OGH 5Ob155/92

OGH5Ob155/9224.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Wohnhaussanierungs- und Liegenschaftsverwertungsgesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Thomas Mondl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl M*****, Kaufmann, ***** und die auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. Ruzdi A*****, 2. Mijo N*****, 3. Marijan B*****, 4. Zoran P*****, 5. Istvan E*****, 6. Neuenka R*****,

7. Jasar R*****, 8. Lubica M*****, 9. Stojanca A*****, und 10. A***** G.m.b.H., ***** diese alle vertreten durch Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung und wegen S 82.500,-- sA, infolge Revisionsrekurses der Nebenintervenienten zu 1. bis 9. gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14.Juli 1992, GZ 48 R 527/92-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.April 1992, GZ 20 C 79/92d-8, behoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Unterbrechungsbeschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den Revisionsrekurswerbern die mit S 29.891,68 (darin S 4.981,95 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei erhob als Eigentümerin des Hauses ***** in ***** Wien gegen den Beklagten die Klage auf Räumung der Liegenschaft und auf Mietzinszahlung. Sie habe dem Beklagten die ganze Liegenschaft zur gewerblichen Untervermietung, also zu Geschäftszwecken zum wertgesicherten Hauptmietzins von S 70.000,-- zuzüglich Betriebskosten vermietet. Der Beklagte sei mit der Zahlung des Mietzinses für Jänner 1982 in Verzug und lasse durch seine Untermieter Müll in den Innenhof kippen. Es werde daher die Aufhebung des Mietvertrages nach § 1118 ABGB erklärt.

Mit Schriftsatz vom 26.Feber 1992 traten mehrere Personen, denen der Beklagte Wohnungen im Haus vermietet hatte, auf Seiten des Beklagten dem Verfahren als Nebenintervenienten bei und behaupteten, sie hätten Hauptmietrechte, weil ein Fall des § 2 Abs 3 MRG vorliege. Sie hätten inzwischen Anträge nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG bei der Gemeinde angebracht.

Das Erstgericht ordnete auf Antrag der Nebenintervenienten an, daß das Verfahren auf so lange Zeit unterbrochen werde, bis die anhängigen Verfahren auf Anerkennung als Hauptmieter beendet sind, weil die Entscheidung von der Vorfrage abhänge, über die das Verfahren vor der Gemeinde anhängig sei (§ 41 MRG).

Das Rekursgericht behob über den Rekurs der klagenden Partei den Unterbrechungsbeschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht meinte, die im besonderen außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG zu klärende Frage, ob der zwischen der klagenden Eigentümerin und dem Beklagten im Jahr 1991 zustande gekommene Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung und zur Umgehung der einem Hauptmieter zustehenden Rechte geschlossen wurde (§ 2 Abs 3 MRG), sei für den Prozeß wegen Räumung und Mietzinszahlung nicht präjudiziell. Die Entscheidung über die Wirksamkeit der Auflösungserklärung des Vermieters nach § 1118 ABGB hänge nicht von der Vorfrage ab, ob die Nebenintervenienten Hauptmieter seien. Der Anerkennung als Hauptmieter komme nur deklarative Wirkung zu. Den Nebenintervenienten stehe, wenn sie als Hauptmieter anzuerkennen seien, gegen die Räumungsexekution die Klage nach § 37 EO und der Schutz nach § 34a MRG offen.

Der Revisionsrekurs der ersten neun Nebenintervenienten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 41 MRG ist das Verfahren über einen Rechtsstreit von Amts wegen zu unterbrechen, wenn die Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, über die ein Verfahren nach § 37 MRG bei Gericht oder der Gemeinde anhängig ist. Diese obligatorische Unterbrechung des Zivilprozesses wegen eines außerstreitigen Verfahrens nach § 37 MRG bewirkt dessen Vorrang vor der an sich zulässigen Beurteilung als Vorfrage im Rechtsstreit (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 1 zu § 41 MRG; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 41 MRG). Da § 41 MRG bei Vorliegen der dort angeführten Voraussetzungen die Unterbrechung bindend vorschreibt, gilt der nur für ins Ermessen des Gerichtes gestellte prozeßleitende Verfügungen anwendbare Rechtsmittelausschluß nach § 192 Abs 2 ZPO nicht. Der Revisionsrekurs gegen den die Unterbrechung ablehnenden abändernden Beschluß des Rekursgerichtes ist daher nicht jedenfalls unzulässig (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 3 zu § 41 MRG; MietSlg. 37.556; MietSlg. 38.577/33 = RZ 1987/33 ua).

Es fehlt auch nicht an der Erheblichkeit der Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO, weil - soweit überblickbar - vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, ob ein Antrag des Mieters auf Anerkennung als Hauptmieter nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG eine Vorfrage betrifft, von deren Entscheidung ein auf § 1118 Fall 1 und Fall 2 ABGB vom Eigentümer der Liegenschaft gegen den "Generalmieter" gestütztes Räumungsbegehren berührt wird. Der Sachbeschluß iSd § 2 Abs 3 MRG entfaltet in der Beziehung zwischen Vermieter/Hauptmieter/Untermieter eine erweiterte Rechtskraftwirkung, wenn im Verfahren gegen die Antragsgegner festgestellt wird, daß dem "Unter"-Mieter in Wahrheit Hauptmietrechte zustehen, weil der "Hauptmieter" nur in Umgehungsabsicht dazwischengeschaltet wurde, damit er untervermiete und der Untermieter in die schwächere Position gedrängt wird, die ihm nach den Vorschriften des MRG zukommt (vgl. Würth in Rummel, ABGB2, Rz 9 zu § 2 MRG). Die einem Antrag des Mieters nach § 2 Abs 3 MRG stattgebende Entscheidung bindet auch den Vermieter mit der Wirkung, daß der Mieter schon mit Abschluß des Mietvertrages als Hauptmieter gilt. Der Hauptmietvertrag ist in diesem Falle auf Grund der Vorschrift des § 2 Abs 3 MRG als Schein-(Umgehungs-)Geschäft nichtig. An Stelle des "Untermietvertrages" zwischen dem "Hauptmieter" und dem "Untermieter" ist dann ein Hauptmietvertrag zwischen Vermieter und "Untermieter" zustande gekommen (SZ 60/8 = MietSlg. 39.228/3 ua). Der zur Umgehung eingeschaltete Hauptmieter scheidet damit aus dem Vertragsverhältnis als Bestandnehmer aus. Der zur Abwehr des Räumungsanspruches eingewendete Umstand, daß der Beklagte gar nicht der Mieter des Hauses oder der einzelnen von den Nebenintervenienten bewohnten Wohnungen sei, kann den Prozeß entscheiden. Ob der Beklagte Mieter ist, hängt sehr wohl von der im Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG zu klärenden Position der Nebenintervenienten ab. Die für die zwingende Unterbrechung des Prozesses maßgebliche Präjudizialität liegt also doch vor.

Daß den Nebenintervenienten weitere Wege offenstünden, um Rechtsschutz zu finden, wenn sie in Wahrheit Hauptmieter sein sollten, etwa die vom Rekursgericht aufgezeigte Antragstellung nach § 34a MRG oder eine Klage auf Unzulässigkeit der Exekutionsführung nach § 37 EO, worauf wieder die Unterbrechung nach § 41 MRG erfolgen müßte, wenn ein Verfahren über einen Antrag nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG anhängig ist, steht der zwingenden Unterbrechung des Räumungsprozesses nicht entgegen, weil durch die weiteren Möglichkeiten nur vorgesorgt wird, daß der Scheinuntermieter seine Rechte auch dann noch wahren kann, wenn er sich am Titelprozeß nicht beteiligte oder mangels Kenntnis nicht beteiligen konnte.

Es hat daher bei der vom Erstgericht angeordneten Unterbrechung zu bleiben. In Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes wird der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt.

Die Kostenentscheidung im Zwischenstreit um die Unterbrechung beruht auf § 41 und auf § 50 Abs 1 ZPO.

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