OGH 5Ob186/99k

OGH5Ob186/99k13.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Claudia A*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin K*****gesellschaft m. b. H. & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg, Dr. Dieter Natlacen, Dr. Georg Walderdorff und Dr. Raimund Cancola, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 17. März 1999, GZ 18 R 177/98b-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 16. April 1998, GZ 2 Msch 23/98g-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin und ihre nicht am Verfahren beteiligte Mutter, Gertrude S***** sind je zur Hälfte grundbücherliche Miteigentümerinnen der Liegenschaften EZ *****, EZ ***** und EZ *****. Die Antragsgegnerin hat mit einem (nur mit der Mutter der Antragstellerin geschlossenen) Vertrag vom 6. 6. 1984 diese Liegenschaften samt den darauf befindlichen Gebäuden in Bestand genommen. Die Rechtsnatur dieses Vertrages ist strittig. Die Antragstellerin vertritt grundsätzlich den Standpunkt, der Vertrag sei als (Unternehmens)Pachtvertrag zu qualifizieren; nach Ansicht der Antragsgegnerin handelt es sich um einen nach den Bestimmungen des MRG zu beurteilenden Mietvertrag. Zu dieser Frage ist zwischen den Parteien ein Schiedsverfahren anhängig. In Punkt XXIV dieses Vertrages heißt es (nämlich) unter anderem:

"Für alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Bestand und der Auflösung dieses Vertrages vereinbaren die Parteien für sich und ihre Rechtsnachfolger die Errichtung eines Schiedsgerichtes mit dem Sitz in Wien, das unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte endgültig und unanfechtbar zu entscheiden hat.........................".

Mit dem am 5. 3. 1998 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin hinsichtlich der erwähnten Liegenschaften die "Feststellung des nach § 12 Abs 3 MRG (alt), in eventu § 12a MRG (neu) angemessenen Mietzinses". Sie nahm dabei den (sonst von der Antragsgegnerin vertretenen) Standpunkt ein, das Bestandverhältnis unterliege dem MRG und brachte vor, im Jahre 1992 habe bei der Antragstellerin ein sogenannter "Machtwechsel" im Sinne des § 12a MRG (neu) stattgefunden, der nach § 12 Abs 3 MRG (alt) zu beurteilen sei. Sie habe daher ein "erhebliches" Interesse an der Feststellung des angemessenen Mietzinses, zumal das bedungene Entgelt dem derzeit angemessenen Mietzins bei weitem nicht (mehr) entspreche.

Die Antragsgegnerin bestritt und beantragte primär den Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, weil im Bestandvertrag vereinbart worden sei, sämtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag vor einem Schiedsgericht auszutragen. Hilfsweise beantragte sie die Abweisung des Antrages bzw die Feststellung, der von ihr bezahlte Mietzins sei angemessen, und brachte zusammengefaßt vor, die Antragstellerin führe nicht aus, was sie unter einem "Machtwechsel" verstehe. Das Vorbringen im Antrag sei daher unschlüssig. Im Jahre 1992 sei § 12a MRG auch noch nicht in Kraft gewesen. § 12 Abs 3 MRG sei lediglich auf die Fälle der Unternehmensveräußerung anzuwenden; in dieser Bestimmung scheine der Begriff "Machtwechsel" (also der Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) gar nicht auf. Im übrigen habe es 1992 keine mietenrechtlich relevante Änderung bei der Antragsgegnerin gegeben. Letztlich wandte sie noch ein, der derzeitige Bestandzins sei ohnehin angemessen und marktkonform.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Für den Fall, daß der Bestandvertrag nicht dem MRG unterliege, sei gemäß Punkt XXIV jedenfalls ein Schiedsgericht zuständig. Bei Anwendung der §§ 12, 12a, 37 MRG gelte, daß "eigentliche Streitsachen der außerstreitigen Gerichtsbarkeit", in denen die Parteien einander in gleichen Positionen gegenüberstehen wie in einem Prozeß, ebenfalls schiedsfähig seien. Hinsichtlich der Bestandobjekte gebe es nur einen Mieter, die Antragsgegnerin; die Beiziehung anderer Parteien sei daher im konkreten Fall nicht denkbar. Die Streitteile stünden sich sohin in gleichen Positionen gegenüber wie im Prozeß. Unabhängig vom jeweiligen Standpunkt über die Rechtsnatur des Vertrages sei daher ein Schiedsgericht zuständig.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Vorauszuschicken sei, daß Punkt XXIV des (schriftlichen) Bestandvertrag vom 6. 6. 1984 sämtliche Streitigkeiten aus dem Bestand und der Auflösung dieses Vertrages in die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes, dessen Konstituierung und Zusammensetzung näher geregelt wurde, verweist. Diese Bestimmung in einem die materiell-rechtlichen Beziehungen der Parteien regelnden Vertrag genüge für das Zustandekommen eines Schiedsvertrages (4 Ob 533/95 = SZ 68/113 mwN). Auch der sonst zwingende Inhalt des Schiedsvertrages - genaue Bezeichnung der Parteien und der Streitfälle - liege vor (1 Ob 641/95 = SZ 69/73). Eine - wie hier - gültige Vereinbarung eines Schiedsgerichtes (vgl dazu Rechberger in Rechberger ZPO Rz 10, 12, 13 zu § 577 mwN) binde auch den Rechtsnachfolger einer Vertragspartei (SZ 69/73 mwN; RIS-Justiz RS0045386).

Die Antragstellerin begehre, gestützt auf § 12a MRG (idF BGBl 1993/800 = 3. WÄG), hilfsweise auf § 12 Abs 3 MRG (vor dem 3. WÄG) die Feststellung des "angemessenen" Hauptmietzinses. Gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG sei über einen solchen Antrag im außerstreitigen Verfahren zu befinden. Damit stelle sich die Frage, ob und inwieweit auch die ins außerstreitige Verfahren verwiesenen Rechtssachen schiedsfähig sind.

Der Oberste Gerichtshof habe - soweit überschaubar - bislang

lediglich in der Entscheidung 6 Ob 16/84 mwN (= EvBl 1985/52 = NZ

1985, 56 = RdW 1985, 13 = SZ 57/136) ausführlich zur Frage der Schiedsfähigkeit von Außerstreitsachen Stellung genommen und diese dort grundsätzlich bejaht. Unzulässig sei die Schiedsklausel lediglich über Gegenstände des Verfahrens außer Streitsachen, wenn das öffentliche Interesse eine amtswegige Verfahrenseinleitung oder die amtswegige Beteiligung eines Vertreters dieses öffentlichen Interesses fordere, die Entscheidung eine qualifizierte Form staatlichen Rechtsschutzes darstelle (alle Grundbuchs- und Registerverfahren), der besondere Schutz der Minderjährigen, Abwesenden oder Pflegebefohlenen es verlange, der Gesetzgeber die Verweisung ins Außerstreitverfahren zur Regelung von Gemeinschaftsverhältnissen zwischen mehreren beteiligten Gruppen verfügt habe (außerstreitige Mietrechtssachen, Wohnungseigentumssachen) oder der Ausnützung des Übergewichtes eines Teiles entgegentreten wollte (zB in Pachtschutzsachen). Anders liege der Fall bei jenen Rechtssachen, die ihrer materiell-rechtlichen Natur nach einwandfrei in den Rahmen der streitigen Zivilgerichtsbarkeit gehören und vom Gesetzgeber, dessen Tendenz zur Erweiterung der außerstreitigen Gerichtsbarkeit unverkennbar sei, deshalb in dieses Verfahren verwiesen worden seien, weil ihm die Formlosigkeit dieser Verfahrensart und deren Amtswegigkeit für die Erledigung solcher Ansprüche geeigneter erschienen sei. Solche Rechtssachen lägen immer dann vor, wenn das Gericht über subjektive Rechte mit Rechtskraftwirkung abspreche, gleichgültig ob die Parteien das Gericht im Einvernehmen angerufen hätten oder nicht. In derartigen Verfahren stünden einander die Parteien in gleicher Streitposition gegenüber wie im Prozeß. Das Verfahren werde stets über Antrag einer Partei eingeleitet, über den die Entscheidung allerdings in Form eines Außerstreitbeschlusses ergehe. Soweit die Parteien jedoch berechtigt seien, über den Streitgegenstand zu verfügen und Vergleiche abzuschließen, sollen sie auch befugt sein, sich dem Spruch eines Schiedsgerichtes zu unterwerfen, dessen Ergebnis sie ohnedies auch durch Abschluß eines Vertrages hätten vorwegnehmen können. Kriterium für die Wirksamkeit der Schiedsklausel sei die "Vergleichsfähigkeit" des Gegenstandes, also die mögliche Parteiendisposition über den Verfahrensgegenstand.

Dies sei hier der Fall. Ein Antrag auf Feststellung der Angemessenheit des begehrten Mietzinses nach § 12a MRG (bzw § 12 Abs 3 MRG aF) richte sich gegen den neuen Mieter, der anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Mietverhältnis eintritt (RIS-Justiz RS0096990). Durch das Ergebnis dieses Verfahrens würden die Interessen (allfälliger) anderer Hauptmieter nicht unmittelbar berührt, weil die Entscheidung keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung gegenüber den anderen Bestandnehmern entfalte (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 58 zu § 37 MRG). Ein Verfahren über die Angemessenheit des Hauptmietzinses diene daher nicht der Regelung von Gemeinschaftsverhältnissen zwischen mehreren berechtigten Gruppen. Die Beiziehung der übrigen Hauptmieter käme bei einem solchen Verfahren nur in Betracht, wenn die Nutzfläche oder Ausstattungskategorie eines Mietgegenstandes zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungs- oder Zwischenfeststellungsantrages gemacht wurden, was hier nicht der Fall sei (aaO Rz 58 zu § 37 MRG; 5 Ob 1067/93 = MietSlg 45.483 = WoBl 1993/84). Gehe es aber - wie hier - bloß um die Frage der Angemessenheit des Mietzinses, wären die übrigen Hauptmieter gar nicht zu verständigen, weil die anderen Hauptmieter der Liegenschaft auf den von einem einzelnen Hauptmieter zu entrichtenden Hauptmietzins keinen Einfluß haben (RIS-Justiz RS0069932, zuletzt 5 Ob 138/97y). Das gelte insbesondere im vorliegenden Fall, bei dem die Beiziehung weiterer Hauptmieter auch deshalb ausscheide, weil die Antragsgegnerin (unbestritten) die einzige Mieterin der Liegenschaften ist. Im übrigen erkenne die Antragstellerin selbst, daß auch der behauptete "Machtwechsel" den Kreis der beteiligten Parteien nicht erweitert.

Ein Verfahren über die Angemessenheit des Mietzinses sei demnach ein Zweiparteienverfahren, in dem sich Vermieter und Mieter wie im Prozeß in gleicher Streitposition gegenüberstehen. Daß aber Vermieter und Mieter über den Gegenstand des Verfahrens verfügen und einen (bestimmten) Hauptmietzins als angemessen vereinbaren könnten, stelle auch die Antragstellerin nicht in Frage. Zusammenfassend sei daher im Sinn der zitierten Rechtsprechung von der Schiedsfähigkeit der vorliegenden Rechtssache auszugehen.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin bewirke der Schiedsvertrag zwar nicht die Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern nur eine verzichtbare sachliche Unzuständigkeit des ordentlichen Gerichtes (zB SZ 69/73 mwN, RIS-Justiz RS0039844). Diese Unzuständigkeit sei hier aber mit der Einrede einer Schiedsvereinbarung rechtzeitig geltend gemacht worden. Das Erstgericht habe daher den gegenständlichen Antrag zu Recht zurückgewiesen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß zur Frage, ob ein Begehren auf Feststellung der Angemessenheit des Mietzinses, über das im außerstreitigen Mietrechtsverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG zu befinden ist, eine schiedfähige Rechtssache darstellt, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Diese Rechtsfrage sei von erheblicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung.

In ihrem fristgerecht erhobenen Revisionsrekurs vertritt die Antragstellerin den Rechtsstandpunkt, daß es in einem Verfahren wie dem gegenständlichen oft nur von der konkreten Einzelfallgestaltung abhänge, ob Interessen Dritter - etwa durch eine Entscheidung über die Ausstattungskategorie einer Wohnung - berührt werden. Um nicht zu unvertretbaren Ergebnissen zu gelangen, müsse daher hinsichtlich aller mietrechtlichen Außerstreitverfahren angenommen werden, daß sie nicht schiedsfähig sind. Das Rechtsmittel enthält den Antrag, die zweitinstanzliche Entscheidung so abzuändern, daß dem Erstgericht aufgetragen wird, über das Begehren der Antragstellerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund eine Sachentscheidung zu fällen.

Von der Antragsgegnerin liegt dazu eine fristgerechte Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den zweitinstanzlichen Beschluß zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Den grundsätzlichen Ausführungen des Rekursgerichtes über die Schiedsfähigkeit von Außerstreitsachen ist durchaus zu folgen. Es wurden jedoch nicht alle Argumente bedacht, die dagegen sprechen, die in § 37 Abs 1 MRG dem Außerstreitrichter zugewiesenen Angelegenheiten vor ein Schiedsgericht bringen zu können. Nach Meinung des erkennenden Senates sind sie, auch wenn es sich in einigen Fällen um kontradiktorische "Rechtsstreitigkeiten im Gewand des außerstreitigen Verfahrens" handelt (vgl Rechberger in Rechberger, Rz 9 zu § 577 ZPO), objektiv nicht schiedsfähig.

Die Unzulässigkeit einer Schiedsvereinbarung kann sich auch aus prozessualen Vorschriften ergeben (Fasching, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht, 19). So ist beispielsweise die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes zur Entscheidung über die Auflösung eines den Kündigungsbeschränkungen des MRG unterliegenden Bestandverhältnisses ausgeschlossen, weil § 33 Abs 1 MRG die gerichtliche Kündigung verlangt (10 Ob 1615/95 in Fortschreibung der Judikatur zu § 21 Abs 1 MG, MietSlg 1/4 ua). Bestimmte Angelegenheiten wollte eben der Gesetzgeber der Parteiendisposition entrücken. Bei den außerstreitigen Mietrechtssachen ist dies unmißverständlich dadurch gesehen, daß in Gemeinden, in denen eine Schlichtungsstelle besteht, sogar das Gericht erst angerufen werden darf, wenn zuvor die Schlichtungsstelle damit befaßt wurde (§ 39 Abs 1 MRG). In einer solchen Ordnung sukzessiver Kompetenz von Verwaltungsbehörde und ordentlichem Gericht (in dessen Sprengel das Miethaus liegt), ist für die Schiedsgerichtsbarkeit kein Raum. Das zwingt zum Schluß, daß der Gesetzgeber diese Angelegenheiten letztlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten wollte.

Damit besteht das von den Vorinstanzen angenommene Prozeßhindernis der Schiedsvereinbrung nicht. Das Erstgericht wird das Begehren der Antragstellerin unter Abstandnahme von diesem Zurückweisungsgrund zu behandeln haben.

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