OGH 7Ob2029/96z

OGH7Ob2029/96z13.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika O*****, vertreten durch Dr.Werner Masser ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Eleonore K*****vertreten durch Dr.Peter P*****, als Verlassenschaftskurator, und den Nebenintervenienten seitens der beklagten Partei Dr.Wolfgang K*****, vertreten durch Dr.Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31.August 1995, GZ 40 R 414/95-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.Februar 1995, GZ 44 C 159/93-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin kündigte der beklagten Verlassenschaft die Wohnung im Haus 1030 Wien, ***** zum 31.5.1993 aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs.2 Z 5 MRG gerichtlich auf, weil keine eintrittsberechtigten Personen vorhanden seien.

Die beklagte Verlassenschaft und der auf ihrer Seite als Nebenintervenient beigetretene Sohn der Verstorbenen wendeten ein, daß die Wohnung nach dem Ableben der Eleonore K***** dem dringenden Wohnbedürfnis des Nebenintervenienten gedient habe und daß der Kündigungstermin verfehlt sei. Der Nebenintervenient behauptete überdies, schon vor dem Tod seiner Mutter Mitmieter gewesen zu sein, sodaß er nunmehr alleiniger Mieter der aufgekündigten Wohnung sei. Die beklagte Verlassenschaft bestritt zudem die Aktivlegitimation der Klägerin.

Die Klägerin hielt letzterem Einwand entgegen, daß sie aufgrund der Ergebnisse der Verlassenschaftsverfahren 14 A 431/79 und 18 A 689/79 je des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz Erbin hinsichtlich des Hauses sei und legte zum Nachweis ihrer Aktivlegitimation einen Grundbuchsauszug betreffend die Liegenschaft EZ 803 KG L*****, die Einantwortungsurkunden des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 6.7.1990 mit dem AZ 14 A 431/79 (Verlassenschaft nach Paula Maria K*****) und vom 6.11.1984 mit dem AZ 18 A 689/79 (Verlassenschaft nach Norbert O*****) sowie eine Amtsbestätigung des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 30.11.1994 mit dem AZ 14 A 431/79 vor.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Ursprünglich war die am 5.7.1979 verstorbene Paula Maria K***** Eigentümerin der Liegenschaft EZ 803 KG L*****. Gesetzliche Erben nach Paula Maria K***** waren Norbert O*****, der Gatte der Klägerin, und Irmtraud R***** sowie Ingeborg K*****. Noch vor Einantwortung sind Norbert O***** und Ingeborg K***** verstorben. Der Nachlaß nach Paula Maria K***** wurde mit Einantwortungsurkunde vom 6.7.1990, 14 A 431/79 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz, zur Hälfte dem Nachlaß nach Norbert O***** und je zu einem Viertel dem Nachlaß nach Irmtraud R***** und dem Nachlaß nach Ingeborg K***** eingeantwortet. Norbert O***** war am 19.11.1979 verstorben. Der Nachlaß nach Norbert O***** wurde mit Einantwortungsurkunde vom 6.11.1984, 18 A 689/79 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz, der Klägerin zur Gänze eingeantwortet. Am 30.11.1994 stellte das Bezirksgericht für ZRS Graz zu 14 A 431/79 eine Amtsbestätigung aus, in der es bestätigte, daß im Grundbuch des Bezirksgerichtes Wien-Innere Stadt in der EZ 803 KG L***** die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Erika O***** vorgenommen werden könne.

Paula Maria K***** vermietete die Wohnung im Jahr 1949 an Ing.Walter K***** und Anna Maria M*****. Ing.Walter K***** war der Vater des Nebenintervenienten. Anna Maria M***** war die Mutter der Eleonore K*****, also die Großmutter des Nebenintervenienten. Zu Beginn des Mietverhältnisses zogen die Eltern, die Großmutter und der Nebenintervenient in die Wohnung ein. 1978 verstarb Anna Maria M*****.

Im Jahr 1976 begann der Nebenintervenient, in M***** ein Haus zu bauen, das ab 1978 oder 1979 zumindest teilweise bewohnbar war und in dem der Nebenintervenient damals schon fallweise übernachtete. Ab Sommer 1983 wohnte er in diesem Haus. 1985 zog Maria K***** zu ihm, die er 1987 heiratete. Bis Herbst 1988 wohnte er ausschließlich in M*****. Nach einem Streit mit seiner Ehefrau zog er 1988 nach Wien zu seinen Eltern und kam dann nur fallweise in sein Haus nach M*****. Er plante, im Sommer 1989 und auch in den folgenden Sommermonaten sowie an den Wochenenden in M***** und die übrige Zeit in Wien zu wohnen. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes seines Vaters wohnte er aber ab Frühherbst 1988 bis zum Ableben seines Vaters im Jahr 1989 ausschließlich in Wien. Anschließend wohnte er wie geplant teils in Wien, teils in M*****.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß der Nebenintervenient bereits nach dem Tod seiner Großmutter oder zumindest nach dem Tod seines Vaters in das Hauptmietverhältnis eingetreten sei. Die Kündigung sei verfehlt, weil sie nur gegen sämtliche Hauptmieter, also nicht nur gegen die Verlassenschaft, sondern auch gegen den Nebenintervenienten einzubringen gewesen wäre. Außerdem habe der Nebenintervenient im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter gelebt und sei daher auch deshalb eintrittsberechtigt. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei allerdings zu bejahen, weil bereits die Einantwortungsurkunde zur Einbringung der Kündigung berechtige, auch wenn das Eigentum noch nicht verbüchert sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO nicht zulässig sei. Der Nebenintervenient habe zwar schon im Zeitpunkt des Todes seiner Großmutter kein dringendes Wohnbedürfnis an der aufgekündigten Wohnung gehabt. Es wäre Sache der beklagten Verlassenschaft gewesen, darzutun, ob und aus welchem Grund das schon damals unmittelbar vor der Fertigstellung stehende Haus nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Nebenintervenienten geeignet gewesen sei. Nach dem Tod seines Vaters und seiner Mutter sei ihm das Haus jedenfalls zur Verfügung gestanden, sodaß ein Eintritt in das Mietverhältnis zu verneinen sei. Dennoch müsse der Aufkündigung ein Erfolg versagt werden. Zur Aufkündigung von Mietverträgen sei bei Miteigentum nur die Mehrheit legitimiert; Hälfteeigentum reiche nicht aus. Im Zeitpunkt der Aufkündigung sei der Nachlaß nach Paula Maria K***** bücherlicher Eigentümer der Liegenschaft gewesen. Dieser sei dem Nachlaß nach Norbert O***** nur zur Hälfte eingeantwortet worden, sodaß die Klägerin aufgrund der Einantwortung des Nachlasses nach Norbert O***** an sie nur Hälfteeigentümerin geworden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

Es ist zwar richtig, daß der Hälfteeigentümer zur Aufkündigung von Mietverträgen nicht legitimiert ist, weil hiezu die Mehrheit der Miteigentümer oder zumindest der Nachweis deren Einverständnisses durch den Minderheits- oder Hälfteeigentümer erforderlich ist (MietSlg 37.039; SZ 43/157 ua). Das Gericht zweiter Instanz läßt jedoch die Feststellung des Erstgerichtes außer acht, daß der Klägerin am 30.11.1994 eine Amtsbestätigung erteilt wurde, daß sie als Eigentümerin der Liegenschaft einverleibt werden könne, und es übergeht das zumindest sinngemäß erstattete Vorbringen der Klägerin, sie sei aufgrund der Ergebnisse der beim Bezirksgericht für ZRS Graz geführten Verlassenschaftsverfahren Alleineigentümerin der Liegenschaft geworden und damit zur Aufkündigung legitimiert.

Im Hinblick auf dieses Vorbringen ist zunächst auf den Widerspruch der Beilage C zu den Beilagen B und D hinzuweisen. Während sich aus der Einantwortungsurkunde vom 6.7.1990, 14 A 431/79 (Beilage B) ergibt, daß der Nachlaß nach Paula Maria K***** zur Hälfte dem Nachlaß nach Norbert O***** eingeantwortet wurde, ordnet die Einantwortungsurkunde vom 6.11.1984, 18 A 689/79 (Beilage C) an, daß der Nachlaß nach Norbert Josef O***** der Klägerin zur Gänze eingeantwortet werde und zugleich im Grundbuch einzutragen sei, daß das Eigentumsrecht an der Liegenschaft EZ 803 KG L***** (ohne Beschränkung auf die Hälfte!) für die Klägerin vorzunehmen sei. Es ist nach dem Akteninhalt nicht nachzuvollziehen, ob letztere Einantwortungsurkunde (Beilage C) in Rechtskraft erwuchs. Es ist dies eher nicht anzunehmen, weil ansonsten die Amtsbestätigung vom 30.11.1994, 14 A 431/79 (Beilage D), überflüssig wäre. Diese Amtsbestätigung läßt darauf schließen, daß die andere Hälfte, die der Klägerin offenbar nach ihrem verstorbenen Ehemann nicht zukam, der Klägerin aufgrund eines Vermächtnisses der Paula Maria K***** oder aufgrund einer während der Abhandlung nach Paula Maria K***** an sie erfolgten Veräußerung (im Rahmen eines Erbenübereinkommens) zugekommen ist (vgl. § 178 AußStrG).

Zur Frage, ob der außerbücherliche Erwerber einer Liegenschaft zur Aufkündigung legitimiert ist, hat der Oberste Gerichtshof jüngst wieder in seiner Entscheidung 3 Ob 507/95 Stellung genommen und hierin ausgeführt:

"Es ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, daß auch Gestaltungsrechte, sofern sie nicht höchstpersönliche Rechte sind, Gegenstand einer Zession sein können (vgl SZ 61/238 = JBl 1991, 241; EvBl 1980/140; P. Bydlinski, Übertragung von Gestaltungsrechten [1986] 25; Ertl in Rummel2 Rz 5 zu § 1393; Koziol/Welser I9 291). Ob eine Einschränkung zu machen ist, wenn das Gestaltungsrecht selbständig, also unabhängig von dem Recht, auf das es Bezug hat, abgetreten werden soll (vgl SZ 61/238 = JBl 1989, 241, P. Bydlinski aaO 32 ff; Ertl aaO), ist hier nicht zu entscheiden, weil dieser Fall nicht vorliegt. Vom (redlichen) Besitzer ist mangels einer gegenteiligen Vereinbarung anzunehmen, daß er Anspruch auf die Früchte der Sache hat (vgl § 330 ABGB). Wird im Zusammenhang mit der Veräußerung einer verbücherten Liegenschaft, die in Bestand gegeben wurde oder auf der sich in Bestand gegebene Objekte befinden, dem Erwerber der Besitz an der Liegenschaft schon vor der Eintragung im Grundbuch übertragen, so ist daher mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aufgrund der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Vereinbarung davon auszugehen, daß der Veräußerer dem Erwerber seine Forderung auf Bezahlung des Bestandzinses abgetreten hat (vgl auch ecolex 1994, 226 und JUS Z 1994/1615). Da in dem dargestellten Verhalten des Veräußerers aber auch zum Ausdruck kommt, daß er an der Geltendmachung von Rechten, die ihm aufgrund seiner Stellung als Vermieter zustehen, und damit auch an der Geltendmachung von Gestaltungsrechten kein Interesse mehr hat, kann es bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise nur dahin verstanden werden, daß er schlüssig seine gesamten Rechte als Vermieter an den Erwerber abgetreten hat. Dies bedeutet noch keine Vertragübernahme, für die nach der zutreffenden herrschenden Ansicht (JBl 1984, 439 uva; Apathy in Schwimann, ABGB Rz 5 zu § 859; P. Bydlinksi aaO 181; Koziol/Welser I9 304; Rummel, Würth und Ertl in Rummel2 Rz 34 zu § 859, Rz 14 zu § 1098 und Rz 2 zu § 1406) die Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners notwendig wäre. Sie läge nämlich nur und erst vor, wenn der Erwerber vollständig in die Rechtsstellung des Veräußerers und damit auch in die diesen treffenden Pflichten eintreten sollte. Nur hiefür kann daher die Zustimmung des Bestandnehmers gefordert werden. Da für die Abtretung von Rechten hingegen die Zustimmung des Schuldners nicht notwendig ist (ÖBA 1990, 55; RZ 1965, 126; Ertl aaO Rz 1 zu § 1395; Honsell in Schwimann Rz 1 zu § 1395; Koziol/Welser aaO 293), gilt dies nicht, wenn der Vermieter die ihm aus dem Bestandverhältnis zustehenden Rechte ausdrücklich oder schlüssig dem Erwerber der Liegenschaft abtritt. Diese Abtretung ist unabhängig davon wirksam, ob der Bestandnehmer ihr zugestimmt hat. Zu diesem Ergebnis ist der Oberste Gerichtshof schon in Entscheidungen Miet

38.218 und 5 Ob 82/92 gekommen. Soweit nach den Entscheidungen Miet 37.194, 35.238, 30.237, 24.180 die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erwerbers oder sonst die Zustimmung des Bestandnehmers verlangt wird, kann ihnen für den Fall nicht gefolgt werden, daß aufgrund der zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber getroffenen Vereinbarung eine Abtretung der dem Vermieter aus dem Bestandvertrag zustehenden Rechte anzunehmen ist."

Aus diesen Ausführungen, denen sich der erkennende Senat anschließt, ergibt sich, daß für die Sachlegitimation der Klägerin entscheidend ist, ob und wann (vgl. SZ 43/157) ihr (sei es als Legatarin oder aufgrund eines Erbenübereinkommens) der Besitz an der Liegenschaft und allenfalls auch die Nutzung übertragen wurde. Dies läßt sich den bisherigen Feststellungen nicht entnehmen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die aufgezeigten Fragen mit den Parteien zu erörtern und hiezu entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Da die hievon zu trennende Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs.2 Z 5 MRG mangels eines dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten schon im Zeitpunkt des Todes seiner Großmutter und auch des Todes seines Vaters und seiner Mutter gegeben sei, nicht bekämpft wurde, war auf diese Frage nicht weiter einzugehen. Die Vorinstanzen werden sich im fortgesetzten Verfahren auf die Prüfung der Sachlegitimation der Klägerin im aufgezeigten Sinn zu beschränken haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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