Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat der gefährdeten Partei die mit S 36.225,- (darin enthalten S 6.037,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Gegnerin der gefährdeten Partei, deren Unternehmenssitz auf den British Virgin Islands liegt, bietet Dienstleistungen im Bereich von Kapitalanlagen an. Die gefährdete Partei stellte ihr für ein solches Anlagenmanagement im März 1995 einen auf dem Kreditweg beschafften Betrag von insgesamt S 7,000.000,- zur Verfügung; am 16.8.1995 sollen davon nur mehr rund S 70.000,- (DM 10.000,-) auf dem Konto vorhanden gewesen sein.
Mit der Behauptung, ihr sei der streitgegenständliche Geldbetrag unter Vorspiegelung falscher Tatsachen herausgelockt und sodann das Konto durch rechtswidriges "Churning" (die Abwicklung sinnloser Geschäfte unter Einbehaltung unberechtigter Provisionen und Kommissionsgebühren) geplündert worden, beantragte die gefährdete Partei zur Sicherung ihres einzuklagenden Schadenersatzanspruches die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend, daß der Gegnerin der gefährdeten Partei und dem in Graz ansässigen Bankinstitut, bei dem sie ein Konto unterhält, jegliche Verfügung über dieses auf den Namen der Gegnerin der gefährdeten Partei lautende Konto verboten werde. Der Schadenersatzanspruch der gefährdeten Partei sei, weil sie (über eine in Graz ansässige Mittelsperson) mit einer Niederlassung der Gegnerin der gefährdeten Partei in Krefeld kontrahiert habe, nach deutschem Recht zu beurteilen und werde insbesondere auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iSd § 826 BGB, auf das Delikt der Verleitung Unerfahrener zur Börsenspekulation nach § 823 Abs 2 BGB iVm § 89 BörsenG, auf den Betrugstatbestand des "Churning" sowie auf die Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten gestützt. Die Hereinbringung des Anspruchs sei dadurch gefährdet, daß nach dem bisherigen Verhalten der Gegnerin der gefährdeten Partei damit gerechnet werden müsse, sie werde den Zugriff auf ihr Konto in Graz verhindern; außerdem müßte der erst zu schaffende Titel im Ausland, nämlich auf den British Virgin Islands, vollstreckt werden.
Das Erstgericht erließ am 18.8.1995 die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Gegnerin der gefährdeten Partei, wobei es auf Grund vorgelegter Urkunden den vorgebrachten Sachverhalt, insbesondere den behaupteten Schadenersatzanspruch wegen unerlaubter Verleitung eines Unerfahrenen zu Spekulationsgeschäften, als bescheinigt ansah. Mit Beschluß vom 26.9.1995 (ON 17) erklärte es sich dann noch in Erledigung von Prozeßeinreden der Gegnerin der gefährdeten Partei für örtlich und sachlich zuständig (Punkt 1.) des Spruches), verwarf in den Gründen seiner Entscheidung die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges (S 4 der ON 17) und wies den Widerspruch der Gegnerin der gefährdeten Partei aus folgenden zugleich die in dritter Instanz noch relevanten Behauptungen der Antragsgegnerin wiedergebenden) Gründen ab (Punkt 2.) der ON 17):
Dem auf eine angebliche Schiedsgerichtsvereinbarung gestützten Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsweges sei damit zu begegnen, daß die Erlassung einstweiliger Verfügung auch zur Sicherung von Ansprüchen möglich sei, die vor fakultative oder obligatorische Schiedsgerichte gehören (EvBl 1961/308 ua).
Das Vorliegen einer Rechtswahl (die Gegnerin der gefährdeten Partei meint, es sei auf Grund der Managementvereinbarung das Recht der British Virgin Islands anzuwenden, was die gefährdete Partei aus zahlreichen Gründen, unter anderem mit dem Hinweis auf ein Verbrauchergeschäft iSd § 41 IPRG bestreitet) habe die insoweit bescheinigungspflichtige Gegnerin der gefährdeten Partei nicht ausreichend glaubhaft gemacht.
Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin, auf dem von der Sicherungsmaßnahme betroffenen Bankkonto liege nicht ihr Geld, sondern das von Kunden, sei als bescheinigt anzunehmen, daß die Antragsgegnerin alleinige Kontoinhaberin und Verfügungsberechtigte sei. Für ein Treuhand- oder Anderkonto fehlten jegliche Hinweise.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung sowohl in ihrem Ausspruch über die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes (weil sich das von der Sicherungsmaßnahme betroffene Kontoguthaben der Antragsgegnerin bei der im Firmenbuch als Zweigniederlassung eingetragenen "Landesdirektion" eines Wiener Bankinstituts und somit im Sprengel des Erstgerichtes befinde) als auch in der Hauptsache. Es führte im wesentlichen aus:
In bezug auf die prozessualen Voraussetzungen der getroffenen Sicherungsmaßnahme komme der angeblichen Rechtswahl keine Bedeutung zu, weil für das Sicherungsverfahren die lex fori entscheidend sei; im übrigen sei den dagegen von der gefährdeten Partei vorgebrachten Argumente voll beizupflichten.
Eine Gefährdung des Anspruchs der gefährdeten Partei sei zwar nicht iSd § 379 Abs 2 Z 2 EO zu erkennen, doch habe sie die subjektive Gefährdung ihres Anspruchs iSd § 379 Abs 2 Z 1 EO ausreichend bescheinigt. Die Art und Weise, wie das Konto der gefährdeten Partei binnen kürzester Zeit "geplündert" worden sei, lasse nämlich befürchten, daß die Einbringung der gegenständlichen Forderung nahezu aussichtslos wäre, würden nicht Verbote nach § 382 Abs 2 Z 5 und 7 EO erlassen.
Zum Begehren nach einer Sicherheitsleistung sei auszuführen, daß dabei eine Interessenabwägung anzustellen sei. Berücksichtige man, daß es sich bei der Gegnerin der gefährdeten Partei offensichtlich um eine "Briefkastenfirma" handle, die einen ihr anvertrauten Betrag von S 7,000.000,- (das diesbezügliche Konto) auf einen Minimalstand reduziert habe, wäre es für den Antragsteller existenzbedrohend, wollte man jetzt noch die Sicherung seines Anspruchs vom Erlag einer Kaution abhängig machen.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß die Frage der Zuständigkeit nach § 387 Abs 2 EO in bezug auf eine Aktiengesellschaft als Drittschuldner (gemeint ist das Problem der Behandlung einer kontoführenden Zweigniederlassung als Drittschuldner) von der Judikatur noch nicht behandelt worden sei.
Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht die Gegnerin der gefährdeten Partei im wesentlichen geltend, daß sich das Rekursgericht nicht mit seinem Argument auseinandergesetzt habe, die vorliegenden Bescheinigungsmittel (insbesondere die Aussage des Antragstellers, den Managementvertrag eigenhändig unterschrieben zu haben) ließen sehr wohl die behauptete Rechtswahl erkennen. Damit hätte sich "einerseits die Unzulässigkeit des Rechtsweges, andererseits die Nicht-Anwendbarkeit des österreichischen Rechts ergeben". Auch die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes habe die zweite Instanz zu Unrecht bejaht. Drittschuldner könne nämlich nur das in Wien ansässige Bankinstitut und nicht dessen Landesdirektion in Graz sein. Wegen des zwingenden Charakters der Zuständigkeitsnorm des § 387 Abs 2 EO müsse die Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts Konsequenzen (entgegen der Rechtsprechung bis hin zur Aufhebung der Sicherungsmaßnahme) haben. Letztlich habe das Rekursgericht zu Unrecht die Auferlegung einer Sicherheitsleistung durch den Antragsteller abgelehnt. Es gehe um die Sperre eines gering verzinsten Girokontos, das immerhin ein Guthaben von etwas mehr als S 2,000.000,- aufweise, wobei es sich um Kundengelder handle. Der Antragsteller sei jeglichen Nachweis schuldig geblieben, daß er einen allfälligen Schaden der Antragsgegnerin werde ersetzen können; andererseits fehlten jegliche Grundlagen für die Annahme, die Antragsgegnerin sei eine "Briefkastenfirma". Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Abweisung des Sicherungsantrages abzuändern, in eventu ihn aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen, oder aber - bei Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung - dem Antragsteller den Erlag einer entsprechenden Sicherheitsleistung aufzutragen.
Vom Gegner der gefährdeten Partei liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den Revisionsrekurs zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, daß der letzte Satz des § 402 Abs 1 EO die generellen Beschränkungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes im Provisorialverfahren nur insofern durchbricht, als der Revisionsrekurs - entgegen § 528 Abs 2 Z 2 ZPO - auch gegen bestätigende Beschlüsse der zweiten Instanz zulässig ist. Alle übrigen Rechtsmittelbeschränkungen des § 528 ZPO gelten gemäß § 402 Abs 4 und § 78 EO auch hier, sodaß der Oberste Gerichtshof nur angerufen werden kann, wenn eine iSd § 528 Abs 1 ZPO bedeutsame Rechtsfrage zu lösen ist. Der Zulassungsausspruch des Rekursgerichtes bindet den Obersten Gerichtshof nicht (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO).
Als überprüfungswürdig hat das Rekursgericht im gegenständlichen Fall die Rechtsfrage angesehen, ob die in § 387 Abs 2 letzter Halbsatz normierte Zuständigkeitsvoraussetzung erfüllt ist, wenn sich im Sprengel des angerufenen Gerichtes - bei einer Zweigniederlassung des Drittschuldners - zwar das von der beantragten Sicherungsmaßnahme betroffene Bankkonto befindet, der Drittschuldner selbst aber seinen Unternehmenssitz in einem anderen Gerichtssprengel hat. Darauf kann der Oberste Gerichtshof jedoch gar nicht eingehen, weil der diesbezügliche Zuständigkeitsstreit rechtskräftig entschieden ist.
§ 44 Abs 1 JN schreibt zwar vor, daß im Exekutionsverfahren (zu dem das im zweiten Abschnitt der EO geregelte Provisorialverfahren gehört) die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes in jeder Lage des Verfahrens (sogar von Amts wegen) wahrzunehmen (und nach Möglichkeit durch Überweisung an das zuständige Gericht zu erledigen) ist, doch kann dies kraft Größenschlusses aus § 42 Abs 3 JN nicht mehr geschehen, wenn dem eine bindende Entscheidung entgegensteht. Unter Bindung ist dabei die formelle und materielle Rechtskraft gemeint (vgl Fasching I, 272). Rechtskräftig gewordene Zuständigkeitsentscheidungen verhindern also das (neuerliche) Aufgreifen der Zuständigkeitsfrage (vgl Fasching I, 281); um den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 3 ZPO (der an sich bei Verletzung der Zuständigkeitsordnung der EO vorläge: SZ 55/178 ua; Mayr in Rechberger, Rz 1 zu § 44 JN) wahrnehmen zu können, müßte daher noch ein Rechtsmittel gegen die bereits getroffene Zuständigkeitsentscheidung möglich sein (vgl Fasching I, 272; SZ 48/25).
Im gegenständlichen Fall hat das Erstgericht in Erledigung einer diesbezüglichen Prozeßeinrede - wie bereits erwähnt durch einen von der Sachentscheidung gesonderten Ausspruch - seine örtliche und sachliche Zuständigkeit bejaht, und das Rekursgericht hat diese Entscheidung ausdrücklich bestätigt. Damit wurde abschließend und bindend über die Zuständigkeitsfrage entschieden, weil § 402 Abs 1 EO nur Sachentscheidungen, nicht jedoch Entscheidungen über Prozeßhindernisse von der Unanfechtbarkeit bestätigender Beschlüsse ausnimmt. Wurde das Vorliegen eines Prozeßhindernisses von den Vorinstanzen übereinstimmend verneint, greift daher auch im Provisorialverfahren der Rechtsmittelausschluß des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, wie überhaupt nach dem Rechtsmittelsystem der ZPO (das von der EO prinzipiell übernommen wurde) die Verneinung einer gerügten Nichtigkeit durch die zweite Instanz nicht weiter anfechtbar ist (vgl SZ 63/43 mwN; SZ 66/164; RZ 1994, 140/47).
Auch sonst zeigt die Rechtsmittelwerberin keine Rechtsfragen auf, die die Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses begründen könnten.
Daß sich das Rekursgericht mit ihrem Argument, die angebliche Vereinbarung der Anwendung fremden Rechts (und zwar der Rechtsordnung der British Virgin Islands) stehe der beantragten einstweiligen Verfügung entgegen, nicht auseinandergesetzt habe, trifft nicht zu. Die diesbezüglichen Rechtsausführungen der Antragsgegnerin im Rekurs an die zweite Instanz sind so zu verstehen, daß sie die Anwendung österreichischen Rechts bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der letztlich angeordneten Sicherungsmaßnahme in Frage stellt (S 4 f der ON 20). Darauf hat jedoch schon das Rekursgericht erwidert, daß von österreichischen Gerichten nur die inländischen Verfahrensvorschriften anzuwenden sind, auch wenn der Entscheidung materiell das Privatrecht eines anderen Staates zugrundegelegt wird (SZ 49/158 uva). Unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zur Sicherung eines nach ausländischem Sachrecht zu beurteilenden Anspruches eine einstweilige Verfügung von einem österreichischen Gericht erlassen werden darf, ist daher ausschließlich nach österreichischem Recht zu beurteilen, was insbesondere für die Wahl der Sicherungsmittel gilt (1 Ob 601/82). Daß der geltend gemachte Anspruch selbst nach der Privatrechtsordnung der British Virgin Islands zu verneinen wäre - etwa weil sie keine Schutznorm gegen die Ausbeutung Unerfahrener durch Börsenspekulationsgeschäfte enthält - hat die Antragsgegnerin nie substantiell behauptet.
Was die von der Rechtsmittelwerberin verlangte Verknüpfung der einstweiligen Verfügung mit einer Sicherheitsleistung des Antragstellers betrifft, ist schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage zu erkennen, weil auf ein diesbezügliches Begehren nur einzugehen ist, wenn konkrete Umstände behauptet und bescheinigt werden oder wenigstens im Verfahren hervorkommen, aus denen sich ein schwerwiegender Eingriff in die Rechtssphäre des Gegners der gefährdeten Partei durch die begehrte Sicherungsmaßnahme ergibt (E 17 zu § 390 EO MGA13; vgl zuletzt 1 Ob 511/95). Ob dann der Eingriff tatsächlich so schwer wiegt, daß er die Auferlegung einer Sicherheitsleistung rechtfertigt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, die sich grundsätzlich einer überprüfenden rechtlichen Würdigung durch den Obersten Gerichtshof entziehen (vgl 4 Ob 1303, 1306/86). Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang konkret nur vorgebracht, daß ihr durch die Sperre des verfahrensgegenständlichen Bankkontos ein unermeßlicher Schaden drohe, weil auf diesem Konto Kundengelder lägen (S 4 f der ON 11). Genau das haben jedoch die Vorinstanzen als nicht bescheinigt angenommen, sodaß die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen auf die unzulässige Anfechtung von Tatsachenfeststellungen hinauslaufen. Auch im Provisorialverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und keine Tatsacheninstanz (ÖBA 1992, 167 uva).
Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 und § 402 Abs 4 ZPO. Die Kosten, die mit der Geltendmachung einer nach dem konkreten Stand des Sicherungsverfahrens gegebenen Unzulässigkeit einer Verfahrenshandlung ihres Gegners, insbesondere der Unzulässigkeit eines Rechtsmittels verbunden sind, sind der gefährdeten Partei im Sicherungsverfahren nach Maßgabe der §§ 41 ff ZPO, §§ 78 und 402 Abs 4 EO zu ersetzen und unterliegen nicht dem von der Rechtsprechung aus § 393 Abs 1 EO abgeleiteten Kostenvorbehalt (6 Ob 632/85).
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