OGH 5Ob275/59

OGH5Ob275/593.6.1959

SZ 32/74

Normen

ABGB §1409
ABGB §1409

 

Spruch:

Auch die Übernahme nur eines Teiles eines Unternehmens ist bei selbständiger Betriebsmöglichkeit eine Unternehmensübernahme im Sinne des § 1409 ABGB. Der Übernehmer des Teilbetriebes haftet unter den Voraussetzungen des § 1409 ABGB. für alle Schulden des ehemaligen gemeinschaftlichen Unternehmens.

Entscheidung vom 3. Juni 1959, 5 Ob 275/59.

I. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:

Oberlandesgericht Linz.

Text

Die klagende Partei betreibt in W. einen Großhandel mit Elektrogeräten. Der Bruder des Beklagten, Walter S., führte ein Elektrowarengeschäft mit Niederlassungen in I., Sch. und R. Er bezog von der klagenden Partei laufend verschiedene Waren, die er nicht bezahlen konnte. Er schuldete der klagenden Partei aus Warenlieferungen seit dem 19. Oktober 1955 bis 2. November 1955 insgesamt den Betrag von 33.383 S 13 g, wovon ein Betrag von 14.031 S 17 g auf Warenlieferungen am 19. Oktober 1955 entfällt. Am 7. März 1957 wurde über sein Vermögen vom Kreisgericht Leoben der Konkurs eröffnet. Der Beklagte war zunächst bei ihm beschäftigt. Er übernahm mit Vertrag vom 27. Jänner 1956 die Niederlassung des Geschäftes seines Bruders in R. mit Wirkung vom 11. November 1955 und führte seither dieses Geschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weiter, nachdem er eine eigene Konzession zur Führung dieses Geschäftes erworben hatte.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 33.383 S 13 g aus dem Gründe des § 1409 ABGB.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch die Übernahme nur eines Teiles eines Unternehmens ist als Unternehmensübernahme im Sinne des § 1409 ABGB. anzusehen, wenn der übernommene Teil eine selbständige Betriebsmöglichkeit bietet (Wolff in Klang 2. Aufl. VI 356). Die Beantwortung der Frage, ob dabei der Übernehmer für alle Schulden des ehemals gemeinschaftlichen Unternehmens haftet, ergibt sich von selbst, wenn bedacht wird, daß durch die Schulden eines Unternehmens das ganze Vermögen des Unternehmens samt allen Teilbetrieben belastet wird und niemals davon gesprochen werden kann, daß zu einzelnen Teilbetrieben nur bestimmte Schulden gehören. Der Übernehmer des Teilbetriebes haftet daher im Rahmen des § 1409 ABGB. für alle Schulden des ehemaligen gemeinschaftlichen Unternehmens (SZ. XXV 266). Die Fragen, ob der Teilbetrieb im Handelsregister registriert war, was mit den Waren geschehen ist, aus deren Lieferung die Schuld entstanden ist, inwieweit die Gläubiger des Gesamtunternehmens durch die Übereignung des Teilbetriebes benachteiligt wurden und welcher Teil des Deckungsfonds ihnen dadurch entzogen wurde, sind für die Haftung nach § 1409 ABGB. ohne Bedeutung. Es erübrigt sich daher, auf die Ausführungen der Revision zu den Revisionsgrunden des § 503 Z. 2 und 3 ZPO., die sich mit diesen Fragen beschäftigen, einzugehen. Die Vorlage von zwei Amtsbestätigungen mit der Revision zum Beweis dafür, daß das Hauptunternehmen in I. allein registriert gewesen sei, stellt übrigens eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung dar.

Der Beklagte haftet daher für die Schulden des Unternehmens seines Bruders, und zwar als naher Angehöriger ohne Beschränkung auf den Wert des übernommenen Unternehmens (§ 187 III. TN.). Den Beweis dafür, daß ihm die Schulden weder bekannt waren noch bekannt sein mußten, hat er nicht erbracht. Die in der Revision angeschnittene Frage, ob für den Masseverwalter im Konkurs des Walter S. die Möglichkeit der Anfechtung bestand, war hier nicht zu untersuchen. Die Inanspruchnahme der Haftung nach § 1409 ABGB. stellt einen von der Anfechtung verschiedenen Rechtsbehelf zur Hereinbringung von Forderungen dar, der durch die Möglichkeit der Anfechtung nicht ausgeschlossen wird.

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