OGH 7Ob32/00g

OGH7Ob32/00g15.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sevtap C*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Christian Harisch, Mag. Franz J. Terfl, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Gökay C*****Hilfsarbeiter, *****, wegen Unterhalt (Streitwert S 72.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11. November 1999, GZ 21 R 462/99h-26, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 10. Juni 1999, GZ 15 C 43/99h-19, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 11. August 1989 in der Türkei geschlossene Ehe der beiden Streitparteien mit türkischer Staatsangehörigkeit, der zwei Kinder entstammen, wurde mit Urteil eines Gerichtes in Esme (Türkei) am 3. März 1998 rechtskräftig geschieden. Eine Entscheidung über einen Unterhaltsanspruch einer der beiden Ehegatten enthält dieses Urteil nicht, jedoch ist aus der Begründung ersichtlich, dass die Ehezerrüttung durch Verfehlungen der Klägerin herbeigeführt wurde. Die unvertretene Klägerin hat in diesem Scheidungsverfahren die Abweisung der Klage beantragt, einen Zeugen namhaft gemacht, sich aber sonst nicht daran beteiligt. Der Beklagte erzielte in der Zeit von März 1998 bis August 1998 ein monatliches Nettogehalt von ca S

19.937.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 2. 9. 1998 zu Protokoll gegebenen Klage vom Beklagten einen monatlichen Unterhalt von S 2.000 ab September 1998 und stützt dies darauf, dass das türkische Urteil zwar den Beklagten verpflichtet habe, S 500 pro Kind zu bezahlen, die Klägerin jedoch von ihm keinen Unterhalt bekomme. Da sie jedoch nur ein monatliches Karenzgeld von S 5.500 habe, aber Fixkosten für Miete, Telefon und Betriebskosten in Höhe von S 6.000 monatlich zu bezahlen hätte und für die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder sorgen müsse, sei sie nicht in der Lage, ohne die Unterstützung des Beklagten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Am Scheidungsverfahren habe sie nicht teilnehmen können, da sie damals schwanger gewesen sei.

Der Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass sich aus der Begründung des Scheidungsurteils ergebe, dass das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe die Klägerin treffe. Durch ihre Verfehlungen und ihr Verhalten sei die Zerrüttung herbeigeführt worden. Da in dem Urteil über den Unterhaltsanspruch nicht abgesprochen worden sei, stehe ihr dieser auch nicht zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und folgerte dabei rechtlich ausgehend von dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass nach dem hier anzuwendenden Art 144 des Türkischen Bürgerlichen Gesetzbuches der Anspruch eines durch die Scheidung in Bedürftigkeit geratenen Ehegatten auf Unterhalt dann ausgeschlossen sei, wenn dessen Verschulden überwiege. Aus dem türkischen Scheidungsurteil ergebe sich jedoch, dass die Ehezerrüttung durch die Verfehlungen der Klägerin herbeigeführt worden sei. Sie hätte sich auch in der Türkei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen können.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und ging rechtlich davon aus, dass zwar grundsätzlich die Klägerin nach türkischem Recht auch nach der Scheidung Klage auf Unterhalt nach Art 144 des Türkischen Zivilgesetzbuches erheben könne, dass jedoch für die Frage des Verschuldens nach dem Übereinkommen über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen die Entscheidung des türkischen Gerichts über die Ehescheidung maßgeblich sei. Der Beklagte habe sich selbst auf dieses Verfahren eingelassen und Sachanträge gestellt. Die Entscheidung habe auch bindend über die Frage des Verschuldens der Klägerin abgesprochen. Wenn auch die Entscheidungsgründe eines Urteiles für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen könnten, so seien für die Interpretation bzw Individualisierung des in Rechtskraft erwachsenden Urteilsspruches sehr wohl die in den Entscheidungsgründen wiedergegebenen Sachverhaltsfest- stellungen samt den daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen heranzuziehen. Da nach türkischem Recht das Verschulden eines Ehepartners Voraussetzung für die Ehescheidung sei, wenn es auch keinen Verschuldensausspruch im Urteilstenor vorsehe, erfasse die Rechtskraftwirkung die für den Verschuldensausspruch erforderlichen Tatsachenfest- stellungen. In diesem Punkte dürfe das türkische Urteil keiner "revision au fond" unterzogen werden, weshalb das österreichische Gericht daran gebunden sei. Dementsprechend sei der Klägerin die Geltendmachung von Anspruchsgründen insoweit verwehrt, soweit sie bindend ihr Verschulden an der Scheidung beträfen. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da zur Frage, ob der Richter im Unterhaltsprozess an die verschuldensrelevanten Feststellungen des ausländischen Scheidungsrichters gebunden sei oder nicht, insbesondere, wenn die ausländische Verfahrensordnung einen Verschuldensausspruch im Urteilstenor gar nicht kenne, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes (vgl § 508a Abs 1 ZPO) unzulässig.

Als unrichtige rechtliche Beurteilung releviert die Revision ausschließlich, dass die Klägerin im Scheidungsverfahren ihre Rechte nicht entsprechend wahrnehmen konnte und dass das Gericht nicht an die Feststellung im türkischen Scheidungsurteil hinsichtlich der Eheverfehlungen gebunden sei.

Nach Art 144 des türkischen Zivilgesetzbuches können die geschiedenen Ehegatten auch nach Abschluss des Scheidungsverfahrens ihren wechselseitigen Anspruch auf Unterhalt wegen Bedürftigkeit geltend machen (vgl EFSlg 85.018 = ZfRV 1997, 129). Dieser Anspruch setzt aber voraus, dass das Verschulden des Ehegatten, der den Unterhalt begehrt an der Scheidung nicht überwiegt (vgl auch Rumpf, Scheidungsfolgen im türkischen Recht, ZfRV 1988, 282).

Dass trotz Fehlens des materiellrechtlichen Anspruchs auf einen Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil selbst (vgl dazu EFSlg

78.991 und 78.992 = ZfRV 1996, 27) Gerichte in einem nachfolgenden Verfahren an die Feststellungen des Scheidungsrichters im Hinblick auf das Verschulden gebunden sein können, wurde bereits ausgesprochen (vgl EFSlg 85.016 unter Hinweis auf Rumpf, aaO 1988, 275 und 289). Allgemein gilt, dass dann, wenn auf Grund staatsvertraglicher Regelungen ein Urteil in Österreich vollstreckbar (anzuerkennen) ist, dieses materielle Rechtskraft äußert (vgl etwa ZfRV 1999, 110; Fasching Lehrbuch2 Rz 1511).

Die durch die materielle Rechtskraft bewirkte Maßgeblichkeit der Entscheidung äußert sich aber auch in einer inhaltlichen Bindung an diese, wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch Vorfrage, für den im zweiten Prozess erhobenen Anspruch ist (vgl RIS-Justiz RS0041251; SZ 68/2, zuletzt 8 ObA 87/99y). Maßgeblich ist daher inwieweit durch das Urteil des türkischen Gerichtes auf Grund des türkischen Scheidungsrechtes bereits die Scheidung auch aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin ausgesprochen wurde. Dies ist jedoch eine Auslegungsfrage zum materiellen türkischen Recht im Einzelfall, die nicht als Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO angesehen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0042948 mzwN, insbes 7 Ob 283/98p). Von einer krassen Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die die Voraussetzungen für die Annahme der Revision schaffen könnte (vgl RIS-Justiz RS0112590 uva) kann schon deshalb nicht gesprochen werden, da nach Ansicht des türkischen Kassationshofes eine Verschuldensabwägung erforderlich ist. Das Scheidungsbegehren kann auch nur dann durchgesetzt werden, wenn dem klagenden Ehegatten gar kein oder nur ein geringes Verschulden an der unheilbaren Ehezerrüttung anzulasten ist (vgl EFSlg 87.868).

Soweit die Revision davon ausgeht, dass das Scheidungsurteil als solche entsprechend Art 1 Z 2 des Übereinkommens über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen BGBl Nr 43/1978 überhaupt nicht anzuerkennen wäre, weil die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, ihre Rechte im Verfahren geltend zu machen und sich darauf stützt, dass die Entscheidung nur auf Grund der Behauptungen und auf Grund des Vorbringens des Beklagten im Scheidungsverfahren ergangen sei und diese Behauptungen der Klägerin gar nicht im Einzelnen zur Kenntnis gebracht worden seien, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0043603 etwa 10 ObS 266/88; 6 Ob 2279/96w).

Da es im Hinblick auf die mangelnde Berechtigung des Anspruches dem Grunde nach nicht auf die Ermittlung der Höhe ankommt, haben die von der Klägerin diesen Zusammenhang relevierten Aktenwidrigkeiten keine Relevanz. Gleiches gilt hinsichtlich der von der Klägerin relevierten Mängel des Berufungsverfahrens, da ohnehin festgestellt wurde, dass sich die Klägerin am Scheidungsverfahren in der Türkei beteiligte, sodass der in der Berufung begehrten Feststellung, dass nicht festgestellt werden könne, ob die Klägerin in der Lage gewesen wäre, sich eines Vertreters im Scheidungsverfahren zu bedienen, ebenfalls nicht entscheidend ist.

Insgesamt zeigt die Revision jedenfalls keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb sie zurückzuweisen war.

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