OGH 1Ob33/01m

OGH1Ob33/01m27.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Djiltene Z*****, vertreten durch Dr. Stefan Holter, Rechtsanwalt in Grieskirchen, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Bekim Z*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wegen Unterhalts infolge ordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 25. Oktober 2000, GZ 21 R 353/00m-76, womit infolge Rekurses der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Peuerbach vom 7. September 2000, GZ C 40/98 b-69, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der klagenden und gefährdeten Partei die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Beide Streitteile sind Staatsangehörige der Republik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien. Sie schlossen am 22. 7. 1992 vor einem serbischen Standesamt die Ehe. Diese Ehe, der keine Kinder entsprossen, wurde am 14. 10. 1997 von einem serbischen Gericht rechtskräftig geschieden. Die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden nur: Klägerin) lebte nach der Eheschließung mit dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden nur: Beklagter) bis zum 1. 8. 1997 in Österreich im gemeinsamen Haushalt; danach wohnten die Streitteile noch bis zum 5. oder 12. 8. 1997 gemeinsam in Serbien. Die Klägerin war Hausfrau und verfügte während des gemeinsamen Haushalts der Ehegatten nie über ein eigenes Einkommen. Sie ist nach wie vor einkommenslos, bewohnt - auf Kosten ihres Vaters - ein Zimmer in einem Bregenzer Kloster und ist seit 18. 3. 1999 als arbeitssuchend gemeldet. Anträge vom 23. 7. 1999 und 11. 6. 2000 auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung wurden abgewiesen. Die Klägerin erfüllt jedoch nunmehr - aufgrund eines Mitte Juni 2000 in Kraft getretenen "neuen" Integrationserlasses - zumindest die zeitlichen Aufenthaltsvoraussetzungen zur Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung.

Die Klägerin begehrt im Hauptverfahren die Zuerkennung eines Unterhaltsbetrags von 7.000 S monatlich und beantragte mit Schriftsatz vom 30. 8. 1999 (ON 31) erneut die Gewährung eines einstweiligen Unterhalts von 6.000 S monatlich ab 27. 8. 1999.

Der Beklagte bestritt sowohl das Haupt- als auch das Provisorialbegehren.

Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht der Klägerin neuerlich 6.000 S monatlich ab 31. 8. 1999 an einstweiligem Unterhalt zu.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese einstweilige Verfügung und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Diesen Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 15. 12. 2000 dahin ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs doch für zulässig erklärte. Es bedürfe "allgemein gültiger Richtlinien für die Auslegung der Bestimmungen über den nachehelichen Unterhaltanspruch nach dem serbischen EheFamG".

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen beurteilten den von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsanspruch gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und § 20 Abs 1 IPRG zutreffend nach serbischem Sachrecht. Das billigen auch die Streitteile. Sie vertreten jedoch unterschiedliche Standpunkte zur Frage, ob die Klägerin nach serbischem Recht unterhaltsberechtigt sei.

2. Der Beklagte erörtert in seinem Rechtsmittel einige Bestimmungen des serbischen Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen vom 5. 6. 1980 und will daraus ableiten, dass der Klägerin kein Unterhaltsanspruch zustehe. Er ist der Ansicht, es bedürfe wegen der "weittragenden Bedeutung der Auslegung gesetzlicher Bestimmung(en) fremden Rechts in Österreich" einer die aufgeworfenen Streitfragen klärenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dementgegen stellt mangelnde Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum jeweils anwendbaren ausländischen Sachrecht - hier also zum serbischen Familienrecht - nach ständiger Rechtsprechung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 bzw des § 528 Abs 1 ZPO dar (1 Ob 215/98v = ZfRV 1999, 64; 1 Ob 18/98y; 3 Ob 116/97y = ZfRV 1997, 244 uva), weil der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, für die Einheitlichkeit oder gar die Fortbildung fremden Rechts Sorge zu tragen(1 Ob 215/98v = ZfRV 1999, 64; 1 Ob 18/98y).

2. 1. Aus der gemäß § 3 IPRG gebotenen Bedachtnahme auf die Anwendung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich folgt allerdings, dass es im Sinne des § 502 Abs 1 bzw des § 528 Abs 1 ZPO der Rechtssicherheit widerspräche, würde bei der Entscheidung des Rechtsstreits durch die inländischen Gerichte eine im ursprünglichen Geltungsbereich des anwendbaren fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt (7 Ob 183/00p; 10 Ob 371/99b; 1 Ob 215/98v = ZfRV 1999, 64; 1 Ob 18/98y; ZfRV 1997, 244; ZVR 1992/13, EvBl 1985/172). Dabei kommt es in erster Linie auf die Anwendungspraxis des ausländischen Rechts durch die herrschende (höchstgerichtliche) Rechtsprechung an. Nur wenn dieser Lösungsansatz keine eindeutige Anwort ergibt, ist der herrschenden fremden Lehre zu folgen (1 Ob 215/98v = ZfRV 1999, 64; SZ 70/45; WBl 1997, 435; ÖBA 1997, 201; ÖBA 1996, 396; SZ 67/147; ZfRV 1987, 68).

Vor diesem Hintergrund wäre eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 402 Abs 4 und § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO nur dann zu klären, wenn die angefochtene Entscheidung - wie soeben erläutert - auf eine Hintansetzung des Heimatrechts der Streitteile hinausliefe.

2. 2. Die Vorinstanzen beurteilten den geltend gemachten Unterhaltsanspruch nach serbischem Recht. Sie bejahten einen solchen Anspruch im Provisorialverfahren prima vista, ohne also die aktuelle höchstgerichtliche serbische Rechtsprechung zu jenen Fragen des ausländischen Familienrechts im Detail erforscht zu haben (siehe zur amtswegigen Ermittlungspflicht Kodek in Angst, EO-Kommentar § 389 Rz 27; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung Vor § 378 Rz 4 je mwN), derentwegen der Beklagte nunmehr glaubt, jeder Unterhaltspflicht ledig zu sein.

Die Zulässigkeit einer bloß kursorischen Prüfung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen auf dem Boden des jeweils maßgebenden Auslandsrecht folgt aus dem Zweck des Provisorialverfahrens, möglichst rasch Rechtsschutz zu gewähren. Das tritt bei der Auferlegung einstweiligen Unterhalts zugunsten eines Verfügungswerbers ohne Einkommen - wie hier - besonders deutlich hervor. Ausländisches Sachrecht ist im Provisorialverfahren daher im Allgemeinen schon dann anzuwenden, wenn die Richtigkeit des erhobenen Materials wahrscheinlich ist (Zechner aaO Vor § 378 Rz 4 und § 378 Rz 1 mwN). Jedenfalls im Eilverfahren zur Gewährung einstweiligen Unterhalts scheidet etwa auch die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen zur Klärung der relevanten ausländischen Rechtslage (primär) auf dem Boden der aktuellen ausländischen höchstgerichtlichen Rechtsprechung aus (siehe zur Verneinung der Eigenschaft eines erst einzuholenden SV-Gutachtens als parates Bescheinigungsmittel Kodek aaO § 389 Rz 15; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren2 Rz 3/43; Zechner aaO Vor § 378 Rz 4 und § 378 Rz 1 je mN aus der Rsp).

3. Das Rekursgericht setzte sich ausführlich mit den materiellrechtlichen Einwendungen des Beklagten gegen einen Unterhaltsanspruch der Klägerin im Lichte des einschlägigen serbischen Sachrechts auseinander und bejahte einen solchen Anspruch. Der Beklagte zeigt mit den gegen diese Entscheidung ins Treffen geführten Argumenten nicht auf, dass die Lösung der Vorinstanzen nach dem schon verfügbaren Informationsmaterial über die serbische Rechtslage nicht einmal die Richtigkeitswahrscheinlichkeit für sich habe, sondern jedenfalls eine auf der Hand liegende gravierende Fehlbeurteilung des anwendbaren serbischen Sachrechts darstelle. Diese Ausführungen könnten im Übrigen nur dann verlässlich geprüft werden, wenn die aktuelle höchstgerichtliche serbische Rechtsprechung zu den im Anlassfall maßgebenden Kernfragen bekannt wäre. Der Beklagte stützt seine Ansicht hingegen nur auf den Wortlaut des serbischen Sachrechts und strebt dessen - von der Rechtspraxis in seinem Heimatland abgekoppelte - Auslegung zu seinen Gunsten durch den Obersten Gerichtshof an, ohne allerdings soweit - wie schon erwähnt - eine gravierende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen plausibel zu machen.

4. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO iVm § 78 und § 402 Abs 4 EO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Das Rekursgericht begründete seinen nachträglichen Ausspruch auf Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses mit dem Erfordernis allgemeingültiger Aussagen zum richtigen Verständnis bestimmter Rechtsfragen des serbischen Familienrechts. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch nach den Erwägungen unter 2. nicht dazu berufen, solche Leitlinien zum richtigen Verständnis ausländischen Rechts - abgehoben von der jeweils maßgebenden ausländischen Rechtspraxis - zu entwickeln. Dass der angefochtene Beschluss nach den zur Zeit verfügbaren Beurteilungsgrundlagen nicht an einer gravierenden Fehlbeurteilung leidet, wurde bereits unter 3. dargelegt. Somit ist aber der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, zurückzuweisen, wobei sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 und § 528a ZPO iVm § 78 und § 402 Abs 4 EO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann.

5. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Weist die gefährdete Partei - wie hier - erfolgreich auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Verfügungsgegners hin, so sind ihr die Kosten der aufgrund einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erstatteten Revisionsrekursbeantwortung bereits im Provisorialverfahren zuzusprechen (5 Ob 2008/96x; König aaO Rz 3/101; Zechner aaO § 393 Rz 1).

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