OGH 9ObA270/99t

OGH9ObA270/99t17.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Jörg Krainhöfner und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz-Josef K*****, Kulturamtsleiter, ***** vertreten durch Dr. Bertram Grass und andere, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Stadt F*****, vertreten durch den Bürgermeister Mag. Wilfried B*****, vertreten durch Dr. Rainer Santner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses (Streitwert S 100.000), über die Rekurse beider Streitteile gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Jänner 1999, GZ 15 Ra 174/98w-20, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Juni 1998, GZ 35 Cga 127/97s-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Äußerungen des Klägers am 25. 6. 1997 den Kündigungsgrund des § 135 Abs 1 lit c V-GBedG nicht verwirklichten. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen.

Ergänzend ist den Ausführungen der Rekurswerber entgegenzuhalten:

1. Zum Rekurs der beklagten Partei:

Die beklagte Partei hat in der Berufungsbeantwortung die Feststellung des Vorwurfes des Zuspielens von Informationen an eine Tageszeitung durch den Kläger in der Besprechung vom 25. 6. 1997 bekämpft, wozu das Berufungstgericht nicht Stellung nahm. Es ging nur davon aus, dass der Kläger von der Haltlosigkeit dieses festgestellten Vorwurfes ausgehen konnte. Die Nichtbehandlung dieser Beweisrüge begründet jedoch mangels Relevanz keinen Verfahrensmangel.

Befindet sich ein Arbeitnehmer wegen eines drohenden Verlustes seines Arbeitsplatzes in einem begreiflichen Erregungszustand und lässt er sich in dem die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ankündigenden Gespräch, in dem mangels Zustimmung zu einer einvernehmlichen Lösung eine rechtliche Prüfung von angeblichen Kündigungsgründen in Aussicht gestellt wird und in dem ihm Dienstpflichtverletzungen vorgehalten werden, zu ungehörigen Bemerkungen hinreissen, die den gebotenen Anstand gegenüber dem Dienstgeber vermissen lassen, so kann dies im Einzelfall entschuldbar sein (14 Ob 144/86; 9 ObA 164/99d). Die von der Rekurswerberin zitierte Entscheidung 8 ObA 206/96 bezog sich auf einen anders gelagerten Sachverhalt einer Beleidigung eines Lehrerkollegen, ohne dass eine Auflösung des Dienstverhältnisses in Frage stand. Soweit der Kläger in Kenntnis des im Umlauf befindlichen Gerüchtes einer "politischen Vereinbarung", wonach er "abgeschossen" werden sollte, dieses mit eigenen Worten wiedergab und darüber hinaus das "jahrelange Sammeln von Unterlagen" (über Dienstpflichtverletzungen des Klägers) als "alte KGB-Methoden" bezeichnete, in der Annahme, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses eine "beschlossene Sache" sei, meinte, dass man sich "beim Arbeitsgericht" treffen werde, es werde "nur so rasseln", es gebe "einen heißen Ritt", er werde nur noch "über schriftliche Weisung" arbeiten, so sind diese Äußerungen im Zuge der festgestellten Erregung und dem Umstand, dass der Kläger wegen seiner "kräftigen Ausdrücke" in der Vergangenheit bekannt war, in der konkreten Ausnahmesituation gerade noch entschuldbar. Allgemein gehaltene ungebührliche Äußerungen wie hier durch einen langjährig in Leitungsfunktion beschäftigten Arbeitnehmer in einem Gespräch, in dem die Auflösung des Dienstverhältnisses betrieben wird, auf Grund eines kursierenden Gerüchtes beschlossene Sache war, sind selbst wenn unterstellt wird, dass der Vorwurf des Zuspielens von Informationen an eine Tageszeitung vom Dienstgeber nicht erhoben wurde, noch keine gröbliche Verletzung der Dienstpflicht im Sinne des § 145 Abs 1 lit c V-GBedV (9 ObA 238/98k). Alle Äußerungen im Zuge dieses Gespräches vom 25. 6. 1997 sind einer einheitlichen und selbständigen Beurteilung zu unterziehen. Sie können daher nicht im Zusammenhang mit einer fortlaufenden vorangehenden Entwicklung des Verhaltens des Klägers zu seinen Vorgesetzten einer besonders strengen Betrachtungsweise unterzogen werden, weil allfällige bisherige Dienstpflichtverletzungen losgelöst von der situationsbedingten Äußerung des Klägers im Zusammenhang mit der Ankündigung, das Dienstverhältnis auflösen zu wollen, zu gewichten sind und mit einer Auflösungsabsicht des Dienstverhältnisses nicht in einen Zusammenhang gebracht werden können.

Ob diese hier als Einzelfaktum entschuldbaren unzulässigen Äußerungen des Klägers bei Beurteilung des den übrigen noch offenen Verfehlungen zugrundeliegenden Gesamtverhaltens als Illustrationsfaktum für die Grundeinstellung der hartnäckigen Weigerung, sich organisatorisch einzugliedern und Anordnungen von Vorgesetzten zu entsprechen, zu berücksichtigen ist (9 ObA 80/94) und ob die insgesamt verbleibenden Dienstpflichtverletzungen eine gröbliche Verletzung von Dienstpflichten bilden, die das Vertrauen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer massiv gestört haben, ist hier bei der noch nicht abschließend feststehenden Sachverhaltsgrundlage nicht zu beurteilen.

Die Ausführungen der beklagten Partei in der Berufungsbeantwortung gegen die Feststellung des Erregungszustandes des Klägers, die vom Berufungsgericht ebenfalls nicht behandelt wurden, könnten nur beachtlich sein, wenn die Beweisrüge in diesem Punkte gesetzmäßig ausgeführt worden wäre, Dass das Beweisverfahren auf Grund von Aussagen der Zeugen der beklagten Partei ergeben hätte, dass der Kläger keineswegs die Fassung bzw die "Contenance hinaus" verloren habe und auch nicht überrascht gewesen sei, was eine Erregung aber nicht ausschließt, steht mit der getroffenen Feststellung jedoch nicht in Widerspruch, so dass sich die Frage der unrichtigen Beweiswürdigung in diesem Punkte oder eines Feststellungsmangels nicht stellt.

Als Kündigungsgrund wurde lediglich ein "pflichtwidriges dienstliches Verhalten, durch das das zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer erforderliche Vertrauen massiv gestört worden sei, geltend gemacht. Die Vertrauensstörung stellt keinen eigenen Kündigungsgrund nach dem V-GBedG dar. Sie ist, so wie die beklagte Partei es geltend macht, nur als gröbliche Verletzung der persönlichen dienstlichen Verhaltenspflicht des § 27 V-GBedG zu verstehen. Sieht § 131 Abs 1 lit b V-GBedG auch einen Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit vor, so wurde dieser Grund in der schriftlichen Kündigung nicht als Kündigungsgrund genannt. Es ist daher nur zu prüfen, ob die Störung der Vertrauensbasis durch eine gröbliche Verletzung der Dienstpflichten hervorgerufen wurde. Daher geht es nicht darum, dass seit Jahren eine tiefe Feindschaft zwischen dem Stadtrat und dem Kläger im Sinne eines sehr gespannten und von gegenseitigem Misstrauen gezeichneten Verhältnisses oder eine fehlende Kooperationsbereitschaft zwischen Kläger und Stadtamtdirektor und Stadtrat und teilweise dem Bürgermeister besteht, sondern inwieweit diese Verhältnisse durch eine gröbliche Verletzung von Dienstpflichten vom Kläger zu vertreten sind. Hiezu führt das Berufungsgericht zutreffend aus, dass die Beklagte zu einer Reihe von Kündigungsgründen lediglich ein allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Tatsachensubstrat erstattete, so dass daraus die Verwirklichung von Kündigungsgründen nicht abgeleitet werden könne. Dies trifft auch hier zu. Ob die gestörte Vertrauensbasis auf Grund von gröblichen Verletzungen von Dienstpflichten vom Kläger zu vertreten ist, ergibt sich weder aus den Feststellungen noch den Revisionsausführungen. Ob der Kläger "Politik machen" wollte, beantwortet nicht, inwieweit er hiedurch seine Dienstpflichten verletzt hat. Ob aus der subjektiven Sicht des Klägers das Vertrauensverhältnis gestört war, wirkt sich nicht zugunsten eines Kündigungsgrundes der beklagten Partei aus, weil damit eine gröbliche Dienstpflichtverletzung noch nicht dargetan ist.

Ein in der Kündigung nicht angeführter Kündigungsgrund kann nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden (Arb 10.637; 9 ObA 192/92; 9 ObA 85/93). Da auf den Kündigungszeitpunkt abzustellen ist, könnte ein in der Kündigungsfrist gesetzter neuerlicher Kündigungsgrund nur, soferne er entsprechend schwerwiegend ist, zu einer vorzeitigen Auflösungserklärung führen, nicht aber zur Rechtfertigung der bereits ausgesprochenen Kündigung. Es handelt sich bei einer nach Ausspruch der Kündigung erfolgten Dienstpflichtverletzung im Gegensatz zu früheren nicht als Kündigungsgrund herangezogenen Pflichtverstößen auch nicht um ein Illustrationsfaktum für das dem geltend gemachten Kündigungsgrund zugrunde gelegte Verhalten (9 ObA 160/98i). Ob der Kläger fachlich sehr gute Leistungen erbracht hat, ist bei Beurteilung von Dienstpflichtverletzungen nicht entscheidend, weil der Kündigungsgrund des unbefriedigenden Arbeitserfolges nicht geltend gemacht wurde. Demgemäß liegt die gerügte Aktenwidrigkeit nicht vor.

Die beklagte Partei führt selbst aus, dass dem Kläger die der beklagten Partei schon bekannten angeblichen Dienstpflichtverletzungen in der Abteilungsleiterbesprechung vom 4. 6. 1997, die Nichtvorlage von versprochenen Unterlagen im Sommer 1996, die falsche Auskunft wegen der "Düsel-Ausstellung" dem Kläger in der Besprechung vom 25. 6. 1997 als Beispiele von Dienstpflichtverletzungen vorgehalten wurden. Ob eine rechtliche Prüfung auf ihre Eignung als Kündigungsgründe im Zusammenhang mit den Äußerungen des Klägers vom 25. 6. 1997 angekündigt wurde, hinderte bei der keine weiteren Erhebungen und Überlegungen bedürfenden Dienstpflichtverletzung vom 4. 6. 1997 nicht deren sofortige, jedenfalls aber in einem auch bei der Organisationsstruktur der beklagten Partei vertretbaren Zeitraum von vier Wochen realisierbare Geltendmachung als Kündigungsgrund. Soweit diese dem Kläger am 25. 6. 1997 erst vorgehalten wurden, ohne dass die beklagte Partei einen gerechtfertigten Grund für eine weitere Verzögerung bis zum Ausspruch der Kündigung nachwies, ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Geltendmachung verletzt wurde, zumal es sich um einen selbständigen Vorfall handelte. Dass kein Grund für die Einräumung eines längeren als vierwöchigen Zeitraumes besteht, zeigt auch die nach dem Vorfall vom 25. 6. 1997 bereits mit 8. 7. 1997 dem Kläger zugegangene Kündigung.

Was die falsche Auskunft wegen der "Düsel-Ausstellung" betrifft, so hat das Berufungsgericht diesen Kündigungsgrund nicht als gegeben angesehen. Es ist nicht entscheidend, ob nach dem Ergebnis der Zeugeneinvernahme Dr. S***** von der beklagten Partei nicht die dienstwidrige wahrheitswidrige Information in der Sache "Düsel-Ausstellung", sondern die Nichtausräumung von Missverständnissen, sohin das "Anrennenlassen" des Stadtamtsdirektors als Dienstpflichtverletzung gewertet wird. Nach ihrem Vorbringen gehörte dieses Verhalten in diesem Zusammenhang zum außerdienstlichen Bereich, was sich auch aus den Feststellungen ergibt. Hier ist aber kein so strenger Maßstab anzulegen (9 ObA 156/95). Es ist daher wohl die mangelnde Mitwirkungsbereitschaft, zumal der Kläger private Kenntnis von der Ausstellung hatte, die zumindest mit dem dienstlichen Bereich im Zusammenhang steht, gegeben, begründet aber als solche noch keine gröbliche Dienstpflichtverletzung.

Die Kulturveranstaltung Stella-Hallenbad, aber auch die Nichtvorlage von versprochenen Unterlagen ist Gegenstand des fortzusetzenden Verfahrens. Die Revisionswerberin übersieht, dass das vom Kläger weisungswidrig trotz Urgenzen nicht verfasste "Arbeitsergebnis Mai 1996" nicht als Kündigungsgrund zu werten ist, zumal das Berufungsgericht die unverzügliche Geltendmachung dieses Umstandes zutreffend verneint hat. Eine rechtliche Beurteilung dieses Kündigungssachverhaltes ist daher durch das Berufungsgericht entgegen den Revisionsausführungen erfolgt.

Soweit der Kläger laut Auftrag aus dem Jahr 1993 ein Kulturkonzept auszuarbeiten hatte, ohne hiezu konkrete Vorgaben zu erhalten, so kommt es nicht darauf an, dass das Berufungsgericht schon aus diesem Grunde ein gröbliches pflichtwidriges Verhalten nicht als erwiesen erachtete. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht den Untergang des Kündigungsrechtes in Bezug auf diesen Kündigungsgrund angenommen. Selbst wenn der Kläger durch die Nichterfüllung dieses Dienstauftrages ein Dauerverhalten gesetzt haben sollte, so hat der Dienstgeber von 1993 bis 1997 nicht darauf reagiert. Vor Verwirklichung des Kündigungsgrundes der gröblichen Dienstpflichtverletzung in diesem Zusammenhang hätte die beklagte Partei ihn jedoch unter Androhung von dienstrechtlichen Konsequenzen zur Beseitigung dieses Zustandes auffordern müssen (Kuderna Entlassungsrecht2, 19).

2. Zum Rekurs des Klägers:

Entgegen der Rechtsansicht des Rekurswerbers wäre einer bewusst falschen Berufung auf eine nicht existente schriftliche Weisung gegenüber einem Kulturveranstalter bzw dem Kulturstadtrat (Kündigungsgründe 4 a, b, 8) von vornherein nicht die Eignung einer gröblichen Dienstpflichtverletzung unter Zugrundelegung der aus dem Gesamtverhalten des Klägers ableitbaren negativen Grundeinstellung gegenüber Dienstpflichten und Vorgesetzte abzusprechen, soferne der Kläger schon bisher auf die unabdingbare Notwendigkeit der Einhaltung der Dienstpflichten hingewiesen worden wäre. Anders wäre der Vorwurf, dass der Kläger die Zusammenstellung von Fakten für eine Vernissagerede des Kulturstadtrates nicht vorgenommen habe, zu beurteilen, wenn, wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt, die Vorbereitung für eine Rede des Stadtrates, sohin keines Dienstvorgesetzten, gar nicht zu seinen Dienstpflichten gehörte.

Es zeigt sich daher, dass der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem Auftrag des Berufungsgerichtes, die Sachverhaltsgrundlage zu verbreitern, nicht entgegentreten kann, weil eine abschließende Tatsachenbasis für die rechtliche Beurteilung noch nicht zur Verfügung steht.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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