OGH 7Ob283/98p

OGH7Ob283/98p28.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Darija S*****, geboren am ***** vertreten durch Dr. Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mico C*****, vertreten durch Dr. Peter Prikoszovits, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert S 72.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. April 1998, GZ 43 R 264/98m-108, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 8. Jänner 1998, GZ 29 C 25/96m-98, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Revisionsbeantwortungskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Beklagte, ein kroatischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich, ist außerehelicher Vater des klagenden Kindes, das serbische Staatsbürgerin ist. Die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für dieses Kind ist unbestritten (vgl AS 51 in ON 17). Außer Streit steht, daß der Beklagte ein monatliches Nettoeinkommen von S 14.000,-- 14mal jährlich bei einer Sorgepflicht für ein weiteres am 28. 1. 1994 geborenes Kind (und für eine vor der Geburt dieses Kindes mitverdienende Ehegattin) bezieht. Das klagende Kind lebte von 1992 bis 1995 gemeinsam mit seiner Mutter bei der mütterlichen Großmutter in Belgrad, danach gemeinsam mit ihrer Mutter in einer 48 m2 großen Eigentumswohnung ebenfalls in Belgrad. Es hat 1997 die VI. Klasse der Grundschule beendet. Die Mutter war zu diesem Zeitpunkt arbeitslos, davor war sie bei einer Firma "Generalimport" beschäftigt. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen in der Bundesrepublik Jugoslawien (ehemalige SFRJ) für unselbständig Erwerbstätige betrug 1992 157 Dinar, 1993 66 Dinar, 1994 190 Dinar, 1995 397 Dinar, 1996 790 Dinar und im Juni 1997 802 Dinar. Die Lebenshaltungskosten zur Befriedigung der notwendigsten Bedürfnisse einer vierköpfigen Familie betrugen dagegen im Juni 1997 1558 Dinar. Das durchschnittliche Einkommen eines unselbständigen Erwerbstätigen reicht demnach nicht aus, die notwendigen Lebenshaltungskosten für eine vierköpfige Familie, nämlich Nahrungsmittel, Bekleidung, Miete, Strom, Wasser, Telefonkosten und Schulbildung zu decken.

Der dem Ersturteil detailliert zu entnehmende Wechselkurs von österreichischen Schilling in Dinar, wobei am 24. 1. 1994 im Zuge einer Währungsreform eine Umstellung von (alten) Dinar auf neue jugoslawische Dinar und am 9. 12. 1995 eine weitere Umstellung von neuen jugoslawischen Dinar auf neue Dinar erfolgte, ergibt zusammengefaßt, daß man im Jänner 1992 für 100 alte jugoslawische Dinar S 10,83 an österreichischen Schillingen erhielt, wobei der Kurs bis Oktober 1993 dahin abfiel, daß der Gegenwert von 10.000 alten jugoslawischen Dinar nur mehr 2 Groschen betrug. Nach der Währungsreform waren für 100 neue jugoslawische Dinar S 706 zu erhalten, dieser Kurs fiel bis September 1997 auf einen Gegenwert von S 217,68 für 100 neue jugoslawische Dinar. Vom Beklagten wurden für die Zeit von Oktober 1991 bis Juni 1993 ein Unterhaltsbeitrag von insgesamt S 3.150,-- und ab Juni 1993 jeweils ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von S 150,-- für die Klägerin bei Gericht hinterlegt. Die hinterlegten Beträge wurden gemäß § 1425 ABGB zu Gericht angenommen.

Das klagende Kind begehrt vom Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von letztlich S 2.000,-- ab 5. 10. 1992. Dies entspreche seinen Bedürfnissen und liege unter der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Bei der Unterhaltsausmittlung dürfe der ständig schwankende Kurs des jugoslawischen Dinars nicht berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei der Unterhaltsausmittlung seien die Verhältnisse am Aufenthaltsort des klagenden Kindes heranzuziehen. Der Spitzenverdienst eines unselbständig Erwerbstätigen in Restjugoslawien betrage unter S 600,-- pro Monat. Dem krassen Mißverhältnis zwischen den Lebensumständen des Vaters und der Mutter sei daher Rechnung zu tragen.

Das Erstgericht sprach dem klagenden Kind einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 850,-- ab 5. 10. 1992 zu (dieser Zuspruch erwuchs in Rechtskraft) und wies das Mehrbegehren von monatlich S 1.150,-- ab. Die Unterhaltsfestsetzung habe nach § 25 Abs 2 IPRG nach serbischem Recht zu erfolgen. Nach Artikel 310a Abs 4 des Ehe- und Familienrechtes der Republik Serbien habe der auferlegte Unterhaltsbeitrag für jede unterhaltsberechtigte Person nicht niedriger als 15 % und nicht höher als 50 % vom gesamten monatlichen Einkommen oder Pension oder anderen regelmäßigen monatlichen Einkünften des Unterhaltsschuldners zu sein. Der zugesprochene Unterhalt müsse aber in einem angemessenen Verhältnis zu den durchschnittlichen Lebensverhältnissen und zur Kaufkraft der Heimat des Unterhaltsberechtigten stehen. Bei einem monatlichen Durchschnittsverdienst eines unselbständig Erwerbstätigen in Serbien von S 1.750,-- im Juni 1997 erweise sich der zugesprochene Betrag als angemessen.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des klagenden Kindes gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung. Abs 2 des Artikel 309 des serbischen Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen normiere, daß die Unterhaltsverpflichtung entsprechend den Möglichkeiten des Alimentationspflichtigen und in den Grenzen der Bedürfnisse des Unterhaltsantragstellers festzusetzen sei. Art 310 Abs 2 leg cit berücksichtige auch das Alter und die Bedürfnisse des Kindes (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Familienrecht, Band V, Landesteil Jugoslawien, Engeres Serbien, 128 - 9). Durch Zuspruch eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 850,-- werde dem klagenden Kind Unterhalt in rund der Hälfte eines durchschnittlichen Einkommens eines unselbständig Erwerbstätigen der Bundesrepublik Jugoslawien zugesprochen. Damit seien die Bedürfnisse der Klägerin in der Bundesrepublik Jugoslawien ausreichend gedeckt. Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen gewesen, da zur Frage, ob der erst seit 1994 in Geltung stehende Art 310a Abs 4 des Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehung der Republik Jugoslawien, der eine Unterhaltsfestsetzung nach Prozenten des Einkommens des Alimentationspflichtigen gesetzlich normiere, nur dann anzuwenden sei, wenn der Unterhaltsberechtigte in Serbien wohnhaft sei, soweit überblickbar, eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung vom klagenden Kind erhobene Revision erweist sich als unzulässig und war daher zurückzuweisen.

Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß gemäß dem anzuwendenden § 25 Abs 2 IPRG (vgl Schwimann zu Rummel ABGB2 § 25 IPRG Rz 6) das Recht des Aufenthaltsortes des klagenden Kindes, sohin serbisches Recht, zur Anwendung zu kommen hat. Bei Anwendung ausländischen Rechts kommt es darauf an, ob die Entscheidung einer im fremden Staat in Rechtsprechung und Lehre gefestigten Ansicht entspricht. Wird eine Rechtsfrage über die Auslegung einer ausländischen Norm, die bisher noch keinen Entscheidungsniederschlag im Heimatstaat gefunden hat, zum ersten Mal an den Obersten Gerichtshof Österreichs herangetragen, so ist es nicht Aufgabe dieses Höchstgerichtes, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechtes zu liefern (vgl Kodek in Rechberger ZPO, § 502 Rz 3 mwN). Die Vorinstanzen übergingen auch, daß der Oberste Gerichtshof in einem vom Sachverhalt her vergleichbaren Fall zu 6 Ob 322/97i (= EFSlg 85.028) die außerordentliche Revision der in Serbien lebenden unterhaltsbegehrenden Kinder gegen ihre Unterhaltsausmittlung durch das österreichische Gericht mit der Begründung zurückgewiesen hat, daß für die Geldunterhaltsverpflichtung des nicht betreuenden Elternteiles nach serbischem Recht sowohl die Bedürfnisse des Kindes als auch die Fähigkeiten und Möglichkeiten seiner Elternteile maßgebend sei. Ebenso wie hier stand auch dort fest, daß der zugesprochene Unterhaltsbetrag in Serbien ausreicht, um sämtliche Lebensbedürfnisse des Kindes dort abzudecken. Die Vorentscheidung verneint die Notwendigkeit der Ermittlung des Durchschnittsbedarfes von Kindern gleicher Altersstufe in Serbien. Weiters wurde ausgesprochen, daß es unter diesen Umständen auch keiner Beantwortung der Frage bedarf, ob aus dem über den Bedarf des Kindes hinausgehenden Unterhalt, wie es auch hier bei einem vollen Zuspruch des Klagebegehrens möglich wäre, vom Kind Ersparnisse angelegt werden dürfen. Dementsprechend wurde auch dort der im serbischen Recht vorgesehene Mindestunterhaltssatz nicht zur zwingenden Untergrenze für die Unterhaltsausmittlung bei einem in Österreich lebenden unterhaltspflichtigen Elternteil herangezogen. Eine zwingende Anwendung dieses Mindestunterhaltssatzes ist auch der serbischen Norm dem Art 310a Abs 4 des Ehe- und Familienrechtes der Republik Serbien nicht zu entnehmen. Der Beurteilung der Anpassung des Unterhaltsbeitrages für das klagende Kind an die finanziellen Möglichkeiten des in Österreich lebenden Unterhaltsschuldners bei sonstiger voller Erfüllung aller Bedürfnisse des Kindes in Serbien kommt keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Der Revisionsgegner hat es unterlassen, auf die Unzulässigkeit der Revision der klagenden Partei hinzuweisen.

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