OGH 3Ob545/91

OGH3Ob545/9119.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Christine B*****, und 2) Petra B*****, und vertreten durch Dr. Helmut Neudorfer u.a., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Karl V*****, vertreten durch Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 31. Oktober 1990, GZ 41 R 578/90-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 15. Mai 1990, GZ 5 C 201/90m-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen vierzehn Tagen die mit 4.874,37 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 805,73 S Umsatzsteuer und 40,-- S Barauslagen) und die mit 3.590,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 598,40 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Liegenschaft EZ 3058 GB F***** besteht aus dem 284 m2 großen Grundstück 1118/49, Baufläche. Im Grundbuch ist noch der schon verstorbene Hans B***** als Eigentümer eingetragen, jedoch schon das Eigentumsrecht der eingeantworteten Erben, nämlich der beiden Kläger und des minderjährigen Hans Jörg B*****, geboren 20. Dezember 1972, vorgemerkt.

Hans B***** hatte der beklagten Partei im Jahr 1976 das Grundstück 1118/49 zum Zwecke der Errichtung eines "Autoverkaufsplatzes" vermietet. Das Mietverhältnis war ursprünglich mit 31. Jänner 1981 befristet. Die Mietdauer wurde später bis zum 31.Mai 1989 verlängert.

Die beiden Kläger als je Dritteleigentümer begehren die Räumung der Liegenschaft.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestreitet die aktive Klagslegitimation und wendet ein, daß das Mietverhältnis wegen eines errichteten Superädifikates, nämlich eines Verkaufshäuschens, den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG unterliege. Überdies sei der Mietvertrag stillschweigend auf unbestimmte Zeit zumindest so lange verlängert worden, bis einer der Eigentümer eine Baulichkeit errichten wolle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Vermieter hatte der beklagten Partei gestattet, auf der gemieteten Grundfläche eine Holzhütte aufzustellen, die die beklagte Partei dann auch errichtet hat. Ansonsten wurde der Platz dem Vertrag entsprechend zum Verkauf von Autos verwendet. Eine Vereinbarung, daß der Platz zur Errichtung einer gebauten Halle zum Verkauf von Autos unter Dach angemietet werde, erfolgte nicht.

Es war immer die Absicht des Hans B***** gewesen, daß der Minderjährige Hans Jörg B***** über das Grundstück zu verfügen habe. Dem Beklagten war bekannt, daß der Minderjährige Hans Jörg B***** nach Erlangung eines entsprechenden Alters die Liegenschaften in einer ihm zusagenden Art verwerten könne. Hans B***** hatte dem Beklagten angedeutet, daß er bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Grundstück bleiben könne. Eine konkrete Vereinbarung kam jedoch nicht zustande. Auch eine sonstige Vereinbarung auf Verlängerung der Mietdauer kam nicht zustande.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß das Mietverhältnis nicht dem MRG unterliege. Die Holzhütte beanspruche nur einen geringen Teil der gemieteten Grundfläche und sei daher nur Nebenzweck, nicht Hauptbestandteil des Mietvertrages. Die von den Parteien vereinbarte Befristung des Mietverhältnisses sei daher wirksam. Die Zusagen über eine eventuelle Verlängerung, bis der minderjährige Hans Jörg B***** das Grundstück beanspruche, seien als bloße Absichtserklärung nicht verbindlich. Die Räumung des jetzt titellos benützten Grundstückes könne jeder Miteigentümer begehren, daher auch die Mehrheit. Infolge eingetretener Rechtskraft der Einantwortung seien die Erben des verstorbenen Bestandgebers schon aktiv legitimiert.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde, und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, wobei ein Fehler im Geburtsdatum des minderjährigen Hans Jörg B***** behoben wurde, vertrat aber im Gegensatz zum Erstgericht die Auffassung, daß der Mietvertrag wegen des errichteten Gebäudes den Kündigungsbeschränkungen des MRG unterliege. Es handle sich nicht um einen transportablen Holzstand, sondern um ein festes, auf Fundamentsteinen ruhendes kleines Holzhaus, das zum Zweck des Verkaufes von Gebrauchtwagen errichtet wurde, die auf dem Lagerplatz abgestellt sind. Es liege daher in diesem Zusammenhang nicht eine nur nebensächliche Nutzung vor.

Überdies hätten die Kläger auch nicht vorgebracht, daß inzwischen die vereinbarte Bedingung erfüllt worden sei, daß der minderjährige Hans Jörg B***** das Grundstück jetzt selbst anderweitig benützen wolle.

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichtes von den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Leitlinien so weit entfernt, daß ein Subsumtionsirrtum von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO gegeben ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Nach dem MRG genießt nur mehr die sogenannte Raummiete Kündigungsschutz. Für Altverträge galten gemäß § 49 Abs 1 MRG die früheren Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes nur bis zum 31. Dezember 1988 weiter.

Bei einer bloßen Flächenmiete wie im vorliegenden Fall hat allerdings die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Anlehnung an F. Bydlinski (JBl 1984, 241) eine analoge Anwendung des mietrechtlichen Sonderrechtes dann angenommen, wenn die strittige Fläche zwecks Errichtung eines Superädifikates gemietet wurde.

Nicht jede Vermietung einer Grundfläche mit einem schon vorhandenen oder zumindest geplanten Gebäude ist aber als Raummiete zu behandeln.

Wenn das Gebäude nur einen ganz unbedeutenden Teil der gemieteten Fläche in Anspruch nimmt und ihm keine selbständige Funktion, sondern nur eine Hilfsfunktion zukommt, dann stellt das Gebäude nur eine Nebensache dar, die am Hauptgegenstand des Mietvertrages, nämlich an einer nicht kündigungsgeschützten Flächenmiete, nichts ändert (MietSlg. 36/38: Dusch- und Umkleideräume einer Tennis-Sportanlage; MietSlg. 39/57:

transportabler Verkaufsstand in einer offenen Kaufhauspassage; JBl 1990, 725: Rezeptions- und Gemeinschaftshütte eines großen Camping-Platzes). Nur wenn umgekehrt die vermietete Grundfläche lediglich die Nebensache ist, die schon bestehenden oder erst zu errichtenden Räumlichkeiten aber die Hauptsache darstellen, liegt Raummiete vor (SZ 57/194 und MietSlg. 36/48: Service-Station einer Tankstelle; WoBl 1990/80; Berg- und Talstationen einer Liftanlage; 3 Ob 608/89: Miete einer Fläche zur Aufstellung von Musterhäusern mit Telefonanschluß; WoBl 1991/4: Kühlraum u.a. mit teilweise offener Verkaufsfläche; vgl. auch Call und Würth zu WoBL 1991/4 und Grabenwarter in NZ 1991, 6).

Der vorliegende Fall gehört zur erstgenannten Fallgruppe. Es handelt sich um einen 284 m2 großen Autoverkaufsplatz, auf dem nur eine kleine Holzhütte steht, die nach den Feststellungen des Erstgerichtes zB als Unterschlupf bei Regen, und zwar auch zum Abschluß der Verträge dient, aber damit noch nicht einen Hauptzweck der geschäftlichen Betätigung des Mieters darstellt. Die in der Revisionsbeantwortung enthaltene Behauptung, die Verkaufshütte diene auch der Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen und überhaupt der Entfaltung der eigentlichen Geschäftstätigkeit, ist schon wegen des Neuerungsverbotes unbeachtlich, würde aber im übrigen am bloßen Nebencharakter der Hütte nichts ändern. Der vorliegende Mietvertrag unterliegt damit nicht den Kündigungsbeschränkungen des MRG. Der am Beginn des Mietverhältnisses vielleicht bestehende, in der Folge aber jedenfalls nie verwirklichte Plan der Errichtung einer "gebauten Halle" kann nach Inkrafttreten der angeführten Bestimmungen des MRG am jetzt gegebenen Charakter einer bloßen Flächenmiete nichts ändern.

Eine Verlängerung der festgelegten bestimmten Vertragsdauer bis zur Entscheidung eines Miteigentümers über eine eigene Nutzung des Grundstückes wurde nach den vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes schon mangels eines ausgedrückten Bindungswillens des Rechtsvorgängers der Kläger nicht vereinbart. Die vom Berufungsgericht hilfsweise vertretene Rechtsansicht, es sei trotz des Fehlens einer konkreten Vereinbarung schon auf Grund der erkennbar geäußerten Absichten des Vermieters von einer nach den Behauptungen der Kläger bisher nicht erfüllten Bedingung der vereinbarten Befristung des Mietvertrages auszugehen, ist verfehlt (vgl. Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 861; Apathy in Schwimann, ABGB, Rz 4 zu § 861; jeweils mwN).

Das Recht, nach Beendigung des Mietverhältnisses die Räumung des Mietgegenstandes zu begehren, ist ein Akt der ordentlichen Verwaltung (RZ 1985/10) und kann daher von den die Mehrheit der Miteigentümer repräsentierenden Klägern ohne Beteiligung des Minderjährigen Hans Jörg B***** ausgeübt werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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