OGH 6Ob327/00g

OGH6Ob327/00g6.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarethe P*****, vertreten durch Dr. Franz Gölles und Mag. Robert Pöschl, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Thea W*****, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen 98.512,54 S und Räumung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 24. August 2000, GZ 7 R 111/00w-22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Juli 2000, GZ 42 C 22/00a-18, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses in Graz. Sie selbst bewohnt mit einer Bekannten die im Erdgeschoss gelegene Wohnung. Die Beklagte mietete mit Mietvertrag vom 3. 12. 1985 die im ersten Stock dieses Hauses gelegene Wohnung sowie Nebenräume im Keller.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten insgesamt 98.512,54 S an rückständigen Mietzinsen und anteiligen Heizölkosten sowie die Räumung der Wohnung, wobei sie sich auf § 1118 zweiter Fall ABGB stützte.

Die Beklagte wendete ein, dass wegen des desolaten Zustandes des Hauses und der Schimmelbildung bereits seit 1. 1. 1998 eine Mietzinsreduktion von 50 % gerechtfertigt sei, wodurch die Mietzinsrückstände ausgeglichen seien.

Mit Beschluss vom 24. 7. 2000 hat das Erstgericht das Verfahren auf Antrag der Beklagten gemäß § 41 MRG bis zur rechtskräftigen Erledigung des von der Beklagten bei der Schlichtungsstelle eingebrachten Antrages auf Vorlage der Hauptmietzins- und Betriebskostenabrechnungen und auf Überprüfung des zulässigen Hauptmietzinses unterbrochen. Der Einwand der Klägerin, es handle sich um ein Zweifamilienhaus im Sinn des § 1 Abs 4 Z 2 MRG, sodass die Bestimmungen der §§ 16 und 20 ff MRG nicht anzuwenden seien, sei unberechtigt, weil neben der an die Beklagte vermieteten Wohnung im ersten Stock und der von der Klägerin selbst bewohnten Wohnung im Parterre des Hauses ein weiterer, einer selbständigen Vermietung zugänglicher Raum im Keller vorhanden sei.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss im Sinne einer Abweisung des Unterbrechungsantrages ab. Der bei der Schlichtungsstelle eingebrachte Antrag der Beklagten sei von vorneherein aussichtslos, weil das Haus dem Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG unterliege. Der Kellerraum sei unter Berücksichtigung des heutigen Lebensstandards nicht geeignet, der Befriedigung des persönlichen Wohnbedarfes einer (weiteren) Familie zu dienen. Er unterscheide sich auch nicht gravierend von sonstigen Räumen, wie sie üblicherweise Bestandteil eines Wohnungsverbandes seien oder zu einem Ein- oder Zweifamilienhaus gehörten, wie etwa Abstellräume und Garagen.

Den zunächst in diesem Beschluss enthaltenen Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte das Rekursgericht mit Beschluss vom 20. 11. 2000 gemäß §§ 508, 528 Abs 2a ZPO im Sinne einer Zulässigkeit des Revisionsrekurses ab, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob eine Wohnung gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG auch den persönlichen Wohnbedürfnissen einer mehrköpfigen Familie dienen müsse, noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zwar nicht absolut unzulässig im Sinn des § 192 Abs 2 ZPO, weil dieser Rechtsmittelausschluss bei Ablehnung einer zwingend vorgeschriebenen Unterbrechung - hier nach § 41 MRG - nicht gilt (5 Ob 155/92 = RdW 1993, 109; 6 Ob 517/96 = wobl 1998, 53 = MietSlg 48.435; weitere Nachweise bei Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 3 zu § 41 MRG). Er ist jedoch entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Frage, ob zusätzliche Räume der Qualifikation eines Hauses als ein nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG privilegiertes Zweifamilienhaus entgegenstehen, auf deren selbständige Vermietbarkeit an (RIS-Justiz RS0112564). Dass "nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen" vorhanden sein dürfen, bedeutet nicht etwa nur, dass drei Wohnungen schädlich sind. Vielmehr dürfen neben den zwei selbständigen Wohnungen - von den privilegierten Dachbodenausbauten abgesehen - keinerlei einer Vermietung zugängliche Räume im Haus vorhanden sein (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 16b zu § 1 MRG mwN; 7 Ob 519/96 = wobl 1998, 46 = MietSlg 48.196; 2 Ob 104/99d = immolex 1999/146 mwN). Es kommt daher nicht auf die vom Rekursgericht unter anderem hervorgehobene zeitgemäße Nutzungsmöglichkeit einer dritten Wohneinheit für eine Familie an. Es ist vielmehr auf den allgemeinen Sprachgebrauch, auf die Verkehrsauffassung und auf die Bauvorschriften abzustellen; danach ist unter einer Wohnung ein selbständiger und in sich baulich abgeschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen, der geeignet ist, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen (RIS-Justiz RS0079355), wobei auch eine bloß vorübergehende und durch Sanierungsmaßnahmen behebbare momentane Unbenützbarkeit nicht schadet (5 Ob 259/99w = wobl 2000/71).

Dessen ungeachtet ist in der Auffassung des Rekursgerichtes, dass der im Keller gelegene Raum als Bestandteil eines Wohnungsverbandes und daher nicht als selbständige Wohneinheit zu qualifizieren sei, eine Verkennung der Rechtslage in diesem Einzelfall nicht zu erblicken. Bilden selbständig zugängliche Räume nur Bestandteile eines der im Haus vorhandenen zwei selbständigen Wohnungen, dann kann aus der selbständigen Zugänglichkeit dieser Räume und ihrer damit an sich gegebenen selbständigen Vermietbarkeit noch nicht geschlossen werden, dass sie nicht zu einer Wohnung im Haus gehören. Dass sich eine Wohnung auf mehrere Etagen erstreckt, schadet dabei nicht (7 Ob 519/96). Ob ein "Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen" vorliegt, entscheidet letztlich die Verkehrsauffassung, wobei nach der Verschiedenartigkeit der Problemlagen zu differenzieren ist (5 Ob 141/95 = MietSlg 47.173(36)). Die Beurteilung hängt daher wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Die Ansicht des Rekursgerichtes, dass der vom Erstgericht näher beschriebene Kellerraum, in dem nach Errichtung der "Herrschaftsvilla" zunächst ein Dienstmädchen untergebracht war und der in der Folge zeitweise von in Graz zur Ausbildung weilenden Verwandten der Klägerin und ihrer Bekannten unentgeltlich benutzt wurde, der Wohnung der Klägerin zuzuordnen sei, lässt ein zur Korrektur Anlass gebendes Abweichen von den aufgezeigten Grundsätzen der umfangreich vorhandenen Rechtsprechung zu § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht erkennen.

Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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