OGH 9Ob35/00p

OGH9Ob35/00p31.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Otto G*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Herta G*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Amhof & Dr. Damian Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Dezember 1999, GZ 45 R 779/99p-81, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 14 Abs 1 AußStrG). Eine Rechtsfrage dieser Qualität erblickt der Rekurswerber darin, dass das Rekursgericht gravierende Ermessensfehler begangen und bei der Ausmittlung der Ausgleichszahlung seine Interessen "überhaupt nicht" berücksichtigt habe. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Gegenstand der Aufteilung bei Scheidung der Ehe sind gemäß § 81 Abs 1 EheG das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 81 Abs 2 EheG gehört zum ehelichen Gebrauchsvermögen die Ehewohnung. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die reale Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens; was der Antragsteller begehrt, ist vielmehr die Auferlegung einer Ausgleichszahlung an die Antragsgegnerin, weil mit der bereits vorgenommenen realen Aufteilung des Gebrauchsvermögens eine Aufteilung nach den Grundsätzen der §§ 83 ff EheG nicht erzielt werden konnte (§ 94 Abs 1 EheG). Gerade bei Überlassung der Ehewohnung an einen Ehegatten kann es ein Gebot der Billigkeit sein, dass der Ehegatte, der die Wohnung behält, durch eine Geldzahlung den anderen bei der Beschaffung einer neuen Wohnung unterstützt. Gemäß § 85 EheG hat auf Antrag das Gericht über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zu entschieden, soweit sich die Ehegatten hierüber nicht geeinigt haben. Das Wort "soweit" drückt auch aus, dass die Entscheidung des Gerichtes nicht immer das gesamte Gebrauchsvermögen und die gesamten Ersparnisse zu erfassen hat, sondern die Ehegatten die Entscheidung des Gerichtes auch nur für einzelne Vermögensgegenstände begehren können. Es kann daher auch, wenn die Ehegatten sich zwar darüber einig sind, welcher von ihnen die Ehewohnung übernimmt, nicht aber darüber, ob und welche Ausgleichszahlungen der die Ehewohnung übernehmende Ehegatte dem anderen zu leisten hat, der die Ehewohnung dem anderen überlassende Ehegatte die Entscheidung des Gerichtes im außerstreitigen Verfahren allein darüber begehren (Hopf/Kathrein, Eherecht, § 85 EheG Anm 5 mwN; SZ 53/125 mwN).

Eine Ausgleichszahlung kommt nur dann in Betracht, wenn die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zu einem für einen Ehegatten unbilligen Ergebnis führte. Der durch Zuweisung der Vermögenswerte nicht zu überbrückende Wertunterschied ist durch eine billige Ausgleichszahlung auszugleichen (§ 94 Abs 1 EheG; RIS-Justiz RS0057670). Die Ausgleichszahlung ist nach billigem Ermessen festzusetzen. Es ist auch hiebei besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG). Mit der allgemeinen Regel der Aufteilung nach Billigkeit wollte der Gesetzgeber der Vielfalt der Lebenswirklichkeit Rechnung tragen. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Folgen der Scheidung in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Ehegatten möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (Hopf/Kathrein aaO § 83 EheG Anm 1 und § 94 EheG Anm 3, jeweils mwN). Durch diese Zahlung soll, soweit eine andere Art der Aufteilung nicht zu erzielen ist, ein einigermaßen billiger Ausgleich derart zustande kommen, dass die Überlegung angestellt wird, welcher Geldbetrag dem Vorteil des Teiles entspricht, der bei der sonstigen Aufteilung besser weggekommen ist. Zu Lasten des ausgleichspflichtigen Ehegatten, dem die Ehewohnung überlassen wurde, ist dabei auch zu berücksichtigen, dass er sich den Aufwand für eine anderweitige Wohnungsmöglichkeit erspart. Es kommt aber nicht nur auf das Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens, sondern auch darauf an, dem vormaligen Ehegatten den Beginn eines neuen Lebensabschnittes tunlichst zu erleichtern. Die Möglichkeit zur Aufbringung einer Ausgleichszahlung ist in die Billigkeitserwägungen einzubiegen; ebenso auch die Möglichkeiten eines Gatten zur Aufbringung der Zahlungsmittel bei der Abdeckung von vormals gemeinsamen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten (RIS-Justiz RS0057765).

Bei der Aufteilung soll ein für beide Teile tragbares, den Umständen des Einzelfalls gerecht werdendes Ergebnis gefunden werden (Hopf/Kathrein aaO § 83 EheG Anm 3 mwN), durch das der ausgleichsberechtigte frühere Ehegatte angemessen, aber in einer dem zahlungspflichtigen Teil wirtschaftlich zumutbaren Weise abgefunden wird, sodass jeder Ehegatte wohlbestehen kann (Hopf/Kathrein aaO § 83 EheG Anm 16 mwN; RIS-Justiz RS0057910, RS0057677). Der Ausgleich durch Auferlegung einer Ausgleichszahlung ist nicht getrennt von der Zuweisung von mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen bzw mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängenden Kreditbeträgen zur Rückzahlung vorzunehmen (RIS-Justiz RS0057622). Vermögenslosigkeit und geringes Einkommen dürfen nicht dazu führen, dass der andere Ehegatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufgeben muss (EFSlg 63.310); es müssen auch die Interessen des weichenden geschiedenen Ehegatten berücksichtigt werden (EFSlg 46.409).

In Anwendung dieser Grundsätze gelangten die Vorinstanzen zu einer dem Antragsteller zustehenden Ausgleichszahlung der Antragsgegnerin von S 40.000. Die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles, die die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur im Falle einer auffallenden Fehlbeurteilung rechtfertigen könnte (RIS-Justiz RS0108756).

Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der Unzumutbarkeit korrigiert werden müsste. Gebietet das Gesetz die Entscheidung nach billigem Ermessen, könnte letztlich nur eine eklatante Überschreitung dieses Ermessens aufgegriffen werden. Eine erhebliche Rechtsfrage ist nur dann zu lösen, wenn das Rekursgericht den vorgegebenen Ermessensrahmen grob missachtet hätte (RIS-Justiz RS0007104, RS0044088).

Ein derartiger grober Beurteilungsfehler ist dem Rekursgericht aber nicht unterlaufen. Die Behauptung des Rekurswerbers, es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Ehewohnung bei der Antragsgegnerin verblieben sei, während er sich eine neue Wohnmöglichkeit beschaffen müsse, ist unrichtig; es handelte sich dabei vielmehr um den Hauptgrund der Ausgleichszahlung. Kreditrückzahlungen wurden soweit berücksichtigt, soweit ein innerer Zusammenhang mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen erkennbar war (§ 81 Abs 1 EheG; Hopf/Kathrein aaO § 81 EheG Anm 14 und § 83 EheG Anm 11, jeweils mwN). Die Behauptung, der Antragsgegner habe im Gegensatz zur Antragsgegnerin "alles verloren", geht nicht von den bindenden Feststellungen aus. Der Rekurswerber lässt etwa neben der Ausgleichszahlung auch die Mitnahme eines damals erst ein Jahr zuvor gekauften Personenkraftwagens außer Betracht. Dass es der Antragsteller war, der eigenmächtig aus der Ehewohnung auszog und die eheliche Gemeinschaft beendete und im Übrigen auch das alleinige Verschulden an der Scheidung zu verantworten hat, sei nur am Rande vermerkt (vgl Hopf/Kathrein aaO § 83 EheG Anm 12, 14 und § 94 EheG Anm 4, jeweils mwN). Die Behauptung des Rekurswerbers, er sei dadurch "hintergangen" worden, dass die Antragsgegnerin ihre Eltern dahin beeinflusst habe, "die Liegenschaft rechtzeitig den beiden gemeinsamen Söhnen zu überschreiben", geht ebenfalls nicht von getroffenen Feststellungen aus. Was der Rekurswerber damit meint, die Antragsgegnerin sei "ohne seine Zustimmung" in eine kleinere Wohnung gewechselt, sodass er keinen Zugriff mehr auf das ehemaligen Inventar habe, ist unverständlich, weil ein Wohnungswechsel der Antragsgegnerin erst nach der Scheidung und ausschließlich zugunsten eines der gemeinsamen Söhne der Streitteile erfolgte.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG wird sohin vom Rekurswerber nicht aufgezeigt. Sein Rechtsmittel ist unzulässig, weil das Ergebnis der Billigkeitsentscheidung der Vorinstanzen innerhalb der Ober- und Untergrenzen liegt, welche sich nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles ergeben (RIS-Justiz RS0108755).

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