OGH 9ObA160/98i

OGH9ObA160/98i19.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und Norbert Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Ehrenfried B*****, Vertragsbediensteter, *****, vertreten durch Dr.Walter Riedl und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundesland Kärnten, vertreten durch Dr.Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 1998, GZ 7 Ra 219/97y-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. April 1997, GZ 30 Cga 81/95y-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend das Vorliegen des Kündigungsgrundes gemäß § 77 Abs 2 lit f KLVBG bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 2. Satz ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Als Illustration des zur Kündigung berechtigenden Verhaltens des Klägers sind in dem auf die Kündigungsgründe des § 77 Abs 2 lit a und f KLVBG gestützten Kündigungsschreiben der Beklagten zahlreiche Vorfälle beispielsweise angeführt. Hiezu hat das Erstgericht den Inhalt einzelner derselben und darüberhinaus weitere zahlreiche Vorfälle festgestellt und als erwiesen angenommen. Diesen Vorfällen lag erkennbar eine ununterbrochen dokumentierte, den Dienstgeber provozierende Absicht des Klägers, eine eindeutige Strategie des ständigen Unterlaufens der Autorität des vorgesetzten Dienststellenleiters, zugrunde.

Zur ordnungsgemäßen Geltendmachung des Kündigungsgrundes kommt es demnach nicht darauf an, aufgrund welcher im Kündigungsschreiben angeführter Vorfälle letztlich eine dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträgliches Verhalten abzuleiten ist, sondern daß durch Anführen "der gesetzlichen Kündigungsgründe" die Kündigung ausreichend schriftlich begründet wurde. Die illustrative Angabe der beispielsweise aufgezählten Vorfälle war kein essentielles Erfordernis der Darstellung eines bestimmten Grundes in der schriftlichen Kündigung (Arb 11.179 mwN). Diese den Vorfällen zugrundeliegende Verhaltenstendenz, die sich aus der Gesamtschau aller Vorfälle ergibt, machte eine Klärung der Frage, inwieweit in einzelnen Vorfällen selbst ein pflichtwidriges Verhalten liegt, überflüssig. Es genügten daher zur Beurteilung des Verhaltens des Klägers auch nur Teile der Verfahrensergebnisse, weil bereits diese für sich ausreichen, die Verhaltenstendenz des Klägers klarzustellen, ohne daß es auf weitere vom Erstgericht wiedergegebenen oder nicht verwerteten Verfahrensergebnissen oder Fakten angekommen wäre. Der Versuch des Revisionswerbers, die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes, das der Gegendarstellung des Klägers nicht folgte, als willkürliche und nicht nachvollziehbare Schlußfolgerungen der Beweiswürdigung aufzuzeigen, muß daran scheitern, daß mit diesen Ausführungen die Tatsachengrundlage getroffen wird und eine Bekämpfung der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren - unter welchen Ausführungen auch immer - nicht möglich ist.

Da der Kündigungsgrund des § 77 Abs 2 lit f KLVBG kein Verschulden erfordert (Arb 11.179 mwN), ist es auch nicht entscheidend, daß zum Führungsstil des Direktors keine Feststellungen getroffen wurden. Dazu kommt, daß ein mangelnder "Erfahrungsschatz" des Dienststellenleiters oder Meinungsverschiedenheiten mit diesem keine Anhaltspunkte dafür geben, provokantes und autoritätsuntergrabendes Verhalten des Klägers oder anderer Erzieher zu rechtfertigen, zumal eine angemessene oder gerechtfertigte Kritik oder eine Unzufriedenheit auch anders als durch dieses Verhalten geäußert werden kann. Bei Prüfung des Gesamtverhaltens des Dienstnehmers anläßlich der Geltendmachung von später erfolgten Verfehlungen und ihrer Bedeutung als Kündigungsgrund kann nach der Rechtsprechung auch auf Verfehlungen zurückgegriffen werden, hinsichtlich deren der Dienstgeber zu einem früheren Zeitpunkt auf sein Kündigungsrecht verzichtet hat und die für sich allein noch nicht zur Rechtfertigung einer Kündigung herangezogen werden können (Arb 11.179; RdW 1996, 182). Damit wird nicht gegen den Grundsatz der Unverzüglichkeit einer Kündigung (9 ObA 64/92 mwN) verstoßen, weil die zurückliegenden Vorfälle nicht als Kündigungsgrund, sondern nur als Illustrationsfaktum für das dem geltend gemachten Kündigungsgrund zugrundeliegende Verhalten herangezogen werden dürfen. Das festgestellte Dauerverhalten des Klägers wurde daher zu Recht als Kündigungsgrund nach § 77 Abs 2 lit f KLVBG beurteilt, sodaß weitere Feststellungen über die Pflichtwidrigkeit der einzelnen Vorfälle allein nicht mehr erforderlich sind.

Das Verhalten des Klägers manifestiere sich insgesamt in einem andauernden tatbestandsmäßigen Zustand, der den Interessen des Dienstes abträglich war. Bei diesem Dauertatbestand konnte die Kündigung während der gesamten Dauer dieses Verhaltens jederzeit ausgesprochen werden (Kuderna, Entlassungsrecht2 19 mwN). Richtig ist, daß bei Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf wichtige Gründe auch für die Kündigung der Grundsatz der Unverzüglichkeit des Kündigungsausspruches gilt. Nur sachlich begründete Verzögerungen können anerkannt werden (Arb 10.779; 11.343; 9 ObA 64/92; 9 ObA 57/94).

Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers datiert das letzte provokative Verhalten des Klägers nach den Feststellungen mit 29.5.1995. Er weigerte sich, mit einem arbeitslosen Minderjährigen einen Vorstellungstermin wahrzunehmen ("er fahre nicht, er sei nicht sein Chauffeur, er sei bereits über 18 Jahre und könne selbst für sich sorgen"). Daß im Kündigungsschreiben unter den beispielhaft angeführten Vorfällen als letzter Vorfall der vom 22.4.1995 aufgezählt wurde, ist dabei nicht entscheidend. Die Übersendung der Aufstellung der Dienstpflichtverletzungen am 29.5.1995 durch den dem Kläger vorgesetzten, aber nicht entlassungsbefugten Dienststellenleiter, der den Auftrag hatte, die Dienstpflichtverletzungen des Klägers zu erheben, ist daher selbst dann nicht verspätet, wenn der Dienststellenleiter Stellvertreter des Dienstgebers wäre, dessen Kenntnis dem Dienstgeber zuzurechnen ist (Arb 9.429; 9 ObA 61/98f). Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf nämlich nicht überspannt werden (Arb 11.343; ecolex 1991, 194; 9 ObA 112/97d). Bei Behörden ist neben dem normalen Postweg auch mit einem behördeninternen Aktenlauf, aber auch mit einem Bearbeitungszeitraum zu rechnen, sodaß aus der Zeitspanne vom Einlangen des Schreibens des Direktors beim Amt der Kärntner Landesregierung bis zur Aufforderung zur Stellungnahme an den Kläger bzw der Vorlage der am 30.6.1995 eingelangten Stellungnahme des Klägers an die Sachbearbeiterin am 5.7.1995 keine unsachliche Verzögerung abzuleiten ist. Daß vor Einschaltung des Betriebsrates am 11.7.1995 bis 19.7.1995 und dem Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 20.7.1995 auch noch eine Rücksprache mit dem Abteilungsleiter erfolgte, ist bei einer behördeninternen Kompetenzverteilung und der jedem Dienstgeber grundsätzlich einzuräumenden Beratungs- und Überlegungs- bzw Bearbeitungsfrist kein Umstand, der zu einem Verlust des Kündigungsrechtes geführt hätte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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