OGH 7Ob183/00p

OGH7Ob183/00p15.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Hilde B*****, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler und Dr. Helmut Berger, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Ing. Wilhelm B*****, vertreten durch Mag. Erich Allinger, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Ausgleichszahlung von S 2,500.000 im Rahmen der Aufteilung des ehelichen Vermögens, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. März 2000, GZ 16 R 17/00i-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 12. November 1999, GZ 1 F 77/98s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Antragsgegners auf Zuspruch der Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin und der Antragsgegner, die seit 1971 in Österreich leben, sind beide deutsche Staatsbürger. Sie hatten einander am 31. 8. 1964 geheiratet und am 22. 9. 1964 mit Notariatsakt einen (Ehe)Vertrag geschlossen, in dem rückwirkend mit dem Tag ihrer Eheschließung als ehelicher Güterstand Gütertrennung gemäß § 1414 BGB vereinbart wurde. Nachdem die Ehe mit Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 8. 6. 1998 aus dem überwiegenden Verschulden des Antragsgegners geschieden worden war, begehrt die Antragstellerin von diesem im Rahmen eines nunmehr von ihr angestrengten Aufteilungsverfahrens "gemäß § 81 Ehegesetz" eine Ausgleichszahlung von S 2,500.000 im Wesentlichen dafür, dass sie ein ihr angeblich an der ehelichen Liegenschaft in S***** zustehendes Wohnrecht nicht ausübe.

Der Antragsgegner beantragte (ua) unter Hinweis auf die mit dem Ehepakt vereinbarte Gütertrennung, den Antrag abzuweisen.

Die Antragstellerin erwiderte, der Ehevertrag habe ausschließlich den Zweck verfolgt, Exekutionen auch gegen sie, zufolge eines (gegen den Antragsgegner anhängigen) Konkursverfahrens zu verhindern; es sei damit kein Ausschluss eines Zugewinnausgleichs vorgenommen worden.

Dass zufolge des gemeinsamen Personalstatuts gemäß §§ 18 und 19 bzw 20 IPRG der gegenständliche Aufteilungs- bzw Ausgleichsanspruch nach deutschem Recht zu beurteilen ist, ist zwischen den Parteien nicht strittig; darauf braucht vom Obersten Gerichtshof daher nicht mehr eingegangen zu werden (vgl ZfRV 1996, 161; 2 Ob 80/99z; 2 Ob 18/00m). Unstrittig ist auch, dass der Antragstellerin im Falle der wirksamen Vereinbarung der Gütertrennung durch die Ehegatten der behauptete Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung nicht zusteht. Wesentlicher Streitpunkt ist (daher) nur mehr, ob die Antragstellerin und der Antragsgegner mit Ehevertrag vom 22. 9. 1964 tatsächlich Gütertrennung vereinbart haben.

Das Erstgericht hat dies bejaht und den Antrag, den Antragsgegner schuldig zu erkennen, der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von S 2,500.000 zu leisten, abgewiesen. Da die eheliche Liegenschaft ausschließlich aus Vermögensbestandteilen des Antragsgegners erworben worden sei, seien keine Ansprüche der Antragstellerin gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach dem anzuwendenden deutschen Recht sei der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, auszugleichen, wenn die Zugewinngemeinschaft ende (§ 1363 BGB). Die Ehegatten könnten aber durch Ehevertrag anderes vereinbaren. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen: man habe mit Notariatsakt vom 22. 9. 1964 Gütertrennung gemäß § 1414 BGB vereinbart; die Ehegatten seien sich daher in vermögensrechtlicher Beziehung wie Unverheiratete gegenübergestanden. Ein Zugewinnausgleich komme nicht in Betracht. Das Erstgericht habe den Gütertrennungsvertrag iSd § 133 BGB entgegen der Ansicht der Antragstellerin richtig interpretiert; dadurch sei die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand ausgeschlossen worden. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin habe mit dem Vertrag vom 22. 9. 1964 der Zugriff von Gläubigern des Antragsgegners auf ihr Vermögen auch für die Zukunft und damit auch auf das während der Ehe Erworbene ausgeschlossen werden sollen. Selbst nach dem Vorbringen der Antragstellerin seien demnach die Rechtsfolgen der Gütertrennung von beiden Parteien gewollt gewesen. Der Vertrag vom 22. 9. 1964 stelle daher kein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB dar; er sei auch nicht gemäß § 134 BGB nichtig, sondern allenfalls nach dem Anfechtungsgesetz oder der Konkursordnung anfechtbar. Da zur Frage der Behandlung einer Antragstellung nach §§ 81 ff EheG für den Fall, dass deutsches Recht anzuwenden sei, sowie des Einflusses eines (nach deutschem Recht abgeschlossenen) Ehevertrages über Gütertrennung auf die Möglichkeit einer nachehelichen Vermögensaufteilung keine oberstgerichtliche Rechtsprechung existiere, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen gewesen, zumal dieser Frage über den vorliegenden Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Stattgebung ihres Antrags abzuändern. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner hat eine (gemäß § 231 Abs 2 AußStrG zulässige) Revisionsrekursbeantwortung erstattet und darin die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 16 Abs 3 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Im Revisionsrekursverfahren bildet, wie bereits erwähnt, der Umstand, dass die Antragstellerin im Falle der Vereinbarung der Gütertrennung durch die Ehegatten nach § 1414 BGB keinen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns hat, keinen Streitpunkt mehr. Strittig ist allein noch, ob die Vorinstanzen den Vertrag vom 22. 9. 1964 zutreffend dahin ausgelegt haben, dass von den Streitteilen damit Gütertrennung vereinbart wurde. Diese Rechtsfrage wird vom Rekursgericht deshalb im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG für erheblich erachtet, weil sie nach deutschem Recht zu beurteilen ist und es dazu keine österreichische oberstgerichtliche Judikatur gebe. Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des anzuwendenden fremden Rechts reicht jedoch nach stRsp für die Annahme einer qualifizierten Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bzw § 14 Abs 1 AußStrG nicht aus (RZ 1984/88; IPRE 2/12; ZfRV 1992/32, 309; RIS-Justiz RS0042948; vgl zuletzt etwa 10 Ob 371/99b; 7 Ob 32/00g). Entspricht die Auslegung der anzuwendenden ausländischen Sachnorm durch das Rekursgericht der ständigen Rechtsprechung des ausländischen Höchstgerichtes und der ausländischen Lehre, so ist das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bzw § 14 Abs 1 AußStrG ohne Bedeutung; der Oberste Gerichtshof hat in einem solchen Fall keine Leitfunktion (vgl EvBl 1985/172 = IPRE 2/8 uva, zuletzt etwa 10 Ob 371/99b und 4 Ob 136/99z). Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn gegen Rechtsanwendungsgrundsätze des § 3 IPRG verstoßen und bei der Entscheidung des Rechtsstreites durch die inländischen Gerichte eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen Fremdenrechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre (NRsp 1994/103; ZfRV 1994/33, 158; RIS-Justiz RS0042940; RS0042948 mwN uva). Davon, dass das Rekursgericht im vorliegenden Fall von einer gefestigten Rechtsanwendung im fremden Staat - hier also in Deutschland - abgewichen wäre, kann aber - schon nach dem eindeutigen Vertragswortlaut - gar keine Rede sein. Nach stRsp könnte eine Vertragsauslegung im Einzelfall nur dann eine erhebliche Rechtsfrage darstellen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936); dies muss selbstredend auch bei Anwendung fremden Rechts gelten.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

Ein Kostenzuspruch an den Antragsgegner kommt - auch im Lichte des § 234 AußStrG - nicht in Betracht, weil er auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels seiner Gegnerin in seiner Revisionsrekursbeantwortung nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

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