OGH 4Ob533/95

OGH4Ob533/9513.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, ***** vertreten durch Dr.Werner Leimer und Dr.Manfred Leimer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei M***** AG, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 7,723.318,66 sA, infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28.Februar 1995, GZ 6 R 526/94-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 10. Februar 1994, GZ 10 Cg 203/93w-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 37.197,-

bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 6.199,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin hat am 19.12.1989 für einen ERP-Kredit der Ö*****bank AG (jetzt: Z-***** AG) an die V***** Gesellschaft mbH über ursprünglichS 35 Mio. die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen. Rechtsnachfolgerin der V***** Gesellschaft ist die K***** AG (in der Folge: K*****). Mit Kaufvertrag vom 26.2.1991 (in der Folge: Kaufvertrag) übernahm die Beklagte gemeinsam mit der C***** Gesellschaft mbH von der V*****A***** S***** Gesellschaft mbH und der D*****gesellschaft mbH 100 % der Aktien der K*****; auf die Beklagte entfiel ein Anteil von einem Prozent; auf die C***** Gesellschaft mbH ein Anteil von 99 %.

Der Kaufvertrag lautet auszugsweise:

Punkt VII 3: "Die Käufer verpflichten sich, die Verkäufer und die Ö*****AG "(= Klägerin)" in Ansehung deren Haftung für einen ERP-Kredit in derzeitiger Höhe von S 30 Mio. schad- und klaglos zu halten".

Punkt VIII 4: "Alle im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehenden Streitigkeiten einschließlich solcher über die Wirksamkeit dieses Vertrages werden unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges durch ein dreigliedriges Schiedsgericht, welches in Wien tagt, endgültig entschieden. Die Verkäufer und die Käufer nominieren hierzu je ein Mitglied und bestellen beide Mitglieder einen Dritten als Vorsitzenden. Dieses Schiedsgericht entscheidet mit Stimmenmehrheit. Für das schiedsrichterliche Verfahren gelten die einschlägigen Bestimmungen der ZPO".

Über das Vermögen der K***** und auch über das Vermögen der C***** Gesellschaft mbH wurde das Konkursverfahren eröffnet. Die Z-***** AG nahm die Klägerin als Bürgin in Anspruch; diese zahlte den noch offenen Kreditbetrag von S 9,751.501,86. Im Konkursverfahren über das Vermögen der K***** kam es zu einem Zwangsausgleich. Die Ausgleichsquote der Klägerin belief sich auf S 1,930.829,66.

Die Klägerin begehrt S 7,723.318,66 sA. Die Beklagte habe sich verpflichtet, die Klägerin schad- und klagslos zu halten. Sie habe jedoch nur S 97.353,54 bezahlt, weil sie der Auffassung sei, entsprechend ihrem Anteil nur für ein Prozent des Kreditbetrages zu haften. Die Beklagte sei jedoch eine Solidarverpflichtung für den gesamten Kreditbetrag eingegangen.

Die ordentlichen Gerichte seien zuständig. Die Klägerin sei weder Rechtsnachfolgerin einer der Vertragsparteien noch habe sie selbst den Vertrag unterschrieben. Der Kaufvertrag sei ein besonderer Fall eines Vertrages zugunsten Dritter; die Beklagte habe eine kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt) als Entschädigungsbürgin zugesagt. Durch die Zahlung des restlichen Kreditbetrages habe die Klägerin die Klageforderung im Wege der Legalzession erworben.

Die Beklagte wendete ein, daß das angerufene Gericht sachlich unzuständig sei. Die Schiedsklausel in Punkt VIII 4 des Kaufvertrages gelte auch für die Klägerin. Als begünstigte Dritte sei die Klägerin Partei des Kaufvertrages. Die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes binde selbst die Rechtsnachfolger der Parteien. Umso mehr müsse die Schiedsklausel für die Parteien selbst gelten.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurück.

Die Klägerin könne ihren Anspruch nur auf den Kaufvertrag stützen. Sie habe nicht Schulden der Beklagten gezahlt und daher auch keine Ansprüche gegen die Beklagte im Wege der Legalzession erworben. Der Kaufvertrag sei ein Vertrag zugunsten Dritter. Der Vertrag schließe die ordentliche Gerichtsbarkeit für die Durchsetzung aller Streitigkeiten aus. Nur mit dieser Einschränkung habe die Klägerin ihr Recht erworben. Würde die Bindung des Dritten an die Schiedsklausel verneint, so wäre auch jene Bestimmung unwirksam, aus denen sich die Berechtigung des Dritten ergibt, weil die Parteien den Vertrag ohne Schiedsklausel nicht geschlossen hätten. Das Argument, daß die Schiedsklausel für den Dritten mangels Unterfertigung nicht gelte, überzeuge nicht, weil (zB) auch ein Zessionar an die Schiedsklausel gebunden sei. Daß eine Entschädigungsbürgschaft vorliege, habe die Klägerin nicht bewiesen.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei.

§ 577 Abs 3 ZPO fordere nur die schriftliche Errichtung der Schiedsgerichtsvereinbarung. Das Schriftlichkeitserfordernis solle vor allem vor Übereilung schützen und Gewähr dafür bieten, daß sich die Parteien der Bedeutung der Vereinbarung bewußt seien. Der begünstigte Dritte eines Vertrages bedürfe eines solchen Schutzes nicht; er könne die ohne seine Mitwirkung erworbenen Rechte ohnedies mit Rückwirkung ausschlagen. Die Fassung der Schiedsklausel lasse keinen Zweifel daran, daß auch die Klägerin dadurch gebunden sein sollte. Die Schiedsklausel sei nichts anderes als eine vertragliche Ausformung der dem Dritten eingeräumten Rechte. In diesem Umfang habe die Klägerin - ähnlich wie ein Zessionar - die Rechte erworben. Die Bestellung der Schiedsrichter müsse nicht notwendig den künftigen Streitparteien überlassen werden. § 580 ZPO greife nur ein, wenn der Schiedsvertrag die Bestellung der Schiedsrichter nicht regle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß sie schon deshalb nicht an die Schiedsklausel gebunden sei, weil sie den Kaufvertrag nicht unterfertigt habe. Auch im vergleichbaren Fall einer Schiedsabrede in einem Kollektivvertrag habe die Rechtsprechung deren bindende Wirkung für Vertragsparteien, die den Vertrag nicht unterfertigt haben, verneint. Das Schriftlichkeitserfordernis habe auch andere als die vom Rekursgericht erkannten Zwecke; vor allem die Frage der Loyalität und des persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien spreche gegen die persönliche Wirkung auch für den Dritten.

Der Schiedsvertrag ist ein reiner Prozeßvertrag; für seine Auslegung ist daher grundsätzlich Prozeßrecht maßgebend. Soweit die Vorschriften des Prozeßrechtes nicht ausreichen, sind analog die Auslegungsregeln des ABGB heranzuziehen (Fasching IV 732; ders, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht 30; ders LB2 Rz 2171; Rechberger in Rechberger, ZPO § 577 Rz 1 f; RdW 1987, 54 mwN). Schiedsverträge müssen schriftlich errichtet werden; seit der ZVN 1983 genügt auch der Wechsel von Telegrammen und Fernschreiben zwischen den Parteien (§ 577 Abs 3 ZPO; SZ 57/135). In diesem Fall kommt der Schiedsvertrag ohne Unterfertigung durch die Parteien zustande. Für das Zustandekommen eines Schiedsvertrages genügt auch die Bestimmung in einem die materiellrechtlichen Beziehungen der Parteien regelnden Vertrag, nach der Streitigkeiten aus dem Vertrag von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen (Rechberger aaO § 577 Rz 12).

Ein Schiedsvertrag bindet die Parteien und deren Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger (SZ 7/279; SZ 18/12); die Bindung besteht auch im Falle einer Schuldübernahme nach § 1409 ABGB (SZ 15/43, vgl aber Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO21 § 1025 Rz 39, wonach der Schiedsvertrag den Vermögensübernehmer nach § 419 BGB nicht binde). Grund für die Verbindlichkeit der Schiedsabrede auch für die Rechtsnachfolger der Parteien ist, daß der Rechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten einer Vertragspartei eintritt und deren Rechtsstellung so zu übernehmen hat, wie sie begründet wurde. Dazu gehört die vereinbarte Art des Rechtsschutzes (SZ 7/279; SZ 18/12).

Zum Vertrag zugunsten Dritter vertritt Fasching (IV 730; ders, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht 28) die Auffassung, daß eine Schiedsvereinbarung der beiden Vertragspartner schon wegen § 577 Abs 3 ZPO nicht auch für den Dritten wirke. Fasching (aaO) zitiert die gegenteilige Meinung von Baumbach/Schwab (Schiedsgerichtsbarkeit2, 82). Diese Meinung ist, entgegen dem von der Klägerin erweckten Eindruck, nicht vereinzelt geblieben, sondern wird auch in der 1990 erschienenen vierten Auflage dieses Werkes (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit4, 62) aufrechterhalten. Sie entspricht der herrschenden deutschen Lehre (Stein/Jonas aaO § 1025 Rz 38 mwN; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2 Rz 425): Jemand, der aus einem Vertrag als begünstigter Dritter unmittelbar berechtigt ist, muß das ihm gewährte Recht mit allen seinen vertraglichen Eigenschaften annehmen. Daher bindet ihn auch eine im Vertrag enthaltene Schiedsklausel (Schlosser aaO).

Die Gründe für die Erstreckung der Schiedsklausel auf den begünstigten Dritten sind daher im wesentlichen die gleichen wie beim Rechtsnachfolger: Beide nehmen eine Rechtsstellung ein, die ohne ihr

Zutun geschaffen wurde; sie müssen sie so annehmen, wie sie - auch

in der vertraglichen Ausformung ihrer Geltendmachung - besteht.

Im Gegensatz zum Vertrag zugunsten Dritter räumt ein Kollektivvertrag keine unmittelbaren Rechte ein; er bestimmt vielmehr kraft Gesetzes mit Normwirkung (§ 11 Abs 1 ArbVG) den Inhalt der Einzeldienstverträge, bloß nur insoweit, als er zwingende Minimalbedingungen festsetzt, von denen die Parteien des Einzeldienstvertrages nur zum Vorteil des Dienstnehmers abgehen können. Eine in einem Kollektivvertrag enthaltene Schiedsklausel wirkt daher nur für die Parteien dieses Vertrages - Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände -, also für den schuldrechtlichen Teil, nicht aber auch für die Parteien eines Einzeldienstvertrages. Ein bloßer Hinweis auf die Schiedsklausel des Kollektivvertrages erfüllt das Formerfordernis des § 577 Abs 3 ZPO nicht (BOG EvBl 1971/205 = ÖBl 1975, 50); selbst ein formgültiger Schiedsvertrag unterliegt den Beschränkungen des § 9 Abs 2 ASGG.

Beim Vertrag zugunsten Dritter liegt hingegen nur ein Vertrag vor, der sowohl die Schiedsklausel enthält als auch dem Dritten Rechte einräumt. Ist dieser Vertrag schriftlich errichtet, so ist das Formerfordernis damit auch in Bezug auf den Dritten erfüllt: Durch das Schriftlichkeitsgebot soll der Inhalt leicht und dauerhaft festgestellt werden können. Es soll vor Übereilung schützen und Gewähr dafür bieten, daß sich die Parteien der Bedeutung der Vereinbarung, die einem Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges gleichkommt, bewußt sind (SZ 45/55; SZ 57/135 mwN; s Fasching IV 725). Im Fall des begünstigten Dritten ist nur der zuerst genannte Zweck von Bedeutung und durch die schriftliche Errichtung des Schiedsvertrages auch erfüllt; ein Schutz vor Übereilung ist nicht notwendig, weil es dem Dritten ohnedies freisteht, sein Recht auszuüben oder es zurückzuweisen (§ 882 Abs 2 ABGB). Dadurch ist der Dritte nicht unbillig belastet, weil er in jenen Fällen, in denen er für das ihm eingeräumte Recht eine Gegenleistung erbringt oder erbracht hat, im Regelfall ohnedies auf einer Ausgestaltung des Rechtes bestehen kann, die seiner durch die Gegenleistung entstehenden oder schon entstandenen Forderung entspricht.

Schiedsklausel und Rechtseinräumung sind nicht in dem Sinn teilbar, daß der Dritte das eine ausschlagen, das andere aber annehmen könnte. Die Schiedsklausel bestimmt vielmehr, wie das eingeräumte Recht geltend zu machen ist, so daß der Dritte nur die Möglichkeit hat, das so gestaltete Recht auszuüben oder zurückzuweisen.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf einen Vertrag, der zwischen der V*****A***** S***** Gesellschaft mbH und der D*****gesellschaft mbH als Verkäufer und der C***** Gesellschaft mbH und der Beklagten als Käuferinnen geschlossen wurde. In diesem Vertrag verpflichteten sich die Käuferinnen, die Verkäuferinnen und die Klägerin für einen Kredit in Höhe von S 30 Mio. schad- und klaglos zu halten. Damit versprachen die Käuferinnen den Verkäuferinnen, die Erbringung einer Leistung (auch) an einen Dritten. Im Zweifel liegt ein echter Vertrag zugunsten Dritter vor, wenn - wie hier - die Leistung hauptsächlich dem Dritten zum Vorteil gereichen soll (§ 881 Abs 2 ABGB). Daß der Schuldner an einen Dritten leisten muß, verschlechtert seine Position nicht. Er kann dem Dritten alle Einwendungen entgegensetzen, die ihm gegen den Versprechensempfänger zustehen (Koziol/Welser10 I 308 mwN). Daß mit der Berufung auf die Schiedsklausel keine materiellrechtliche Einwendung erhoben wird, schließt ihre Berücksichtigung nicht aus. Der Schuldner kann sich dem Dritten gegenüber auch auf die Schiedsklausel berufen, weil dessen Recht durch den Vertrag als in einem Schiedsverfahren geltend zu machendes Recht begründet wurde und die Schiedsklausel schon ihrem Wortlaut nach "für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag" und damit auch für Streitigkeiten gilt, welche das dem Dritten im Vertrag eingeräumte Recht betreffen. Daß § 577 Abs 3 ZPO dem nicht entgegensteht, wurde bereits oben dargelegt.

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

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