OGH 7Ob343/99p

OGH7Ob343/99p11.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Bernadette G*****, geboren am 24. Juni 1987, *****, vertreten durch ihre Mutter Maria P*****, diese vertreten durch Dr. Gerald Carli, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagte Partei Emil M*****, vertreten durch Dr. Willibald Rath u.a., Rechtsanwälte in Graz, wegen S 102.800 s.A. und Feststellung (Streitwert S 30.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 30. September 1999, GZ 4 R 144/99z-44, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. März 1999, GZ 11 Cg 156/97b-36, teilweise bestätigt, und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Gegenstand des Verfahrens bilden Schadenersatzansprüche der zum Unfallszeitpunkt noch nicht siebenjährigen Klägerin gegen den Beklagten aus einem Unfall am 15. 6. 1994. Der Beklagte mähte an diesem Tag in seiner Funktion als ehrenamtlicher Platzwart mit einem Traktorrasenmäher den Rasen eines Fußballfeldes, auf welchem die Klägerin gerade mit anderen Kindern im Alter zwischen 7 und 13 Jahren mit einem Ball spielte. Als der Ball in Richtung des in Betrieb befindlichen Rasenmähers rollte und die Klägerin hinterherlief, kam sie zu Sturz, geriet mit dem rechten Vorderfuß unter die rotierenden Messer und erlitt dabei schwere Zehenverletzungen mit Teilamputationen. Der Beklagte hatte, als die Klägerin ausglitt, den Traktorrasenmäher zwar "unverzüglich angehalten" und "sofort zurückgesetzt", konnte jedoch einen Kontakt mit den Messern nicht mehr verhindern.

Das Erstgericht sprach der Klägerin (ausgehend von einem Gesamtbegehren in Höhe von S 128.542,80 s.A.) S 102.800 (hievon S 70.000 Schmerzengeld; S 800 Kosten für die beschädigten Schuhe und Socken; S 2.000 Besuchskosten und S 30.000 Betreuungskosten der Mutter) zu und sprach weiters aus, dass der Beklagte der Klägerin für alle derzeit (noch) nicht vorhersehbaren künftigen Folgen aus diesem Schadensereignis zu haften habe. Das Mehrbegehren von S 25.742,80 wurde rechtskräftig abgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und des Leistungszuspruches von S 70.800 (Schmerzengeld und Schuhe/Socken) als Teilurteil und fasste im Übrigen (Leistungsbegehren von restlich S 32.000) einen Aufhebungsbeschluss. Es sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 260.000 übersteige und sowohl die ordentliche Revision als auch der Rekurs (gegen den Aufhebungsbeschluss) zulässig seien, weil "die Klägerin den Umstand, dass der Beklagte den Rasen auf dem Sportplatz im Nahebereich der spielenden Kinder mit dem Traktorrasenmäher gemäht hat, nach ihrem Parteivorbringen nicht ausdrücklich (auch) als sein fahrlässiges Verhalten qualifiziert, aber einen Sachverhalt in diese Richtung vorgetragen habe. Ob damit dem Grundsatz, wonach allein das Prozessvorbringen einer Partei das Substrat sei, aus dem die Berechtigung des Begehrens abzuleiten sei, entsprochen wurde, sei rechtserheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 582/93)."

Lediglich gegen das Teilurteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte (ordentliche) Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes wird hingegen von keiner der Parteien bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten erweist sich als unzulässig, weil der Beantwortung der Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, sohin nicht der Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung dienlich ist. Ob ein erstattetes Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0042828). Der Frage der Auslegung einzelner Klagebehauptungen auf ihre behauptete Tauglichkeit in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch kommt also (grundsätzlich) keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (6 Ob 2341/96z; 7 Ob 360/98m). Die Frage, wie im Einzelfall das Tatsachenvorbringen eines Klägers im Verfahren erster Instanz zu verstehen ist und welche Schlussfolgerung in tatsächlicher Hinsicht aus diesem Vorbringen abzuleiten ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage (8 Ob 17/87; 8 Ob 121/99y).

Diese Grundsätze haben auch für den vorliegenden Fall zu gelten: Die Klägerin hat - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend und ausführlich ausführte, sodass insoweit auf dessen rechtliche Beurteilung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO) - dem Beklagten nicht nur die Unterlassung eines rechtzeitigen Abstellens der rotierenden Messer bzw das nicht rechtzeitige Anhalten des Traktorrasenmähers zum Vorwurf gemacht, sondern auch - siehe die ersten beiden einleitenden Sätze der Klageerzählung -, dass er "zum gleichen Zeitpunkt", als die Kinder am Sportplatz spielten, "mit dem Mähen beschäftigt" war und hiezu den Traktorrasenmäher benützte. Damit wurde aber ausreichend (§ 226 Abs 1 ZPO) dargetan, dass dem Beklagten hiemit auch zum Vorwurf gemacht wurde, den Traktor trotz der im Nahebereich spielenden Kinder in Betrieb gesetzt und damit eine Gefahrenquelle geschaffen zu haben, die letztlich zum Unfall und damit zur schweren Verletzung des Mädchens führte. Wenn das Berufungsgericht dieses Vorbringen als ausreichend und konkretisiert genug erachtete, so war dies weder mit der Aktenlage unvereinbar noch kommt dem eine über den Einzel- und Anlassfall hinausgehende Bedeutung zu. Die vom Revisionswerber hiezu gemachten Ausführungen gehen daran vorbei und vermögen weder den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit (des Berufungsverfahrens) noch der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z 2 und 4 ZPO) zu erfüllen. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht damit auch nicht in Widerspruch zu der im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes (angeführten) Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 25. 11. 1993, 2 Ob 582/93.

Auch die (in der Revision ebenfalls bekämpfte) Bejahung des Verschuldensvorwurfes bzw Verneinung eines solchen hinsichtlich der minderjährigen Klägerin begründet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, da derjenige, der eine technische Einrichtung in eine räumliche Beziehung zu dritten Personen bringt, über bestehende konkrete Schutzvorschriften hinaus den Dritten gegenüber grundsätzlich zu jener Sorgfalt verpflichtet ist, durch die die in der Natur der technischen Einrichtung gelegenen Gefahren hintangehalten bzw beseitigt werden; es genügt für das Entstehen dieser Verpflichtung, dass es sich um die erkennbare Möglichkeit einer Gefahr handelt und dass diese durch dem Sorgfaltspflichtigen zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann (RS0022778 und RS0023442). Dies gilt umsomehr, wenn damit gerechnet werden muss, dass spielende Kinder, sei es auch unbefugt (nach den Feststellungen war ihnen bekannt, dass sie, wenn der Beklagte mäht, nicht spielen dürfen, was aber am Unfalltag vom Beklagten dennoch geduldet wurde) an die Gefahrenquelle gelangen können (RS0023819). Zutreffend hat das Berufungsgericht es als keine Überspannung der den Beklagten treffenden Sicherheitsvorkehrungen erachtet, wenn er die Kinder während seines Mähvorganges vom Spielfeld verwiesen und es somit nicht genügen lassen hätte, dass diese nur, wenn er gerade an ihnen vorbeifuhr, eine "Spielpause" einlegten.

Der Aufhebungsbeschluss blieb - wie bereits ausgeführt - unbekämpft. Die hiezu vom Berufungsgericht angestellten (rechtlichen) Überlegungen sind daher nicht weiter Gegenstand der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt demnach nicht vor. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO nicht hingewiesen und dementsprechend auch nicht deren Zurückweisung beantragt. Sie hat daher die Kosten der nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RS0035979; 7 Ob 159/99d).

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