OGH 5Ob44/98a

OGH5Ob44/98a10.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr.Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Kurt T*****, vertreten durch Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3.September 1997, GZ 40 R 518/97s-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 24. April 1997, GZ 6 C 160/97z-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Berufungsurteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Der Beklagte ist seit 22.8.1966 Hauptmieter des Geschäftslokals top 1 im Haus *****. Er hat das Objekt von der Ö*****, der damaligen Alleineigentümerin des Hauses, gemietet, doch ist mittlerweile Mit- und Wohnungseigentum am Haus begründet worden. Mehrheitseigentümerin (mit 3969/4170) ist die Klägerin. Sie ist seit 1966 auch Wohnungseigentümerin des verfahrensgegenständlichen Bestandobjekts.

Gestützt auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG hat die Klägerin den Mietvertrag zum 30.6.1997 gerichtlich aufgekündigt und die Räumung des Bestandobjektes begehrt. In den Einwendungen des Beklagten, die zum Streitverfahren über die Kündigung führten, wurde ua die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin geltend gemacht. Der Klagsvertreter sah sich jedoch nicht zu einer Änderung der Bezeichnung der von ihm vertretenen Partei veranlaßt.

Das Erstgericht hat die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt und den Beklagten schuldig erkannt, der Klägerin das Geschäftslokal geräumt zu übergeben. Es nahm, ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, die Aktivlegitimation der Klägerin als gegeben an.

Das Berufungsgericht verneinte jedoch die Aktivlegitimation der Klägerin, hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Ohne auf das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes einzugehen (der Beklagte hatte eine vertragskonforme Benützung des Geschäftslokals, hilfsweise die Verschweigung des Kündigungsrechtes aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG geltend gemacht) führte es aus:

Zu Recht verweise der Beklagte darauf, daß als Vermieter in den Mietvertrag mit dem Beklagten sämtliche Rechtsnachfolger des einstigen Alleineigentümers gemäß § 2 Abs 1 MRG eingetreten seien, mag auch das ausschließliche Nutzungsrecht am verfahrensgegenständlichen Objekt wegen der mittlerweile erfolgten Wohnungseigentumsbegründung alleine der Klägerin zustehen (immolex 1997, 66).

Zur Kündigung sei auf Bestandgeberseite der jeweilige Bestandgeber aktiv legitimiert. Mag nun ein Verwalter, ein Benützungsberechtigter oder auf Grund des nachträglich abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrages der dinglich zur Nutzung der Wohnung Berechtigte als Vertreter der Vermieter, also als Vertreter der Gesamtheit der Mit- und Wohnungseigentümer bevollmächtigt sein. Das Bestandverhältnis alleine aufzukündigen, ändere dies nichts daran, daß als Partei des Kündigungsstreites nicht der Vertreter, sondern alle Miteigentümer als Bestandgeber aufzutreten hätten. Die rechtsgestaltende Wirkung der Aufkündigung erstrecke sich auch auf sie als einheitliche Streitpartei. Aus diesen Erwägungen hätte sich die Notwendigkeit einer Richtigstellung der Bezeichnung der klagenden Partei ergeben.

Wurde hinsichtlich einzelner oder aller Miteigentumsanteile Wohnungseigentum begründet, sei Partei des Kündigungsstreites auf Vermieterseite materiellrechtlich die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 13c WEG in der auf die gegenständliche, nach dem 1.1.1994 eingebrachte Kündigung anzuwendenden Fassung des 3. WÄG (6 Ob 52/97h).

Die Frage der Aktivlegitimation der klagenden Mehrheitseigentümerin sei auf Grund des Einwandes der Beklagten im Verfahren erörtert worden. Dennoch habe der Klagevertreter erklärt, die Parteienbezeichnung nicht zu ändern. Selbst noch in der Berufungsbeantwortung habe sich die Klägerin ausdrücklich darauf berufen, zur Kündigung im eigenen Namen und nicht bloß als Vertreterin der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer (gleich einem Verwalter) berechtigt zu sein (6 Ob 52/97h). Gegen den Willen der Klägerin sei eine Richtigstellung der Parteienbezeichnung nicht vorzunehmen. Mangels Beteiligung sämtlicher als notwendige Streitgenossen beizuziehenden Vermieter, die zur Verwaltung des Miteigentums die Wohnungseigentümergemeinschaft bilden, sei die Aufkündigung aufzuheben gewesen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß der Oberste Gerichtshof einerseits im Kündigungsstreit sämtliche Miteigentümer als unzertrennliche Streitgenossenschaft (5 Ob 678/83) bezeichnete und als notwendige Streitgenossen behandelte (6 Ob 541/90 = MietSlg 42.045), deren fehlerhafte Bezeichnung ein berichtigungsfähiger Mangel sei; in zahlreichen anderen Fällen habe er aber dennoch die Vermietermehrheit nicht nur zur Einbringung der Kündigung als Vertreter sämtlicher Vermieter, sondern auch nur bloß im eigenen Namen berechtigt angesehen (so auch noch 5 Ob 44/97z = immolex 1997/66), hiebei aber betont, daß die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 13c WEG aktiv legitimiert wäre, in jenem Fall nicht geprüft werden müsse. In der Entscheidung 6 Ob 52/97h habe der Oberste Gerichtshof schließlich - nach Ansicht des Berufungsgerichtes zu Recht - die notwendige Beteiligung sämtlicher Vermieter am Kündigungsverfahren wieder aufgezeigt. Mangels einheitlicher Rechtsprechung des Höchstgerichtes sei daher die Revision zuzulassen gewesen.

In der jetzt vorliegenden Revision macht die Klägerin geltend, daß nicht einmal die Vermietung einzelner Wohnungseigentumsobjekte der Wohnungseigentümergemeinschaft obliege, schon gar nicht die Aufkündigung von Mietverträgen über Wohnungseigentumsobjekte, die zu einem Zeitpunkt geschlossen wurden, zu dem Wohnungseigentum noch gar nicht begründet war. Auch nach dem Inkrafttreten des 3. WÄG sei die Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich zur Verwaltung der Liegenschaft als Ganzes hinsichtlich ihrer allgemeinen Teile berufen, nicht jedoch zur "Verwaltung" einzelner Wohnungseigentumsobjekte (Call zu WoBl 1997, 182/55). Der Revisionsantrag geht dahin, das angefochtene Berufungsurteil entweder iS einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern oder aber die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Vom Beklagten liegt dazu eine fristgerechte erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, das Berufungsurteil zu bestätigen. Auch wenn Bedenken gegen die (alleinige) Aktivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Aufkündigung von Bestandverträgen der gegenständlichen Art bestünden, sei die Kündigung zu Recht aufgehoben worden, weil der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 7 MRG nicht verwirklicht sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Vorweg ist daran zu erinnern, daß die Klägerin nicht nur Mehrheitseigentümerin der Liegenschaft ist, zu der das dem Beklagten vermietete Geschäftslokal gehört, sondern auch Wohnungseigentümerin dieses Objektes. Um ihre Kündigungslegitimation zu verneinen, müßte daher nicht nur mit der Rechtstradition gebrochen werden, daß ein von den Miteigentümern eines Hauses mit einem außenstehenden Dritten abgeschlossener Mietvertrag von der Mehrheit der Miteigentümer im eigenen Namen gekündigt werden kann (MietSlg 13.284; MietSlg 13.287; MietSlg 8080; MietSlg 16.282; MietSlg 18.348; SZ 43/157; MietSlg 34.091; 3 Ob 507/89; 3 Ob 545/91; 7 Ob 2029/96z; WoBl 1997, 182/55 ua), sondern auch dem Wohnungseigentümer ungeachtet seines ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrechtes über das vermietete Objekt das Recht der Kündigung vorenthalten werden, wenn er den Mietvertrag nicht selbst abgeschlossen hat, sondern gemäß § 1120 ABGB bzw § 2 Abs 1 MRG in diesen eingetreten ist.

Zur (möglichen) Kündigungslegitimation des Mehrheitseigentümers hat sich der erkennende Senat erst jüngst wieder bekannt und diesen Rechtsstandpunkt mit der Abtretbarkeit von Gestaltungsrechten innerhalb einer Rechtsgemeinschaft mehrerer Vermieter bekräftigt (5 Ob 458/97g). Davon abzugehen bieten die in den Entscheidungen 6 Ob 52/97h (WoBl 1997, 237/96 ua) und 6 Ob 231/97f (ImmZ 1997, 510 ua) vorgetragenen Gegenargumente keinen Anlaß, weil sie die in Judikatur und Lehre weitgehend anerkannte Möglichkeit einer Abtretung des Kündigungsrechtes zu wenig berücksichtigt haben (vgl JBl 1997, 169; 5 Ob 454/97v; 5 Ob 458/97g; 5 Ob 492/97g; P. Bydlinski, Der Übergang von "vertragsbezogenen" Gestaltungsrechten bei Veräußerung der Bestandsache am Beispiel der Vermieterkündigung, JBl 1997, 151 [153]). Eine ausschließliche Aktivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft, die nicht als solche Mietvertragspartnerin des Beklagten geworden ist, ist jedenfalls abzulehnen (5 Ob 458/97g; vgl auch die Anmerkung von Call zu WoBl 1997, 182/55). Nähere Ausführungen dazu erübrigen sich im Hinblick darauf, daß sich die Kündigungslegitimation der Klägerin jedenfalls aus ihrer Rechtsstellung als Wohnungseigentümerin ableiten läßt.

Insofern hält der erkennende Senat nicht mehr an seiner Vorjudikatur fest, wonach "Altmietverträge" selbst nach Begründung von Wohnungseigentum nur von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer, nicht aber von den Wohnungseigentümern der betreffenden Objekte gekündigt werden können (zuletzt 5 Ob 44/97z = WoBl 1997, 182/55 mit krit Anmerkung von Call). Auch hier liegt der Ansatzpunkt für die Neubeurteilung in der Abtretbarkeit von Gestaltungsrechten. Mit diesem Argument hat der erkennende Senat dem Wohnungseigentümer bereits das Recht der Mietzinsanhebung nach § 12a und § 46a MRG gegenüber dem "Altmieter" seines Wohnungseigentumsobjektes zuerkannt (5 Ob 454/97v) und ihn ad personam als befugt angesehen, die in § 8 Abs 2 MRG normierten Duldungs- und Veränderungsansprüche geltend zu machen (5 Ob 492/97g). Tatsächlich läßt die Einräumung des alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrechtes an einem bestimmten Objekt (mag es auch vermietet sein), die gemäß § 1 Abs 1 WEG dem Wesen einer von allen Miteigentümern gemeinsam getragenen Begründung von Wohnungseigentum entspricht, regelmäßig die (ergänzende) Vertragsauslegung zu, daß dem Wohnungseigentümer damit auch alle jene Rechte übertragen werden, die mit seinem alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrecht korrespondieren (5 Ob 492/97g mwN). Dazu gehört auch das Recht, ein am Wohnungseigentumsobjekt bestehendes Mietverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Möglichkeit aufzukündigen.

Aus diesem Grund hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Aktivlegitimation der Klägerin verneint und (allein mit dieser Begründung) ihr Kündigungs- und Räumungsbegehren abgewiesen. Es wird sich noch mit den übrigen Inhalt der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung zu befassen haben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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