OGH 5Ob259/99w

OGH5Ob259/99w20.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Isabell W*****, vertreten durch Dr. Karl Zingher und Dr. Madeleine Zingher, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1.) Dr. Walter S*****, 2.) Stefan W*****, und 3.) Michael W*****, alle vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte, Wien, wegen Überprüfung des Hauptmietzinses (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG) über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Juni 1999, GZ 39 R 251/99x-24, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 26. Februar 1999, GZ 5 Msch 4/96d-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Mietrechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Beide Vorinstanzen - das Erstgericht mit einem die Zurückweisung des Sachantrags der Antragstellerin aussprechenden Sachbeschluss, das Rekursgericht in Form einer die Abweisung aussprechenden Maßgabestätigung - haben die Überprüfung des Hauptmietzinses für die von der Antragstellerin im Jahr 1987 angemietete Wohnung top 3 im Haus ***** abgelehnt, weil es sich beim fraglichen Haus um ein Zweifamilienhaus iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG handle, auf das die Mietzinsbestimmung des § 16 aF MRG mit dem besonderen Überprüfungsverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG gar nicht anwendbar sei. Dies auf Grund folgender Feststellungen:

Das verfahrensgegenständliche Haus wurde im Jahr 1906 errichtet. Es bestand ursprünglich aus einer Hausbesorgerwohnung im Souterrain, einer Wohnung im Erdgeschoß und einer Wohnung im ersten Stock. Der Dachboden hatte zwei Etagen. In der unteren befanden sich einige unbewohnbare Räume, von denen drei als Garderobe gewidmet waren; später wurde dort durch das Versetzen einiger Wände durch Sanitärinstallationen und die Einrichtung eines Badezimmers eine Wohnung (die der Antragstellerin) geschaffen, die zumindest seit dem Jahr 1949 besteht. Die obere Etage des Dachbodens ist bis heute nicht ausgebaut.

Die Hausbesorgerwohnung im Souterrain bestand aus Vorraum, Klosett und zwei Zimmern. Mit Bescheid der MA 37 vom 30. 4. 1973 wurde sie wegen Feuchtigkeit für unbewohnbar erklärt und die Wiederverwendung für Wohnzwecke von der Beseitigung des konsenswidrigen Zustandes und Feststellung der Benützungsfähigkeit abhängig gemacht. Diese Sanierungsarbeiten wurden nie durchgeführt. Im Jahr 1987, als die Antragstellerin die Dachgeschoßwohnung mietete, war demnach die Hausbesorgerwohnung einer Vermietung zu Wohnzwecken nicht zugänglich. Bis etwa vor dem 18. 11. 1996 diente sie allerdings 3 bis 4 Jahre lang Polen als Unterkunft.

Neben der Hausbesorgerwohnung befinden sich im Souterrain des Hauses weitere Räumlichkeiten, nämlich ein als "Jägerstüberl" bezeichneter Raum mit Holzfußboden, der mit einer Truhe, einer Ecksitzbank, einem zweiflügeligen Bauernkasten, einer Kredenz sowie einer zum Gartenmöbiliar gehörigen Klappbank eingerichtet ist und als Durchgang zu zwei Gartenhäuschen dient, die zu den Wohnungen im Erdgeschoß und ersten Stock gehören, ein zur Überwinterung von Gartenmöbeln verwendeter Glasvorbau dieses Jägerstüberls mit einer Tür zum Garten, ein Öltankraum, ein Heizraum, ein Lagerraum, ein kleiner abgeschrägter Raum unter der Stiege mit dem Gaszähler sowie ein mit Linoleum ausgestatteter, mit Einbaukästen, Waschbecken, Waschmaschinen, Trockner, Tiefkühltruhen etc eingerichteter Raum mit Bodensyphon, der als Wasch- und Bügelraum verwendet wird. Einzelne Räume sind beheizbar, mangels WC, Badegelegenheit und Küche jedoch einer separierten Vermietung nicht zugänglich. Im "Jägerstüberl" stand früher ein Tischtennistisch, der von den Bewohnern der Wohnungen im Erdgeschoß und ersten Stock verwendet wurde.

1996 haben die Antragsgegner eine Benützungsvereinbarung abgeschlossen, derzufolge die Erdgeschoßwohnung und die ehemalige Hausbesorgerwohnung dem Erstantragsgegner zugewiesen sind, die Wohnung im ersten Stock und die Dachgeschoßwohnung dem Zweit- und Drittantragsgegner.

Das Erstgericht zog aus diesen Feststellungen den Schluss, dass bei Abschluss des verfahrensgegenständlichen Mietvertrages im Jahr 1987 neben dem (privilegierten) Dachbodenausbau nur zwei selbständige Wohnungen im Haus vorhanden gewesen seien, weshalb der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG erfüllt sei und eine Mietzinsüberprüfung im Verfahren nach § 37 MRG nicht erfolgen könne; das Rekursgericht stellte dazu folgende rechtliche Erwägungen an:

Die Beurteilung eines Wohnhauses als Zweifamilienhaus iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG hänge davon ab, ob im Zeitpunkt des Inkrafttretens des MRG am 1. 1. 1982 oder des später erfolgten Mietvertragsabschlusses nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen vorhanden waren, wobei Wohnräume, die nachträglich durch den Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen (vgl MietSlg 42.183, 37.234/33, 36.244). Als die Antragstellerin 1987 ihren Mietvertrag über den nachträglich geschaffenen Dachbodenausbau abschloss, sei die Hausbesorgerwohnung bereits für unbewohnbar erklärt worden und somit einer Vermietung zu Wohnzwecken nicht zugänglich gewesen (vgl MietSlg 36.244). Damit hätten im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses neben dem als privilegiert zu qualifizierenden nachträglichen Dachbodenausbau nur zwei selbständige Wohnungen bestanden, sodass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG erfüllt sei. Die daraus resultierende Unzulässigkeit des Zinsüberprüfungsantrages habe sich allerdings nicht schon aus dem Vorbringen im Antrag, sondern erst auf Grund der Einwendungen der Antragsgegner im Verfahren ergeben, weschalb das Begehren der Antragstellerin nicht zurück-, sondern mangels Berechtigung abzuweisen gewesen sei (vgl MietSlg 34.340, 36.517/19, 37.493/15, 39.503 ua).

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000,-- übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Letzteres deshalb, weil von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen worden sei.

Im jetzt vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Antragstellerin geltend, dass höchstgerichtliche Judikatur zur hier entscheidungswesentlichen Frage fehle, ob eine tatsächlich vorhandene, nur vorübergehend unbenützbare dritte Wohnung bei der Beurteilung eines Zweifamilienhauses zu vernachlässigen sei. Nach Meinung der Antragstellerin sei eine dritte vorhandene Wohnung, auch wenn sie vorübergehend nicht benützt werden darf, ausnahmeschädlich, weil sich der Charakter eines Zweifamilienhauses aus seiner baulichen Anlage ergebe und sich dieser durch die vorübergehende Unbenützbarkeit eines Objektes nicht ändere. Solange nicht feststeht, dass die Hausbesorgerwohnung niemals trocken gelegt wird, sei daher nicht von einem Zweifamilienhaus iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG auszugehen. Durch die Verringerung der Anzahl der selbständigen Wohnungen dürfe sich die Rechtsstellung des Mieters nicht verschlechtern. Unabhängig seien im Dachgeschoß des verfahrensgegenständlichen Hauses von Anfang an zusätzliche vermietbare und damit ausnahmeschädliche Räume vorhanden gewesen. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und ihnen den Auftrag zu erteilen, über den Antrag auf Mietzinsüberprüfung sachlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist zulässig, weil tatsächlich einschlägige Judikatur zur hier entscheidungsrelevanten Frage fehlt, ob bzw unter welchen Umständen die Unbenützbarkeit einer dritten im Haus vorhandenen Wohnung genügt, um den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG herzustellen. Da bereits eine Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegner vorliegt, in der sie zu dieser Frage Stellung genommen und aus den im Wesentlichen schon von den Vorinstanzen angeführten Gründen die Zurück- bzw Abweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt haben, kann der Revisionsrekurs auch sogleich behandelt werden. Er erweist sich als berechtigt.

Den Vorinstanzen ist insoweit beizupflichten, als es für die Ausnahmeschädlichkeit zusätzlicher Räume in einem nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG privilegierten Zweifamilienhaus auf deren selbständige Vermietbarkeit ankommt (Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 57 zu § 1 MRG mwN; MietSlg 47/36). Eine Ausnahme von dieser Regel ist nur für Räume zu machen, die - obwohl sie abgesondert vermietbar wären - üblicherweise zu einem Ein- oder Zweifamilienhaus gehören (wie etwa Abstellräume, Garagen etc) oder Bestandteil eines Wohnungsverbandes sind (Würth aaO; WoBl 1998, 46/17). Zu beurteilen ist dabei der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des MRG bzw des späteren Mietvertragsabschlusses (vgl Würth aaO, Rz 59 mwN; 4 Ob 112/98v = EWr I/29/123).

Nun sind beide Vorinstanzen von der Unvermietbarkeit der im Souterrain des verfahrensgegenständlichen Hauses gelegenen Hausbesorgerwohnung (einer von Anfang an vorhandenen "dritten" Wohnung) ausgegangen. Dies deshalb, weil die Wohnung feucht ist und seit 1973 nicht benützt werden darf, solange dieser Mangel nicht behoben ist. Der im MRG mehrfach gebrauchte Rechtsbegriff der (Un-)Vermietbarkeit lässt sich jedoch nicht an einem bloß vorübergehenden Zustand festmachen. Da etwa die Herstellung der Brauchbarkeit eines zu vermietenden Objektes zu den aus der Mietzinsreserve zu deckenden Erhaltungsarbeiten zählt (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG), die Vermietbarkeit eines Objektes den Verteilungsschlüssel für die Bewirtschaftungskosten des Hauses beeinflusst (§ 17 Abs 1 MRG) und für Objekte, die trotz ihrer Vermietbarkeit leerstehen, fiktive Hauptmietzinse in die Mietzinsreserve aufzunehmen sind (§ 20 Abs 1 Z 1 lit d, § 18 Abs 1 Z 6 MRG), hat der Gesetzgeber und ihm folgend die Judikatur mit dem Begriff der Unvermietbarkeit die Vorstellung eines lange dauernden Zustands verbunden, der die weitgehende Stabilität eines daran anknüpfenden Rechtsverhältnisses verheißt (vgl WoBl 1993, 184/124 und 5 Ob 300/98y = EWr I/17/24 zur Bedeutung der Vermietbarkeit bzw Brauchbarkeit eines Objektes für den Betriebskostenschlüssel). Demnach ist für die Annahme, es liege trotz einer vorhandenen dritten Wohnung ein Zweifamilienhaus iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG vor, zu fordern, dass diese dritte Wohnung im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht nur vorübergehend, sondern definitiv unvermietbar ist.

Im gegenständlichen Fall deutet einiges darauf hin, dass die Souterrainwohnung des verfahrensgegenständlichen Hauses im Jahr 1987 wieder bewohnbar und damit vermietbar hätte gemacht werden können. Die insoweit - nämlich für das Vorliegen eines die Vollanwendung des MRG ausschließenden Tatbestands - behauptungs- und beweispflichtigen Antragsgegner (Würth aaO, Rz 1 zu § 1 MRG) haben jedenfalls das Gegenteil nicht dargetan. Sie hatten allerdings dazu wegen der nicht zu billigenden Annahme der Vorinstanzen, es liege schon auf Grund des festgestellten Sachverhalts der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG vor, auch keinen Anlass, weshalb ihnen Gelegenheit zu ergänzendem Tatsachen- und Beweisvorbringen zu geben sein wird. Sollte sich die Ausnahmeschädlichkeit der fraglichen Souterrainwohnung herausstellen, bleibt das Mietzinsüberprüfungsbegehren der Antragstellerin sachlich zu prüfen.

Zu billigen und daher keiner Verfahrensergänzung zu unterziehen ist allerdings die Annahme der Vorinstanzen, der Dachbodenausbau - die Errichtung der jetzt von der Antragstellerin gemieteten Wohnung - sei dem Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht abträglich. Ein Dachbodenausbau ist zwar nach dieser Gesetzesstelle nur dann privilegiert, wenn durch ihn neuer Wohnraum geschaffen wurde (5 Ob 2328/96f), was etwa dann nicht zutrifft, wenn bereits vorhandene Räume im Dachgeschoß durch die Einleitung von Wasser bewohnbar gemacht wurden (MietSlg 36.244), doch ist im gegenständlichen Fall - durch das Versetzen von Wänden, die Errichtung eines Badezimmers etc - doch mehr geschehen. Bei als Garderobe gewidmeten Räumen, wie sie vorher vorhanden waren, lässt sich auch nicht von selbständig vermietbaren Räumen sprechen, sodass der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen, die derzeit von der Antragstellerin benützte Wohnung sei "neu geschaffen worden", nicht entgegen zu treten ist.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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