OGH 9ObA166/00b

OGH9ObA166/00b12.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Brigitte Haumer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sonja K*****, Zahntechnikerin, *****, vertreten durch Dr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Peter W*****, Inhaber eines Dentallabors, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer und Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 136.729,62 brutto sA (Revisionsinteresse S 92.870,98 brutto), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2000, GZ 9 Ra 334/99z-23, womit über Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15. Juni 1999, GZ 29 Cga 19/99x-13, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung, wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.548,16 (darin S 591,36 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.431,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 507,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war beim Beklagten vom 2. 1. 1997 bis zum 31. 8. 1997 als Zahntechnikerlehrling und vom 1. 9. 1997 bis zum 3. 8. 1998 als Zahntechnikerin beschäftigt. Auf das Lehrverhältnis der Klägerin war der Kollektivvertrag für Lehrlinge des Zahntechnikergewerbes anzuwenden, auf das Arbeitsverhältnis die Tarifordnung für das Zahntechnikerhandwerk (in der Folge: TO), erlassen am 1. 12. 1941 vom Reichstreuhänder für Wien und Niederdonau.

§ 3 dieser TO normiert "Mehrarbeits-", Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeitszuschläge. Als "Mehrarbeit" definiert § 2 der TO "die über wöchentlich 48 Stunden hinaus geleistete Arbeit".

§ 10 der TO ("Verwirkung") hat folgenden Wortlaut:

"I. Ansprüche auf Zuschläge aller Art sind verwirkt, wenn sie nicht spätestens 2 Monate nach ihrer Entstehung dem Betriebsführer gegenüber geltend gemacht worden sind.

II. Sonstige Ansprüche auf Grund dieser Tarifordnung sind verwirkt, wenn sie nicht binnen 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Betriebsführer gegenüber geltend gemacht worden sind."

Die Klägerin begehrte in erster Instanz zuletzt S 136.729,62 brutto sA (Kündigungsentschädigung S 8.753,88; Urlaubsentschädigung S 15.426,41; Überstundenentlohnung für die Zeit von 2. 1. 1997 bis 31. 8. 1997 S 19.678,35 und für die Zeit von 1. 9. 1997 bis 15. 8. 1998 S 92.870,98).

Zum Anspruch auf Überstundenentgelt - nur dieser ist Gegenstand des Revisionsverfahrens - brachte die Klägerin vor, insgesamt 1049,38 Überstunden, davon 385,85 während des Lehrverhältnisses und 663,53 als Facharbeiterin, geleistet zu haben.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, dass Überstunden weder geleistet worden noch notwendig gewesen seien und dass im Übrigen das Überstundenentgelt iS des § 10 der TO verfallen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von S 88.234,61 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 48.495,01 brutto ab. Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte eröffnete seinen Laborbetrieb am 2. 12. 1996. Obwohl die Umsätze hinter den Erwartungen zurückblieben, mussten, weil nur fünf oder sechs Zahntechniker beschäftigt waren, wegen der üblichen Terminarbeiten bei der Herstellung von Zahnersätzen regelmäßig Überstunden geleistet werden. Grundsätzlich wäre es möglich gewesen, für Überstunden Zeitausgleich zu nehmen; die Mitarbeiter verlangten dies aber kaum, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchteten, zumal die Terminarbeiten keinen effizienten Zeitausgleich erlaubten. Überstundenentgelt wurde von keinem Mitarbeiter verlangt, weil allen bekannt war, dass die Liquidität des Unternehmens im ersten Jahr zu wünschen übrig ließ. Sogar die Löhne waren oft nur mit Verspätung gezahlt worden.

Die Kläger leistete während ihrer Lehrzeit vom 2. 1. 1997 bis zum 31. 8. 1997 insgesamt 385,85, in der Zeit von 1. 9. 1997 bis 31. 3. 1998 521,16 und in der Zeit vom 1. 4. 1998 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses 142,37 Überstunden. Sie erhielt dafür weder Überstundenentgelt noch Zeitausgleich. Die Überstunden waren jeweils für die termingerechte Fertigstellung der ihr aufgetragenen Arbeiten notwendig. Dem Beklagten war aus eigener Wahrnehmung bekannt, dass die Klägerin regelmäßig noch nach 17.00 Uhr arbeitete.

Während der Beschäftigung der Klägerin beim Beklagten war eine Abgeltung der Überstunden kein Thema. Erstmals mit ihrem Schreiben vom 11. 8. 1998 beanspruchte die Klägerin dem Grunde nach Überstundenentgelt.

In der Zeit von 2. 1. 1997 bis 31. 3. 1998 gab es keine regelmäßigen betrieblichen Arbeitsaufzeichnungen. Versuche einer computerunterstützten Arbeitszeiterfassung erwiesen sich als nicht praktikabel; es steht nicht fest, dass diese Art der Erfassung jemals lückenlos und effizient eingesetzt wurde und ein erfasster Inhalt dem Beklagten zur Kenntnis gelangt wäre.

Wegen des Fehlens einer funktionierenden betrieblichen Arbeitszeiterfassung führten einzelne Mitarbeiter, darunter die Klägerin, selbst handschriftliche Listen über ihre tägliche Arbeitszeiten. Dies Aufzeichnungen wurden aber dem Kläger nie vorgelegt.

Ab 1. 4. 1998 wurde im Betrieb eine Arbeitszeiterfassung mit Stempelkarten eingeführt. Die Stempelkarten wurden dem Beklagten monatlich vorgelegt; ob er sie kontrolliert oder überhaupt angesehen hat, steht nicht fest.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur mehr die Überstundenentgelte für die Zeit ab 1. 9. 1997 (die Ansprüche auf Kündigungs- und Urlaubsentschädigung wurden unangefochten abgewiesen, die Überstundenentgelte aus der Zeit des Lehrverhältnisses letztlich unangefochten zugesprochen). Dazu vertrat das Erstgericht folgende Rechtsauffassung:

Auf das ab 1. 9. 1997 begründete Arbeitsverhältnis sei nach § 45 Kollektivvertragsgesetz 1947 (KollVG) und nach den §§ 162 Abs 1 Z 2 sowie 164 Abs 3 ArbVG noch immer die genannte TO anwendbar, soweit ihr nicht gesetzliche Regelungen entgegenstünden. Die darin in § 10 I. normierte zweimonatige Frist, innerhalb derer die Überstundenzuschläge geltend gemacht werden müssen, sei nicht sittenwidrig und verstoße auch nicht gegen zwingendes Recht. Die Leistung von Überstunden allein genüge nicht zu deren Geltendmachung; ebensowenig die in der Zeit vom 1. 9. 1997 bis zum 31. 3. 1998 geführten privaten Aufzeichnungen, die ja dem Kläger nicht vorgelegt worden seien. Die Ansprüche auf Überstundenzuschläge seien daher für den genannten Zeitraum verfallen, nicht aber die von § 10 I. der TO nicht erfassten Grundlöhne für die geleisteten Überstunden. Hingegen habe die Klägerin ab 1. 4. 1998 die vom Beklagten selbst zur Arbeitszeiterfassung zur Verfügung gestellten Stempelkarten verwendet und diese am Monatsende im Büro abgegeben. Die Übergabe von Aufzeichnungen, aus denen sich unschwer erhebliche Mehrarbeitsleistung erkennen lasse, sei als hinreichend schlüssige Aufforderung an den Arbeitgeber, diese Arbeitszeit im Zuge der korrekten Lohnabrechnung zu berücksichtigen, anzusehen. Die Forderungen der Klägerin an Überstundenentgelt für die Zeit ab 1. 4. 1998 seien daher in vollem Umfang berechtigt. Die Verfallsfrist des § 10 II. der TO habe die Klägerin durch ihr Schreiben vom 11. 8. 1998, mit dem sie zumindest dem Grunde nach die Zahlung von Überstundenentgelt verlangt habe, gewahrt.

Das Berufungsgericht gab einer vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und änderte es im Übrigen über Berufung der Klägerin im Sinne des Zuspruchs von insgesamt S 112.549,33 brutto sA ab. Ferner sprach es aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat folgende Rechtsauffassung:

Die TO, der der Charakter einer Rechtsverordnung zukomme, sei auf der Grundlage des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom Reichstreuhänder der Arbeit erlassen worden. Die Bestimmungen des AOG über das Tarifordnungsrecht seien 1945 aufrecht erhalten und erst durch das Inkrafttreten des KollVG außer Kraft gesetzt worden. Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des KollVG noch geltenden Tarifordnungen seien nach dessen § 47 "solange und insoweit aufrecht, als sie nicht durch Kollektivverträge oder durch Vorschriften nach § 1 Abs 2 ersetzt werden, es sei denn, dass sie aufgrund ihrer Bestimmungen über die Geltungsdauer schon früher erlöschen". Das an die Stelle des KollVG tretende ArbVG normiere in § 164 Abs 3 eine Perpetuierung der Rechtswirksamkeit der nach § 45 KollVG noch in Kraft stehenden Tarifordnungen. Das Berufungsgericht folge der Lehrmeinung von Floretta (in Floretta/Strasser, KommzArbVG 1022 f), wonach eine derart weiter geltende Tarifordnung durch einen Kollektivvertrag ersetzt werden könne und nicht durch Gesetz aufgehoben werden müsse. Daraus sei zu folgern, dass auf die in solchen Tarifordnungen enthaltenen Verfallsbestimmungen die Rechtsprechung zu kollektivvertraglichen Verfallsklauseln herangezogen werden könne. Verfallsfristen, die kürzer als drei Monate seien, seien aber nach herrschender Auffassung sittenwidrig, weil dem Arbeitnehmer dadurch kaum genügend Zeit bleibe, allfällige Unterlagen zu beschaffen, die notwendigen Erkundigungen über die Rechtslage einzuziehen und die zur gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche notwendigen oder zweckdienlichen Schritte zu überlegen. Auch die Verfallsbestimmung des § 10 I. der TO sei daher als sittenwidrig iS des § 879 ABGB zu qualifizieren, weil sie wegen ihrer Kürze die Geltendmachung von Überstundenzuschlägen übermäßig erschwere. Diese Verfallsbestimmung sei daher nicht anzuwenden.

Auch nach § 10 II. der TO seien die Ansprüche der Klägerin nicht verwirkt, weil sie innerhalb der dort genannten Frist mit ihrem Schreiben vom 11. 8. 1998 die Honorierung geleisteter Überstunden unter Ausführung des Umfangs ausdrücklich gefordert habe. Eine ziffernmäßige Konkretisierung der Ansprüche sei nicht erforderlich, jedoch müssten die Ansprüche soweit dargelegt werden, dass der Arbeitgeber erkennen könne, welche Ansprüche ihrer Art nach gemeint seien. Überdies beziehe sich § 10 II. der Tarifordnung nur auf "sonstige Ansprüche" nach der TO, während die Entgeltansprüche der Klägerin vertraglicher Natur seien.

Die noch strittigen Ansprüche der Klägerin seien daher in vollem Umfang berechtigt.

Die Revision sei zuzulassen, weil zur Frage der Auslegung der Verfallsbestimmungen einer nach § 164 Abs 3 ArbVG noch in Geltung stehenden Tarifordnung keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen dieses Urteil, und zwar nur gegen den Zuspruch von S 92.870,98 brutto, richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens im genannten Umfang abzuändern.

Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Weitergeltung der hier in Rede stehenden TO sind zutreffend. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Wie derartige Tarifordnungen aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werden können, ist für die Entscheidung nicht relevant. Ebenso bedarf es keiner Erörterungen darüber, ob der Charakter derartiger Tarifordnungen als Rechtsverordnungen (Hofmann, Kollektivvertragsgesetz 17) die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes gestattet, als sittenwidrig erkannte Bestimmungen nicht anzuwenden. Im Gegensatz zur Meinung des Berufungsgerichtes erachtet der Oberste Gerichtshof nämlich die in § 10 I. der TO normierte zweimonatige "Verwirkungs" (=Verfalls)-Frist aus folgenden Erwägungen nicht als unangemessen und sittenwidrig.

Verfallsklauseln sind nur dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS-Justiz RS0016688; zuletzt 9 ObA 312/99v). Dies wurde - insofern ist dem Berufungsgericht beizupflichten - wiederholt für Fristen in der Dauer von zumindest drei Monaten verneint (Arb 10.174 ua), während häufig Fristen unter drei Monaten als bedenklich erachtet wurden, weil solche Fristen dem Arbeitnehmer zur Beschaffung von Unterlagen, zur Einholung von Erkundigungen und zur - gerichtlichen oder außergerichtlichen - Geltendmachung von Ansprüchen nicht genügend Zeit lassen (Arb 10.475 ua).

Im hier zu beurteilenden Fall bestehen diese Bedenken gegen die dem Arbeitnehmer eingeräumte Frist von 2 Monaten jedoch aus folgenden Gründen nicht:

Zum einen bezieht sich die in § 10 I. der TO genannte zweimonatige Frist - anders als die in § 10 II. normierte dreimonatige Frist - nur auf "Zuschläge aller Art", wobei die TO Zuschläge nur für "Mehrarbeit" (nach der in der TO verwendeten Definition zu verstehen als Überstundenarbeit) sowie für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit vorsieht. Es wurde aber bereits wiederholt ausgesprochen, dass gerade im Zusammenhang mit Überstundenentgelt die Normierung relativ kurzer Fallfristen gerechtfertigt ist, weil bei Geltendmachung von Ansprüchen für länger zurückliegende Überstunden regelmäßig schwierige Beweisprobleme auftreten und der Arbeitnehmer verhalten werden soll, über die Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung in so unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung geltend zu machen, dass die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Überprüfung des Sachverhaltes gewährleistet ist (RIS-Justiz RS0034408; ecolex 1990, 371; 9 ObA 210/92). Dazu kommt, dass es gerade im Falle der Geltendmachung von Überstunden im allgemeinen keiner aufwendigen Beschaffung von Unterlagen, keiner Erkundigungen und keiner Rechtsauskünfte bedarf. Zu alledem tritt im Falle der in § 10 I. der TO normierten Frist der Umstand, dass vom Arbeitnehmer nur gefordert ist, die begehrten Zuschläge "dem Betriebsführer gegenüber" geltend zu machen; Schritte zur (gerichtlichen) Einbringung der Zuschläge sind nicht gefordert, sodass dem Arbeitnehmer inhaltlich nicht mehr als die Obliegenheit zur bloßen Anmeldung der Ansprüche innerhalb der genannten Frist auferlegt ist. Damit kann aber insgesamt nicht gesagt werden, dass die in § 10 I. der TO normierte Frist dem Arbeitnehmer die Geltendmachung seiner durch die genannte Klausel umfassten Ansprüche auf (Überstunden)-Zuschläge ohne sachlichen Grund übermäßig erschwert.

Die in der Revisionsbeantwortung zitierte Entscheidung 9 ObA 42/90 (=RdW 1990, 387) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Diese Entscheidung betrifft zwar ebenfalls die Frage des Verfalls von Überstundenentgelt, allerdings im Zusammenhang mit der Vereinbarung eines Überstundenpauschales. Demgemäß wurde dort die Sittenwidrigkeit der Verfallsfrist ua mit dem Umstand begründet, dass "wegen des bei einem Überstundenpauschale erforderlichen erheblich größeren Zeitraums für die Durchschnittsberechnung" eine zweimonatige Verfallsfrist zu kurz ist. Diese Entscheidung ist daher mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar. Die hier in Rede stehende Verfallsbestimmung ist unbedenklich.

Auf dieser Grundlage erweist sich die erstgerichtliche Entscheidung als vollinhaltlich zutreffend.

Ein Anspruch auf Honorierung von Überstunden besteht, wenn diese ausdrücklich oder schlüssig angeordnet werden oder wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen entgegennahm, die auch bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden konnten (SZ 56/27; Arb 10.356; RdW 1988, 360; RIS-Justiz RS0051431). Die zuletzt genannte Voraussetzung ist hier nach den Feststellungen gegeben, nach denen die Überstunden zur termingerechten Fertigstellung der aufgetragenen Arbeit notwendig und dem Beklagten auch aus eigener Wahrnehmung bekannt waren.

Allerdings hat die Klägerin - wie das Erstgericht richtig ausgeführt hat - das die Zeit von 1. 9. 1997 bis 31. 3. 1998 betreffende Überstundenentgelt nicht innerhalb der durch § 10 I. normierten Frist geltend gemacht, weil sie die von ihr geführten privaten Arbeitszeitaufzeichnungen dem Kläger nicht vorgelegt hat.

Im Übrigen hat aber bereits das Erstgericht zu Recht darauf verwiesen, dass sich die genannte Klausel nur auf "Zuschläge aller Art" und daher nicht auf den für die geleisteten Überstunden geschuldeten Grundlohn bezieht. Dieser Grundlohn ist daher auch für die in der Zeit von 1. 9. 1997 bis 31. 3. 1998 geleisteten Überstunden zuzusprechen, zumal den Vorinstanzen darin beizupflichten ist, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 11. 8. 1998 (Beil ./H) die Verfallsfrist des § 10 II. der TO gewahrt hat. Eine ziffernmäßige Konkretisierung der Ansprüche wird von der Rechtsprechung zur Wahrung vergleichbarer Verfallsfristen nämlich nicht verlangt; wohl aber müssen die Ansprüche innerhalb der Frist soweit konkretisiert werden, dass der Arbeitgeber erkennen kann, welche Ansprüche ihrer Art nach gemeint sind (RIS-Justiz RS0029775; zuletzt 9 ObA 106/98y). Diesen Anforderungen wird das Schreiben Beil ./H gerecht, in dem entgegen der Meinung des Revisionswerbers nicht nur auf "noch offene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" hingewiesen sondern ausdrücklich eine "ordnungsgemäße Abrechnung inclusive der von mir geleisteten Überstunden (als Lehrling rund 450 und als Arbeiterin rund 400, insgesamt etwa 850 Überstunden)" (Beil ./H) gefordert wird.

Aber auch hinsichtlich der in der Zeit ab 1. 4. 1998 geleisteten Überstunden ist der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes zuzustimmen:

Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, dass unter "Geltendmachung" von Überstundenentgelt zwar kein förmliches Einmahnen zu verstehen ist, wohl aber ein dem Erklärungsempfänger zumindest erkennbares ernstliches Fordern einer Leistung im Sinne einer wenigstens aus den Umständen zu erschließenden Willenserklärung; dabei kommt es primär nicht auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger aus der Erklärung (bzw. dem als solche erkennbaren Verhalten) gewinnen durfte bzw. musste (so etwa die vom Revisionswerber zitierte Entscheidung "4 Ob 113/95" - richtig: 4 Ob 113/85 = RdW 1985, 380; ferner 9 ObA 149/93 = ARD 4481/23/93). Richtig ist auch, dass der Oberste Gerichtshof in den genannten Entscheidungen die Übergabe von "monatlichen Gehaltsempfängermeldungen" (4 Ob 113/85) bzw. von Tagesberichten (9 ObA 149/93) nicht als Geltendmachung von Überstunden akzeptierte. Allerdings sind die genannten Entscheidungen mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar. In einem Fall (4 Ob 113/95) bezog der Arbeitnehmer ein Überstundenpauschale, wobei eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen, was im Fall der Erbringung von durch das Pauschale nicht gedeckten Überstunden geschehen sollte, nicht bestand. Unter diesen Umständen - so die zitierte Entscheidung - konnte der Geschäftsführer der (dort) beklagten Partei aus der bloßen Meldung der wechselnden Zahl der Arbeitsstunden durch den Kläger auf einem betriebsintern vorgeschriebenen Formular nicht erkennen, dass der Kläger damit die durch das vereinbarte Pauschale zeitweise nicht gedeckten Überstunden fordern wollte. Im zweiten Fall (9 ObA 149/93) übergab der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verrechnung der Fahrtspesen bestimmte Tagesberichte; diese enthielten zwar ua auch Zeitangaben, die jedoch nur zur Kontrolle der verzeichneten Fahrtstrecken dienten.

Im Gegensatz dazu übergab die Klägerin, deren gesetzlicher Anspruch auf Überstundenentgelt überhaupt nicht streitig sein konnte, dem Beklagten ab 1. 4. 1998 (von ihm selbst initiierte) Aufzeichnungen, die keinem anderen Zweck als der Erfassung der Arbeitszeit dienten. Sie versetzte damit den Beklagten uneingeschränkt in die Lage, ihren Anspruch auf Überstundenentgelt zu berechnen und zu erfüllen. Es wäre mit dem Wesen des gesetzlichen und unverzichtbaren Anspruchs auf Überstundenentgelt unvereinbar, wenn man unter diesen Umständen vom Arbeitnehmer zusätzliche Erklärungen verlangte, auf seinem durch die vorgelegten Unterlagen unzweifelhaft dokumentierten Anspruch ausdrücklich zu bestehen. Nach dem maßgebenden Empfängerhorizont eines redlichen Arbeitgebers ist vielmehr durch die Übergabe solcher klarer und unmittelbarer Informationen über die geleisteten Überstunden der Anspruch auf deren Abgeltung hinreichend "geltend gemacht" (ähnlich bereits WBl 1994, 91 und 9 ObA 56/91 <Leitsatz veröffentlicht in ecolex 1991, 636>). Die Klägerin hat daher ab dem 1. 4. 1998 die in § 10 I. und II. genannten Fristen eingehalten, sodass ihr Begehren auf Abgeltung der ab diesem Zeitpunkt geleisteten Überstunden in voller Höhe berechtigt ist.

Damit erweist sich das Ersturteil als vollinhaltlich zutreffend und die Revision nur hinsichtlich der die Zeit von 1. 9. 1997 bis 31. 3. 1998 betreffenden Überstundenzuschläge als berechtigt. In teilweiser Stattgebung der Revision war daher das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da letztlich beide Berufungen erfolglos geblieben sind, haben einander die Parteien die Kosten der jeweiligen Berufungsbeantwortung zu ersetzen. Daraus ergibt sich der im Spruch ersichtliche Zuspruch von Kosten des Berufungsverfahrens an die Klägerin. Im Revisionsverfahren ist der Beklagte mit etwa einem Viertel seines Revisionsinteresses durchgedrungen und hat daher der Klägerin die Hälfte der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen. Hingegen hat der Beklagte gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO Anspruch auf ein Viertel der von ihm getragenen Pauschalgebühr. Insgesamt war daher der Klägerin der im Spruch ersichtliche Betrag an Kosten des Revisionsverfahrens zuzusprechen.

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