OGH 9ObA238/98k

OGH9ObA238/98k11.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Otto W*****, Vertragsbediensteter, ***** vertreten durch Dr. Kurt Klein u. a. Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Stadt V*****, vertreten durch den Bürgermeister Helmut M*****, Rathaus, ***** dieser vertreten durch DDr. Giampaolo Caneppele, Rechtsanwalt in Villach, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Mai 1998, GZ 7 Ra 313/97x-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. August 1997, GZ 33 Cga 90/96w-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. November 1979 bis zu seiner Entlassung am 22. Mai 1996 bei der Beklagten zuletzt bis Sommer 1995 als Leiter des Kongreßhauses V***** beschäftigt. Mit Wirksamkeit 1. 1. 1990 war er nach § 94 des Villacher Vertragsbedienstetenrechtes in ein unkündbares Dienstverhältnis übernommen worden. Anfang 1996 teilte der Magistratsdirektor dem Bürgermeister mit, daß der Kläger nicht geeignet sei, die neuen Aufgaben des Kongreßhausdirektors zu bewältigen und empfahl eine öffentliche Ausschreibung des "Kongreßhausmanagements". Am 2. 2. 1996 erfolgte die öffentliche Ausschreibung, wobei ein befristeter Dienstvertrag bis zu fünf Jahren angeboten wurde. Unmittelbar danach teilte der Kläger dem Obmann der Personalvertretung mit, daß ihm bekannt sei, daß Mag. B***** als "möglicher Nachfolger gehandelt werde". Im Auftrag des Magistratsdirektors erfolgte eine Vorselektion auf 11 Bewerber, die einem Hearing unterzogen werden sollten. Dem Kläger wurde auf seine Anfrage mitgeteilt, daß nicht beabsichtigt sei, ihn in das Hearing einzubeziehen, weil seine Tätigkeit der Mehrheit der Mitglieder des Objektivierungsgremiums bekannt sei. Am 28. 3. 1996 erzählte ein Bewerber einem Chefredakteur, daß er vor bzw beim Hearing erfahren habe, daß Mag. B***** der Wunschkandidat der Beklagten sei. Nach relativ kurzer Beratung wurde Mag. B***** an die erste Stelle gereiht und mit Beschluß des Stadtsenates zum Nachfolger des Klägers bestellt. Bereits im Jänner 1996 bei der Sitzung der V***** Faschingsgilde, bei der Mag. B***** als Akteur aufgetreten ist, sagte eine unbekannte Person aus dem Publikum: "Schau, das ist der neue Kongreßhausdirektor". Am 29. 1. 1996 war bei der Austria Tourismusbörse in Wien davon die Rede, daß Mag. B***** Chef des Kongreßhauses werde. Am 30. 1. 1996 fiel beim Auftritt Mag. B*****s bei der Faschingssitzung die Äußerung: "Das ist der neue Kongreßhausdirektor". Bei der Übergabe der Kongreßhausdirektion zwischen dem Kläger und Ing. B***** meinte der Kläger, daß er selbst seit ca zwei Jahren wisse, daß Mag. B***** irgendwie "in den Startlöchern für diese Position stehe".

Nachdem der Bürgermeister der Beklagten über diese Äußerungen informiert worden war, sah er sie als Gefahr für das Ansehen des Magistrats, der Hearing-Kommission und seiner Person. In einer Dienstbesprechung vom 8. Mai 1996 wurde der Kläger vom Magistratsdirektor mit den Vorwürfen konfrontiert und aufgefordert, derartige Äußerungen zu unterlassen. Der Kläger erwiderte, er verfüge über Zeugen, daß seit zwei Jahren feststehe, daß Mag. B***** das Kongreßhaus übernehmen werde, daß das Auswahlverfahren eine "Farce" und die Sache mit Mag. B***** ein "abgekartetes Spiel" sei. Der Kläger wurde aufgefordert, die Zeugen namhaft zu machen, oder wenn es solche nicht gebe, die Äußerungen zu unterlassen, weil er sonst mit schweren dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen habe. Eine Androhung der Entlassung konnte nicht festgestellt werden. Am 18. 5. 1996 traf der Kläger zufällig den Baudirektor der Beklagten und klagte ihm, daß Mag. B***** bereits seit langem als sein Nachfolger vorgesehen und seine Nachfolge ein abgekartetes Spiel gewesen sei. Der Magistratdirektor wurde am 20. oder 21. 5. 1996 über dieses Gespräch informiert. Am 22. 5. 1996 wurde der Kläger entlassen; er habe durch Äußerungen gegenüber mehreren Personen die Mitglieder der Auswahlkommission, die im Auftrag der Stadt V***** nach objektiven Kriterien einen Vorschlag für den öffentlich ausgeschriebenen Dienstposten eines Leiters des Kongreßhauses erstattet hätten, in ihrer Ehre verletzt, indem er indirekt den Vorwurf einer manipulierten Vergabe des öffentlich ausgeschriebenen Dienstpostens erhoben habe. Dies seien schwere Dienstpflichtverletzungen, da darin auch erhebliche Ehrverletzungen gegenüber dritten Personen und Vorgesetzten zu erblicken seien. Damit sei die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit zerstört.

Der Kläger begehrt die Feststellung des Aufrechtbestehens seines Dienstverhältnisses über den 22. 5. 1996 hinaus. Er brachte vor, keine negativen Äußerungen über die Kommission abgegeben zu haben und sich nur zu Mitbediensteten im Privatbereich geäußert zu haben.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Die festgestellten Gesprächsinhalte des Klägers seien keine erheblichen Ehrverletzungen. Der Kläger habe sich nie öffentlich über die Kommission oder die Beklagte geäußert, weshalb ein Vertrauensbruch nicht vorliege, zumal bereits im Jänner 1996 in bestimmten Kreisen davon gesprochen worden sei, daß Mag. B***** der neue Kongreßhausdirektor sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In seinen rechtlichen Ausführungen billigte es die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß die Äußerungen des Klägers weder eine Ehrverletzung noch eine Vertrauenswürdigkeit begründen könnten. Eine Ehrverletzung gegen eine bestimmte Person sei den Äußerungen nicht zu entnehmen. Das Verhalten des Klägers könne nicht als so gravierend beurteilt werden, das Vertrauen des Dienstgebers so zu erschüttern, daß ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision "bei den gesetzlichen Kostenfolgen" keine Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens beschäftigt und ausgeführt, warum die gerügte Nichtberücksichtigung von Verfahrensergebnissen keine Auswirkung auf die Entscheidung habe. Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann aber selbst bei einer unzureichenden Begründung nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sein (Arb 11.265 ua; 9 ObA 243, 244/94).

Im übrigen hat das Berufungsgericht den Entlassungsgrund der schweren Dienstpflichtverletzung und erheblichen Ehrverletzung im Sinne des § 34 Abs 2 lit b VBG 1948 iVm § 89 Villacher Vertragsbedienstetenrecht zutreffend verneint.

Da der Kläger bei der Dienstbesprechung vom 8. 5. 1996 wegen der Äußerung, daß er wisse, daß Mag. B***** irgendwie "in den Startlöchern für diese Position" stehe, daß seit zwei Jahren feststehe, daß Mag. B***** das Kongreßhaus übernehmen werde, daß das Auswahlverfahren eine "Farce" und die Sache mit Mag. B***** ein "abgekartetes Spiel" sei, lediglich aufgefordert wurde, solche Äußerungen zu unterlassen, weil er sonst mit schweren dienstrechtlichen Konsequenzen (worin diese auch bestehen mögen,) zu rechnen habe, kann auf diese bereits erfolgten Äußerungen eine nachfolgende Entlassung nicht gestützt werden, weil durch die Verwarnung auf das Entlassungsrecht schlüssig verzichtet wurde. Ob der Bürgermeister an dieser Dienstbesprechung teilnahm, ist nicht von Belang, weil er nach der Aktenlage über diese Äußerung und das Ergebnis der Dienstbesprechung informiert war. Er muß sich dieses Ergebnis daher zurechnen lassen, weil der Dienstnehmer bei diesem offiziellen Gespräch mit dem Magistratsdirektor darauf vertrauen durfte, daß auch das Ergebnis dem Willen des Dienstgebers entspricht (vgl Kuderna Entlassungsrecht2, 18).

Auch die Wiederholung dieser Äußerungen, daß Mag. B***** bereits seit langem als sein Nachfolger vorgesehen und seine Nachfolge ein abgekartetes Spiel gewesen sei, begründet den Entlassungsgrund nach § 34 Abs 2 lit b VBG 1948 nicht. Wenn auch gegenüber Vorgesetzten eine behutsame Diktion infolge der Treuepflicht und der selbstverständlich zu fordernden dienstlichen Korrektheit auch bei Vorliegen von Verdachtsmomenten (Arb 11.300) auch bei einem privaten Gespräch, das jedoch in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (8 ObA 303/95 = teilweise veröffentlicht ecolex 1996, 294 = RdW 1997, 91; 9 ObA 285/97w), zu fordern ist, so muß sich die Verletzungsabsicht gegen die als Tatobjekte im Gesetz genannten Vorgesetzten oder Mitbediensteten richten. Eine bloß allgemein gehaltene ungebührliche Äußerung bildet daher keinen Entlassungsgrund (Kuderna aaO 124). Da eine objektiv erkennbare personenbezogene Verdachtsäußerung des Klägers unterblieb, sohin die Absicht, eine bestimmte Person zu beleidigen nicht erwiesen ist (9 ObA 162/97g), ist es keine Fehlbeurteilung, die Äußerung bloß als allgemein gehaltene, wenn auch ungebührliche zu verstehen. Daran ändert nichts, daß sich offensichtlich der Bürgermeister oder Kommissionsmitglieder oder hochrangige Beamte davon betroffen gefühlt haben.

Der Entlassungstatbestand des § 34 Abs 2 lit b VBG 1948 ist daher auch bei Anlegung eines für Bedienstete mit einer größeren Vertrauensstellung angebrachten strengen Maßstabes (infas 1997A 96; 8 ObA 29/97s) nicht erfüllt.

Eine entgegen den Vorschriften des § 34 VBG 1948 ausgesprochene Entlassung gilt jedoch nach § 30 Abs 3 VBG 1948, welche Bestimmung nach § 30 Villacher Vertragsbedienstetenrecht anzuwenden ist, als Kündigung, wenn der angeführte Auflösungsgrund ein Kündigungsgrund im Sinne des § 32 Abs 2 VBG ist. Liegt auch kein Kündigungsgrund vor, so ist die ausgesprochene Entlassung rechtsunwirksam (9 ObA 108/97s = WBl 1998, 43). Während im Falle der Entlassung ein Sachverhalt verwirklicht sein muß, der seinem Gewichte nach die Weiterbeschäftigung des Vertragsbediensteten schlechthin unzumutbar erscheinen läßt, ist dies bei der Kündigung zwar nicht erforderlich, das inkriminierte Verhalten des Dienstnehmers muß jedoch die Dienstpflichten "gröblich" verletzen und somit über bloß geringfügige Ordnungswidrigkeiten hinausgehen (8 ObA 2152/96w = teilweise veröffentlicht ecolex 1997, 446).

Bei Würdigung des Gesamtverhaltens des Klägers sind auch die Begleitumstände, unter denen die Äußerungen erfolgten, nicht zu vernachlässigen (ZAS 1980/13 [Wachter]; 9 ObA 254/90; RdW 1997, 92). Im konkreten Fall steht fest, daß bereits im Jänner 1996 noch vor dem Auswahlverfahren an unterschiedlichen Orten öffentlich geäußert wurde, daß Mag. B***** der neue Kongreßhausdirektor werde. Die inkriminierte Äußerung fiel erst danach in einem Privatgespräch außerhalb des Dienstortes. Selbst unter Einbeziehung der für eine Entlassung vom Dienstgeber nicht herangezogenen gleichartigen Äußerungen des Klägers vom 3. 5. 1996 und 8. 5. 1996 kann unter diesen Begleitumständen die teilweise Wiedergabe einer bereits in der Öffentlichkeit verbreiteten Meinung, wenn auch mit Verschärfungen im Ausdruck noch keine gröbliche Verletzung von Dienstpflichten verwirklichen. Es handelt sich dabei um ungebührliche Äußerungen eines nicht einmal zum Hearing zugelassenen, offenbar enttäuschten Dienstnehmers, der offensichtlich auch subjektiv nicht einsah, daß angebliche Mißstände letztlich zu seiner Abberufung von der Leitung des Kongreßhauses geführt haben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei hat zwar "gesetzliche Kostenfolgen" geltend gemacht, aber keine Kosten verzeichnet (§ 54 Abs 1 ZPO).

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