OGH 9ObA133/99w

OGH9ObA133/99w16.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und DDr. Wolfgang Massl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hermann S*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Ferdinand B*****, wegen S 1,530.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. März 1999, GZ 11 Ra 22/99f-12, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. September 1998, GZ 18 Cga 80/98z-2, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Eingabe der klagenden Partei vom 1. 6. 1999 wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Beschluß des Erstgerichtes, mit dem die Klage wegen (örtlicher) Unzuständigkeit a limine zurückgewiesen wurde, wurde dem Kläger mit internationalen Rückschein zugestellt, der am 9. 10. 1998 vom Erstgericht abgefertigt worden war. Der unterfertigte Rückschein wies kein Zustelldatum aus; er langte am 10. 11. 1998 wieder beim Erstgericht ein. In dem gegen den Zürückweisungsbeschluß erhobenen, am 17. 11. 1998 in Nicaragua zur Post gegebenen Rekurs behauptete der Kläger, der Zurückweisungsbeschluß sei ihm am 9. 11. 1998 zugestellt worden. Der Rekurs des Klägers befand sich zusammen mit zwei weiteren Eingaben des Beklagten (!) in einem Kuvert, und zwar einer Beschwerde des Beklagten gegen einen Richter des Bezirksgerichtes Wels und einem Rekurs des Beklagten gegen einen Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 5. 10. 1998, GZ 1 P 3030/95i-818. Das Kuvert wies als Absender den Beklagten aus und war wie folgt adressiert:

"GERICHT BG + LG 4600 WELS AUSTRIA EUROPA"

Diese Sendung langte am 1. 12. 1998 in der Einlaufstelle des Bezirksgerichtes Wels ein, die seit 1997 von jener des Landesgerichtes Wels getrennt ist. Das Bezirksgericht Wels verfügte am 4. 12. 1998 die Übersendung einer Kopie des Rekurses gegen den Zurückweisungsbeschluß an das Landesgericht Wels, bei dem die Kopie des Rekurses am 9. 12. 1998 einlangte. Über Urgenz vom 16. 12. 1998 wurde schließlich auch das Original des Rekurses übermittelt.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß zurück. Wenn ein Rechtsmittelwerber einen Brief an zwei Gerichte adressiere, trage er das Risiko, daß der Brief zunächst an das unzuständige Gericht gelange. Die Zeit der Übersendung vom unzuständigen Gericht an das zuständige Gericht sei in die Rechtsmittelfrist einzurechnen. § 89 Abs 1 GOG komme dem Rechtsmittelwerber bei unrichtiger Adressierung nicht zugute. Der Rekurs sei selbst beim Ausgehen von einer Zustellung erst am 9. 11. 1998 verspätet, weil er erst am 9. 12. 1998, sohin nach Ablauf der 14tägigen Rekursfrist beim zuständigen Erstgericht eingelangt sei. Der Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses sei zulässig, weil bisher vom Obersten Gerichtshof kein vergleichbarer Sachverhalt entschieden worden sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht aufzutragen, über den Rekurs unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund zu entscheiden; hilfsweise wird eine Aufhebung und der Auftrag an die Vorinstanzen begehrt, das ordentliche Verfahren über die Klage einzuleiten.

Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das genaue Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses über die Klagezurückweisung an den Kläger steht mangels Datierung des betreffenden Rückscheines nicht fest. Aufgrund der Abfertigung des Rückscheines am 9. 10. 1998 an den Kläger und dem Rücklangen des unterfertigten Rückscheines am 10. 11. 1998 beim Erstgericht ist davon auszugehen, daß die Zustellung jedenfalls in diesem Zeitraum bewirkt wurde. Da ein anderes Zustelldatum durch die Aktenlage nicht eindeutig ausgewiesen ist, ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, daß der Beschluß gemäß seinen Behauptungen im Rekurs erst am 9. 11. 1998 an ihn zugestellt wurde (vgl RIS-Justiz RS0006965). Der Rekurs gegen die Klagezurückweisung wurde am 17. 11. 1998, sohin innerhalb der 14tägigen Rekursfrist (§ 521 Abs 1 ZPO), in Nicaragua zur Post gegeben.

Gemäß § 89 Abs 1 GOG werden bei gesetzlichen Fristen, die einer Partei zur Überreichung von Schriftsätzen offenstehen, die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet; dies gilt auch für den Fall der Postaufgabe bei einem ausländischen Postamt (RIS-Justiz RS0041682); in allen Fällen gilt dies allerdings nur dann, wenn das Poststück an das zuständige Gericht adressiert war. Eine unrichtige Adressierung schließt die Anwendung des § 89 GOG generell aus; in einem solchen Fall ist die Frist nur dann gewahrt, wenn ungeachtet der unrichtigen Adressierung der Schriftsatz noch innerhalb der offenen Frist beim zuständigen Gericht einlangt (Fasching, Lehrbuch2 Rz 549; Gitschthaler in Rechberger, ZPO Rz 12 zu § 126; SZ 60/192; SZ 52/155; RZ 1990/109; RIS-Justiz RS0041608). § 89 GOG bewirkt demnach, daß die Post als "verlängerte" Einlaufstelle des Gerichtes auftritt; die Bestimmung soll aber nicht von der Verpflichtung entbinden, die richtige Behörde anzurufen. Andernfalls wäre der Benützer der Post gegenüber demjenigen privilegiert, der den Schriftsatz selbst überreicht (RZ 1990/109; 4 Ob 134/98d; RIS-Justiz RS0041753).

Eine unrichtige Adressierung liegt nicht nur bei Bezeichnung eines falschen Gerichts vor, sondern auch dann, wenn das zuständige Gericht richtig bezeichnet, dessen Anschrift aber falsch angegeben wurde. Auch dieser Mangel bewirkt eine Abweichung von dem bei ordnungsgemäßer Postaufgabe zu erwartenden Postweg. Eine solche sich auf Weg und Zeit der Postförderung negativ auswirkende Abweichung des Postweges geht zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (EvBl 1995/90; 2 Ob 121/97a).

Auch die gegenständliche Adressierung verursachte eine sich auf Weg und Zeit der Postbeförderung negativ auswirkende Abweichung des Postweges. Das Kuvert, das den Rekurs des Klägers gegen die Klagezurückweisung enthielt, war nämlich an zwei Gerichte - "BG + LG 4600 WELS" - adressiert. Auch dabei handelte es sich entgegen der Ansicht des Rekurswerbers um einen Fall der unrichtigen Adressierung, weil der Empfänger nicht eindeutig bezeichnet wurde. Der Rekurswerber räumt selbst ein, daß die Adressierung "allenfalls zweideutig" war. Daß die Straßenangabe beim Empfänger überhaupt fehlte, schadete im vorliegenden Fall allerdings nicht, weil die Post auch so in der Lage war, eine Zustellung an den ersten am Kuvert genannten Empfänger zu bewirken. Der Kläger nahm jedoch durch die Anführung zweier Empfänger und gleichzeitige Versendung von drei Eingaben, wovon zwei vom Beklagten stammten, in Kauf, daß seine Sendung an einen der beiden Empfänger gelangt, der für die Einbringung des Rekurses unzuständig ist. Der unrichtigen Adressierung käme nur dann keine Bedeutung zu, wenn für das zuständige Gericht dieselbe Einlaufstelle tätig gworden wäre, wie für das weitere in der Anschrift angegebene Gericht (Fasching II 672; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 7 vor § 461; Danzl, Geo § 37 Anm 6; SZ 23/394; EvBl 1959/60; 1 Ob 6/88 ua). Mangels gemeinsamer Einlaufstelle kommt entgegen der Ansicht des Rekurswerbers der Umstand gerade nicht zum Tragen, daß aus dem Rekurs selbst erkennbar war, an welches Gericht er gerichtet war (RZ 1991/31). Getrennte Einlaufstellen reichen auch dann nicht aus, wenn sie sich im selben Gebäude befinden (7 Ob 549/78; 2 Ob 391/97g).

Daß der Kläger nicht wußte, daß keine gemeinsame Einlaufstelle des Bezirksgerichtes Wels und des Landesgerichtes Wels besteht, rechtfertigt kein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung zur falschen Adressierung eines Rechtsmittels. Der Fall ist nicht vergleichbar mit der Adressierung der Sendung an ein bei Erhebung des Rechtsmittels nicht mehr existierendes früheres Erstgericht (SZ 60/192). Der Kläger, der dem Beklagten (!) die Aufgabe des Rekurses gegen die Zurückweisung der Klage überließ, hat die Folgen der zweideutigen Adressierung zu tragen.

Nach Erhebung des Revisionsrekurses durch den beigegebenen Verfahrenshelfer brachte die klagende Partei eine offensichtlich als Ergänzung des Revisionsrekurses gedachte Eingabe ein, der auch Beilagen angeschlossen sind. Das im Rechtsmittelverfahren geltende Einmaligkeitsprinzip steht einer Berücksichtigung dieser späteren Eingabe entgegen. Danach steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften oder Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig (RIS-Justiz RS0041666).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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