OGH 9ObA206/98d

OGH9ObA206/98d7.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elisabeth Kahler und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johanna R*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer und Dr. Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Georg Freimüller, Rechtsanwalt, Alser Straße 21, 1080 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der C***** Vertriebsgesellschaft mbH, *****, wegen Feststellung (S 33.548,21 netto), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Juni 1997, GZ 9 Ra 106/97t-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. Dezember 1996, GZ 14 Cga 336/95y-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ging zurecht vom Bestehen der Klageforderung aus, wobei hinsichtlich des Parteivorbringens und der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen auf die Berufungsentscheidung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 1 ZPO). Ob es hier zu einem Betriebsübergang gemäß § 3 Abs 1 AVRAG kam, braucht nach den unbekämpften Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, die auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt wurden, nicht untersucht zu werden.

Art 4 Abs 1 der Betriebsübergangsrichtlinie 77/187/EWG sagt ausdrücklich, daß der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils "als solcher" keinen Grund zur Kündigung darstellt, daß aber diese Bestimmung etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegensteht. Auch ohne ausdrückliche Anordnungen des AVRAG zu dieser Frage folgt aus seinem Sinn und Zweck, daß eine Kündigung, die lediglich darauf abzielt, dem Arbeitnehmer das vom Gesetzgeber zwingend gewährte Recht auf Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsnachfolger zu nehmen, gesetzwidrig ist (Krejci, Betriebsübergang 81; Holzer in DRdA 1995, 375 [378]; Binder in DRdA 1996, 1 [9f]; Schrank in Tomandl, Der Betriebs(teil)übergang im Arbeitsrecht 79; RdW 1996, 71; DRdA 1996, 513 [zust. Gahleitner] ua). Nur solche Kündigungen können mit dem gesetzlich positivierten Grundsatz des ex lege-Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber in Kollision geraten. Dies gilt jedoch nicht für betriebsbedingte Kündigungen, die zwar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stehen, aber dessen ungeachtet betriebsnotwendig sind (Krejci aaO 84; vgl auch Alvensleben; Die Rechte der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang im Europäischen Gemeinschaftsrecht 249 ff). Durch diese Einschränkung soll für Veräußerer und Erwerber ein weiter Spielraum für betriebliche Reorganisations- und Rationalisierungsmaßnahmen geschaffen werden. Dies ändert allerdings nichts daran, daß der Veräußerer, selbst wenn er bereits an einen Betriebsübergang denkt, zwar seinen Betrieb den wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Anforderungen gemäß umgestalten kann, die Betriebsbedingtheit allerdings nicht allein oder überwiegend im Umstand des Betriebsüberganges liegen darf, etwa, weil der Veräußerer dem Nachfolger, der an der Übernahme der bisherigen Belegschaft nicht interessiert ist, entgegenkommen will (RdW 1997, 739 mwN). Es sind daher die objektiven Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Kündigung erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Kündigung der Klägerin nach den bindenden Tatsachenfeststellungen nur deshalb, weil für die (spätere) Gemeinschuldnerin nach Wegfall eines wichtigen Auftraggebers, der 50 % ihres laufenden Umsatzes ausmachte, keine wirtschaftliche Möglichkeit mehr bestand, die Klägerin, die ausschließlich im Bereich des entzogenen Auftrages tätig war, weiter zu beschäftigen. Dies konzedierte der Beklagte bereits in erster Instanz (ON 5, AS 11). Daß die (spätere) Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin schon an einen Betriebsübergang auf einen Betriebsnachfolger dachte, geschweige denn die Klägerin um ihr Recht auf Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebsnachfolger bringen wollte, behauptete nicht einmal der Beklagte; dafür bestehen nach den getroffenen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte. Die Kündigung der Klägerin steht in keinem ursächlichen Zusammenhang zum behaupteten Betriebsübergang. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen ist davon auszugehen, daß die Kündigung jedenfalls erfolgt wäre, selbst wenn man sich den späteren (behaupteten) Betriebsübergang wegdenkt (Holzer in DRdA 1995, 375f; Holzer/Reissner, AVRAG 101 f mwN). Der Betriebsübergang war daher nicht der Grund, geschweige denn der ausschlaggebende (tragende) Grund für die Kündigung (Binder in DRdA 1996, 1 [9]; Schima in RdW 1996, 319 [326]; RdW 1997, 739; RdW 1998, 217). Die Kündigung wurde daher wirksam. Auf die weiteren vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte