nicht unter Einhaltung der 14-tägigen Kündigungsfrist aufgekündigt. Die Klägerin wurde von der Gesellschaft mbH bereits mit 13. 3. 1997 bei der Sozialversicherung abgemeldet. Als Abmeldungsgrund wurde "Betriebsauflösung" angegeben.

Seit 10. 4. 1997 betreibt wieder der Lokaleigentümer die Bar. Die Klägerin ist seit diesem Tag wieder als Kellnerin im Lokal beschäftigt.

Die Klägerin erwirkte gegen die Gesellschaft mbH den Zahlungsbefehl vom 10. 6. 1997, womit die Gesellschaft mbH zur Zahlung eines Nettobetrages von S 43.389,07 sA an beendigungsabhängigen Ansprüchen der Klägerin verurteilt wurde. Ein zur Hereinbringung dieses Betrages eingeleitetes Fahrnisexekutionsverfahren blieb erfolglos. Am 30. 7. 1997 beantragte die Klägerin die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft mbH. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Konkursgerichtes vom 17. 9. 1997 mangels Nachweises verwertbaren Vermögens abgewiesen. Mit Antrag vom 30. 9. 1997 begehrte die Klägerin von der Beklagten Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche aus einem behaupteten Arbeitsverhältnis vom 15. 10. 1991 bis 15. 3. 1997 von netto insgesamt S 54.260,42, beinhaltend aliquoten Lohn für März 1997, Nachtarbeitszuschlag für März 1997, Sonderzahlungen für das Jahr 1997, Kündigungsentschädigung einschließlich Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung, Abfertigung, Zinsen, Kosten des Zahlungsbefehls, Exekutions- und Vollzugskosten, sowie Kosten des Konkursantrags. Mit Bescheid vom 20. 10. 1998 wurde dieser Antrag der Klägerin von der Beklagten mangels Vorliegens gesicherter Ansprüche im Sinn des § 1 Abs 2 IESG abgelehnt.

Mit ihrer am 24. 11. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung dieser Ansprüche schuldig zu erkennen. Es liege ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis der Klägerin vom 15. 10. 1991 bis 15. 3. 1997 vor, das dadurch geendet habe, dass die Gesellschaft mbH das Unternehmen gesperrt und der Klägerin mitgeteilt habe, dass ihr Beschäftigungsverhältnis zu Ende sei. Ein Betriebsübergang gemäß § 3 AVRAG sei nicht erfolgt, weil einerseits das stillgelegte Lokal, in dem die Gesellschaft mbH die Bar betrieben habe, kein Unternehmen und keinen Betrieb darstelle und andererseits die Klägerin im Zeitpunkt der Neueröffnung längst nicht mehr bei der Gesellschaft mbH beschäftigt gewesen sei. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei fristwidrig wegen der Insolvenz der Gesellschaft mbH erfolgt, weshalb die Kündigung richtlinienkonform gewesen sei. Wegen der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft mbH sei auch das Pachtverhältnis beendet worden. Die Tatsache, dass der Eigentümer des Lokals nach Wochen die Bar neu eröffnet habe, bedeute keine haftungsbegründende Unternehmensnachfolge im Sinn der §§ 1409 ABGB, 25 ff HGB, weil keine Unternehmensveräußerung vorliege.

Die Beklagte wendete dagegen ein, dass der Verpächter gewerberechtlicher Geschäftsführer der pachtenden Gesellschaft mbH gewesen sei und alle den Betrieb betreffenden Entscheidungen getroffen habe. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe ursprünglich zum Lokaleigentümer bestanden, sei dann auf die Gesellschaft mbH übergegangen und schließlich auf den Lokaleigentümer rückübertragen worden. Das Pachtverhältnis stelle sich in Wahrheit als Scheingeschäft dar, sodass überhaupt davon auszugehen sei, der Lokaleigentümer sei durchgehend Arbeitgeber der Klägerin gewesen. Jedenfalls hafte er gemäß § 6 Abs 1 AVRAG zur ungeteilten Hand mit der Gesellschaft mbH für die Ansprüche der Klägerin aus ihrem Arbeitsverhältnis. Hinsichtlich der geltend gemachten Urlaubsentschädigung fehle es an der notwendigen Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil dieses auf Grund der Betriebsübernahme als durchlaufend anzusehen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass ein Betriebsübergang von der Gesellschaft mbH auf den Eigentümer des Lokals stattgefunden habe. Der Tatbestand des Betriebsübergangs setze keine Veräußerung und keinen Eigentümerwechsel voraus, weil es nur darauf ankomme, dass der für die Geschicke des Betriebes Verantwortliche wechsle. Die Rückübertragung nach einem Pachtverhältnis werde in der Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich als tatbestandsmäßig im Sinn des Art 1 Abs 1 und 3 der Übergangsrichtlinie bezeichnet. Der Übernehmer hafte gemäß § 6 Abs 1 AVRAG zur ungeteilten Hand mit der Gesellschaft mbH für die Ansprüche der Klägerin, weshalb der Anspruch nicht gesichert sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Aus den vom Erstgericht zur behaupteten Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin getroffenen Feststelllungen ergebe sich, dass eine rechtlich wirksame Kündigungs- oder Entlassungserklärung, die auf Auflösung des Dienstverhältnisses gerichtet gewesen sei, nicht vorliege. Das Dienstverhältnis der Klägerin habe daher über den 19. 3. 1997 hinaus weiter Bestand gehabt und sei vom Lokaleigentümer übernommen worden. Die beendigungsabhängigen Ansprüche der Klägerin stellten sich als rechtsgrundlos erhoben dar. Es habe hinsichtlich des Lokals ein Betriebsübergang gemäß § 3 Abs 1 AVRAG an den Verpächter stattgefunden. Die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG sei im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden, weil sie nur ein gerichtlich eröffnetes Konkursverfahren erfasse, nicht aber die Abweisung eines Konkursantrags mangels kostendeckenden Vermögens. In letzterem Fall verbleibe es bei der Grundregel des § 3 Abs 1 AVRAG und sohin bei einer Solidarhaftung der Gesellschaft mbH mit dem Betriebsübernehmer gemäß § 6 AVRAG. Der Zweck des IESG sei in der Existenzsicherung der Arbeitnehmer zu sehen und nicht darin, den Übernehmer eines Betriebes von seiner gesetzlichen Haftung zu entbinden. Da mit den Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds im Interesse der Allgemeinheit sparsam umgegangen werden müsse, gehe es nicht an, Ansprüche der Arbeitnehmer aus Fondsmitteln zu befriedigen, wenn auch Dritte dafür haften. Die Klägerin habe im erstinstanzlichen Verfahren weder behauptet noch bescheinigt, dass dem Verpächter die Haftungsbeschränkung des § 1409 ABGB zu Gute komme. Der Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft mbH könne die Haftung gemäß § 6 AVRAG nicht ausschließen, da dem Verpächter das in seinem Eigentum stehende Geschäftslokal rückübertragen worden sei.

Der dagegen erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat in seiner vielfach veröffentlichten (SZ 70/168 = EvBl 1998/11 = ZIK 1997, 231 = RdW 1998, 355 = DRdA 1998/24 [Glosse Wachter]) Entscheidung 8 ObS 2164/96k ausgesprochen, dass kein Insolvenz-Ausfallgeld für rückständige Lohnansprüche, die noch gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber fällig geworden waren, zustehe, wenn zwar der ehemalige Arbeitgeber in Insolvenz verfallen ist, die Arbeitsverhältnisse aber nicht beendet wurden, sondern auf den Übernehmer gemäß § 3 Abs 1 AVRAG übergegangen sind, sodass Veräußerer und Übernehmer gemäß § 6 Abs 1 AVRAG solidarisch für die offenen Ansprüche haften. Diese Entscheidung wurde von Wachter (aaO) und Weber (DRdA 1998, 148, "Kein Insolvenz-Ausfallgeld bei Solidarhaftung des Betriebserwerbers") kritisiert, und zwar vornehmlich unter dem Gesichtspunkt, dass im dort zu beurteilenden Fall der Zeitpunkt des Beschlusses auf Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses über den ehemaligen Arbeitgeber vor dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges lag. Der erkennende Senat habe nicht begründet warum und auf welche Art und Weise der zunächst entstandene Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang nachträglich wieder beseitigt worden sein soll. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der einmal entstandene Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld durch einen danach stattfindenden Betriebsübergang und das daraus resultierende Hinzukommen eines (auch möglicherweise solventen) solidarischen Schuldners in keiner Weise berührt werde. Der dogmatisch saubere Weg zu dem an sich erstrebenswerten Ziel nicht den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu belasten wenn es einen solventen Solidarschuldner gebe, führe vielmehr zur Bejahung des Anspruches und in der Folge zur Anwendung der Legalzession gemäß § 11 IESG.

Auf den von beiden Autoren hauptsächlich behandelten Kritikpunkt, dass ein durch die Abweisung des Konkursantrages bereits entstandener Anspruch nach dem IESG durch den nachträglichen Betriebsübergang wieder beseitigt werde, muss hier nicht eingegangen werden, weil der hier zu beurteilende Fall insofern anders gelagert ist, als die Abweisung des von der Klägerin gestellten Konkursantrages Monate nach der Neueröffnung des Lokals durch dessen Eigentümer erfolgte. Ob die beiden Glossatoren auch bei derartiger zeitlicher Abfolge der Auszahlung der geltend gemachten Ansprüche an den Arbeitnehmer und dem nachfolgenden Regress beim Übernehmer den Vorzug geben würden, kann ihren Äußerungen nicht kar entnommen werden, führt doch insbesondere Wachter aus, die Absicht, das IESG so auszulegen, dass Missbräuche und Machinationen im Zusammenhang mit dem Insolvenz-Ausfallgeld möglichst hintangehalten werden, sei ohne Zweifel zu begrüßen, sie könne auch teleologisch gut untermauert werden. Weber aaO bezeichnet das Ergebnis sogar als billig, führt allerdings den offenbar allgemein gehaltenen Gedanken in die Diskussion ein, dass es sowohl dem Schutzgedanken des IESG als auch jenem des AVRAG widersprechen würde, das Risiko bezüglich der Liquidität des Erwerbers auf den Arbeitnehmer zu überwälzen.

Letzterem Bedenken vermag der erkennende Senat zumindest für die diesem Rechtsstreit zu Grunde liegende Fallkonstellation nicht beizutreten. Wie in dem zitierten Erkenntnis ausführlich begründet, ist der Umfang der Existenzsicherungsfunktion des IESG nicht nur durch die Interessen des Arbeitnehmers sondern auch jene der Allgemeinheit am Bestehen eines finanzierbaren Modells begrenzt. Diesem Zweck des IESG würde es widersprechen, Ansprüche zu sichern, deren Zahlung der Arbeitnehmer auch von einem Dritten, nämlich dem solidarisch haftenden Übernehmer, erlangen könnte. In diesem Zusammenhang ist auf die auch in der hier anzuwendenden Fassung des IESG vor der Novelle BGBl I Nr 107/1997 enthaltene Ausschlußbestimmung des § 1 Abs 3 Z 5 IESG zu verweisen, wonach Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche nach Abs 2 nicht gebührt, sofern auf Grund gesetzlicher Anordnung ein anderer als der Arbeitgeber (ehemaliger Arbeitgeber) zur Zahlung verpflichtet ist. Mag diese Gesetzesstelle bisher auch auf die Fälle der nur gegen die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zu richtenden Ansprüche bezogen worden sein (WBl 1991, 328) so wird dadurch doch der bereits dargestellte Zweck des Gesetzes verdeutlicht, Dritte nicht von den sie gesetzlich treffenden Lasten zu entbinden. Das von Weber aaO angesprochene Risiko der Liquidität des Arbeitgebers soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur in den im § 1 Abs 1 IESG genannten Fällen gemildert werden, sodass der Schutzgedanke des Gesetzes in Ansehung des Übernehmers erst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen Platz greift. Entgegen der Ansicht Webers ist die Erlangung von Insolvenz-Ausfallgeld vom Schutzzweck des AVRAG zweifelsohne nicht erfasst, geht es doch nach dem maßgeblichen Zweck des Art 3 Abs 1 der Richtlinie 77/187 EWG , der durch § 3 AVRAG umgesetzt wurde, ausschließlich darum, bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers das bestehende Arbeitsverhältnis mit sämtlichen den Arbeitgeber treffenden Rechten und Pflichten soweit wie möglich unverändert aufrecht zu erhalten. Dieser Schutzzweck spricht aber geradezu dagegen, das Arbeitsverhältnis mit dem insolventen Veräußerer getrennt von jenem mit dem Übernehmer zu sehen (wogegen auch nicht die lediglich die Haftung und nicht die Natur des Arbeitsverhältnisses betreffende Bestimmung des § 6 AVRAG spricht) und läßt auch nicht einsichtig erscheinen, warum ein Teil der auf den Übernehmer übergegangenen Arbeitgeberpflichten vom Fonds getragen werden sollte. Zu letzterer Überlegung ist den Ausführungen Wachters aaO über die Legalzession gemäß § 11 IESG und die sich daraus ergebende Möglichkeit des Regresses gegenüber dem Erwerber zu entgegnen, dass die Gesetzesbestimmung zweifelsohne einen Betriebsübergang nicht im Auge hat. Ihr Abs 3, wonach grundsätzlich der Zugriff auf künftiges Vermögen, das der Arbeitgeber nach der Aufhebung des Konkurses erworben hat, im Umfang der Legalzession ausgeschlossen ist, legt nahe, dass der Rückgriffsanspruch auch unter Berücksichtigung des gesamten Aufbaus des § 11 IESG (vgl insbes die konkursbezogenen Wendungen in Abs 1) nur gegenüber dem insolventen Arbeitgeber bestehen soll. Eine Ausdehung der Rückgriffsmöglichkeiten erschiene - neben der mangelnden Deckung im Gesetzeswortlaut - auch verfassungsrechtlich bedenklich. Die Gesetzesverfasser vertraten von Haus aus die Ansicht, dass der Inhalt des IESG sozialversicherungsrechtlicher Natur sei. Im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG (Sozialversicherungswesen) sei somit die Bundeskompetenz für die Gesetzgebung und Vollziehung gegeben. Allerdings wurden im Begutachtungsverfahren Bedenken geäußert, dadurch dass nur der Arbeitgeber zur Beitragsleistung verpflichtet sei, werde keine Risikogemeinschaft gebildet, die nach dem grundlegenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg 3721) aber ein Wesenselement der Sozialversicherung bilde. Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen wurden spezielle Rückgriffsausschlüsse in das Gesetz aufgenommen. Damit erhält der Arbeitgeber aus der Sicht der skizzierten verfassungsrechtlichen Argumentationen ein Äquivalent für seine Beitragsleistung, sodass der Kompetenztatbestand "Sozialversicherungswesen" nunmehr unzweifelhaft gegeben ist (ErlRV 464 Blg NR 14.GP 7; Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 347). Eine im wesentlichen auf das Konkursverfahren beschränkte Regressmöglichkeit kann aber gegenüber dem solventen Übernehmer denknotwendig nicht angenommen werden. Er könnte vielmehr nur unbeschränkt haften, was aber der Gesetzgeber aus den dargestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen gerade nicht anordnen wollte. Hiezu kommt im gegenständlichen Fall, dass nach dem zweiten Absatz des § 11 Abs 3 IESG die Beschränkung auf das konkursverfangene Vermögen sinngemäß auch in den im Abs 1 Z 1 bis 7 (nunmehr Z 6) IESG angeführten Fällen gelten sollte. Das bedeutet für den Fall der Ablehnung eines Konkursantrages mangels hinreichenden Vermögens den praktischen Entfall des Rückgriffsrechts, weil altes Vermögen in nennenswerter Höhe offenbar nicht vorhanden ist und auf neues nicht gegriffen werden darf (Holzer/Reissner/Schwarz aaO 148). Damit käme es aber zur alleinigen Zahlungspflicht des Übernehmers, welcher Umstand die Annahme des Bestehens eines gesicherten Anspruches schon gemäß § 1 Abs 3 Z 5 IESG ausschließt. Dass § 11 IESG nicht den Regress gegenüber dem nicht in Konkurs verfallenen Übernehmer regeln wollte, erhellt auch aus den Bestimmungen über die vom insolventen Arbeitgeber bzw dem Masse- oder Ausgleichsverwalter einzuholende Äußerung in § 6 Abs 3 bis 7 IESG, welche ebenfalls nicht auf eine dritte unbeschränkt regresspflichtige Person abstellen. Die Untersuchung des von Wachter aaO als dogmatisch tragfähig bezeichneten Weges im Falle des Betriebsübergangs vorerst Zahlung der Forderungen gegen den insolventen Veräußerer durch den Fonds zu verlangen und diesen dann auf den Regress gemäß § 11 IESG gegenüber dem Übernehmer zu verweisen, zeigt, dass zur Ermöglichung dieses Vorgangs nicht nur das IESG in einer jede zulässige Analogie sprengenden nur vom gewünschten Ergebnis getragenen Form interpretiert werden müsste, sondern dass dadurch auch tief in die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung eingegriffen würde. Ist aber eine Regressmöglichkeit der Beklagten gegenüber dem Übernehmer zu verneinen, würden Zahlungen des Fonds an die Klägerin den Übernehmer tatsächlich endgültig von der ihn gemäß § 6 AVRAG treffenden Haftung entlasten, wie dies bereits in der eingangs zitierten Entscheidung des erkennenden Senates 8 ObS 2164/96k als nicht dem Gesetzeszweck entsprechend dargestellt wurde.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Ansprüche der Klägerin gegen die Gesellschaft mbH dann nicht nach dem IESG gesichert sind, wenn ein Betriebsübergang mit Übernahme des Arbeitsverhältnisses der Klägerin stattgefunden hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen für die Abweisung des Klagsanspruchs ist aus folgenden Überlegungen zu bejahen:

Im Revisionsverfahren wird nicht mehr bestritten, dass die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG, wonach im Fall des Konkurses des Veräußerers die Anordnungen des § 3 Abs 1 AVRAG über den Betriebsübergang keine Gültigkeit haben, im Fall der Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens nicht zur Anwendung gelangt. Es genügt daher, auf die ausführlich begründete Vorjudikatur SZ 68/187 und SZ 70/168 zu verweisen. Maßgeblicher Zweck des somit trotz des gegen den Veräußerer abgewiesenen Konkursantrages anzuwendenden § 3 Abs 1 AVRAG ist - wie bereits dargestellt - die Aufrechterhaltung der Rechte des Arbeitnehmers bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers soweit wie möglich zu gewährleisten. Dem Arbeitnehmer wird die Möglichkeit eingeräumt, das Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Inhaber zu denselben Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart worden waren. Die Voraussetzungen eines solchen Betriebsüberganges sind nach den den betreffenden Vorgang kennzeichnenden tatsächlichen Umständen zu beurteilen. Dabei ist im Sinne eines beweglichen Systems eine Gesamtbewertung der einzelnen vorliegenden Tatbestandsmerkmale vorzunehmen, zumal der Betriebsübergang in einem sehr weiten Sinn zu verstehen ist. Zu diesen Tatbestandsmerkmalen zählen unter anderem:

Die Übernahme der materiellen und immateriellen Betriebsmittel, des Großteils der Belegschaft, die Ähnlichkeit der vor und nach der Übernahme verrichteten Tätigkeit, der Übergang der Kundschaft, die Fortführung der wirtschaftlichen Einheit, die Übertragung einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung (SZ 68/187; SZ 70/171; SZ 71/100; Krejci, Betriebsübergang 29f, 34; Karner, Übernahme von Arbeitnehmern: Voraussetzungen des Betriebsübergangs, RdW 1997, 729 u.a.). Maßgeblich ist der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit (SZ 70/219; 9 ObA 153/98k). Auch "herabgewirtschaftete" Betriebe sind vom Übergang gemäß § 3 Abs 1 AVRAG nicht ausgeschlossen (9 ObA 193/98t). Für die Auslegung des Begriffes "Betrieb" im § 3 Abs 1 AVRAG kann der Betriebsbegriff des § 34 Abs 1 ArbVG herangezogen werden. Demnach gilt jede Arbeitsstätte als Betrieb, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb derer eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht (SZ 68/187; SZ 70/171; SZ 70/219 je mwH).

Es kann nicht fraglich sein, dass die Bar in der die Klägerin arbeitet, ein Betrieb im Sinne der dargelegten Definition ist. Offenkundig ging das Lokal von der Gesellschaft mbH völlig unverändert an den nunmehrigen Betreiber über und änderte sich auch an der von der Klägerin ausgeübten Funktion nichts. Es bedarf daher keines näheren Eingehens darauf, welche Gewichtung den einzelnen vorstehend aufgezählten Tatbestandsmerkmalen innerhalb eines zu Grunde zu legenden beweglichen Systems zukommt und inwieweit das Fehlen des einen oder anderen Merkmales Einfluss auf die Annahme des Vorliegens eines Betriebsüberganges haben könnte, weil im gegenständlichen Fall sämtliche Merkmale in vollem Umfang gegeben sind.

§ 3 Abs 1 AVRAG spricht neutral und deckungsgleich mit Art 1 der Richtlinie 77/187/EWG vom Betriebs-(Teil-)Übergang. Es besteht daher kein Problem, die gemeinschaftsrechtliche Interpretation auch in die nationale Handhabung miteinfließen zu lassen. Der EuGH verlangt für die Erfüllung der geforderten Merkmale keine Veräußerung und keinen Eigentumswechsel. Der Erwerber muss nicht Eigentümer sein, sondern es reicht aus, dass er bloß rechtlich gesicherter oder tatsächlicher Inhaber mit Leitungsmacht in Bezug auf das betriebliche Geschehen ist. Auch § 3 Abs 1 AVRAG knüpft nicht an den "Übergang auf einen anderen Erwerber" an. Der Begriff des Veräußerers und Erwerbers ist also hier - anders als nach § 1409 ABGB - weit zu ziehen. Ob der Betrieb mit oder ohne Gegenleistung, also durch Kauf, Tausch oder Schenkung veräußert wird, oder ob daran bloß ein dingliches oder schuldrechtliches Nutzungsrecht (in Gestalt eines Nießbrauchs, einer Miete, Pacht oder Leihe) begründet wird, ist nicht entscheidend. Es reicht aus, dass der für die Geschicke des Betriebes Verantwortliche ("Inhaber") wechselt. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Fruchtnießer den Betrieb wieder an den Eigentümer zurückstellt, oder der Betrieb von einem Pächter auf den anderen übergeht (9 ObA 193/98t, 9 ObA 140/99z, 9 ObA 197/99g, 9 ObA 192/99x). In diesem Sinne qualifizierte etwa der EuGH die Rückübertragung nach einem Pachtverhältnis als Betriebsübergang (Ny Molle Kro-EuGH Slg 1987/5465). Dass die Rücknahme des Lokals durch den Verpächter und die unveränderte Weiterführung durch denselben einen Betriebsübergang im Sinn des § 3 Abs 1 AVRAG darstellt, kann daher nicht zweifelhaft sein.

Voraussetzung für den Übergang des Arbeitsverhältnisses ist, dass dieses im Zeitpunkt des Betriebsüberganges noch besteht. Die Klägerin meint nun dadurch, dass sie das Lokal versperrt vorgefunden und ihr die Geschäftsführerin der Gesellschaft mbH am nächsten Tag telefonisch mitgeteilt habe, dass das Lokal gesperrt würde, sei ihr Arbeitsverhältnis, wenngleich fristwidrig, stillschweigend gelöst worden. Es ist zutreffend, dass nach ständiger Rechtsprechung die Vorschrift des § 863 ABGB auch für den Bereich des Arbeitsrechts gilt (ArbSlg 7744; SZ 53/101; 9 ObA 270/97i; 9 ObA 16/99g). Entscheidend für die Maßgeblichkeit einer stillschweigenden Willenserklärung ist das Verständnis das ein redlicher Erklärungsempfänger nach den konkreten Umständen gewinnen durfte (SZ 66/48; SZ 68/105 u.a.). Das bloße Zusperren eines sonst intakten Geschäftslokals berechtigt zumindest dann nicht zur Annahme einer schlüssigen Auflösung des Dienstverhältnisses (vgl dazu 8 ObA 16/99g), wenn der Klägerin bekannt war, dass der Betrieb vom Verpächter, bei dem sie schon vor Begründung des Pachtverhältnisses beschäftigt war, wieder übernommen wird. Die Beweislast für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses tirfft stets den Arbeitnehmer (9 ObA 2246/96a; 8 ObA 184/99p; 8 ObA 152/99g). Es wäre Sache der Klägerin gewesen, Umstände zu behaupten und zu beweisen, welche sie zur Annahme berechtigten, aus dem bloßen Umstand, dass das Lokal zu Betriebsbeginn nicht aufgesperrt wurde, und aus der nachfolgenden telefonischen Mitteilung den Schluss abzuleiten, ihr Dienstverhältnis sei aufgelöst.

Selbst wenn man der Klägerin die Erbringung dieses Beweises zubilligen wollte, wäre für sie jedoch nichts gewonnen. Gemäß Art 4 Abs 1 der mehrfach zitierten Richtlinie stellt der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteiles als solcher für den Veräußerer oder Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Obwohl das AVRAG keine ausdrückliche Bestimmung über das Kündigungsverbot enthält, ist es in Österreich bei weitem überwiegende Lehrmeinung (Schrank, in "Der Betriebs(Teil)Übergang im Arbeitsrecht" 71 ff;

Wagnest, Die Haftung bei Übergang eines Unternehmens oder Betriebes, 23; Krejci, Betriebsübergang Grundfragen des § 3 AVRAG, 82;

Grillberger, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis - Neuregelung durch das AVRAG, WBl 1993, 307; Holzer, Kündigung bei Betriebsübergängen DrDA 1995, 375 u.a.) und nunmehr auch gesicherte Rechtsprechung (SZ 68/187; DRdA 1996, 513; SZ 70/171; SZ 71/100; 9 ObA 240/98d u.a.), dass aus dem Sinn des gemäß § 11 AVRAG relativ zwingenden § 3 Abs 1 AVRAG ein Verbot nicht richtlinienkonformer Kündigungen, welche durch den allgemeinen Kündigungsschutz nicht generell verhindert werden können, abzuleiten ist. Derartige Kündigungen sind nichtig im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB. Man wird davon ausgehen können, dass eine Kündigung "auf Grund des Übergangs" erfolgt und folglich als unwirksam anzusehen ist, wenn der Übergang nicht nur der äußere Anlass, sondern der tragende Grund für die Kündigung ist (von Alvensleben, Die Rechte der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang im europäischen Gemeinschaftsrecht, 251). Je näher die Kündigung oder deren Beendigungswirkung beim Übergangszeitpunkt liegt, deso naheliegender ist die Vermutung der Gesetzesumgehung, desto stärker werden die Anforderungen an die ausreichend sachliche Entkräftung der Umgehungsvermutung sein (Schrank aaO 78). In einem derartigen Fall tragen der Veräußerer bzw der Erwerber die Beweislast dafür, dass die Kündigung nicht allein auf Grund des Übergangs sondern aus betriebsbedingten oder auch personen- oder verhaltensbedingten Erfordernissen erfolgte (SZ 70/171; SZ 71/100; 9 ObA 153/98k; 9 ObA 206/98d).

Im Verfahren gegen die Beklagte kommt dieser die Legitimation zu, die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, weil sie durch die Vorgänge unmittelbar in ihrer Vermögenslage betroffen wird (vgl SZ 61/249; SZ 68/187). Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass der Umgehungstatbestand in Anbetracht der Weiterbeschäftigung der Klägerin beim Verpächter rund drei Wochen nach Schließung des Lokals gegeben sei. Die Klägerin wendete dagegen lediglich ein, dass die Gesellschaft mbH insolvent geworden sei, was die Kündigung ohne Verstoß gegen die Richtlinie gerechtfertigt habe. Damit ist aber hier nichts gewonnen, weil gerade auf Grund der Insolvenz die sofortige Rückstellung des Pachtobjekts und damit auch das Erfordernis der Weiterbeschäftigung der Klägerin vorhersehbar war. Erfolgte aber die Kündigung lediglich aus dem Grund, den Betrieb von "Altlasten" zu befreien, dann ist sie unwirksam und nichtig (RdW 1997, 739; SZ 71/100 u.a.).

Da es somit nicht nur zu einem Übergang des Betriebes, sondern auch des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf den Übernehmer gekommen ist, ist in Anbetracht der Haftungsbestimmung des § 6 AVRAG der Anspruch der Klägerin gegen die Gesellschaft mbH nicht im Sinn des § 1 IESG gesichert.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Ein Kostenzuspruch an die unterlegene Klägerin hatte zu unterbleiben, da Billigkeitsgründe im Sinn des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG weder vorgebracht wurden noch sonst ersichtlich sind.

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